RANKING der besten Dirigenten und Orchester

  • Lieber Alfred,


    Die Beurteilung von Orchestern ist zunächst natürlich immer eine subjektive Sache!
    Selbstverständlich gibt es dafür eine Reihe von Kriterien. In einem anderen Thread hatte ich mal versucht, die kurz aufzulisten.
    Aber auch die Anwendung solcher Kriterien bleibt letztlich subjektiv!


    Also: Für Dich sind die Wiener Philharmoniker die unumstrittene Nummer 1 unter den Orchestern! Warum auch nicht?
    Ich will nicht bestreiten: Es gibt einige Argumente dafür! Aber es gibt auch Argumente dafür, andere Orchester höher einzustufen.


    Der Sinn von Umfragen und Rankings ist nun einfach, herauszufinden, wie viele Musikfreunde/Experten/Kritiker/Sponsoren/was-weiß-ich für Leute dieses oder eher doch jenes Orchester als das führende Spitzenorchester einstufen.
    Die Bachtrack-Umfrage hat das Ergebnis erbracht, dass von den Befragten eine Mehrheit der Meinung war, die Berliner und die Amsterdamer hätten die Nase.
    Das vor ein paar Monaten hier diskutierte CNN-Ranking hatte auch die Berliner an der Spitze gesehen!
    Neues Orchester-Ranking von CNN


    Kannst Du soetwas nicht einfach mal akzeptieren?



    Aber ich fand es lächerlich, daß "16 ausgewiesene Musikkritiker" ein Orchester auf Platz 3 reihen, deren Polposition auf der ganzen Welt ausser Zweifel steht...

    Deine Formulierungen (hier und in früheren Beiträgen) lässt vermuten, dass Du irgendwie annimmt, die 16 Musikkritiker hätten sich getroffen und ihre Rangliste gleichsam ausgehandelt.
    So läuft das natürlich nicht. Die Leute werden je einzeln angeschrieben und aufgefordert zu sagen, welches Orchester sie wie hoch einschätzen.
    Aller Erfahrung nach können sie Punkte vergeben. Vielleicht 10 für das Orchester, das sie auf dem ersten Platz sehen, 9 für das danach rangierende Orchester .... und so weiter.
    Zum Schluss wird einfach zusammen gezählt!
    In diesem Fall von Bachtrack haben eben die Berliner 136 Punkte, die Amsterdamer 113 und die Wiener 74!
    Das ist doch ein ehrenwerter Platz für die Wiener!
    Allerdings bietet das Ergbenis natürlich schon auch einen Stachel: der Abstand ist doch recht groß!



    Heute hat die klassische Moderne und gemässigte zeitgenössische Musik einen höheren Stellenwert als in meiner Jugend, wo sich die Klassikwelt mehr auf die Wiener Klassik konzentrierte, Mahler und Schostakowitsch zwar bekannt, aber nicht eigentlich beliebt waren und Komponisten mancher Länder allenfalls aus dem Musiklexikon bekannt waren..

    Das scheint mir eher ein spezifisch wienerisches Phänomen!
    In der Bundesrepublik Deutschland wurde gerade nach dem Krieg in vielen Städten sehr bewusst, eine demonstrative Ausweitung des Repertoires betrieben. Komponisten, die in der Zeit des Nationalsozialismus verboten oder zumindest nicht aufgeführt worden waren, wurden wieder aufgeführt. So kam vor allem das, was Du die klassische Moderne nennst, in die Konzertsäle - also Schönberg, Berg und Webern, aber auch Ravel, Debussy, Bartok, Janacek, Strawinsky, Hindemith!


    Hinzu kamen schon in den 50er Jahren Komponisten wie Milhaud, Honegger, Tippett, Poulenc.
    Zudem wurden Werke 'zeitgenössicher Komponisten' vorgestellt: etwa Fortner, Blacher, Hartmann, Messiaen, Klebe, Henze - bald auch Boulez, Ligeti, Dallapiccola,Penderecki und Kagel.


    Wenn man das in Erinnerung ruft, wird man natürlich sagen müssen, dass es insbesondere die Orchester der Rundfunkanstalten waren, die diese Ausweitung des Repertoires betrieben - in Berlin, Köln, Hamburg, Baden-Baden, Frankfurt, Stuttgart, München.


    Aber auch die Berliner Philharmoniker arbeiteten an einer Ausweitung des Repertoires kräftig mit. Es gab eine eigene Reihe, die ganz der 'modernen' Musik gewidmet war. Wichtiger aber scheint mir fast: in den Abonnementskonzerten wurde eigentlich konsequent immer ein Werk aus dem 20.Jahrhundert aufs Programm gesetzt. Nicht alle Abonnenten mochten das. Da dieses 'Neutönige' zunächst oft als erstes Stück gespielt wurde, kamen sie einfach später. Deshalb wurde schließlich die Reihenfolge umgestellt und das 'Neutönige' kam in die Mitte.
    Nicht übersehen werden darf, dass auch viele Dirigenten sehr bewußt Werke spielten, die nicht zum Haydn-Mozart-Beethoven-Schubert-Schumann-Brahms-Bruckner-Kanon gehörten. Selbst Karajan. Er hat gar nicht so selten Sibelius aufgeführt und sogar Nielsen, er hat Prokofieff und Shostakovich auf seine Programme gesetzt.
    ALSO: Es mag sein, dass in Wien in deiner Jugend das Repertoire noch relativ begrenzt war.
    Allerdings: könnte nicht auch nur deine Wahrnehmung eher auf diesen Teil des Repertoires fokussiert gewesen sein?
    Begann nicht schon Ende der 50er Jahre in Wien "die reihe"? Und hat nicht Max Schönherr schon unmittelbar nach Kriegsende das "Orchester für die Radioverkehrs-Aktiengesellschaft RAVAG“ gegründet, um zeitgenössische Musik zur Aufführung zu bringen - ein Ensemble das doch eine Stellung im Wiener Musikleben gewann und - nach etlichen Namensänedrungen - heute "ORF Radio-Symphonieorchester Wien" heißt?


    Ob das alles hier her gehört, mag bezweifelt werden, aber ich mochte die Behauptung, die Erweiterung des Repertoires sei erst in jüngster Zeit passiert, so nicht unwidersprochen lassen!
    Dass sie heute einen weiteren Radius hat, braucht nicht betont zu werden! Aber das schlägt sich auch nicht wirklich in den Abonnementsreihen aller Orchester nieder!


    Beste Grüße nach Wien
    Caruso41


    PS.:
    In der gerade beginnenden Saison, werden ja die Wiener Philharmoniker öfter in meine Nähe kommen.
    In Köln geben sie in der Philharmonie immerhin 4 Konzerte (Unter Blomstadt, Nézet-Seguin, Barenboim und Metzmacher)
    In Dortmund íst dann der direkte Vergleich mit den Berliner möglich. Beide Orchester werden in dieser Saison je ein Konzert unter dem selben Dirigenten geben - unter Nézet-Seguin!
    Ich werde also Gelegenheit haben, die Wiener wieder live zu hören und bin gespannt, ob sie den wenig positiven Eindruck, den ich von Konzert- und Opernaufführungen in Salzburg 2013 und 2014 mitgenommen habe, korrigieren können!



    .

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Also meinem Eindruck nach haben die Wiener Philharmoniker sogar ein eigenes Label, siehe z.B. hier.


    Und natürlich kann man eine Liste, die den Namen Harnoncourt enthält, nicht wirklich ernstnehmen, weil er eben nicht in die Liste der üblicherweise Vergleichbaren gehört :baeh01:


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Wir kommen ja leider vom Thema ab, aber vielleicht ist das sogar erhellend.
    Ich bin niemand, der die Wiener Philharmoniker "bevorzugt" oder besonders gerne mag. Indes sehe ich sie so, wie man bis heute sagt, Caruso sei der Grösste aller Tenöre. Diese Behauptung ist anhand von Tonaufnahmen nicht zu verifizieren, denn die akustische Tontechnik lässt eine korrekte Beurteilung der Stimme nicht wirklich zu. Genauso sehe ich das mit den Wiener Philharmonikern. Ein Nimbus ist quasi unzerstörbar. Natürlich wurde in meiner Jugend bereits der Versuch gemacht,"verbotenes" Repertoire wieder auf die Spielpläne zu bringen. Aber das Verbot durch das Regime der NS-Zeit ist eine fromme Lüge - oder vielmehr eine Halbwahrheit. Die ganze Wahrheit, oder besser gesagt ihr näher kommend ist die Tatsache, daß die Mehrheit der Musikfreunde diese Musik nicht nur nicht vermisste, nein, man wollte sie nicht. Der Kunstkniff ungeliebte Werke so in Programme einzubauen, daß man ihnen als Konzertbesucher nicht entrinnen kann.



    Caruso41 schrieb:

    Zitat

    in den Abonnementskonzerten wurde eigentlich konsequent immer ein Werk aus dem 20.Jahrhundert aufs Programm gesetzt. Nicht alle Abonnenten mochten das. Da dieses 'Neutönige' zunächst oft als erstes Stück gespielt wurde, kamen sie einfach später. Deshalb wurde schließlich die Reihenfolge umgestellt und das 'Neutönige' kam in die Mitte.

    In Wien hat das zur Kündigung, bzw. Nichtverlängerung vieler Abonnements geführt. Durch ein (damaliges) Naheverhältnis zum Kartenbüro eines der beiden großen Konzerthäuser Wiens habe ich das erfahren.


    Und - sorry - NATÜRLICH sprechen sich die Klassikkritiker - so sie durch eine bestimmte "kulturelle Ausrichtung" miteinander verbunden sind - untereinander ab. So werden Karrieren gepusht - oder vernichtet. Siehe Thieleman - wo das mit dem Vernichten zwar nicht geklappt hat, aber man hat einen negativen Nibus erzeugt, der zumindest seine Bestellung zum Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker verhindert hat. (Ich bin nebenbei bemerkt, davon überzeugt, daß das ein Glück für ihn war, denn schon der Alleskönner Karajan hatte am Schluss nur Probleme mit ihnen)



    Glockenton schrieb:

    Zitat

    Also meinem Eindruck nach haben die Wiener Philharmoniker sogar ein eigenes Label

    Soweit ich sehe vermarkten sie dort nur einen kleinen Teil der Aufnahmen (über deren Auswahl ich mich hier nicht äussern möchte) - die Hauptsache läuft über die üblichen Klassikproduzenten.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Aber ich fand es lächerlich, daß "16 ausgewiesene Musikkritiker" ein Orchester auf Platz 3 reihen, deren Polposition auf der ganzen Welt ausser Zweifel steht...


    Mal abgesehen davon, dass ich Diskussionen über Orchester- und Dirigenten-Rankings eigentlich ziemlich müßig finde, würde mich jetzt doch noch einmal interessieren, nach welchen nachprüfbaren Quellen, "auf der ganzen Welt" die Wiener Philharmoniker als bestes Orchester angesehen werden. Ich finde im Internet nicht ein einziges Ranking, dass dies behauptet. Selbst auf der Werbeseite der Stadt Wien wird diese Behauptung mit "möglicherweise" eingeschränkt.


    Die Polposition ist übrigens die Position von der aus man das Rennen als erster startet. Es bedeutet nicht, dass man als erster durchs Ziel geht. ;)

  • Aber das Verbot durch das Regime der NS-Zeit ist eine fromme Lüge - oder vielmehr eine Halbwahrheit. Die ganze Wahrheit, oder besser gesgt ihr näher kommend ist die Tatsache, da0 die Mehrheit der Muskfreunde diese Musik nicht nur nicht vermisste, nein, man wollte sie nicht.

    Aha, das "gesunde Volksempfinden" hat wohl dafür gesorgt, dass jüdische Komponisten in der NS-Diktatur nicht mehr aufgeführt, dann verfolgt und vielfach umgebracht wurden?


    Lieber Alfred,
    ich hoffe, d a s hast Du nicht wirklich ernst gemeint, was Du da geschrieben hast!


    Ausserdem: es muss eigentlich im Wien der Nachkriegszeit auch ein aufgeklärteres und für das Neue aufgeschlosseneres Publikum gegeben haben! Hätte sonst die von Friedrich Cerha und Kurt Schwertsik begründete "die reihe" so erfolgreich sein können?



    Und -sorry - NATÜRLICH sprechen sich die Klassikkritiker - so sie durch eine bestimmte "kulturelle Ausrichtung" miteinander verbunden sind - untereinander ab. So werden Karrieren gepusht - oder vernichtet.

    Ja vielleicht tauschen sie sich nach einer Premiere in Wien oder Köln, Zürich oder Glyndebourne manchmal aus. Aber man muss schon ein große Anhänglichkeit zu Verschwörungetheorien haben, um zu glauben, die 16 Kritiker aus verschiedenen Ländern, die für Bachtrack ihre Meinung sagen sollten, hätten sich abgesprochen. Allein schon der Gedanke, dass sich Manuel Brug und Eleonore Büning abgesprochen haben, löste bei mir Lachkrämpfe aus!
    Also verschone uns mit solchen Verschwörungstheorien. Akzeptiere einfach das Ergebnis einer Umfrage!


    Im Übrigen ist mir bei Deinem Insistieren, dass die Wiener doch das beste Orchester der Welt seien, einfach immer aus der Poleposition antreten, Karl Kraus eingefallen! Dieser wunderbare Autor sagte: "In Wien stellen sich die Nullen vor den Einser."
    Da wird einem doch verständlich, warum er den Liedrefrain "Wien bleibt Wien" als Drohung verstand!


    Aber zurück zu den Fragen an das Bachtrack-Ranking! Ob es nicht Umfragen geben könnte, die aussagekräftigere Ergebnisse erbringen würden, hat ja oben schon Glockenton thematisiert:



    Zitat von Glockenton

    Für mich noch interessanter als ein Ranking von Kritikern fände ich ein Ranking, welches direkt von Musikerkollegen gemacht wird, anonym natürlich.
    Also wenn z.B. die Musiker des LSO, des BPO, der Wiener .......und der anderen bekannten Orchester anonym und online eingäben, wie sie selbst die verschiedenen Dirigenten musikalisch einschätzen. Ebenso könnten dann die bekannten Dirigenten, die herumkommen und die Orchester dementsprechend kennen, ein Ranking über die Orchester erstellen. Es wäre jedenfalls eine fachlich sehr kompetente Einschätzung aus Insiderkreisen.

    Das wäre in der Tat mal spannend. In der Wissenschaft sind ja solche Modi gängig und weithin bewährt! Man müsste mal darüber nachdenken, wie das im Einzelnen ausgestaltet werden könnte: wie viele Dirigenten, viel viele Solisten, wie viele Orchestermusiker sollen befragt werden? Aus welchen Ländern und Städten?


    Allerdings ist die Wahrnehmung durch professionelle Musiker, Berufskritiker, Musikwissenschaftler und Konzertbesucher durchaus unterschiedlich. Das liegt in der Natur der Sache! Gerade deshalb wäre es interessant, mal Befragungen zu haben, die die Meinung von Menschen abbilden, für die die Aufführung von Musik etwas je Unterschiedliches ist.
    Gerade was die Einschätzung der Leistung von Orchestern angeht, muss man natürlich einrechnen, das viele Orchestermusiker nur sehr begrenzt andere Orchester live hören und oft auch nur sehr begrenzt Aufnahmen anderer Orchester hören.
    Und wenn man Dirigenten befragt, die wirklich mit den verschiedenen Orchestern gearbeitet haben (und es gibt ja genug, die mit allen der im Ranking aufgelisteten Orchestern eigene Erfahrungen haben!) kommt natürlich vieles ins Spiel, das nicht mehr allein mit den musikalischen Qualitäten zu tun hat.


    Wie auch immer: ich fände es spannend, wenn Glockentons Idee mal weiter verfolgt würde!



    Beste Grüße aus der nordeutschen Tiefebene


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


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  • Und wenn man Dirigenten befragt, die wirklich mit den verschiedenen Orchestern gearbeitet haben (und es gibt ja genug, die mit allen der im Ranking aufgelisteten Orchestern eigene Erfahrungen haben!) kommt natürlich vieles ins Spiel, das nicht mehr allein mit den musikalischen Qualitäten zu tun hat.


    Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass Dirigenten bereit wären - selbst anonym - so ein Ranking durchzuführen. Es läuft doch eher darauf hinaus, dass ein kluger Dirigent - wie ich bei meinen Mitarbeitern auch - feststellt, dass jedes Orchester bestimmte Stärken und vielleicht auch bestimmte Schwächen hat. Deshalb kann auch nicht jedes Orchester jede Musik gleich gut spielen. Und da Alfred besonders die Wiener Klassik non-HIP liebt, mag er in diesem Bereich das Wiener Orchester vielleicht tatsächlich als das beste ansehen. Für Schostakowitsch, Prokofieff oder Sibelius sind sie es sicher eher nicht. Was nicht heisst, das sie unter einem Leonard Bernstein nicht auch mal eine Sibelius-Sternstunde hinbekommen.
    Aber letztendlich eine müssige Diskussion.

  • Die ganze Wahrheit, oder besser gesgt ihr näher kommend ist die Tatsache, da0 die Mehrheit der Muskfreunde diese Musik nicht nur nicht vermisste, nein, man wollte sie nicht. Der Kunstkniff ungeliebte Werke so in Programme einzubauen, daß man ihnen als Konzertbesucher nicht entrinnen kann.


    Wie gut, dass die Mehrheitsmeinung nicht beachtet wurde, denn sonst würden bis heute weder Mahler noch Schostakowitsch gespielt und einige Konzertsäle wären vermutlich schon zu. Denn zumindest außerhalb Wiens füllen derzeit vor allem diese Komponisten die Säle.

  • Deshalb kann auch nicht jedes Orchester jede Musik gleich gut spielen. Und da Alfred besonders die Wiener Klassik non-HIP liebt, mag er in diesem Bereich das Wiener Orchester vielleicht tatsächlich als das beste ansehen. Für Schostakowitsch, Prokofieff oder Sibelius sind sie es sicher eher nicht


    Lieber Lutgra,
    Deine Liste ließe sich verlängern!
    Ich würde etwa Berlioz, Ravel, Debussy oder Messiaen lieber von anderen Orchestern hören.
    Auch Elgar oder Vaughan Williams, Ives, Varese oder Adams.
    Und ganz ehrlich: Beethoven von der Deutschen Kammerphilharmonie unter Paavo Järvi ist mir auch lieber als von den Wiener Philharmonikern unter Muti oder Welser-Moest! - Aber das ist eine Frage des Geschmacks nicht der Qualitäten!


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


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  • Und ganz ehrlich: Beethoven von der Deutschen Kammerphilharmonie unter Paavo Järvi ist mir auch lieber als von den Wiener Philharmonikern unter Muti oder Welser-Moest


    ... oder Thielemann :D

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Und ganz ehrlich: Beethoven von der Deutschen Kammerphilharmonie unter Paavo Järvi ist mir auch lieber als von den Wiener Philharmonikern unter Muti oder Welser-Moest! - Aber das ist eine Frage des Geschmacks nicht der Qualitäten!


    Bei den von Dir genannten Dirigenten widerspräche ich möglicherweise nicht - bei Thielemann dann aber doch sehr.
    Es gibt immer einmal wieder Einzelstellen, vielleicht sogar fast schon ganze Symphonien, die mir bei Anderen mehr zusagen (etwa Karajans Neunte), aber wenn ich alles in Allem nur eine einzige Gesamtaufnahme der Beethovensymphonien behalten dürfte, wäre es momentan tatsächlich diejenige mit Thielemann und den Wiener Philharmonikern.


    In der Saison 2015/2016 soll ja noch - endlich - der Zyklus mit Rattle und den Berliner Philharmonikern folgen, nachdem die alte Rattle-Aufnahme mit den Wienern zwar auch sehr gut, aber vielleicht dann doch nicht für jeden restlos überzeugend war. Nachdem, was ich an Auszügen auf Youtube bisher hören konnte, wird die neue Rattle-BPO-Aufnahme wohl die Alternative sein, die mir auf ungefähr gleichem Niveau - wieder differenziert nach Symphonien, Aspekten und Takten - gefallen dürfte, meiner hoffenden Einschätzung nach. Es scheint mir so, dass er gegenüber seiner damaligen Beethoven-Sicht doch noch sehr gereift ist, dass die mittlerweile noch größeren Musik- und Lebenserfahrungen dieses Dirigenten sich hier positiv auswirken kann. Es muss ja nicht immer so sein. Manchmal schaffen es Interpreten nicht, an ihre früheren Aufnahmen heranzugelangen. Das kann man - so glaube ich - in diesem Fall aber ausschließen. Es bleibt zu hoffen, dass der Zyklus auf Offline-Ton- und Bildträgern erhältlich sein wird, also (SA)CD und Blu-ray. Die Internetversorgung ist gar nicht so gut, wie es die Politiker in Reden vor der Wahl immer hinstellen. Ich weiß es jetzt nicht, aber glaube nicht, dass die Streams wirklich in audiophiler Qualität sind, also z.B. 24 Bit und 192 kHz, denn dafür wird die Masse wohl gar nicht die nötigen DACs haben. Ein Blue-ray- oder ein SACD-Player kann die Qualität jedoch auch an noch halbwegs "normale" Menschen heranführen, die also nicht viele tausende Euros für neue DACs ausgeben.


    Dass Rattle die Pastorale ebenso gut wie Thielemann hinbekommen könnte, kann ich mir indes kaum vorstellen, denn mit der Wiener Aufführung ist - womöglich auch für Thielemann - aus meiner Sicht ein einmaliger Glücksfall gelungen.


    Die "Nachteile" bzw. die Eigenarten des Wiener Oboenklangs empfinde ich bei der Thielemann-Aufnahme (übrigens auch bei anderen Sachen die ich neulich mit dem Orchester hörte) nicht mehr als besonders deutlich hervortretend. Entweder benutzten sie mittlerweile andere Instrumente oder die Aufnahmetechnik ist in den letzten ca. 10 Jahren so gut geworden, dass diese offensichtlich schwer wiederzugebende Klangfarbe dennoch gut klingt. Es hängt natürlich auch mit der Wiedergabetechnik zusammen. Bei minderwertiger Abhörtechnik klingt die Oboe schnell quäkend. Das ist jedoch - wie gesagt- meinem Eindruck nach, in den letzten Jahren nicht mehr so hervortretend.


    Die Meinung, dass die Wiener Philharmoniker tatsächlich zu den zwei bis drei besten Orchestern der Welt gehören, kann ich nachvollziehen, nicht nur vom Klang, sondern auch von der Bereitschaft her, in die Musik hineinzugehen, was man ja auch - sehr zurecht- auch oft den Berliner Philharmonikern nachsagt.
    Es ist mehr als nur eine Marketingsache, mehr als nur ein Nacherzählen von Sprüchen, die andere irgendwann einmal geklopft haben.
    Unter Thielemann hat dieser dunkle Klang dann erstaunlich wenig mit dem viel helleren, strahlenderen Karajan-Klang zu tun. Man kann beides als eigene Qualitäten schätzen, und ich schätze das auch. Für die triumphale Stelle des Anfangs des 4. Satzes der Fünften etwa, ist das überaus strahlende Karajan-Blech der Digitalaufnahme der DG sicherlich ideal. Aber es gibt auch viele Stellen, bei denen der dunklere Klang punkten kann, gerade wenn man etwas länger zuhört.


    Klanglich ist das alles sicherlich nicht so, wie es in Beethovens Zeiten war, aber von der Artikulation her höre ich auch bei Thielemann eine ganze Menge HIP, allerdings nicht herausgekehrt, sondern ganz natürlich "gesprochen" bzw. musiziert, eben einfach nur Musik, so wie es eigentlich sein soll.


    Die Bremer, die hier angeführt wurden, kann man vom Klang her überhaupt nicht vergleichen. Auch dieses Orchester besteht aus superben Musikern, daran besteht nicht der geringste Zweifel. Ihre kammermusikalische Herangehensweise hat ihren Reiz, insbesondere bei Schumann. Dennoch hat auch deren Klang kaum etwas mit dem originalen Klanggewand der Beethovens-Zeit zu tun. Ich will mich da nicht festlegen, aber vielleicht ist da der Arthur Schoonderwoerd mit seinen Leuten dichter dran, vielleicht auch nicht. Ob man das jedoch immer hören will, ist ja eine andere Sache. Wenn man aber ohnehin den Beethoven mit einer Bremer Kammerphilharmonie oder den Wiener Philharmonikern heutzutage (zum Glück auf hervorragendem Niveau) spielt, dann ist es eben auch eine Geschmacksfrage, welche Art von verändertem Klang einem gegenüber dem Originalklang schlicht und ergreifend z.B. für Beethoven besser gefällt. .


    Für mich ist der dunkle Thielemann-Klang mit dem Wiener Philharmonikern eine ganz wunderbare Erfahrung. Es ist ein klanglicher Vorgriff auf das, was jedenfalls ich klanglich unter Romantik verstehe (das wird ja heute auch zunehmend angefochten, aber zu Unrecht, wie ich finde). Dieser Vorgriff scheint mir legitim zu sein, da Beethoven - ohne das es ihm bewusst war- so eine Art Scharnierfunktion zwischen der vom Barock her kommenden Epoche der Klangrede und der später kommenden Romantik ausfüllt. Das macht ja auch den Reiz dieser Musik aus, den man dann, so finde ich, auch klanglich nachzeichnen darf. Der angenehm samtige Klang stellt sich nicht zwischen die Musik und den Hörer, sondern läßt den durch spätere Musik durchaus geprägten Hörer zur "Wahrheit" der beabsichtigen künstlerischen Aussage m.E. leichter vordringen, da er nicht die Hürde eines fremdartigen, schrillen Klangbildes nehmen muss. Zudem gerät er nicht in Gefahr, aus dem zunächst ungewohnten Beethoven-Originalklang ein Fetisch zu machen, an dem er sich aufhängt, und dann den Blick für die eigentlich wesentlichen Dinge und Aussagen der Musik verliert. Klang und Instrumente müssen immer nur Hilfsmittel bleiben und nicht zum Selbstzweck ausarten. Wenn man bei einer HIP-Aufführung nur noch HIP und "hör mal wie das klingt" denkt, dann ist der Blick, bzw. das Gehör für die eigentliche Aussage der Musik schon verstellt. Bei den Wiener Philharmonikern unter Thielemann kann das bei Beethoven kaum geschehen. Auch deswegen schätze ich dieses Aufnahme so, ganz abgesehen von der enorm guten technischen Klangqualität.


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Lieber Glockenton,


    was Du über die jüngeren Interpretationen der Beethoven-Sinfonien geschrieben hast, fand ich sehr interessant und anregend! Vielleicht solltest Du das in einen Thread kopieren, in dem es um Beethoven-Gesamtaufnahmen geht.


    Da Du Dich wohl ganz auf Eindrücke von CDs beziehst, kann ich nicht recht mitreden. Ich habe alle drei Dirigenten - Rattle, Järvi und Thielemann - in dem Repertoire in verschiedenen Konzerten live gehört - Rattle mit den Berliner Philharmonikern und Thielemann mit dem Orchester der Deutschen Oper und mit den Berliner Philharmonikern, Järvi in Bremen mit der Kammerphilharmonie. Nur vor diesem Hintergrund habe ich die oben gemachten Bemerkungen geschrieben. Ganz ausdrücklich und wohl überlegt, habe ich Thielemann nicht genannt, als ich schrieb, ich würde Beethoven lieber von der Kammerphilharmonie unter Järvi hören als von den Wienern unter Muti oder Welser-Moest. Erstens schätze ich Thielemann sehr und zweitens habe ich ihn mit den Wienern nicht Beethoven aufführen gehört.


    Ganz abgesehen davon, was an Gesamtaufnahmen noch so kommt: ich werde mir kaum nochmal einen gesamten Zyklus bestellen, denn ich habe bereits so viele in den Regalen stehen und genau genommen lege ich zu Hause kaum je eine Beethoven-Sinfonie auf. Und wenn ich denn mal Lust auf die eine oder andere Sinfonie habe, dann bleibe ich eigentlich bei den Lieblingsaufnahmen. Die stammen übrigens von sehr verschiedenen Orchestern und unter ganz unterschiedlichen Dirigenten. Du rühmst nun gerade Thielemnn mit der 6. Sinfonie. Meinst Du die Aufnahme könnte mich in meiner Fixierung auf Cluytens erschüttern?


    Interessant fand ich auch Deine Bemerkung, die Holzbläserabteilung - zumal die Oboen - der Wiener Philharmoniker würden nicht mehr den Klang produzieren, den Wiener vieleicht mögen, andere Musikfreunde aber eher unschön empfinden. Da ich offenbar länger schon keine Aufnahmen des Orchesters mehr gehört habe, ist mir das bisher gar nicht aufgefallen. Und bei den Begegnungen mit dem Orchester in Salzburg 2023 und 2014 gab ihr Spiel so viel Anlass, sich zu wundern und zu ärgern, dass ich jetzt über den Oboenklang gar nichts sagen kann.
    Aber: wie oben schon gesagt, werde ich mir wohl zumindest zwei der Konzerte des Orchesters in Köln und ganz bestimmt das unter Nézet-Seguin in dem wundervollen Konzerthaus in Dortmund anhören. Vielleicht bin ich ja danach Fan der Wiener Philharmoniker???


    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Hallo Caruso 41,


    ich will versuchen, Dir zu antworten.


    Du rühmst nun gerade Thielemnn mit der 6. Sinfonie. Meinst Du die Aufnahme könnte mich in meiner Fixierung auf Cluytens erschüttern?


    Das ist natürlich schwer zu beantworten, denn ich weiß ja nicht, wie sehr Du die Cluytens-Aufnahme liebst und auf sie fixiert bist. Zudem habe ich diese Aufnahme nicht, aber ich habe in sie online hineingehört. Ich muss sagen, dass Deine Einschätzung in der Spitzengruppe der Pastorale-Interpretationen voll und ganz gerechtfertig ist, meinem Hören nach. Aufnahmetechnisch hat sie wohl von der Tiefenstaffelung her ihre Meriten, aber die tonale Darstellung der Klangfarben scheint mir nicht mehr auf heutigem Stand zu sein. Auch das könnte ein Grund für eine neuere Einspielung sein.


    Ich finde also schon, dass man auch eine "modernere" Alternative hören und favorisieren könnte die sowohl die erstaunlich romantischen Aspekte als auch die historisch klangsprachlichen HIP-Aspekte der Symphonie in der Balance hält, und dabei von einem herrlichen, warm-dunklen Orchesterklang getragen wird. Das ist bei der Thielemann-Aufführung genau so der Fall - bei vielen anderen, wie den neueren Abbado-Aufnahmen oder Järvi nicht, bei denen dann doch schon die HIP-Aspekte einen Vorrang bekommen haben (nicht bei der alten Abbado-Aufnahme mit den Wiener Philharmonikern, die allerdings auch wenig HIP enthält)


    Man kann auch schön am 2. Satz hören. Bei Thielemann hat man die Kleindynamik und Artikulation und annähernd das Tempo, das bei HIP-beeinflußten Aufnahmen vorherrscht. Die Vorlage für deren sehr sprachliche Artikulation ist m.E. klar die Harnoncourt-Einspielung mit dem COE, was man bei den neueren Abbado-Aufnahmen hören und eben auch bei Järvi hören kann. Mit Thielemann erlebt man aber auch diese Versenkung in die Idylle der Bachszene, man sieht das alles mit dem geistigen Auge, man wird durch die Musik sozusagen an den Bach gebeamt, man spürt die Nachmittagssonne auf der Haut....was ja alles auf die hineinkomponierte Vorabschattung in die Romantik hinweist. Thielemann spielt von der Artikulation her klangsprachlich und historisch korrekt, allerdings gleichzeitig mit eben dieser romantischen Vorabschattungen. Hier meine ich Romantik im besten Sinne.


    Er fasst den Satz - im Gegensatz zu Karajan- nicht relativ nichtssagend pastos auf, und imitiert auch nicht dessen Verleugnung der von Beethoven und der historischen Aufführungspraxis her klar vorgegebenen Artikulation zu Gunsten des Karajan-Marken-Klangstroms. Im Vergleich zu Wand mit dem NDR-Orchester hört man gleich am Anfang eine viel anrührendere Zartheit, während das Piano bei Wand viel robuster, grober und weniger poetisch klingt.


    Das Gewitter ist bei Thielemann ein normales Sommergewitter, kein Weltuntergang wie bei Karajan.


    Für mich ist Thielemanns Pastorale seit Furtwängler und Giulini die erste wirkliche heutige Version, bei der ich mich ohne irgendwelche Gedanken an "wie macht der das jetzt" einfach der Poesie der Musik anvertrauen kann. Dieses "einfach einmal Ausruhen" wird durch das warm-dunkle Klangbild natürlich gut unterfüttert.
    Diese Symphonie liegt diesem sehr sensiblen und reflektierten Dirigenten sehr.


    Ob es Dir gefällt, kannst Du m.E. besser bei Youtube als mit kurzen Ausschnitten von JPC versuchen herauszufinden.
    Ich hoffe, dass man diesen Film auch in Deutschland sehen kann.
    Ansonsten empfehle ich nach Möglichkeit die Blue-ray-Ausgabe, nicht nur wegen des HD-Bildes oder der Interviews mit Thielemann, sondern vor allem auch wegen der hochaufgelösten Tonspur, die entweder stereo per Kopfhörer oder auch in 5.1. im Heimkino ganz hervorragend klingt.


    Hier der Youtube-Film:



    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Lieber Glockenton,


    Dein Plädoyer für Thielemann hat mich neugierig gemacht und so habe ich "mal reingehört" in den verlinkten Youtube-Video.
    Jetzt bin ich noch neugieriger!


    Ich werde mir die Interpretation vielleicht mal als CD besorgen.
    Konzerte auf DVD mag ich nicht so richtig und Blu-Ray habe ich sowieso nicht. (Ich habe gar keinen Fernseher, der HD macht - sondern einen guten alten Röhren-Mimo von Loewe, und ich sehe keinen Grund, den zu ersetzen).
    Wenn ich sinfonische Musik höre, nehme ich mir die Paritur und konzentriere mich ganz aufs Hören.
    Da es die 4., 5. und 6. Sinfonie als Doppel-CD für gerade mal 8 EURO gibt, ist ja die Anschaffung keine Angelegenheit, über die ich länger nachdenken müsste!
    "Bedenken will ich's, wer weiß, was ich tu."
    Es wäre dann - ich habe extra nachgeschaut - meine 26. Pastorale. Irrsinnig, oder?


    Noch ein Wort zur Pastorale unter Cluytens.
    Du monierst, dass die "tonale Darstellung der Klangfarben ...nicht mehr auf heutigem Stand" sei. Nun gut: die Aufnahme ist ein paar Jahre alt. Aber wenn man sie bei Youtube hört, klingt sie doch entschieden flacher und fahler als in der Überspielung der französischen EMI!


    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • "Bedenken will ich's, wer weiß, was ich tu"
    Es wäre dann - ich habe extra nachgeschaut - meine 26. Pastorale. Irrsinnig, oder?


    Dann mach es doch einfach! Wenn Du schon 25 hast, dann ist es doch wurscht, wenn Du Dir auch noch eine 26. gönnst :D


    Beim Vergleichen ist mir gestern manchmal erst aufgefallen, wie sehr ich doch die eine oder andere Thielemann-Beethoveneinspielung schätze.
    So habe ich z.B. den Anfang der 2. erst mit Järvi, dann mit Thielemann gehört.
    Bei den Bremern dachte ich: "die wollen es unbedingt sehr transparent machen.....ruppige Akzente......etwas vorantreibend......HIP-Umsetzung auf modernen Instrumenten......aber eigentlich nicht schlecht...."


    Bei Thielemann und den Wienern dachte ich nichts mehr, sondern fühlte mich in die Musik ein. Das etwas langsamere Tempo wirkt dennoch musikalisch involvierender, die Musik wirkt und atmet aus sich heraus, es wird nichts gezeigt oder gemacht. Ich konnte kaum aufhören, weil ich so sehr den musikalischen Sog spürte. Ich war überrascht, wie gut ihm doch auch die 2. Symphonie geglückt ist.


    Bei Järvi wird auf allerhöchstem Niveau gespielt, aber der eigentliche Sinn und Zweck, nämlich die möglichst starke innere Bewegung des Hörers mit Musik bis hinein in tiefere Schichten scheint mir manchmal sogar gerade aufgrund der perfekt polierten Oberfläche irgendwie verfehlt zu sein.



    Das nur so am Rande.... ;)


    Gruß


    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Das Gewitter ist bei Thielemann ein normales Sommergewitter, kein Weltuntergang wie bei Karajan.


    Das empfinde ich besonders in der Live-Aufnahme Karajans mit den Berliner Philharmonikern vom 12. April 1966 aus Tokio so. Noch viel ungezügelter, fast furtwänglerisch brachial, bricht es da herein (Furtwängler 1954 wäre ebenfalls ein ganz heißer Tipp, nur eben Mono). Da merkt man wieder, wie anders Karajan live klang und welche Kunstprodukte diese Studioeinspielungen doch sind.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Nun ja, also bei den Studioeinspielungen der 6. mit Karajan kracht es meinem Eindruck nach auch schon deftig wie bei einem Weltuntergang. Live kenne ich ihn da nicht.


    Ich fand das ja früher gerade gut, meine jetzt aber, dass Beethoven ein noch erträgliches Sommergewitter gemeint haben muss. Der Weltuntergang wirkt auf mich jetzt etwas lächerlich, insbesondere, wenn ich diesen in Eigenregie von Karajan geschnittenen Film sehe, den ich bei Youtube leider nicht finden konnte, der aber in den Gesprächen auf Thielemanns Blue-ray mit angespielt wird. Bei einer entsetzlichen Naturkatastrophe gäbe es doch hinterher nur Elend und Verwüstung; und das THW, Polizei, Feuerwehr und die Medien des Vor-20-Uhr-Fernsehens wären zur Stelle.


    Stattdessen singt aber zum Glück doch ein Vogel und die dankbaren Gefühle der Menschen setzen dafür ein, dass es eben doch nicht gar so schlimm war und gutgegangen ist. Diesen Zusammenhang habe ich früher so gar nicht gesehen, sondern mich nur am krachenden Gewitter erfreut.... ;)


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Dann mach es doch einfach! Wenn Du schon 25 hast, dann ist es doch wurscht, wenn Du Dir auch noch eine 26. gönnst

    Da hast Du eigentlich recht, lieber Glockenton! Dein Argument ist so schlagend, dass ich nur noch sagen kann: Montag werde ich kaufen!



    Bei Järvi wird auf allerhöchstem Niveau gespielt, aber der eigentliche Sinn und Zweck, nämlich die möglichst starke innere Bewegung des Hörers mit Musik bis hinein in tiefere Schichten scheint mir manchmal sogar gerade aufgrund der perfekt polierten Oberfläche irgendwie verfehlt zu sein.

    Wirklich? So empfindest Du das? Das höre und erlebe ich denn doch anders. Vielleicht liegt es daran, dass ich die Järvi-Interpertationen alle in Live-Konzerten in Bremen in der so fabelhaft klingenden Bremer Glocke kennen gelernt habe - einem Konzertsaal in dem die fröhlichen Gefühle bei der Ankunft auf dem Lande ja praktisch Architektur geworden sind!


    Wenn mir bei Järvi etwas fehlt, dann sind es die wunderbare Entspanntheit und Natürlichkeit, die eben mein Pastorale-Ideal-Dirgent Cluytens hat (wie ansonsten allenfalls noch Monteux oder Beecham).
    Ich glaube übrigens, dass es bei den Dirigenten unserer Tage durchgängig eine gewisse Sorge gibt, das ganz einfache und natürliche Musizieren könne ihnen als Harmlosigkeit und Biederkeit ausgelegt werden. Deshalb wird oft mehr 'gemacht', 'herausgeholt', 'erhellt', 'entschlüsselt', 'dramatisiert', 'akzentuiert', pathetisiert' als manchen Musikwerken gut tut!



    Bei einer entsetzlichen Naturkatastrophe gäbe es doch hinterher nur Elend und Verwüstung; und das THW, Polizei, Feuerwehr und die Medien des Vor-20-Uhr-Fernsehens wären zur Stelle.

    Da hast Du wirklich recht. Anstelle des letzten Satzes käme erst mal ein Brennpunkt!



    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Ich glaube übrigens, dass es bei den Dirigenten unserer Tage durchgängig eine gewisse Sorge gibt, das ganz einfache und natürliche Musizieren könne ihnen als Harmlosigkeit und Biederkeit ausgelegt werden. Deshalb wird oft mehr 'gemacht', 'herausgeholt', 'erhellt', 'entschlüsselt', 'dramatisiert', 'akzentuiert', pathetisiert' als manchen Musikwerken gut tut!


    Ja :yes:
    Da hast Du etwas Zutreffendes in Worte gefasst!


    Berichte dann mal, wie Dir die 26. Interpretation der 6. gefällt... :D


    Gruß :)
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Der britische Radiosender Classic FM hat ebenfalls eine (sehr streitbare) Liste der größten Dirigenten aller Zeiten, in dem Fall 16 an der Zahl, erstellt.


    Claudio Abbado
    Marin Alsop
    Hector Berlioz
    Leonard Bernstein
    Sir Adrian Boult
    Gustavo Dudamel
    Valery Gergiev
    Sir Colin Davis
    Herbert von Karajan
    Otto Klemperer
    Lorin Maazel
    Seiji Ozawa
    Sir Simon Rattle
    Fritz Reiner
    Leopold Stokowski
    Arturo Toscanini


    Zur Website: http://www.classicfm.com/discover/music/great-conductors/


    Über das Fehlen von Furtwängler, Barbirolli, Böhm, Mengelberg, Szell und Co. darf geschmunzelt werden ... :whistling:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Über das Fehlen von Furtwängler, Barbirolli, Böhm, Mengelberg, Szell und Co. darf geschmunzelt werden ...


    Da schmunzel ich mit ...


    Die Liste ist schon sehr polarisierend -
    :D da dürften einige Dirigenten dabei sein, die so manchem hier bei Tamino gar nicht gefallen.


    Ich muss sagen, dass ich mich über die Nominierung von Marin Alsop wundere (von der ich von amerikanischen Komponisten 3 Naxos-CD´s von Samuel Barber + 2 von Michael Daugherty habe, die ordendlich bis normal sind, aber nicht so herausragen, dass sie unbedingt zu den Besten aller Zeiten zugeordnet werden könnte).
    Auch wenn ich persönlich aus "aufnahmetechnischen Gründen"( ;) ) nicht so viel mit ihm am Hut habe - aber was ist mit Wilhelm Furtwängler ? ;) Aber irgendwie klar - ist ja eine britische Liste. Dafür haben sie ihren Landsmann in guter Erinnerung an Birmingham "reingepresst" ... :untertauch:


    Und diese Frage darf von mir auch nicht fehlen:
    Was ist mit und wo ist Sir Georg Solti :thumbsup: ???

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Interessant besonders die Nennung von Hector Berlioz, da das ja anhand der zahlreich vorhandenen Aufnahmen jeder nachprüfen kann. :D Und dann das Fehlen von Gustav Mahler. Viel lächerlicher kann man sich wohl nicht machen.

  • In der Liste von Classic FM sind m. E. nur Bernstein, Karajan, Klemperer, Reiner, Stokowski und Toscanini unstrittig einer Nennung unter den Allergrößten würdig. Bereits bei Abbado, Boult, Gergiev, Davis, Maazel, Ozawa und Rattle besteht wohl Gegenwind. Ganz zu schweigen von Alsop und Dudamel. Die Nennung von Berlioz ist natürlich ein Witz.


    Nun ja: eben noch eine Liste.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Interessant besonders die Nennung von Hector Berlioz, da das ja anhand der zahlreich vorhandenen Aufnahmen jeder nachprüfen kann. :D


    Wegen gefaketer Abgaswerte ist mein Delorean - bzw. dessen Fluxkompensator - gerade rückrufbedingt in der Werkstatt, so dass sich eine kurzfristige Überprüfung der Nennung von Berlioz meinen Möglichkeiten entzieht... :D

  • Zitat von Joseph II

    Zitat

    Über das Fehlen von Furtwängler, Barbirolli, Böhm, Mengelberg, Szell und Co. darf geschmunzelt werden


    Darüber schmunzle ich nicht , ebensowenig über die Nominierung von Berlioz. Auch jene von Dudamel und Alsop empfinde ich als Hohn. Im wesentlichen aber bestätigt es meine vernichtende Meinung über solche "Rankings" von "Experten"
    Was soll man ihnen unterstellen ?
    Daß sie blöd sind - oder käuflich - fachlich unfähig - desinteressiert - besoffen - lenkbar - unter Druck eines ebenfalls nicht mit Talent gesegneten "Netzwerks"? (die immer wieder angefochtenen Verschwörungstheorien) ????


    Ich bin mir nicht sicher - vielleicht ein gelungenes Zusammenspiel vielerlei Faktoren ??


    Allerdings fällt mir hier das Zitat eines Arbeitskollegen an meinem letzten Arbeitsplatz ein


    "Was immer Dir hier widerfahren möge - was immer Du für eine raffinierte, gegen Dich gerichtete Intrige halten mögest - in den meisten Fällen wird ungebremste Dummheit und Desinteresse dahinter stecken...."


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hier wird sich schon wieder echauffiert, ohne offenbar die (verlinkte) Quelle näher betrachtet zu haben. Dort heißt es:

    Zitat

    Here are 16 of the most talented, revolutionary and formidable classical legends of all time - the great conductors.
    Read more at http://www.classicfm.com/disco…tors/#3xildGbDegVhhH0V.99


    Also lediglich eine Auswahl und keineswegs "die"! Insofern dürften einige der genannten Namen - der Beschränkung geschuldet - als Repräsentanten zu werten sein.
    Klemperer vielleicht stellvertretend für Furtwängler, Toscanini, E. Kleiber, Walter, die ja alle von den Geburtsdaten her recht eng beeinander liegen.
    Berlioz evtl. repräsentativ für andere, komponierende Dirigenten wie Mahler?


    Ansonsten: siehe oben. ;)


    Viele Grüße
    Frank

  • Na ja, "The 16 greatest conductors of all time", sogar nochmal in der Kopfzeile des Browsers, klingt mir schon eher nach "Die 16 größten Dirigenten aller Zeiten". :D


    Geradezu schockiert hat mich, dass FURTWÄNGLER fehlt. Der wird doch eher gemeinhin als der größte Dirigent aller Zeiten angesehen, oder? ?(


    Hierzu Prof. Joachim Kaiser: "Für mich war Wilhelm Furtwängler nicht nur der größte Dirigent, sondern vielleicht sogar der größte Musikinterpret, der je gelebt hat."



    Sehenswert!

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

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    – Luís de Camões

  • Bleibt zu hoffen, daß Prof. Joachim Kaiser der Welt seine Rezensionen der Opernaufführungen von Senesino und Pasta, des Klavierspiels von Froberger und Liszt sowie der Dirigate von Mendelssohn (Gewandhausorchester) und Dufay (Burgundische Hofkapelle) nicht weiterhin vorenthält.


    Aufgrund mangelhafter Dirigiertechnik dürfte Lully voraussichtlich nicht unter die Top 10 gelangen. Möglicherweise wird er durch Peng Lang ersetzt, den großen Guzheng-Virtuosen des 8. Jahrhunderts aus Chang'an, damals der größte Musikinterpret, der je gelebt hat, heute leider aus den Quellen entschwunden.

  • Die britische Zeitschrift gramophone veröffentlicht ein Ranking, dass sicher angreifbar ist, aber immerhin zu den aufgenommenen Dirigenten pointierte und sachkundige Beschreibungen und Würdigungen gibt!



    Zitat

    This week on the Gramophone website, we will be exploring the art of the greatest conductors: what makes them such compelling artists, why are their recordings still benchmarks decades after they were produced?


    We've produced a list of the 50 greatest conductors, which should act as a key guide for anyone interested in exploring classical music recordings. We've also got authoritative guides to legendary conductors like Otto Klemperer, Arturo Toscanini, Thomas Beecham and Herbert von Karajan drawn from the Gramophone archive.


    Hier geht es zu der Liste:


    https://www.gramophone.co.uk/f…st-conductors-of-all-time


    Rundherum gibt es auch weitere interessante Artikel über Dirigenten!
    Lesenswert - Diskussionswürdig!


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

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