Michael Tippett - Die Streichquartette

  • Michael Tippett (1905-1998) gilt neben Benjamin Britten als der bedeutendste englische Komponist der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert. Obwohl ich sagen muß, dass - in meiner Wahrnehmung zumindest - bisher kaum ein Stück von ihm ins Dauerrepertoire eingegangen ist. Am ehesten wohl noch das Oratorium "A child of our time", das "Konzert für doppeltes Streichorchester" und die "Ritual Dances" aus seiner ersten Oper "Midsummer Marriage". Ich kann mich nicht daran erinnern, dass mir je eines dieser Stücke im Konzertsaal begegnet ist, das gleiche gilt für die 5 Opern, von den ich zwar vier im Regal stehen, aber außer Midsummer Marriage noch keine komplett gehört habe.


    Michael Tippett hat verteilt über sein langes Leben fünf Streichquartette komponiert. Die Neuaufnahme durch das Heath Quartet wollte ich zum Anlass nehmen, mich etwas näher mit ihnen zu beschäftigen. Allerdings an Hand einer älteren Gesamteinspielung, der m.W. ersten durch das Lindsay Quartet. Die letzten beiden Quartette wurden von diesen wohl auch uraufgeführt jedenfalls waren dies die jeweils erste Einspielungen. Das ist auch die derzeit günstigste Variante. Daneben gab es die ersten vier Quartette auch vom Britten Quartet. Inzwischen gibt es auch noch auf Naxos eine GA durch das Tippett Quartett. Bisher also weitgehend eine britische Veranstaltung. Zwar hat das Amadeus Quartett seinerzeit auch Michael Tippetts 2. Quartett aufgenommen, aber die waren ja auch fast britisch.


  • Das erste Streichquartett entstand 1934/35 und wurde 1943 überarbeitet. Es hat drei Sätze und dauert knapp 20 min. Der erste Allegrosatz kommt bartokmäßig gleich ziemlich ruppig daher und ist schon mal ein vielversprechender Auftakt. Das zentrale Lento cantabile zeigt dann auch die große melodische Begabung von Tippett, es ist mit fast 8 min der längste Satz, ein schmerzlich-melancholischer Satz, der seine Wirkung auf die meisten Hörer kaum verfehlen wird. Der letzte Satz - ein rhythmisch-agiles Allegro assai - ist IMO nicht ganz auf dem Niveau der ersten beiden und läuft sich etwas tot. Insgesamt aber schon mal eine recht überzeugende Erstansage des 30-Jährigen.

  • Daß dieser Thread bislang keine Antwort bekam bestätigt mich in meiner Vermutung, daß es nur ein kleiner Kreis ist, der diese Werke hören will. Desungeachtet habe ich heute meine seit Jahren im Regal mit den ungehörten CDs aus der Originalversigelung befreit und mir das erste Streichquartett angehört. Mir wird es immer ein Mirakel beliben, warum die Komponisten des 20. (und vermutlich 21. ?) Jahrhundert eine Vorliebe für Disharmonien, Sprödigkeit und Tristesse entwickelt haben und (in England) dafür auch noch geadelt wurden. Ich habe heute das erste von 3 Quartetten auf der CD (enthalten sind Nr, 1, 2 und 4) angehört. Der Rest wird zu unbestimmter Zeit nachgeholt. Zuvie Vergnügen an einem Tag ist vielleicht schädlich - und vielleicht auch unmoralisch ( ?:hahahaha: )

    Abgehärtet durch dieses Forum war ich nach dem ersten Satz immerhin soweit, daß ich zu dem Schluß kam, das Stück sei zwar unschön aber nicht unerträglich, hinterlasse auch einen Eindruck um Bereich der Emotion - aber nicht unbedingt jenen, den ich anstrebe, wenn ich Musik höre.

    Wobei mir der letzte Satz - im Gegensatz zu Lutgra - noch am Besten gefällt

    Damit ich hier nicht nur herummeckere, eine kurze Ergänzung:

    Das Quartett war bei der Uraufführung 1935 viersätzig. Tippet (er war ein eigenwilliger Charakter) mißfielen die ersten beiden Sätze und er entfernte sie und ersetztsie nun durch EINEN neuen. So ist das Quartett seit der Revision (Diese Version ist auf der Naxos CD zu hören) dreisätzig.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Da besitze ich die Fast-Integrale mit dem Tippett-Quartett und bin es auch zufrieden - bei noch zu geringer Vertrautheit. Leider fehlt das letzte, fünfte Quartett. Dann müssen wohl noch die Lindsays her. Oder Heath oder was Einzelnes? Vielleicht hat lutgra einen Tipp?


    Denn Tippett mag ich schon sehr gerne, was mancher Liebhaber der Musik des 20. Jahrhunderts nicht recht verstehen kann. Was wiederum ich nicht recht verstehe.


    Die Kammermusik kommt da zu kurz. Unter den Klavierwerken findet sich aber Interessantes, das ich schon kenne.


    :) Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!