Stellenwert der "Klassischen Musik" und Opern in der Jugend und Gesellschaft

  • Es hatte stets gute Gründe, warum man in der Vergangenheit Kindern und Jugendlichen einen geringen Stellenwert in der Gesellschaft einräumte.

    Dieser Personengruppe fehl üblicherweise der "Bildungshintergrund" und die "Erfahrung"

    Wie soll jemand eine Inszenierung eines Werkes beurteilen, der es nur in dieser Inszenierung kennt - weder von der Existenz einer Originalfassung noch von den historischen Hintergründen weiß. Ich persönlich mag Kinder und Jugendliche nur in Ausnahmefällen, dann nämlich wenn sie durch Talent und Wissensdursrt ein Bildungsniveau erreicht haben, wo es sich lohnt mit ihnen zu reden.Die meisten aber handeln unüberlegt -können Schaden und Nutzen nicht unterscheiden und gesellschaftliche Normen nicht einhalten.

    Da, lieber Alfred, beißt sich die Katze m.E. in den Schwanz: Wenn ich entscheide, Kindern einen geringen Stellenwert einzuräumen, sieht es mit (Persönlichkeits-)Bildung schlecht aus. Ich verstehe auch nicht, was daran schlimm sein soll, dass Kinder noch keine Vergleichsmöglichkeiten haben - die entstehen natürlich erst, wenn sie z.B. an Oper und Theater herangeführt werden, wenn ihnen Möglichkeiten der Geschmacksbildung geboten und zugestanden werden.

    Mein Credo: Es lohnt sich, unbedingt und früh und viel mit Kindern zu reden und ihnen vielfältige Anregungen zu bieten, weil sie genau dadurch immer mehr an der Welt in ihren unterschiedlichen Lebensbereichen teilhaben können, sich bilden, etwas über unserer Gesellschaft lernen, Urteilsvermögen entwickeln usw.

    Neulich habe ich irgendwo gelesen, dass Kinder je dümmer sind desto weniger Eltern mit ihnen reden.

    Das mit dem Hören von Klassik kommt tendenziell vielleicht wirklich erst mit der Zeit über das eigene praktische Tun. Ich kann mich da selbst als Beispiel anführen. Kinder leben ja in der Regel in eine Welt hinein, in der Klassik eine nicht allzu gegenwärtige "Sparte" ist. Natürlich hören die erstmal das, was sie zu großen Teilen umgibt. War bei mir auch so. Und wenn dann aber der Spaß daran aufkommt, in der Bläserklasse einer Schule Klarinette zu lernen, vielleicht dann ins Schulorchester zu wechseln, mit Lehrern auch mal eine Aufführung zu besuchen, sich bei kleinen Konzerten selbst (möglichst erfolgreich) zu produzieren - dann ist es m.E. deutlich wahrscheinlicher, dass Klassik in das "Hör-Spektrum" aufgenommen wird, als wenn dies alles nicht erfolgt.


    Luxus allerdings ist Klassik für meine Begriffe nicht, ich betrachte Kultur insgesamt und grundsätzlich als gesellschaftliche Notwendigkeit im Sinne einer Grundausstattung des Lebens und sehe gerade Kindern gegenüber auch die Pflicht, sie zu vermitteln. Gleichwohl ist mir auch klar: Zum "Klassikhörer" wird man nicht so wahnsinnig leicht, wenn man nicht in dafür relativ günstige Voraussetzungen hineingeboren wird. Und das MUSS in der Tat auch nicht unbedingt sein, dass man dazu wird. Es soll lohnenswertes Leben auch ohne Klassik geben.

  • Ich persönlich mag Kinder und Jugendliche nur in Ausnahmefällen, dann nämlich wenn sie durch Talent und Wissensdursrt ein Bildungsniveau erreicht haben, wo es sich lohnt mit ihnen zu reden.Die meisten aber handeln unüberlegt -können Schaden und Nutzen nicht unterscheiden und gesellschaftliche Normen nicht einhalten.

    Ich finde diese Haltung, sagen wir ,schade. Wir waren alle mal klein, der eine wurde früher klug, viele etwas später, manche noch viel später und einige gar nicht. Es "lohnt" sich immer mit Kindern zu reden und vieles andere mehr. Ich will an dieser Stelle nicht weiter ausführen, weil jedem hier eigentlich klar sein dürfte, warum und wie ich das meine.

    >>So it is written, and so it shall be done.<<

  • Lieber Gerhard, deine Bemerkung zu "Carmen" rennt offene Türen bei mir ein: Natürlich verträgt ihre Inszenierung eine Verschiebung des zeitlichen Settings. Und insofern stehe ich diesbezüglichen Grundsatzdiskussionen schlicht höchst befremdet gegenüber.

    Zu deinen weiteren Ausführungen: Meine Erfahrung ist ebenfalls, dass man sich bei "Anfängern" geschickter oder auch ungeschickter anstellen kann - obwohl natürlich jeder individuell anders hört. Aber wenn mal unser Nachbarsjunge zu mir kommen sollte und sagen würde: "Spiel mir mal was Klassisches vor!", dann würde ich eher "Aus der neuen Welt" abspielen als den "Leiermann".

    Für mich ist es auch ganz normal, dass man etwas von dem weitergibt, was einen selbst interessiert und vor allem fasziniert. Das macht die Reitstallbesitzerin bei ihren Kindern ebenso wie die Klassikliebhaberin oder der klassische "Fußball-Papa". Warum sollte man nicht genau das vermitteln, was sich einem als Wert selbst erschlossen hat und von dem man dann eben auch begeisterte und vielleicht deswegen spannende Mitteilung machen kann. Insofern muss ich auch nicht erst groß den Wert der Klassik "an sich" begründen, um mein "pädagogisches" Engagement z.B. bei meinen Kindern zu rechtfertigen.

  • Es hatte stets gute Gründe, warum man in der Vergangenheit Kindern und Jugendlichen einen geringen Stellenwert in der Gesellschaft einräumte.

    Wenn ich entscheide, Kindern einen geringen Stellenwert einzuräumen, sieht es mit (Persönlichkeits-)Bildung schlecht aus.

    Sehr richtig! Vor allem mit der eigenen ...

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Sehr richtig! Vor allem mit der eigenen ...

    Angemessen und vielleicht einer ehrenwerten Selbstreflektion folgend, finde ich es allerdings, wenn jemand, der Kindern einen geringen Stellenwert beimisst, keine eigenen Kinder in die Welt setzt oder sich z.B. beruflich mit ihnen beschäftigt.

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  • Wenn ich ein Buch eines Autors lese, dann möchte ich das so lesen wie es der Autor geschrieben haben,

    Eine Oper ist kein Buch.

    Es gibt eine Tendenz - das Wertesystem aller Zeiten an die "Gegenwart" anzupassen und alles Vergangene der Vergessenheit preiszugeben.

    Das "Mittelmaß" unserer Zeit (und hier schmeichle ich - entgegen meinen sonstigen Gepflogenheiten - sogar) wird zum Maßstab aller Dinge erhoben, der historische Faktor verdrängt, weil er so schonungslos aufzeigt, dass es heute eigentlich nichts geschaffen wird, das den Begriff "Kunst" oder "Kultur" in irgendeiner Weise verdient.

    Dieser wichtige Gedanke ist durchaus nachvollziehbar.
    Wenn man sich die NYC-Carmen in der Inszenierung von Brian Large vergegenwärtigt, dann bildet die szenische Umsetzung von Nr. 12 (Akt 2) lediglich eine von Regie-„Gutmenschen“ gereinigte Realisation, weil diese die Schärfe darin durch öde Choreographie plättet bzw. abbügelt. Denn die Choreographie erinnert unweigerlich an langweiliges, harmloses TV-Ballett und dient damit das „Mittelmaß“ einer Zeit zum Standard zu erheben.


    Jugendlichen sollte größere Auffassungabe zugetraut und daher ästhetisch stärker gefordert werden.

  • Angemessen und vielleicht einer ehrenwerten Selbstreflektion folgend, finde ich es allerdings, wenn jemand, der Kindern einen geringen Stellenwert beimisst, keine eigenen Kinder in die Welt setzt oder sich z.B. beruflich mit ihnen beschäftigt.

    Ohne Frage! - Ich, der ich selber zwei Kinder habe, finde es auch vollkommen in Ordnung (und sogar nachvollziehbar), wenn jemand mit Kindern nichts anfangen kann, sie nicht mag, sich in ihrer Gesellschaft unwohl fühlt etc. pp. - Sogar ich selber würde mich trotz meiner beiden Kinder nicht als unbedingten Kinderfreund bezeichnen.


    Jedoch ganz allgemein Kindern einen lediglich geringen gesellschaftlichen Stellenwert einzuräumen zeigt für mich, dass hier grundsätzliche gesellschaftliche Prinzipien bzw. die Funktionsweise unserer Gesellschaft einfach nicht verstanden worden sind.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Eine Oper ist kein Buch.

    Dieser wichtige Gedanke ist durchaus nachvollziehbar.
    Wenn man sich die NYC-Carmen in der Inszenierung von Brian Large vergegenwärtigt, dann bildet die szenische Umsetzung von Nr. 12 (Akt 2) lediglich eine von Regie-„Gutmenschen“ gereinigte Realisation, weil diese die Schärfe darin durch öde Choreographie plättet bzw. abbügelt. Denn die Choreographie erinnert unweigerlich an langweiliges, harmloses TV-Ballett und dient damit das „Mittelmaß“ einer Zeit zum Standard zu erheben.


    Jugendlichen sollte größere Auffassungabe zugetraut und daher ästhetisch stärker gefordert werden.

    Das mit dem Buch verstehe ich wahrscheinlich auch nicht ganz. Aber immerhin könnte man als Purist ja Libretto und Partitur lesen, wenn man deren theatrale Transformation grundsätzlich ablehnt.

    Diese folkloristisch geglättete "Carmen"-Sequenz entspricht auch meiner Auffassung nach der inszenatorischen Anrufung von (biederer) Mittelmäßigkeit. Dennoch: Ich hätte keine Bedenken, dass meine Kinder daran irgendwelchen Schaden nehmen könnten, und würde eine solche Aufführung durchaus mit ihnen besuchen. Klar, was die Geschmacksbildung angeht, verspräche ich mir dann mehr vom Musikalischen.

  • Meines Wissens war etwa in Deutschland (meist privater) Instrumentalunterricht (davon nicht alles, aber natürlich sehr viel "klassisch") schon lange recht stabil, ist jedenfalls nicht geschrumpft. Das ist aber natürlich einerseits sehr eng an die Eltern (deren eigene Vorlieben oder jedenfalls sozioökonomischen Status) gekoppelt und bringt daher den 70% oder so, die auf den oft erbärmlichen Musikunterricht öffentlicher Schulen angewiesen sind, relativ wenig. Andererseits korreliert Instrumentalunterricht auch nicht so stark damit, als Hörer Klassik zu bevorzugen oder Opern zu besuchen, wie man erwarten würde.


    Natürlich gibt es immer Ausnahmen und mancher mag durch Instrumentaluntericht zum (hörenden) Klassikfreund werden. Ich habe aber mehrfach schon gehört, dass selbst auf den Musikhochschulen erstaunlich viele Instrumentalisten wenig Interesse an klassischer Musik jenseits ihres Instruments haben. Also grob gesagt: Der Trompetenstudent hat häufig (oder sogar typischerweise) nahezu Null Interesse an Chopin, Skrjabins oder Schumanns Klaviermusik und auch nicht an Beethoven-Quartetten.

    Selbstverständlich haben Musik/Instrumentalstudierende mehr (passives) Klassikinteresse als der Durchschnitt. Aber eben nicht so viel, wie man erwarten könnte.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Meines Wissens war etwa in Deutschland (meist privater) Instrumentalunterricht (davon nicht alles, aber natürlich sehr viel "klassisch") schon lange recht stabil, ist jedenfalls nicht geschrumpft. Das ist aber natürlich einerseits sehr eng an die Eltern (deren eigene Vorlieben oder jedenfalls sozioökonomischen Status) gekoppelt und bringt daher den 70% oder so, die auf den oft erbärmlichen Musikunterricht öffentlicher Schulen angewiesen sind, relativ wenig. Andererseits korreliert Instrumentalunterricht auch nicht so stark damit, als Hörer Klassik zu bevorzugen oder Opern zu besuchen, wie man erwarten würde.


    Natürlich gibt es immer Ausnahmen und mancher mag durch Instrumentaluntericht zum (hörenden) Klassikfreund werden. Ich habe aber mehrfach schon gehört, dass selbst auf den Musikhochschulen erstaunlich viele Instrumentalisten wenig Interesse an klassischer Musik jenseits ihres Instruments haben. Also grob gesagt: Der Trompetenstudent hat häufig (oder sogar typischerweise) nahezu Null Interesse an Chopin, Skrjabins oder Schumanns Klaviermusik und auch nicht an Beethoven-Quartetten.

    Selbstverständlich haben Musik/Instrumentalstudierende mehr (passives) Klassikinteresse als der Durchschnitt. Aber eben nicht so viel, wie man erwarten könnte.

    Interessant: Worauf stützen sich denn deine Aussagen?

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  • Interessant: Worauf stützen sich denn deine Aussagen?

    also ich muß diese Aussage aufgrund jahrzehntelanger Beobachtung an einer Musikhochschule leider bestätigen.


    natürlich ist das besonders auffällig bei Instrumenten, die in der Kammermusik selten vertreten sind.

  • Zum ersten Absatz gibt es natürlich Statistiken. Da habe ich zwar nun keine aktuellen nachgeschlagen, meine mich aber aus ähnlichen Debatten in der Vergangenheit zu erinnern, dass sich da in den letzten Jahrzehnten nicht so viel verändert hat. Außer dass natürlich mehr Schlagzeug, E-gitarre usw. dazugekommen ist. (Nicht ganz dasselbe, aber aber auf präprofessionellem Niveau hat "Jugend musiziert" anscheinend überhaupt keine Nachwuchsprobleme). (Die 70% sind ohne Basis, es geht ja ums Prinzip, ob das nun 60 oder 85% sind, ist zweitrangig.)


    Der Rest ist eher anekdotisch. Ich habe/hatte Bekannte und Freunde mit (semi)professioneller Musikausbildung. Fast alle davon haben/hatten mehr Interesse am Musikmachen als am Musikhören. Kaum einer hatte etwa eine CD-Sammlung, die mit meiner vergleichbar gewesen wäre oder ist gar Operninszenierungen hinterhergereist. Und ein paar Jahre Instrumentalunterricht in der Kindheit und Jugend hatte zu meiner Schulzeit in den 1980ern beinahe jeder ab kleinbürgerlichem Hintergrund. Also keineswegs nur die Professorentöchterchen. Das Interesse an klassischer Musik war aber damals auch schon überschaubar, wenn auch in dem entsprechenden Umfeld sicher höher als im Gesamtdurchschnitt und vermutlich auch etwas höher als heute.

    Das relativ geringe Interesse an Musik außerhalb des eigenen Instruments ist ebenfalls anekdotisch, ebenfalls von einzelnen Aussagen von Musikern und Studenten.

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  • Dann kommt noch dazu - vor allem bei Kindern wie denen in der Wiener Mittelschule - dass es für viele unbequem ist, mehr als einige Minuten die Aufmerksamkeit aufrecht zu erhalten und nicht gleichzeitig noch etwas anderes zu machen (plaudern, spielen etc.).

    Das ist sicherlich zutreffend. Allerdings scheint das nicht nur Kinder zu betreffen. Die Aufnahmefähigkeit vieler Erwachsener erstreckt sich heutzutage nach meiner Beobachtung auch nur auf Musikstücke, die 2-3 Minuten dauern. Alles, was darüber hinausgeht, bringt manch einen schon an seine Grenzen. Es sollte aber nicht sonderlich verwundern, dauern die meisten Stücke der Popmusik, mit denen das Gros sozialisiert wird, eben nicht länger. Im Popbereich fallen ja auch Lieder, die über 5 Minuten gehen, aus dem Rahmen. Wie also sollte sich so jemand auf eine halbstündige Symphonie oder gar eine dreistündige Oper konzentrieren können? Auch mir fiel es anfangs schwer, ich gebe es zu. Als ich mich in meiner Jugend (weitgehend durch pures Eigeninteresse) an die Klassik herantastete, waren es zunächst kurze Stücke, meist Auszüge, oder allenfalls ein bestimmter Satz einer Symphonie. Von Beethovens Fünfter kannte ich etwa lange Zeit nur den Kopfsatz. Ich führte das auch auf die heutige Geisteshaltung zurück. Alles muss schnell, schnell gehen. Man kennt die Dinge nur mehr oberflächlich, geht kaum mehr in die Tiefe. Das Zeitalter des iPhones hat das sicherlich noch verstärkt.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich fürchte ja fast, dass es bisher noch niemandem bzw. noch keiner Studie wirklich gelungen ist, echte Kausalitäten zwischen der Neigung zur klassischen Musik und irgend anderen Faktoren herzustellen; höchstens mag es Korrelationen geben. Ich selber beispielsweise bin weder durch das Elternhaus, noch durch Instrumental- oder schulischen Musikunterricht geprägt (habe den Musikunterricht sogar für Jahre abgewählt und erst in der Oberstufe wieder hinzugewählt). Zur klassischen Musik bin ich eigentlich nur aus Protest gekommen: Mir gingen mit etwa 13 oder 14 Jahren die Fragen danach, welche Musik man denn so höre, dermaßen auf den Senkel, dass ich irgendwann einfach zu einer Standardantwort gegriffen habe: Beethoven! Und anschließend sah ich mich dann gezwungen, mir das Behauptete tatsächlich mal anhören zu müssen - und siehe da, es gefiel mir.


    Und an meinen Kindern sehe ich jetzt, dass ich auch mit wiederholten Opern- und Konzertbesuchen, sowie heimischer Beschallung zumindest absehbar keine sicheren Klassik-Fans heranzüchten werde. Die entscheidenden Faktoren entziehen sich wahrscheinlich meinem Einflußbereich.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • @Johannes: Danke für die Erläuterungen!

    Ich fürchte ja fast, dass es bisher noch niemandem bzw. noch keiner Studie wirklich gelungen ist, echte Kausalitäten zwischen der Neigung zur klassischen Musik und irgend anderen Faktoren herzustellen; höchstens mag es Korrelationen geben. Ich selber beispielsweise bin weder durch das Elternhaus, noch durch Instrumental- oder schulischen Musikunterricht geprägt (habe den Musikunterricht sogar für Jahre abgewählt und erst in der Oberstufe wieder hinzugewählt). Zur klassischen Musik bin ich eigentlich nur aus Protest gekommen: Mir gingen mit etwa 13 oder 14 Jahren die Fragen danach, welche Musik man denn so höre, dermaßen auf den Senkel, dass ich irgendwann einfach zu einer Standardantwort gegriffen habe: Beethoven! Und anschließend sah ich mich dann gezwungen, mir das Behauptete tatsächlich mal anhören zu müssen - und siehe da, es gefiel mir.


    Und an meinen Kindern sehe ich jetzt, dass ich auch mit wiederholten Opern- und Konzertbesuchen, sowie heimischer Beschallung zumindest absehbar keine sicheren Klassik-Fans heranzüchten werde. Die entscheidenden Faktoren entziehen sich wahrscheinlich meinem Einflußbereich.

    Tja. Wenn es also schon nicht die Eltern sind, dann wohl noch weniger die (Instrumental-)Lehrer. Vielleicht ist es dann ja wirklich so, dass das Interesse am Hören allgemein rückläufig ist und man das einfach als Entwicklung so hinnehmen sollte.

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  • Vielleicht ist es dann ja wirklich so, dass das Interesse am Hören allgemein rückläufig ist und man das einfach als Entwicklung so hinnehmen sollte.

    Aber selbst die Frage, ob das Interesse denn wirklich rückläufig ist, kann ja so eindeutig nicht beantwortet werden: Die Konzert- und Opernhäuser sind ja durchaus voll. Und der Eindruck, dass es immer mehr alte und immer weniger junge Besucher sind, die die Angebote annehmen, ist ja auch schon bald so alt, dass die alten Alten eigentlich schon längst ausgestorben und mithin die Häuser leer sein müssten!? - Ich persönlich setze darauf, dass zwar klassische Musik, symphonisch oder Oper, einfach ein "Nischenprodukt" ist und auch bleibt, aber immer eine vermutlich relativ konstante Anzahl an Menschen begeistern wird.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Vielleicht ist es dann ja wirklich so, dass das Interesse am Hören allgemein rückläufig ist und man das einfach als Entwicklung so hinnehmen sollte.

    Jugendliche wollen und müssen in ihrem Selbstverständnis vor allem eins sein: cool.

    Bei den Mädels landet man wahrscheinlich als cooler Rapper oder Metaller, der raucht, säuft, tanzen kann und Sprüche reisst eher als verklemmter, bebrillter Spießer mit Bügelfaltenhosen, der brav dreimal in der Woche zum Cellounterricht geht und zu Hause in seinem Kinderzimmer Mozart hört.

    Das ist aber alles bei weitem nicht neu und war schon mindestens in der 50er Jahren so, wenn nicht schon weit davor. ( Die "wilden" Zwanziger?)

    Es könnte aber sein, dass sich die gemeinte Entwicklung der Hörgewohnheiten, von denen Du sprichst, in der Gegenwart immer schneller vollzieht.

    >>So it is written, and so it shall be done.<<

  • Warum sollte das Interesse am Hören rückläufig sein?

    Ich weiß das nicht. Vielleicht kann ich der Diskussion einfach auch nicht mehr ganz folgen. Aber meinte Johannes nicht, dass das Interesse an Klassik zurückgegangen wäre, obwohl der Instrumentalunterricht stabil sei? Ich habe das so verstanden, als könne er sich mit dem Rückgang dann nur auf das Hören beziehen.

  • Aber selbst die Frage, ob das Interesse denn wirklich rückläufig ist, kann ja so eindeutig nicht beantwortet werden: Die Konzert- und Opernhäuser sind ja durchaus voll. Und der Eindruck, dass es immer mehr alte und immer weniger junge Besucher sind, die die Angebote annehmen, ist ja auch schon bald so alt, dass die alten Alten eigentlich schon längst ausgestorben und mithin die Häuser leer sein müssten!? - Ich persönlich setze darauf, dass zwar klassische Musik, symphonisch oder Oper, einfach ein "Nischenprodukt" ist und auch bleibt, aber immer eine vermutlich relativ konstante Anzahl an Menschen begeistern wird.

    Ja, das mit dem "Nischenprodukt" ist und bleibt wohl richtig. Glaubst du, dass die Nische etwas tun kann, um neue Hörer zu rekrutieren? Ich werde hier zunehmend verwirrter: Wo(durch) wird der Nachwuchs denn nun gewonnen?

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  • Jugendliche wollen und müssen in ihrem Selbstverständnis vor allem eins sein: cool.

    Bei den Mädels landet man wahrscheinlich als cooler Rapper oder Metaller, der raucht, säuft, tanzen kann und Sprüche reisst eher als verklemmter, bebrillter Spießer mit Bügelfaltenhosen, der brav dreimal in der Woche zum Cellounterricht geht und zu Hause in seinem Kinderzimmer Mozart hört.

    Das ist aber alles bei weitem nicht neu und war schon mindestens in der 50er Jahren so, wenn nicht schon weit davor. ( Die "wilden" Zwanziger?)

    Es könnte aber sein, dass sich die gemeinte Entwicklung der Hörgewohnheiten, von denen Du sprichst, in der Gegenwart immer schneller vollzieht.

    Und was ist mit dem unbebrillten, unangepassten Trompeter in löchrigen Jeans, der nur einmal pro Woche widerwillig zum Trompetenunterricht geht und in seinem Jugendzimmer Cage hört?

    Die Metaller übrigens halte ich für ziemlich wenig angesagt - und da gibt's auch kaum Nachwuchs.

  • Ich weiß das nicht. Vielleicht kann ich der Diskussion einfach auch nicht mehr ganz folgen. Aber meinte Johannes nicht, dass das Interesse an Klassik zurückgegangen wäre, obwohl der Instrumentalunterricht stabil sei? Ich habe das so verstanden, als könne er sich mit dem Rückgang dann nur auf das Hören beziehen.

    Achso, Du meinst jetzt doch nur das Hören KLASSISCHER Musik, stimmt's? Ich dachte, Du meinst Musikhören generell.

  • Letztens in Verdis La Traviata In Düsseldorf saß in meiner Reihe eine türkische Familie mit 2 netten Kindern. In der Pause haben wir uns unterhalten und der Vater erzählte, daß zuhause türkische Musik , aber auch Klassik und Popmusik gehört wird und das sie froh sind, die vielfältigen kulturellen Angebote in NRW nutzen zu können. Am Anfang waren die Kinder von den Opetnbesuchen natürlich nicht so begeistert. Das sei erst durch die Vorbereitung auf den Besuch gekommen und beim mehrmaligen live in die Oper oder Konzert gehen. Das Hauptproblem ist, daß der Musikunterricht in der Schule in Deutschland nicht den nötigen Stellenwert hat . Ich hatte das Glück einen Lehrer zu haben, der einen für Musik aller Art begeistern konnte und Leiter einer Jazz AG war. In den USA fängt die Musikerziehung früh an und hat auch eine ganz andere Bedeutung als in Deutschland. Der Sohn von Bekannten meiner Eltern die in Chicago wohnen hat vor kurzem in einer Schulaufführung den Javert aus Les Miserables gesungen und mir eine Aufnahme geschickt. Das Niveau ist wirklich beachtlich.

  • Für heutige Jugendliche ist doch wohl die "klassische" Phase der Rockmusik (60er/70er Jahre) rein historische Ahnenmusik [...]

    Ich gehöre zwar auch nicht mehr zur heutigen Jugend, aber für mich war gerade die Musik der 60er Jahre eigentlich im Popbereich immer das, was mich am meisten interessierte. Aber die war wohl auch in meiner Zeit als Jugendlicher (grob gesagt die 2000er) bei den meisten Gleichaltrigen out. Deutlich präsenter im Radio waren nach meinem Eindruck die 80er und 90er, die wohl auch heute noch die landläufigen Radiosender bzgl. "älterer Popmusik" dominieren. Dass die Popmusik auch Anleihen aus der Klassik aufnimmt, tritt zumindest ab den 60er Jahren nach meinem Eindruck vermehrt auf (diverse Beatles-Hits wie All You Need Is Love, etwas später auch Crimson and Clover, Eloise etc. bis hin zu Bitter Sweet Symphony in den 90ern). Ob man dadurch auch Interesse für die wirkliche Klassik entfachen kann, sei mal dahingestellt.

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    – Luís de Camões

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  • Und was ist mit dem unbebrillten, unangepassten Trompeter in löchrigen Jeans, der nur einmal pro Woche widerwillig zum Trompetenunterricht geht und in seinem Jugendzimmer Cage hört?Die Metaller übrigens halte ich für ziemlich wenig angesagt - und da gibt's auch kaum Nachwuchs.

    Das Bild war bewußt überzeichnet und klischeehaft gewählt. Ich wollte deutlich machen, dass es in einem gewissem frühen Lebensabschnitt ( Pubertät und Postpubertät) oftmals dringendere Prioritäten gibt wie die Befassung mit Klassischer Musik. Die folgt (wenn sie denn folgt) wohl in den meisten Fällen doch später.

    Über die aktuell gerade angesagten Jugendkulturen und -subkulturen bzw. was derzeit IN oder OUT ist ,bin ich anscheinend nicht auf dem neuesten Stand.

    >>So it is written, and so it shall be done.<<

  • Glaubst du, dass die Nische etwas tun kann, um neue Hörer zu rekrutieren? Ich werde hier zunehmend verwirrter: Wo(durch) wird der Nachwuchs denn nun gewonnen?

    Die Verwirrung kann ich verstehen! - Es gibt ja inzwischen eine große, fast schon übergroße Menge an Angeboten. Kinderkonzerte, Jugendkonzerte, sogar Baby-Konzerte; Du wirst die Angebote hier in Hamburg vermutlich kennen. Anderes Beispiel die Mutter, die ihr Kind in eine Spielgruppe schleppt, wo es mit Mozart vollgedudelt wird. Begründung war, dass Kind solle soetwas ja auch mal hören, weil es das zuhause nicht gäbe. - So in einem Fernsehbericht original von der Mutter vorgetragen. Hinzu kommen Konzerteinführungen, Operneinführungen bis hin zu Wochendendseminaren für aktuelle Premieren der Hamburger Staatsoper. Würde mich wahnsinnig interessieren, aber leider bin ich kein Rentier (Rentier, nicht Rentner!), sondern Familienvater mit anderen Aufgaben ;) Weiter Open-Air-Konzerte beispielsweise zur Saisoneröffnung hier in Hamburg auf dem Rathausmarkt und als Kinoübertragung auf der Binnenalster - beides Gratis! Für andere Städte gilt ähnliches! Etwa die BP auf der Waldbühne, die WP in Schönbrunn, die NDR Radiophilharmonie vor dem Schloß in Hannover usw. usf.


    Aber lockt all dass Besucher, die dadurch dauerhaft zum Klassikfan werden? Ich denke, entweder ist man es schon oder wird es durch etwas, was häufig ganz anders und eher wenig steuerbar ist; siehe hierzu meinen eigenen "Weg" zur Klassik. Andererseits muss man auch die Frage stellen, wie weit sich die klassische Musik eigentlich an ein Publikum anbiedern sollte, das das Ganze vielleicht ohnehin nur unter dem Event-Aspekt goutiert und überhaupt nicht die Absicht hat, am Mittwochabend in die Repertoirevorstellung oder das "normale" Abo-Konzert - womöglich noch mit Schönberg auf dem Programm - zu gehen? Und ich persönlich will solche Leute dort auch garnicht unbedingt sehen :P


    Die Quintessenz vielleicht: Der Nachwuchs wird nicht gewonnen, der Nachwuchs gewinnt sich selbst!


    Und was ich selbst tue? Ich nehme meine Frau oder meine Kinder mit, wenn sie Lust haben. Ich mache im Büro ein wenig Werbung und manchmal sagt tatsächlich eine(r) der Kolleginnen/en, warum nicht mal mitkommen?! Manchen gefällt es und sie wollen wieder hin, manchen reicht das Eine mal. Missionieren allerdings kann und will ich nicht!

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Die Quintessenz vielleicht: Der Nachwuchs wird nicht gewonnen, der Nachwuchs gewinnt sich selbst!

    Dann, lieber Michael, können sich alle mal herrlich entspannen, die im weitesten Sinne musikpädagogisch tätig sind.

  • Vielleicht sollte man das heutige Konzert- und Opernpublikum mal dahingehend befragen, wie groß denn ihr tatsächliches Interesse an klassischer wirklich ist. Also nach dem, was über den jeweiligen Konzert- und Opernbesuch - eventuell "nur" im Rahmen eines Abonnements - tatsächlich hinausgeht, wie etwa CDs sammeln, sich mit Hintergründen beschäftigen nicht nur zur Vorbereitung auf den nächsten Konzert- und Opernbesuch. Gezieltes Hören und ggf. Vergleich verschiedener Aufnahmen und all die anderen Sachen, die für die meisten von uns "Spinnern" hier im Forum selbstverständlich sind.


    Vielleicht würde ich sogar behaupten, dass z.B. der allergrößte Teil von Abonnenten eher zu den Gelegenheitshörern gehören. Der "Klassik-Profi" wird irgendwann beginnen, seine Konzert- und Opernbesucher gezielter zu Planen, nach bisher nicht gehörten Interpreten und Werken suchen und sich auch Abseits der üblichen Pfade bewegen. Auch denke ich, dass ein solch "bewußteres" Publikum im Bereich der Kammermusik eher der "Standard" sein dürfte.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Die Quintessenz vielleicht: Der Nachwuchs wird nicht gewonnen, der Nachwuchs gewinnt sich selbst!

    Dann, lieber Michael, können sich alle mal herrlich entspannen, die im weitesten Sinne musikpädagogisch tätig sind.

    :thumbup:

    mfG Michael


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