Hans Sachs, Schuster und Poet - Lortzings unbekanntes Meisterwerk

  • Nur wenig bekannt, dass Albert Lortzing im Jahre 1840 einen „Hans Sachs“ komponiert hat, den man als Vorläufer der Wagner-Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“, die etwa dreißig Jahre später das Licht der Welt erblickte, bezeichnen kann. Sie erzählt die stürmische Geschichte der Jugendzeit des Hans Sachs, sein Werben um die edle Kunigunde. Er setzt sich in Opposition zum Ratsherrn Eoban Hesse, der des Bürgermeisters Töchterlein für sich beansprucht. Beim Meistersingen erkennen die Bürger den Schuster und Poeten Hans Sachs als Sieger an, aber der Schiedsrichter, es ist Bürgermeister Steffen, gibt dem Augsburger den Lorbeer und die Tochter. Es kommt sogar soweit, dass Hans Sachs aus seiner Vaterstadt verbannt wird. Sein Lehrling Görg hält wacker zu ihm. Kaiser Maximilian, dem die Gedichte Sachsens gefallen, stellt das Glück wieder her, Eoban wird zum Teufel gejagt und Hans bekommt seine heißgeliebte Kunigunde. Ausführliche Beschreibung im Tamino-Opernführer.


    Das Libretto, mehrere Köche, auch Lortzing selbst, sind daran beteiligt, ist ganz vorzüglich und Kommt ohne Klamauk aus. Hans Sachs hat gleich zu Beginn seinen großen Monolog „Wo bist du Sachs? Hat Dich ein Traum umfangen?“ Seinem Gegenspieler Eoban gehört das Preislied vom Absalom mit den langen Haaren. Kunigunde und Kordula stehen zu einander wie Agathe und Ännchen und der Lehrling Görg besingt die Schusterzunft mit fröhlichem „Juchhe“. Der Tanz der Lehrbuben darf natürlich nicht fehlen. Kaiser Maximilian bleibt stumm, ihn verschlägt es die Sprache wegen der wundervollen Inszenierung von den Städtischen Bühnen in Osnabrück.


    Es handelt sich um eine Produktion aus dem Jahre 2001. Das Stück ist durchweg mit vorzüglichen Charakterdarstellern besetzt. Till Drömann dirigiert sein Orchester mit Feingefühl für Lortzings dezenten Humor. Das Textbuch bringt nicht die gesprochenen Dialoge, zeigt dafür aber eine Fülle von Fotos aus der Inszenierung. Das Bühnenbild ist nicht Überladen auch nicht zwingend modern. Zu Beginn ist eine äußerst geräumige Schusterstube zu sehen, denn Meister Sachs beschäftigt reichlich Personal, die den armen Görg, „den faulen Strunk“, regelmäßig vertrimmen. Die Werkbänke stehen auf Puzzle-Teilchen aus einer alten Deutschlandkarte.


    Herzlichen Glückwunsch den Osnabrückern für ihre Pionierleistung, die Oper ins Repertoire und ins Bewusstsein gebracht zu haben.


    Engelbert


    Leider kein Bildchen, In der Besetzungsliste steht Milanov, gemeint ist nicht die Zinka, sondern Michail Milanov, der den Bürgermeister singt. Die Aufmachung des Büchleins ist sehr ansprechend. Die Schachtel ist etwas größer als eine Rittersport-Schokolade.

  • Hallo,


    Wie der Zufall so spiel, erwarb ich vor einigen Tagen eine Aufnahme dieses Werks, allerdings jene aus dem Jahre 1950 mit Karl Schmitt-Walter in der Hauptrolle. Erschienen ist die Aufnahme auf Walhall eternity Series. Die Klangqualität ist gemessen an der Zeit hervorragen, interessant ist der schauspielerisch perfekte Vortrag der Zwischentexte. Hier sieht man, wie die Sprachkultur sich in den letzten 50 Jahren gewandelt hat.


    Dennoch- ich habe den Eindruck, daß es sich hier nur um eine sehr gekürzte Version des Werkes handelt. Die Cds haben eine Spieldauer von 46 bzw 42 Minuten.
    Der Einstieg ist IMO ziemlich abrupt, die Aufnahme beginnt mit dem Abschied des jungen Sachs von seiner geliebten Kunigunde ("Verlassen mich? O scherze doch so grausam nicht")
    (Gegen Ende der Arie meine ich an Beethovens "Oh Namenlose Freude" erinnert zu werden.


    Kommen wir zur Musik.
    Lortzing, ein IMO heutzutage weit unterschätzter Komponist hat eine Menge unbekannter Werke hinterlassen. Alle mir davon bekannten haben eines gemeinsam: Sie haben wunderschöne Musik zu bieten. Unüberhörbar der "Volkston", der heute als nicht mehr "modern" gesehen wird, damals aber durchaus am Puls der Zeit war. Ich werde im Laufe der Zeit mich mit dieser Gattung Oper hier sehr im Forum befassen, weil sie mir sehr am Herzen liegt.
    Webers Freischütz mögern sich jene vor augen halten, die noch nie Musik von Lotzing gehört haben, jedoch fehlt bei Lortzing das dunkle, bedrohliche. Mir ist völlig unverständlich, warum solch herzerfrischene Werke vom Spielplan verschwunden sind. Neben vielen anderen Vorzügen, legen sie unter anderem auch die Sicht des 19. Jahrhunderts auf vergangene Zeiten frei. Lortinz hat, wie auch Wagner, seine Libretti üblicherweise selbst verfasst, und wo er es nicht tat, sehr großen Einfluß darauf genommen.


    Mich würde interessieren wie die oben angesprochen Live-Aufnahme aus dem Jahre 2000 klanglich ist, bei Mitschnitten bin ich immer skeptisch.


    Jedenfalls freue ich mich sehr, daß ich nicht der einzige Bewunderer Lortzings in diesem Forum zu sein scheine.


    Hier ein weiterer Thread zur "Deutschen Oper"


    Betrachtungen über die deutsche Oper


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Hallo Alfred,


    Der "Hans Sachs" ist keine Kurzoper. Inklusiv einer halben Stunde Pause würde man drei Stunden im Theater sitzen. "Ars Produktion" hat den Sachs auf zwei CDs von 74 und 72 Minuten Dauer eingespielt.


    "Verlassen mich, o scherze doch so grausam nicht" ist die Nummer 12 und haut mitten in den zweiten Akt hinein. Daraus zu schließen, ist die von Dir erwähnte historische Einspielung nur ein Fragment.


    Die Neueinspielung aus Osnabrück kannst Du bedenkenlos nehmen, zumal es keine Alternative gibt. Die gesprochenen Dialoge sind ganz vorzüglich. Gesanglich wird hohes Niveau geboten. Die Kunigunde wäre die Partie für Gundula Janowitz gewesen, dafür sind wir mit Fischer-Dieskau und Schreier verschont geblieben.


    Zu Beginn der Ouvertüre merkt man, dass es ein Live-Mitschnitt ist, aber der Toningenieur hat sich dann schnell eingepegelt. Es gibt viel Bühnenathmosphäre.


    Der Lortzing-Sachs hat es deshalb so schwer, weil Richard Wagner mit seinen "Meistersingern" ihm den ganzen Sauerstoff genommen hat. Die musikgeschichtliche Paralelle hast du mit dem Rossini-Barbier und der Paisiello-Oper.


    Der Hans Sachs bei Lortzing ist ganz anders angelegt. Sachs läuft als schmachtender Liebhaber auf Freiersfüßen und hat Erfolg. Er ist zart beseitet, sehr schnell beleidigt und lebt in der ständigen Befürchtung, dass sein Schusterhandwerk nicht die gebührende Beachtung findet und fühlt sich gesellschaftlich diskredidiert.


    "Das Bedrohliche" bei Lortzing findet sich in der "Undine" weniger in der "Regina". Zur Letzteren gibt es auch eine Einspielung bei Walhalla. Es ist nicht alles "Gartenlaube" in der deutschen Romantik. Die Nacht und das Dunkle sind eines ihrer wesentlichen Elemente.


    Was den "Ali Pascha von Janina" anbelangt, warte ich dringend auf eine Neueinspielung. Es besteht ein besonderer Bezug, weil ich in Ioannina war, und der Spur seines wüsten Lebens nachgegangen bin. Eigentliches Ziel der Reise war natürlich Meteora. Der Albaner, mit Lord Byron befreundet, hat die Griechen vom Türkenjoch befreit, weswegen die Griechen heute noch peinlich berührt sind. Der abgeschlagene Kopf wurde gegen Bakschisch zunächst bei den Opfern herumgereicht. Dann fein hergerichtet, der lange weiße Bart schön gekämmt, auf einem goldenen Tablett dem Sultan und seinen Gästen präsentiert. Ali Pascha war zu eigenmächtig geworden und hatte sich mit der "Hohen Pforte" überworfen. Wie Lortzing es nun angestellt hat, aus dem Bösewicht der Weltgeschichte ein Singspiel zu fabrizieren, ist mir ein völliges Rätsel.



    Dank noch für den Hinweis auf den Thread zu den Betrachtungen zur deutschen Oper. Ich melde mich an diesem Platz so bald sich Zeit habe.


    Im Moment nimmt mich Esclarmonde voll gefangen.


    Alles Gute aus Hamburg-Bergedorf, wo Joh. Adolf Hasse geboren ist.
    Engelbert

  • Als eifriger Anhänger der Opern von Albert Lortzing bin ich ständig auf der Suche nach neuen Aufnahmen!


    Ich habe diesen alten Thread ausgegraben, um eine alte Ausgrabung hier vorzustellen: Eine Aufnahme von den Internationalen Jugend-Festspielen in Bayreuth 1983 der Oper "Hans Sachs" von Lortzing in der Mannheimer Fassung von 1845:


    HANS SACHS
    Komische Oper in 3 Akten
    Libretto von Philip Reger und dem Komponisten unter Mitarbeit von Philip Jakob Düringer
    Uraufführung: 23. Juni 1840 in Leipzig
    Mannheimer Fassung - UA 25. Mai 1845 ebenda


    Zeit der Handlung: Nürnberg 1517 (nach einer wahren Begebenheit)


    Die Darsteller:


    Kaiser Max I. ................. Benno Schollum, Bariton
    Steffen, Goldschmied .......Hans J.Straub, Bariton
    Kunigunde, s.Tochter.......Gabriele Maria Ronge, Sopran
    Kordula, s. Nichte .......... Liliane Zuercher, Sopran
    Hans Sachs, Schuster ........Rainer Weiß, Bass-Bariton
    Görg, Lehrbursche .......... Karl-Fred Elsner, Tenor
    u.v.a.
    Chor und Orchester des Internationalen Jugend-Festspieltreffens
    Bayreuth 1983
    Chorleiter: Dietrich Gerheide
    Dirigent: Erich Wagenlechner


    Kleine Anmerkung am Rande: Unter den Sängern der Schustergesellen war auch ein junger Nachwuchs-Bariton namens Falk Struckmann!


    Eine schöne Bereicherung für meine Lortzing-Discographie!


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)


  • Was mich an dieser Aufnahme wundert, sind v. a. die Rezensionen bei Amazon:


    Zitat


    Provinz pur. Unglaublich schlechte Sänger. Amateurleistung von dem "Dirigent". Das einzige was nicht ganz so schlecht ist, ist der Männerchor am Anfang dieser gottweißwarum ausgegrabene tote Oper. Müll, kein Mensch braucht sowas kaufen.


    Zitat


    Die schlechteste Opernaufnahme aller Zeiten! Wenn man sich sowas anhört, kommt stets die Frage: WIE kommt das, daß solche "Musiker", sprich "Sänger" und "Dirigenten" Engagements an den deutschen Theatern bekommen!? Niveau weit unter 0!!! Sind die Intendanten und auch das Publikum taub geworden!? Und sowas erscheint auch auf dem Markt! Der Produzent ist wahrscheinlich auch taub gewesen! Mir fehlen die Worte es zu beschreiben, wie empört ich war, als ich diese Aufnahme gehört habe! Und für soviel Geld! Es ist keinen Cent Wert-Schande.Unverschämt!


    Frage daher: Ist diese Aufnahme wirklich so schlecht - oder ist das völlig übertrieben?

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Zunächst teile ich keineswegs die Einstellung: "gottweißwarum ausgegrabene tote Oper"


    Das Werk ist klangschöner Lortzing pur.
    Ich kenne lediglich eine Alternativaufnahme, die noch dazu unkomplett ist und ausserdem stark bearbeitet wurde. Nimmt man jedoch deren Sänger (es handelt sich um eine "Durchschnittsaufnahme aus den 40er Jahren) als Maßstab, dann kann ich mit den restlichen Beurteilungen - durchaus konform gehen. Es handelt sich mehrheitlich um schwache, unschöbne Stimmen, teilweise mit intolerablem Ostblockkzent- was einer deutschen Spieloper nun mal nicht guttut.


    Das mag umso mehr ins Auge (Ohr) fallen als die alte - bearbeitete - ja vielleicht sogar verstümmelte Fassung - in Sachen "gesprochene Dialoge" geradezu schulbuchhaft optimal ist. Deutsche Sprache wie man sie heutzutage nicht mehr hört.
    Aber auch die gesungenen Teile sind haushoch überlegen deutsche Spieloper pur. Allerdings ist die alte Aufnahme unkomplett- man hat den Eindruck - es gäbe einen willkürlichen Einstieg ins Werk - bzw es wären nur mehr einige Musik, bzw Sprachnummern erhalten geblieben, welche man willkürlich zusammengeschnitten hat.
    Dennoch war das Ergebnis so, daß ich nach einer kompletten Fassung das Verlangen hatte. (siehe mein Eingangsthread) Die weiter oben beschrieben Fassung unter Till Drömann - ich besitze sie inzwischen - wal die einzige Möglichkeit das Werk in seiner kompletten - unbearbeiteten - Fassung zu hören. Dennoch: Eine herbe Enttäuschung...
    Soweit ich weiß, ist eine Warnung vor dieser Aufnahme nicht mehr notwendig - sie wurde bereits gestrichen...


    mfg aus Wien


    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....




  • Die (ur)alte und sehr preisgünstige Aufnahme des Fränkischen Landesorchesters unter Max Loy von 1950 kann man durchaus empfehlen. Die Sänger sind allesamt gut bis überragend (v. a. Karl Schmitt-Walter in der Titelrolle). Eine sehr kurzweilige Angelegenheit jedenfalls, wie auch der "Waffenschmied" von Lortzing. Die (sehr schöne) Ouvertüre erinnert mich ein wenig an Wagners "Feen". Zumal es ohnehin nur eine Alternative gibt, die aber sängerisch schwach zu sein scheint, kann man ohne schlechtes Gewissen eine Empfehlung für diese Aufnahme aussprechen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hallo,

    das Stück gibt es jetzt auch in der Leipziger Musikalischen Kömödie zu sehen. Ich war am Samstag in der Premiere, die das Stück denn auch in . etwas angereicherter Form wiedergibt. Das Wacht-auf-Gedicht wird rezitiert und ein Stück Wagner hat man auch hineingeschmuggelt, aber insgesamt ein unterhaltsamer Abend. Nicht Lortzings bestes Stück, aber die beiden Arien des Titelhelden sollte man sich ruhig mal anhören. Wer nach Leipzig kommt, es lohnt sich.

    Schöne Grüße

    wega

  • Das Biedemeierlich-Lorzingsche Werk ist durchaus schön - wer sowas mag (Ich mag es)

    In Beitrag Nr 6 vor etlichen Jahren hab ich bereits über die Aufnahme unter Till Dröman geschimpft (siehe oben)

    Lustigerweise schrieb FonoForum da was von einer überzeugenden Ensembleleistung - ist mir völlig unverständlich !!!

    Dilletantisch und amateurhaft mit unzureichenden Stimmen.

    jpc hat eine weise Entscheidung getroffen, hier keine Tonbeispiele zu veröffentlichen

    Allerdings hatte der kauf dieser Aufnahme damals auch sein gutes Ich konnte daher feststellen, daß die Aufnahme von 1950 einfach UNKOMPLETT ist.

    Nein - nicht wie ich dereinst schrie: gekürzt, sondern scheinbar ist eine der Tonbanspulen von damals verloren gegangen oder überseher oder sonst wars

    Ich erinnere mich nicht mehr genau: Entweder es fehlt das ende des ersten Aktes, oder der Beginn des zweiten:(vielleich abe DOC ABSICHTLICH weggelassen ?)

    Ich hab mir jetzt beide Aufnahem reausgekramt: die Drömann Aufnahme ist auf 2 CDs mit ja 72 Minuten Spielauer, bei jener unter Max Loy dauert CD 1 ca 42 Minuten, CD 2 ca 46 Minuten !! Das ist ein Unterschied von einer knappen Stunde !!!

    Nommt man die Loy Aufnahme aber als "Querschnitt" und verzichtet darauf das Werk komplett zu kennen, so ist man gut beraten, denn die Aufnahme ist für das Aufnahmedatum überraschend gut, mit kaum Rauschen und tadellosen S Lauten in den Stimmen - klangfarbentreu - edles MONO.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....