Jan Lisiecki - Eigentlich fast ein "Shooting Star"

  • Ab heute hat Lan Lisiecki einen eigenen Thread im Tamino Klassikforum. Positiv erwähnt wurde er hier ja auch schon mehrfach in der Vergangenheit:


    Am Sonntag, 22. Juli 2012, 13:36 , also beinahe vor 4 Jahren schrieb ich im Thread


    Missionarischer Eifer im Tamino Klassikforum (2) - Die Interpreten


    über Jan Lisiecki:


    Jan Lisiecki - Eigentlich fast ein "Shooting Star" - und ich habe eigentlich eine Aversion gegen "Shooting Stars"
    Aber in diesem Fall sagt eine innere Stimme mir, daß es sich hier in der Tat um einen Ausnahmekünszler zu handeln scheint - und deshalb mache ich gerne auf ihn aufmerksam.

    Dass sich die internationale Kritik vor Lob förmlich überschlägt ist noch keine wirkliche Empfehlung. Eher schon die persönlichen Aussagen von Jan Lisiecki, aber vor allem sein Spiel. Hier hört man nichts von aufgesetztem "Neu um jeden Preis" - und dennoch ist hier doch Individualität im Spiel....
    Anscheinend braucht der Künstler keine Erwähnung mehr in diesem Thread - aber das mag täuschen. Wie viele junge "Superstars" (und darunter einige gute) sind schon sang - und klanglos in der Versenkung versunken, wenn sie nicht die von den Managern der Tonträgerindustrie erwarteten Gewinne eingespielt haben..... ?
    Diesem Trend entgegenzuwirken werden wir in Zukunft hier mehr interessante Künstler "promoten" oder besser gesagt in der Erinnerung des Publikums zu verankern versuchen.


    Und genau das wollen wir an dieser Stelle machen. "Newcomer" unter den Pianisten - und seien sie noch so hervorragend - haben in der Regel selten einen eigenen Thread bei Tamino, und zwar, weil in der Regel nicht genügend Aufnahmen am Markt sind um solch einem Thread eine tagfähige Basis zu bieten.


    Im Falle von Jan Lisiecki haben sich bereits einige Eigenschaften herauskristallisiert:
    Er ist kein "reiner" Chopin-Pianist, sondern baut sein Repertoire moderat aus. Die Anzahl seiner Neuaufnahmen hält sich in Grenzen, es gilt: Klasse statt Masse. Die Kritiker bleiben auch nach der "Wunderkind.Phase" an ihm interessiert, er wird sowohl die aktive Klassikszene der Gegenwart und Zukunft bereichern, als auch in den Tonträgerarchiven diverser Sammler prominent vertreten sein. 2013 wurde er mit dem Leonard Bernstein Award prämiert, im Jänner 2016 debütierte er in der Carnegie Hall in New York


    Die Zusammenarbeit mit "Deutsche Grammoohon" dürfte eine erfolgreiche für beide Teile sein. Anfang Jänner 2016 erschien hier eine neue CD mit einem Schumann-Programm.


    Im Jänner 2016 trat Lisiecki mehrmals in diversen Städten in den USA auf, Ende Feber folgen Konzerte in einigen deutschen Städten (München, Düsseldorf, Hamburg, Wuppertal, Braunschweig, Hannover, Osnabrück, Berlin)
    Die genauen Termine und Programme findet man auf Lisieckis Website


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred


    APUT

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !




  • Jan Lisiecki, den jungen Kanadier polnischer Herkunft (Jahrgang 1995), hatte ich bisher zwar durchaus im Auge, mir aber musikalisch noch nicht näher betrachtet. Heute nun habe ich mir seine erste vielbeachtete CD bei der DGG zu Gemüte geführt. Sich an die Chopin-Etüden zu wagen und dieser Herausforderung auch noch standzuhalten, ist eine Art Ritterschlag für einen Pianisten. Wie sagte einst Alfred Cortot zu den Chopin-Etüden: Ein Techniker ohne Musikalität findet zu ihnen genauso wenig Zugang wie ein Musiker ohne Technik. Beide Voraussetzungen bringt Jan Lisiecki zweifellos mit. Was diese Platte jedoch vor allem so ungemein sympathisch macht, ist die Unambitioniertheit des Interpreten. Klaviertechnisch ist das gerade nicht „olympisch“ was die Geschwindigkeit angeht, die Finger zu bewegen oder die absolute Präzision des Anschlags. Der junge Kanadier scheut sich einfach nicht, allein damit den Hörer zu gewinnen, was er von Hause aus besitzt: sein offenbar naturgegebenes Einfühlungsvermögen für Chopin. Dafür ist seine solide aber unspektakuläre Klaviertechnik einfach gut genug. Angesichts von hochvirtuosen Geschmacklosigkeiten eines Lang Lang ist man letztlich beglückt, wie viel guten Geschmack und bei Jung-Virtuosen vergessen scheinende Tugenden kultivierten Chopin-Spiels dieser jugendliche, zur Zeit der Aufnahme nur 18jährige Interpret mitbringt. Sein Chopin ist schlank, betont die rhythmisch-harmonischen Strukturen, meidet jegliche Extreme, neigt eher zum Behutsamen als zur rauschhaften Brillanz. Lisieckis Eigenart, den Zyklus im Block einzuspielen, bewährt sich zudem. Wie im Live-Konzert gibt es Überraschungen, die einen immer wieder aufhorchen lassen. Wirkt die melodische Etüde op. 10 Nr. 3 doch ein wenig zu geradlinig und unemphatisch vielleicht oder die Oktavenetüde aus op. 25 etwas zu undämonisch, so überrascht er etwa mit einer sehr dramatischen Revolutionsetüde (op. 10 Nr. 12). Irgendwie wirkt Lisieckis Spiel wie eine Renaissance der Tradition des Chopin-Spiels vor Rubinstein: weniger kraftvoll, dafür eher zart, aber nie sensualistisch verzärtelt, sondern immer klar, schnörkellos und absolut stilsicher. Interpretatorisch ist das eine geschlossene Leistung. Hier gibt ein junger Musiker eine Visitenkarte ab, die für die Zukunft Erwartungen weckt. Da steckt Potential an Gestaltungskraft in seinem Spiel, das immer wieder durchbricht. Sicher, die ganz große Ausdrucksintensität erreicht dieses Chopin-Spiel noch nicht. Aber es ist eben ein Zeichen für Qualität, wenn man bei einer solchen Aufnahme gar nicht darauf achtet, was der Interpret (noch) nicht zu bieten hat, spektakuläre Virtuosität und das Ergründen von letzten musikalischen Tiefen, sondern allein auf das hört, was sie so überzeugend darbietet: ein wirklich intelligentes und im besten Sinne kultiviertes Chopin-Spiel, was zudem auch noch mit originellen Gestaltungsmomenten aufwartet. Hier überzeugt ein ehrlicher Musiker, der so gar kein mediengeiler Selbstdarsteller ist, sondern einfach nur mit großer Natürlichkeit das vorführt, was für ihn Chopin bedeutet: schöne Musik! :) :) :)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Alfred_Schmidt

    Hat den Titel des Themas von „Jan Liesecki - Eigentlich fast ein "Shooting Star"“ zu „Aktive Pianisten unserer Tage - Jan Liesecki - Eigentlich fast ein "Shooting Star"“ geändert.
  • Offenbar versucht die DGG - teilweise von mir längere Zeit unbemerkt - an die "goldene Ära" anzuknüpfen, nach dem sie - aus meiner Sicht - sich über einige Zeit mit "zeitgeististigen" Interpreten und ebensolchen Aufnahmen befasste. Schon kurz nach dem letzen Beitrag (2017) hier veröffentlichte sie die hier gezeigte Aufnahme mit eher unbekanntem Repertoire von Chopin und Jan Lisiecki als Pianisten. Eine kurze Hörprobe bei den jpc clips ließ diese Aufnahme heute auf meine Bestelliste wandern. Fono Forum schrieb im Mai 2017: "Hier stimmt einfach alles"

    Dem damaligen Wunsch des Rezensenten nach weiteren Aufnahmen von Lisiecki hat die DGG entsprochen - zu gegebener Zeit werden hier Beiträge folgen. Da gibts eine Menge zu tun.....




    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Reinhard

    Hat den Titel des Themas von „Aktive Pianisten unserer Tage - Jan Liesecki - Eigentlich fast ein "Shooting Star"“ zu „Aktive Pianisten unserer Tage - Jan Lisiecki - Eigentlich fast ein "Shooting Star"“ geändert.
  • Alfred_Schmidt

    Hat den Titel des Themas von „Aktive Pianisten unserer Tage - Jan Lisiecki - Eigentlich fast ein "Shooting Star"“ zu „Jan Lisiecki - Eigentlich fast ein "Shooting Star"“ geändert.
  • Eine beinahe halbstündige Dokumentation zum Pianisten Jan Lisiecki. Gegen Ende macht er ein Lob.


    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928