Die Neue Musik - der lange Weg hin zur "Nichtmusik"...?

  • Ja... das war so, als ich mich noch musikalisch in der Entwicklung befand. Jeder von uns hat irgendwann mal eine Sinfonie "noch nicht verstanden". Konnte ihren Ideen und ihrer Gestaltung nicht folgen, sie nicht wahrnehmen, war schlichtweg mit einem solchen Stück Musik überfordert. Das liegt daran, daß der Umgang mit komplexer Musik (wie eben Kunstmusik bw. die klassische Musik) nicht angeboren ist, sondern nach und nach erlernt werden muß...


    Mit den obenstehenden Aussagen hat Chris einen wichtigen Grund angesprochen. Besonders in Mietekonzerten erschließt sich bei einmaligem Hören vielen Musikfreunden neue Musik mit für sie ungewohnten Instrumentierungen und Klängen nicht. Wird die Komposition mehrmals gehört ist Verständnis, Gefallen und Akzeptanz höher. Auch Musikfreunde, die das Angebot von Einführungsvorträgen nutzen hören die Musik mit anderen "Ohren".


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Das aber setzt wiederum ein Sich-Einlassen darauf voraus, - über die Beschreibung der rezeptiven Begegnung mit ihr bis hin zu einer analytischen Betrachtung der kompositorischen Faktur.


    Hallo Helmut,


    volle Zustimmung - allerdings bei mancher Musik wird für mich aus der Faktur eine "Fraktur", dabei hat z. B. Stockhausens "Freitag Aus Licht" keine Fraktur.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Die Moderne ab Schönberg beraubt mich der Zeit, die ich für die unendlich viele Vokalmusik der Renaissance, des siglo de oro, der Musik von Schütz und Bach und der unendlich vielen Opern des Barock lieber aufwenden möchte.

    So zu denken ist legitim und unvermeidlich. Die Lebenszeit ist begrenzt und eben weil der Mensch nicht unendlich Zeit hat, kann er sich unmöglich mit allem an Kunst/Musik beschäftigen, die es wert wäre. Ich muß also eine ganz persönliche Auswahl treffen. Und die ist selbstverständlich von persönlichen Interessen und Neigungen bestimmt, auch in der Art, wie sie geschieht. Manche gehen in die Breite, Andere beschränken lieber ihr Repertoire und vertiefen sich. Warum jemand z.B. vornehmlich Symphonien, Opern, Chormusik, das Liedrepertoire, geistliche Musik, Alte Musik oder Neue Musik, romantische Musik oder Klaviermusik hört, ganz bestimmte Komponisten überproportional häufig gehört werden, ist natürlich von kontingenten Faktoren abhängig, die eine Berührung mit bestimmter Musik ergaben und zu "Schlüsselerlebnissen" wurden, so dass solche Musik dem betreffenden Menschen Zeit seines Lebens etwas Besonderes bedeutet. Das durchaus Beglückende daran ist, dass man immer weiß, das es genügend spannende Dinge zu entdecken gibt, die Welt in diesem Sinne nie erschöpft ist.



    Ich bin nun wirklich ein grosser Anhänger der Musiken des 20./21.Jhd. Aber wenn es (auch nach mehreren Versuchen) einfach kein Spass macht, sich mit solchen ""Kompositionen"" weiter zu beschäftigen, weil man diese Geräuschkullisse als abstossende Nichtmusik empfindet (und dieser legitime Eindruck sei bitte jedem erlaubt), dann kann man gerne seine wertvolle Hörzeit mit lohnenden Werken verbringen.

    Natürlich kann man keinem Menschen "Empfindungen" verbieten und das will auch niemand. Nur ist es eben ein Unterschied, ob man eine bestimmte Musik als "abstoßende Nichtmusik" empfindet, oder ob man damit implizit oder explizit behauptet, dass sie "Nichtmusik" auch ist. Deswegen ist dies auch keine Antwort auf die von Helmut Hofmann zu Recht gestellte Frage, sondern weicht ihr aus:



    Er hat eine These in den Raum gestellt, - mit einem Fragezeichen versehen, gewiss. Aber sie steht gleichwohl im Raum. Um sie zur Grundlage eines sachlich fundierten Diskurses zu machen, müsste er erst einmal die zugrundeliegende begriffliche Polarität klären: "Musik - Nicht-Musik".


    Schöne Grüße
    Holger

  • Zitat

    Zitat von Operus: Wird die Komposition mehrmals gehört ist Verständnis, Gefallen und Akzeptanz höher.


    Lieber Hans,


    genau das kann ich bestätigen. Ich habe viel Musik das 20. Jahrhundert, allerdings das, was man in meinen Ohren noch Musik (und nicht nur Geräuscherzeugung) nennen kann. In frühen Jahren war ich einseitiger ausgerichtet und habe mich nicht an vieles Neue gewagt. Es hörte sogar schon bei Mahler auf. Doch später habe ich - oft, indem ich Werke von mir noch unbekannten Komponisten auf CD im An- und Verkauf günstig erstanden habe - mich einfach einmal daran gewagt. Oft habe ich beim ersten Mal auch nicht so recht den Zugang gefunden und mir die CD mit einigen Tagen Abstand bewusst noch ein zweites Mal angehört. In den meisten Fällen bekam ich dann Lust, mir von diesem Komponisten noch mehr Werke zuzulegen. In manchen Fällen hat auch ein Konzerterlebnis dazu beigetragen, dass ich plötzlich Zugang zu einem Werk fand.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Warum begibt sich einer in ein Forum für klassische Musik?

    Einfach, weil klassische Musik eine Leidenschaft von mir ist. Mit Gleichgesinnten darüber reden, sich austauschen... darüber, was einen interessiert, oder worüber man gern einmal reden möchte. Kontroverse Themen zur (gepflegten) Diskussion stellen. Ich glaube, es gibt viele Themen, über die man sich unterhalten kann, nicht nur die Rezeption von Stücken.



    Zitat

    Über den "Hörgenuss" dialogisch verkehren? Wie sollte das denn gehen, - ich meine dialogisch-sprachlich?

    Der einfachste Austausch wäre: mir gefällt eine Einspielung (weil...), oder mir gefällt sie nicht (weil...).



    Zitat

    Um sie [die im Raum stehende These] zur Grundlage eines sachlich fundierten Diskurses zu machen, müsste er erst einmal die zugrundeliegende begriffliche Polarität klären: "Musik - Nicht-Musik".

    Ich übernehme die Definition aus Wikipedia als Grundlage dessen, was Musik ist (erscheint mir sinnvoll: "Kunstgattung, deren Werke aus organisierten Schallereignissen bestehen"). Wenn jetzt John Cage das Fehlen jeglichen Schalls als gestalterisches Mittel für Musik einsetzt ( 4'33" ), dann stehen wir wohl an der Grenze zur "Nichtmusik". Ob das dann schon "Nichtmusik" wäre oder nicht, würde ich offenlassen. Insofern ist "Nichtmusik" wohl ein Unwort...


    Darüberhinaus gibt es in der Neuen Musik einige Stücke bzw. Aufnahmen, die ich beim besten Willen keinen musikalisch natürlich empfindenden Menschen (wie Freunden, Bekannten, Verwandten) empfehlen würde, mit dem Hinweis: "Beschäftige Dich mal damit, und versuche, darin etwas zu entdecken".


    Aber viel konstruktiver finde ich, über solche Einspielungen zu reden, die mir gefallen, als über solche, die mir nicht gefallen. Ich werde in der nächsten Zeit mal systematisch auf die Suche gehen in der Neuen Musik... und wenn ich Dinge finde, die mir gefallen, diese Aufnahmen dann posten. Das braucht allerdings ein wenig Zeit.


    Viele Grüße
    Chris

  • Ich übernehme die Definition aus Wikipedia als Grundlage dessen, was Musik ist (erscheint mir sinnvoll: "Kunstgattung, deren Werke aus organisierten Schallereignissen bestehen").

    Das ist ungefähr so vielsagend wie die "Definition": Milch ist ein Getränk, das getrunken wird.



    Wenn jetzt John Cage das Fehlen jeglichen Schalls als gestalterisches Mittel für Musik einsetzt ( 4'33" ), dann stehen wir wohl an der Grenze zur "Nichtmusik".

    Cages´ witziges Stück ist eines, wo bezeichnend kein einziger Ton erklingt. Sinnenfälliger kann man die Grenze zur Nichtmusik wohl nicht dingfest machen: Wo etwas ist, ist etwas, wo nichts ist, ist nichts. :D


    Wie wunderbar erkenntnisreich doch Foren sein können! :untertauch:


    Viel Spaß jedenfalls beim Weiterdenken! :thumbsup:

  • Ich sitze im Hotelzimmer in Budapest und lese Eure interessanten Beiträge in diesem Themenbereich. Dabei stellte ich mir die Frage: Welche modernen Kompositionen haben Dich und das Heilbronner Publikum wirklich begeistert. Spontan fielen mir 2 Stücke ein "Konzert für Alphorn, Piccolo und Orchester" von Jean Deatwyler und das "Geigy Festival Concerto" - eine Phantasie über Basler Themen für Basler Trommel und großes Orchester. Beide Stücke wurden in einem Abonnement-Konzert aufgeführt. Das Publikum war hingerissen. Viele erzählten mir damals, dass durch dieses Konzert Vorurteile gegen moderne Musik bei ihnen abgebaut wurden. Es ist für dem Konzertveranstalter meistens nicht einfach, bei unbekannten, modernen Kompositionen das Haus voll zu bekommen. Wir arbeiteten deshalb auch mit einem Köder, indem angekündigt wurde, dass bei gutem Wetter vor dem Konzerthaus "Harmonie" ein Alphornquartett spielen würde. Matthias Kofmehl ein berühmter Schweizer Alphornsolist brachte 3 Partner mit, es war bestes Wetter und hunderte Besucher freuten sich vor dem Konzert und in der Pause über ein Alphorn-Open-Air-Konzert. Fazit: Es gibt sie doch: spontan ankommende und ein breites Publikum begeisternde moderne Kompositionen und mit Speck fängt man Mäuse. Der Veranstalter muss solche Stücke in bekannte Werke "einpacken" oder Besonderheiten, wie Alphorn und Basler-Trommel bieten, um Interesse an modernen Kompositionen zu wecken.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Ich glaube inzwischen, dass die moderne Musik vor allem auch live erlebt werden muss oder wenigstens im Fernsehen. Ich kann mich an zwei Aufführungen der "Soldaten" von Bernd Alois Zimmermann erinnern, eine in Köln, eine in Düsseldorf. Diese Oper ist sicher ein Klassiker, den man kennen sollte. Ein anderes Stück, das jetzt nicht ultramodern ist, war das Chorstück "Friede 48" von Karl Amadeus Hartmann, das ich in meinem Vokalensemble gesungen habe und das das schwerste Stück Chormusik war, das mir zum Singen je untergekommen ist. Wir wollten erst nicht daran, danach hat es uns nur begeistert. Es ist für Solosopran, Chor und Klavier; ich habe Aufnahmen mit dem Rias-Kammerchor und dem Kölner Rundfunkchor (dort Renée Fleming als Solistin).
    Das dritte Beispiel ist Ligetis "Mysteries of the Macabre", hier eine Aufführung in Luzern mit Barbara Hannigan als Solistin und Dirigentin. Darüber berichte ich noch näher im thread "Die Solovioline in Oper und Konzert."

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Zitat

    Zitat von Operus: Spontan fielen mir 2 Stücke ein "Konzert für Alphorn, Piccolo und Orchester" von Jean Deatwyler und das "Geigy Festival Concerto" - eine Phantasie über Basler Themen für Basler Trommel und großes Orchester.

    Lieber Hans,


    das Konzert für Alphorn, Piccolo und Orchester von Jean Daetwyler (1907 - 1994), das sich auch "Dialogue avec la nature" nennt, habe ich schon einige Jahre auf CD. Ich habe sogar Teile daraus zur Vertonung eines meiner eigenen Videofilme verwendet. Ebenso sein Concerto für Alphorn und Orchester mit den Sätzen Largo, Hirtentanz, Pastorale, Totentanz. Die CD enthält außerdem dass Concertino Rustico für Alphorn und Streichorchester von Ferenc Farkas (1904 - 2000) und die Sinfonia Pastorella für Streicher und Corno Pastorito, das als Alphorn identifiziert wurde.
    In allen Fällen kann ich sagen, dass mir diese Werke auf Anhieb gefallen haben. Und alles ist das, was ich als "Musik" verstehe.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Das ist ungefähr so vielsagend wie die "Definition": Milch ist ein Getränk, das getrunken wird.


    Nein. Was Du da sagst, ist eine (ziemlich banale) Aussage, und keine Definition. Aber wir können es gerne diskutieren. Ich fürchte allerdings, Du wirst dabei am Ende argumentativ den Kürzeren ziehen ;)
    Wiki gibt hier die kürzest-mögliche, zutreffende Definition von Musik. Übrigens sind genau die Neue Musik, beziehungsweise deren abstrakteste Auswüchse (-> Geräuschmusik) der wesentliche Grund für diese Definition, soweit ich das sehe.


    Zitat

    Sinnenfälliger kann man die Grenze zur Nichtmusik wohl nicht dingfest machen


    "Nichtmusik" habe ich selbst als Unwort bezeichnet - ich glaube, wir sollten diesen Begriff tunlichst vergessen ;) Es würde reichen, eine Trennungslinie zwischen "Musik" und "keine Musik (mehr)" zu ziehen.


    Fangen wir also an mit unserem Disput. John Cages "Water Walk": mit bald einer Million Aufrufen auf Youtube ein sehr bekanntes "musikalisches Werk" der Neuen Musik.


    Laut Wikipedia-Definition ist das Musik (da ein "organisiertes Schallereignis"). Nun die Frage: ist es für Dich Musik? Und die Antwort natürlich bitte stichhaltig begründen.


    Viele Grüße
    Chris

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  • Ich glaube inzwischen, dass die moderne Musik vor allem auch live erlebt werden muss oder wenigstens im Fernsehen


    Der Meinung sind aber andere Neue-Musik-Hörer nicht (und ich auch nicht). Ein Stück, das mir auf Youtube schon deutlich nicht gefällt, wird mir live genausowenig gefallen, dessen bin ich mir sicher, zumindest wenn es so ähnlich gespielt wird.


    Und wieso "Fernsehen"...? Ich habe hier den PC verbunden über eine gute externe Soundkarte mit einer guten Stereoanlage. Das dürfte einen besseren Klang abgeben, als die meisten Fernseher auf dem Markt ;)

  • Beim Fernsehen kommt das Sehen der Musik bzw. ihrer Interpreten dazu, das ist hier der entscheidende Punkt. Bei Musik, die ich gut kenne, reicht der Ton.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Beim Fernsehen kommt das Sehen der Musik bzw. ihrer Interpreten dazu, das ist hier der entscheidende Punkt.


    Obgleich optische Eindrücke interessant sein können (ich schaue gern schon mal Dirigenten oder Interpreten beim Musizieren zu), ziehe ich sie nicht für meine persönliche Einschätzung bzw. Beurteilung von Musik heran.
    Allein schon aus dem Grund, weil meine Musiksammlung ja auch für den MP3-Player, oder das Auto geeignet sein muß... und da gibt es dann die optischen Eindrücke nicht.


    Und wie etwa eine Violinistin oder eine Pianistin aussieht, interessiert mich nur sehr am Rande... wichtig ist nur, was für Musik sie zu machen versteht.

  • Ein Stück, das mir auf Youtube schon deutlich nicht gefällt, wird mir live genausowenig gefallen, dessen bin ich mir sicher, zumindest wenn es so ähnlich gespielt wird. [...] Ich habe hier den PC verbunden über eine gute externe Soundkarte mit einer guten Stereoanlage. Das dürfte einen besseren Klang abgeben, als die meisten Fernseher auf dem Markt ;)

    Ich weiß nicht, welche Anlage Du hast. Ich habe schon viele Leute ihre Anlage loben hören. Ich habe aber auch festgestellt, dass die meisten angeblich sehr guten Anlagen doch nicht unbedingt in der Lage sind, das, was Holger in Beitrag 45 beschreibt, hörbar zu machen. Es gibt Musik, die lebt von feinsten klanglichen Ereignissen. Und selbst wenn die Anlage in der Lage wäre das alles zu reproduzieren, so hätte ich doch erhebliche Zweifel daran, ob bei YouTube als Quelle die entsprechenden musikalischen Informationen wirklich noch vorhanden wären.

  • Es gibt Musik, die lebt von feinsten klanglichen Ereignissen. Und selbst wenn die Anlage in der Lage wäre das alles zu reproduzieren, so hätte ich doch erhebliche Zweifel daran, ob bei YouTube als Quelle die entsprechenden musikalischen Informationen wirklich noch vorhanden wären.


    Ich kann Dir versichern, ein gutes Mikrophon an der richtigen Stelle (und die Mikros sitzen zumeist an Positionen, von denen der übliche Konzerthörer nur träumen kann) nimmt auch die feinsten Klangnuancen auf. Ansonsten, hast Du generell immer den Abstrich der Aufnahme gegenüber dem live-Erlebnis, das ist klar.


    Was Holger gemeint hat mit "Hüllkurven, die man mal hört, und dann wieder nicht" kann ich nicht nachvollziehen (verstehen). Aber man muß generell ein wenig aufpassen, daß man Musik und deren Klang nicht mit Voodoo verwechselt... (wobei ich Holgers akustische Empfindungen damit nicht generell in Frage stellen will)


    Und gerade in der High-End-HiFi Technik gibt's ja so einiges an Voodoo, wenn Du weißt, was ich meine ;)

  • Die Hüllkurve bei Stockhausens Klavierstück IX müsste z.B. am Anfang ein ganz langes leiser-Werden sein. Allerdings ist kein Pianist eine Maschine, daher ist das immer "unsauber". Da Stockhausen zu der Zeit schon mit elektronischen Klangerzeugern gearbeitet hatte, nehme ich an, dass ihm bewusst war, dass ein Pianist das nicht so perfekt spielen kann wie ein Oszillator, und er wird das schon bei der Konzeption akzeptiert haben. Insofern verstehe ich dann Holgers Kritik auch wieder nicht.
    ;)

  • Live hat m.E. noch mindestens zwei weitere Besonderheiten, die gar nicht so viel mit der Klangqualität usw. zu tun haben. Zum einen gibt es in vieler neuerer und zeitgenössischer Musik besondere Raumklangeffekte, zum anderen wird man live ganz anders "gezwungen", sich auf Musik einzulassen, weil sie viel deutlicher als im heimischen Wohnzimmer im Mittelpunkt steht. Selbst wenn man sich fest vornimmt, sich nur auf die Musik zu konzentrieren, kann man im Prinzip aufstehen, etwas trinken usw. Alles würde man im Konzert normalerweise nicht machen und die Abwesenheit solcher Ablenkungen ist ein Vorteil.


    Wie meistens, krankt diese Diskussion an etlichen Unschärfen, u.a. weil anscheinend beinahe jeder etwas anderes unter "Nichtmusik" (oder unzumutbaren Geräuschen) versteht. Offensichtlich ist bei Cage oft gerade die Pointe, diese Grenze zu erreichen (oder zu überschreiten) und das Vorverständnis des Hörers, was Musik sei (nämlich keine Alltagsgeräusche u.ä.) in Frage zu stellen. Kurz: Wer hier nicht zweifelt, ob das Musik sei, hat es vielleicht auch missverstanden...


    (Am Rande: Mir scheint, "abstrakt" hier teilweise etwas seltsam verwendet zu werden. Ist der Witz bei "happenings" o.ä. Kunst nicht gerade der Mangel an Abstraktion?)


    Wenn dann aber Namen wie Hindemith oder Schönberg fallen, weiß man nicht so recht, was man sagen soll. Das ist doch offensichtlich Musik auf normalen Instrumenten, die normal gespielt werden, die Stücke sind traditionell mit Anfang und Ende begrenzt, nicht improvisiert oder anderweitig offen usw. Wie kann hier überhaupt die Frage aufkommen, dass das keine "richtige" Musik sei?


    Von Stockhausen kenne ich nur wenig sehr oberflächlich, aber selbst die elektronischen Sachen wie Gesang der Jünglinge sind doch raffiniert organisiert und kein zufälliger Lärm. Das muss einem nicht gefallen (mein Fall ist es auch nicht), aber anders als bei readymades oder mancher Dada-Kunst ist doch die "Kunstfertigkeit" kaum zu bestreiten.


    (Mich wundert auch ein wenig, dass Elektronik-Freund Teleton überhaupt nichts mit Stockhausen anfangen kann. Der wird doch von vielen Elektronikern aus dem populäreren Bereich als Pionier geschätzt, soviel ich weiß.)

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Die Hüllkurve bei Stockhausens Klavierstück IX müsste z.B. am Anfang ein ganz langes leiser-Werden sein. Allerdings ist kein Pianist eine Maschine, daher ist das immer "unsauber". Da Stockhausen zu der Zeit schon mit elektronischen Klangerzeugern gearbeitet hatte, nehme ich an, dass ihm bewusst war, dass ein Pianist das nicht so perfekt spielen kann wie ein Oszillator, und er wird das schon bei der Konzeption akzeptiert haben. Insofern verstehe ich dann Holgers Kritik auch wieder nicht.

    Ja, das hat Stockhausen einkalkuliert, so steht es ja auch in der Spielanweisung: ;)


    Akkord 193 mal in regelmäßigen Abständen: dimin. ganz kontinuierlich ohne Rücksicht auf nicht ansprechende Tasten (Hervorhebung von mir)


    Aloys Kontarsky hat dabei diese "Unzulänglichkeiten" der Ausführung und Aufführung, zufällig entstehende Inhomogenitäten, bewußt ausgenutzt durch Verstärkung und Stockhausen hat das auch ausdrücklich gebilligt. In seiner Analye schreibt der Pianist und Musikwissenschaftler Herbert Henck: "Hier (...) wird auskomponiert, was zunächst nur als Zufälligkeit aufgetreten sein mag: Ungleichzeitigkeit und dynamische Unterschiedlichkeit der Akkordtöne."


    Schöne Grüße
    Holger

  • Ich kann Dir versichern, ein gutes Mikrophon an der richtigen Stelle (und die Mikros sitzen zumeist an Positionen, von denen der übliche Konzerthörer nur träumen kann) nimmt auch die feinsten Klangnuancen auf

    Gut, und davon ziehen wir dann mal ab, was im Verlauf der weiteren Signalverarbeitung und Speicherung noch alles an Information verändert wird bzw. verloren geht, und dann ziehen wir ins Kalkül, dass die Sachen bei YouTube ja in aller Regel datenreduziert sind (gilt wohl für Bild und Ton), und dann brauchen wir uns nicht mehr zu wundern, dass die Superspitzenstereoanlage nicht annähernd das wiedergeben kann, was das Mikrophon vielleicht eingefangen hat.

  • Was Holger gemeint hat mit "Hüllkurven, die man mal hört, und dann wieder nicht" kann ich nicht nachvollziehen (verstehen). Aber man muß generell ein wenig aufpassen, daß man Musik und deren Klang nicht mit Voodoo verwechselt... (wobei ich Holgers akustische Empfindungen damit nicht generell in Frage stellen will)

    Hören ist nicht Voodoo! Warst Du mal bei einer Aufnahme von Klaviermusik dabei und hast den Tontechniker gesprochen? Oder hast Du mal miterlebt, wie nervös die Techniker werden, wenn sie die Lautsprecher für eine Aufführung von elektronischer Musik installieren? Da reichen ein paar Millidezibel zu wenig oder zuviel, dann kann man das "Wandern" der Klänge im Raum an bestimmten Plätzen nicht mehr wahrnehmen. Jeder Akustiker, der sein Handwerk versteht, weiß, dass es im Raum "Auslöschungen" von Frequenzen gibt und geben kann. Wenn die Kölner Philharmonie eben ganz spezielle Frequenzen schluckt - wofür der Interpret nun wirklich nichts kann - dann ist eine solche Hüllkurve nicht zu hören. Bei mir hier in der neuen Wohnung habe ich z.B. Rigipswände an der Rückwand der Anlage. Die dämpfen bekanntlich akustisch. Die Nebengeräusche bei manchen Aufnahmen (das Dämpfungsfilz des Klaviers beim Treten des Pedals), welche ich in der alten Wohnung ganz deutlich wahrnehmen konnte, sie sind in der Rigipsumgebung hier praktisch nicht mehr zu hören.


    Und noch etwas zur "Nichtmusik". Die Wikipedia-Definition ist wirklich der Ausdruck reinster Verlegenheit. Organisierte Klänge hat auch das Martinshorn des Feuerwehrautos oder ein Kuckucksruf. Ist das deshalb schon Musik? So kann man an das Problem einfach nicht herangehen. Die einzig sinnvolle Vorgehen wäre für mich nur das:


    In der Tat hat man in der Musikgeschichte Musik definiert durch die Abgrenzung zu Nichtmusik. Die Frage ist dann: Was sind jeweils die Kritertien dafür und wie ändern sie sich im Verlauf der Musikgeschichte? Wenn der Hörer nun etwa bei einem Musikverständnis des 19. Jhd. stehen geblieben ist, dann ist er letztlich nicht mehr in der Lage zu vernehmen, dass sich im 20. Jhd. ganz andere Kriterien für die Unterscheidung Musik/Nichtmusik ergeben haben und sortiert mit seinem anachronistischen Musikverständnis das, was Musik ist, unter Nichtmusik ein. Und außerdem - das zeigen solche Beispiele wie Cage oder die Musique concrete von Pierre Schaeffer - ist die Unterscheidung Musik/Nichtmusik für die Wahrnehmung hier einfach gar nicht mehr relevant. Schaeffer will die Frage, ob das Musik oder Nichtmusik ist, eigentlich gar nicht mehr stellen. Warum es also interessant ist, so etwas zu hören, liegt an ganz anderen Dingen, da muß man eben "offen" sein und bereit, sich von solchen eingeübten Erwartungshaltungen/Denkschablonen wie "Ist das noch Musik oder schon nicht mehr?" gänzlich zu verabschieden.


    Schöne Grüße
    Holger

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  • Ist der Witz bei "happenings" o.ä. Kunst nicht gerade der Mangel an Abstraktion?)


    Was genau meinst Du damit?


    Zitat

    Mich wundert auch ein wenig, dass Elektronik-Freund Teleton überhaupt nichts mit Stockhausen anfangen kann. Der wird doch von vielen Elektronikern aus dem populäreren Bereich als Pionier geschätzt, soviel ich weiß.


    Ich bin auch Hobby-Elektroniker... fühle mich aber musikalisch überhaupt nicht angesprochen von Klängen, die vom Testen oder Messen elektronischer Schaltungen herrühren könnten.


    ziehen wir ins Kalkül, dass die Sachen bei YouTube ja in aller Regel datenreduziert sind (gilt wohl für Bild und Ton), und dann brauchen wir uns nicht mehr zu wundern, dass die Superspitzenstereoanlage nicht annähernd das wiedergeben kann, was das Mikrophon vielleicht eingefangen hat.


    Die Stereoanlage gibt in aller Regel sehr gut das wieder, was mal im Raum akustisch passiert ist. Außer, jemand macht eine Aufnahme mit dem Smartphone (Dynamikkompression usw.), und wundert sich dann, daß alles so armselig klingt. Die Aufnahme- bzw. Aufzeichnungsqualität ist für mich in den allerseltensten Fällen das Kriterium, eine Aufnahme mal nicht in meine Sammlung aufzunehmen. Zu 99,9% sind es musikalische Gründe, warum mir Sachen auf YT nicht gefallen. Klar, je besser die Aufzeichnung in Bild und Ton, desto mehr freut man sich... aber nicht einmal das stimmt immer so, denn es gibt alte Aufnahmen in 240p, bei denen man wirklich hört, daß da ein Könner am Werk war. Und da stört etwas Rauschen usw. überhaupt nicht, kann m.E. sogar einen besonderen "Charme" ausmachen.

  • Warum es also interessant ist, so etwas zu hören, liegt an ganz anderen Dingen, da muß man eben "offen" sein und bereit, sich von solchen eingeübten Erwartungshaltungen/Denkschablonen wie "Ist das noch Musik oder schon nicht mehr?" gänzlich zu verabschieden.


    Das ist ein ... Argument und führt u. a. zu folgendem Ergebnis:


    Dann sind wir mal "offen" und geben eben unsere "eingeübten Erwartungshaltungen/Denkschablonen" auf und z. B. gleichfalls die Trennung zwischen "noch" lebenden Menschen "oder schon nicht mehr" lebenden Menschen=Leichen, denn in beiden Fällen handelt es sich ja um Körper.

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Die Wikipedia-Definition ist wirklich der Ausdruck reinster Verlegenheit. Organisierte Klänge hat auch das Martinshorn des Feuerwehrautos oder ein Kuckucksruf.


    Ja, aber Du vergißt dabei die Bedingung "Musik (...) ist eine Kunstgattung, deren Werke aus organisierten Schallereignissen bestehen". Musik ist also eine Kunstform... Das Martinshorn ist nicht zum Zweck der Kunst geschaffen worden, sondern ein Signal. Vogelstimmen mögen zwar durchaus schön klingen - sind aber keine Kunst, denn Kunst ist immer menschlichen Ursprungs (auch wieder Wiki, mit dem ich übereinstimme: "m engeren Sinne werden damit Ergebnisse gezielter menschlicher Tätigkeit benannt (...) Kunst ist ein menschliches Kulturprodukt, das Ergebnis eines kreativen Prozesses."). Man kann sagen: Kunst ist von Menschen - für Menschen.


    Zitat

    Wenn der Hörer nun etwa bei einem Musikverständnis des 19. Jhd. stehen geblieben ist


    Das ist ganz generell ein Problem. Wir müssen Musik aus unserem modernen Verständnis heraus beurteilen - weniger aus dem Verständnis dessen, das Komponisten vor Jahrhunderten hatten. Stichwort: Werktreue, Vorgaben in der Partitur wie Metronomangaben, Vortragsanweisungen... all solche Dinge muß oder sollte man im Grunde auf den Prüfstand stellen, als verantwortungsvoller Musiker. Ich denke, man muß Musik machen, die die Menschen erreichen kann - gerade auch bei der Klassik, die nach wie vor einen eher schweren Stand hat (ich glaube, nur 5 Prozent der Musikhörer hören Klassik). Es wird aber alles nicht unbedingt besser, wenn Klassik "unattraktiv" gespielt wird, Stichwort historische Aufführungspraxis.


    Zitat

    dann ist er letztlich nicht mehr in der Lage zu vernehmen, dass sich im 20. Jhd. ganz andere Kriterien für die Unterscheidung Musik/Nichtmusik ergeben haben und sortiert mit seinem anachronistischen Musikverständnis das, was Musik ist, unter Nichtmusik ein.


    Irgendwo gibt es für mich eine Grenze - auf deren Suche ich mich demnächst begeben möchte. Man kann auf so gut wie alles verzichten: Melodie, Rhythmus, Harmonik, Tonalität usw., aber am Ende sollten wenigstens so etwas wie "Klänge", die mir gefallen können, vorhanden sein.


    Niemand möchte in Zweifel ziehen, daß die Neue Musik, von der wir reden, interessant sein kann. Daß es vielleicht interessant ist, deren gedankliche Wege und Klänge nachzuvollziehen. Nur, die Frage, die ich mir täglich stelle, ist die profane: was will ich mir anhören, wenn mir nach Musik ist. Nicht einmal die Klassik macht dabei immer das Rennen, manchmal ist das auch guter Pop, oder guter Jazz.

  • Ich denke, man muß Musik machen, die die Menschen erreichen kann - gerade auch bei der Klassik, die nach wie vor einen eher schweren Stand hat (ich glaube, nur 5 Prozent der Musikhörer hören Klassik).

    Das ist ein populistisches Argument. Wenn die großen Komponisten des 18. und 19. Jhd. immer so verfahren wären, dann gäbe es gerade die Werke, die heute am meisten gespielt und geschätzt werden, nicht.


    Ja, aber Du vergißt dabei die Bedingung "Musik (...) ist eine Kunstgattung, deren Werke aus organisierten Schallereignissen bestehen". Musik ist also eine Kunstform... Das Martinshorn ist nicht zum Zweck der Kunst geschaffen worden, sondern ein Signal. Vogelstimmen mögen zwar durchaus schön klingen - sind aber keine Kunst, denn Kunst ist immer menschlichen Ursprungs (auch wieder Wiki, mit dem ich übereinstimme: "m engeren Sinne werden damit Ergebnisse gezielter menschlicher Tätigkeit benannt (...) Kunst ist ein menschliches Kulturprodukt, das Ergebnis eines kreativen Prozesses."). Man kann sagen: Kunst ist von Menschen - für Menschen.

    Nein, nein! Es geht um die Frage, durch welches Kriterium Musik von Nichtmusik abgegrenzt werden kann. Dass Musik = organisierter Klang ist im Unterschied zum unorganisierten Klang (das ist dann das Geräusch) wäre ein mögliches Kriterium. Dagegen ist der Verweis auf die Kunstgattung reine Tautologie. Was definiert denn Kunst und die Zugehörigkeit zu einer Kunstgattung? So sagt man nur: Musik als organisiertes Schallereignis reicht nicht aus, um Musik von Nichtmusik zu unterscheiden. Es sind nur solche organisierten Schallereignisse, die Kunstformen sind. Was aber ist wiederum eine Kunstform? Wie definiert sich Musik als Kunst? Das ist einfach eine zirkuläre Argumentation, die voraussetzt, was sie begründen will und deren Erkenntniswert so gleich Null ist: Organisierter Schall ist Kunst (Musik), wenn Kunst eben Kunst (und nicht Nichkunst) und Musik Musik ist und nicht Nichtmusik.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Ich störe mich an der Bemerkung, dass Klassik nicht unattraktiv gespielt werden darf, siehe "historische Aufführungspraxis". Für mich stellen sich die Dinge damit auf den Kopf, denn gerade die historische Aufführungspraxis hat die Attraktivität alter Musik, ja sogar der sog. Klassik, deutlich erhöht.
    Beispiel 1: Haydn-Sinfonien. Die Eleganz und Subtilität dieser Werke kommt mit groß besetzten Sinfonieorchestern nicht zum Tragen.
    Beispiel 2: Barockopern, Händel, Cavalli, Monteverdi. Man höre sich zum Vergleich nur die Cavalli-Aufnahmen von Raymond Leppard und René Jacobs an.
    Beispiel 3: Polyphonie. Hier vergleiche man nur Palestrina und Josquin, gesungen von einem großen Chor und von Vokalensembles. Da erkennt man nicht, dass da nach den gleichen Noten gesungen wird.
    Beispiel 4: Bach. Das ist so evident, dass ich es nicht ausführen muss.
    Noch eine Bemerkung: das "Stück" "4'33'' ist keine Kunst, sondern ein Gag. Wenn es Kunst wäre, wäre auch alles von Victor Borge Kunst.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Dann sind wir mal "offen" und geben eben unsere "eingeübten Erwartungshaltungen/Denkschablonen" auf und z. B. gleichfalls die Trennung zwischen "noch" lebenden Menschen "oder schon nicht mehr" lebenden Menschen=Leichen

    »Müde vom Durchwandern öder Letternwüsten, voll leerer Hirngeburten, in anmaaßendsten Wortnebeln; überdrüssig ästhetischer Süßler wie grammatischer Wässerer; entschloß ich mich: Alles, was je schrieb, in Liebe und Haß, als immerfort mitlebend zu behandeln! ---« (Arno Schmidt)

  • Das ist ein populistisches Argument. Wenn die großen Komponisten des 18. und 19. Jhd. immer so verfahren wären, dann gäbe es gerade die Werke, die heute am meisten gespielt und geschätzt werden, nicht.


    Das halte ich für eine sehr gewagte Behauptung. Ich habe nicht den Eindruck, daß die klassischen Komponisten mit ihren Werken ihr Publikum "nicht erreicht" hätten (auch damals gab es ja schon Spielpläne - in denen Stücke öfter, oder weniger oft, auftauchten. Je nachdem, wie "zündend" sie waren).


    Zitat

    Was definiert denn Kunst


    Ich glaube, an dieser Frage (eine Definition von "Kunst") haben sich schon große Köpfe vergeblich versucht... man sollte das mal hinbekommen... Kunst ist etwas, das (wenige darauf spezialisierte) Menschen für andere (besonders daran interessierte) Menschen erschaffen. In diesem Fall keine Gebrauchsgegenstände, sondern vornehmlich Werke zur geistigen Nahrung, und Erbauung.

  • Ich störe mich an der Bemerkung, dass Klassik nicht unattraktiv gespielt werden darf, siehe "historische Aufführungspraxis". Für mich stellen sich die Dinge damit auf den Kopf, denn gerade die historische Aufführungspraxis hat die Attraktivität alter Musik, ja sogar der sog. Klassik, deutlich erhöht.


    Was mir an der HIP mißfällt, das ist etwa der Verzicht auf das Streicher-Vibrato... ein gekonntes Streicher-Vibrato steigert die Schönheit einer Interpretation ungemein, für meine Begriffe. Naja, und Harnoncourt, als Pionier der HIP... ich habe keine Aufnahme bisher vom ihm. Gut, von Karajan hab' ich auch nur eine einzige Aufnahme... ;)

  • Ich glaube, an dieser Frage (eine Definition von "Kunst") haben sich schon große Köpfe vergeblich versucht...


    Du weichst dem Entscheidenden aus - damit sind wir wieder bei der weiterhin offenen Helmut Hofmann-Frage: Was ist das Kriterium für die Unterscheidung von Kunst und Nichtkunst bzw. Musik und Nichtmusik? Du hattest bei Deiner Thread-Eröffnung in den Raum gestellt, dass es dafür angeblich immer- und allgemeingültige und quasi für jeden selbstverständlich nachvollziehbare Kriterien gäbe. Also dann möchte ich sie endlich von Dir wissen - und nicht, dass Du um den heißen Brei immer wieder herumredest, wie man so schön sagt! (Sonst zitiere ich das Herbert-Wehner-Wort: "Das ist, wie wenn man einen Pudding an die Wand nagelt!") ;) :hello:

  • Noch eine Bemerkung: das "Stück" "4'33'' ist keine Kunst, sondern ein Gag.


    Eine Frage: gibt es irgendeinen Hinweis darauf, daß Cage dieses Stück als "Witz" angedacht hatte? Für mich ist es das mitnichten, sondern vielmehr der Endpunkt einer Entwicklung: nämlich der Verzicht auf jeglichen Schall bei Musik und beim Komponieren. Quasi der Nullpunkt, das Ende, wenn man das, was Musik ist, gedanklich immer weiter reduziert (und demontiert).

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