Valery Gergiev - ein russischer Dirigent

  • Hallo syrinx,


    so ca. 32-33 Minuten halte ich für ein flottes Spiel:


    Fritz Reiner, CSO: 33 Minuten
    Markevitch, GOL: 32:29
    Dohnanyi, CO: 32:49


    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Hallo Liebestraum,
    Gergiev kommt auf 32,14. also 15 Sekunden sind für dich der Unterschied zwischen flott und gehetzt ? ?(


    Ich habe die aufnahme gestern nochmals gehört und wirklich sehr genossen, gehetzt ist nach wie vor was anderes. Hast Du die Aufnahme eigentlich wirklich ganz gehört ?


    Gruss


    Syrinx

  • Hallo Syrinx,


    nein, ich habe nur das "Große Tor von Kiev" gehört und da ist mir das Tempo zu schnell.... Ich fange beim Hören einer "Ausstellung" immer mit dem "Tor" an. Nachdem ich es bei Gergiev gehört habe, habe ich die Aufnahme wieder zurückgestellt.


    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Vergeßt bitte die Sekundenzählerei. Das sind Gesamtspielzeiten. Oder um es anders zu sagen: Was Reiner in einigen Bildern (etwa bei der Baba Jaga - das ist nun wirklich gehetzt) zu schnell ist, ist er am Schluß zu langsam. Das gleicht sich dann aus. Reiner gehört, obwohl ich diesen Dirigenten an sich schätze, zu den für mich verzichtbarsten Aufnahmen: Eine aalglatte Orchesterparade ohne Seele und mit einem völlig unrussischen (und obendrein unfranzösischen) Klang in den Trompeten und Posaunen. Wäre ich ein grundsätzlicher Gegner der Ravel-Fassung, würde ich sagen: Genau diese Aufführung hat Ravel verdient.


    Gergiew (den ich, wie gesagt, auch nicht sonderlich schätze), ist insoferne besser als Reiner, Dohnanyi, Karajan und Co., weil er von einem vernünftigen Grundtempo ausgeht, das er in beide Richtungen variieren kann, ohne in allzu große Tempoextreme zu verfallen. Mich stört bei ihm eher die übertriebene Lautstärke und der für mich zu wohlig dicke Orchestersatz. Ich hab's halt lieber schlanker und durchhörbarer, und wenn ich schon eine 5000-Volt-Aufnahme will, dann ist mir immer noch Swetlanow am liebsten. Aber Gergiew so herunterputzen, hat sich dieser sehr tüchtige und durchaus beachtliche Musiker nicht verdient.
    :hello:

    ...

  • Hallo Liebestraum,

    Zitat

    Nein, ich habe nur das "Große Tor von Kiev" gehört


    Und aufgrund dieser allerunwesentlichsten Takte dieses Werkes beurteilst Du eine Aufnahme? Ich hab auch vom Karajan-"Otello" nur den Sturm gehört und weiß deshalb, daß das Liebesduett einfach viel zu überzuckert ist.
    Menschenskind, sind wir hier noch in einem ernsthaften Klassikforum...? :no:
    :hello:

    ...

  • Hallo Liebestraum

    Zitat

    nein, ich habe nur das "Große Tor von Kiev" gehört und da ist mir das Tempo zu schnell.... Ich fange beim Hören einer "Ausstellung" immer mit dem "Tor" an. Nachdem ich es bei Gergiev gehört habe, habe ich die Aufnahme wieder zurückgestellt.


    Ich hoffe wirklich für dieses Forum, dass Deine Art eine Aufnahme zu beurteilen nicht repräsentativ für Tamino ist.....


    :no: :no: :no: :faint:


    Gruss


    Syrinx

  • Hallo Edwin,


    ich habe nichts weiter gesagt: Gergiev ist mir zu schnell (gehetzt). Warum soll dazu nicht ein einziger Ausschnitt ausreichen, um zu diesen Ergebnis zu kommen? Ich mag das "Tor" nicht in diesem schnellen Tempo. Daraufhin hatte ich gar keine Lust mehr weiter zu hören.


    Deshalb steht sie nicht bei mir im CD-Regal und wird dort auch künftig nicht stehen!


    Eine Aufnahme soll mir insgesamt gefallen: also Reiner, Markevitch, Dohnanyi, Jansons


    Andere Taminos bevorzugen andere Aufnahmen - Geschmäcker sind halt verschieden.


    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Hallo Liebestraum,
    ich finde es geradezu erschreckend, daß Du eine "Bilder"-Interpretation überhaupt nur aufgrund des "Bogatyr-Tors" beurteilst. Dieser Abschnitt ist von Mussorgskij nicht sehr gut komponiert und von Ravel, der die Schwächen merkte, nicht sehr gut bearbeitet worden.
    Eine Beurteilung der "Bilder" aufgrund eines Satzes ist überhaupt unmöglich, aber wenn, dann würde ich als repräsentativ vorschlagen:
    - Gnomus (Tempo, Klangfarbe)
    - Bydlo (Ansatz von Steigerung)
    - Küken (Rhythmus - wesentlich raffinierter als die Baba Jaga)
    - De mortuis (Balance des Orchesters)
    :hello:

    ...

  • Hallo Liebestraum


    Zitat

    Eine Aufnahme soll mir insgesamt gefallen


    Dazu musst Du diese dann ingesamt auch kennen.


    Es sei dir ungenommen eine Aufnahme, nach Deinen eigenen Kriterien zu beurteilen, in diesem Fall nach kurzem Reinhören in das Tor, nur entweder Du maast Dir dann kein Gesamturteil in diesem Forum an- oder Du sagst wenigstens von Anfang an, dass Dein Urteil auf einem kleinen Ausschnitt gründet.
    Wenn die Kommentare, dann aber auch noch hämisch daher kommen (etwa die Verwendung dieses Zeichens: :hahahaha: über Gergievs Aufnahme ), dann könnte einem hier schon die Galle hochkommen.



    Gruss :hello:


    Syrinx

  • Hallo Syrinx,


    das "Tor" ist ja kein kleiner Ausschnitt: es sind ca. 6 Minuten (etwa 1/5 des Gesamtwerkes) und das finde ich bei Gergiev schlecht interpretiert, da zu schnell heruntergespult.
    Auch wenn die anderen Teile exzellent aus meiner Sicht umgesetzt wären, wird es dadurch für mich zu keiner Spitzenaufahme. Ich würde sie mir nie gerne anhören, weil ich immer an das für mich unbefriedigende Ende denken müsste.


    Genau so unbefriedigend finde ich seine unerträglichen Einspielungen der Tschaikowski-Ballette (wieder vieles zu schnell heruntergespult, danach kann man überhaupt nicht tanzen). Tschaikowski hat in diesen Fällen ja Musik zu Balletten geschrieben und keine sinfonischen Dichtungen oder ähnliches. Aber das ist meine Meinung.


    Ansonsten bin ich mit meiner Sammlung von "Ausstellungen" gut bedient.



    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Halloo Liebestraum


    Ich habe mal ne sehr interessante Kritik über ein eigenes Konzert gelesen- besonders die Kritik des 2. Teils war spannend, hatte der Kritiker mir doch persönlich in der Pause gesagt, dass er jetzt leider aus familiären Gründen nach Hause müsse :wacky:
    So ähnlich kommt mir das hier vor.
    Ich hab trotzdem mal gerade mit der Tabfunktion des Metronoms Reiner und Gergiev beim grossen Tor verglichen- es ist exakt gleich, Tempo 72 :faint:
    :yes: :yes: :stumm:Also obwohl ich das gerade nur am jpc -Schnipsel des Tors festgestellt habe, finde ich die ganze Mussorgsky-Aufnahme Reiners völlig überhetzt und natürlich Reiners Gesamtwerk, sowieso :yes: natürlich nur aus meiner Sicht. :yes: :yes: :stumm:


    Na denn Prost auf meine CD-Sammlung ! :D :untertauch:


    Syrinx

  • Hallo Syrinx,

    Zitat

    Ich hab trotzdem mal gerade mit der Tabfunktion des Metronoms Reiner und Gergiev beim grossen Tor verglichen- es ist exakt gleich, Tempo 72


    Das nenn' ich KO in Runde 1... :hahahaha:


    Nun hatte ich aber den Reiner am Schluß als zu langsam in Erinnerung. Wie gibt's das? Schnell nachgehört: Die Relationen stimmen nicht! Diese unerträglich gehetzte "Baba Jaga" würde beim "Tor" ein schnelleres Tempo erfordern. Gergiew ist hier in seiner Tempodramaturgie wirklich nicht übel.


    Aber weißt Du, weshalb Liebestraum so danebenliegt in seiner Beurteilung? Weil er einen Fehler gemacht hat: Er hat nur das "Tor" gehört. Die "Baba Jaga" und das "Tor" gehören aber zusammen. Der Effekt ergibt sich durch die Kontrastwirkung zwischen den gereihten Kurzthemen der Hexe und dem breit ausgeführten Choralsätzen der letzten "Promenade", die ja das "Tor" eigentlich ist. Man muß die Bilder unmittelbar hintereinander hören, um die Tempodramaturgie eines Interpreten zu beurteilen, alles Andere ist Unfug.


    Was die so oft so gelobte Reiner-Aufnahme betrifft: Ich werde den Verdacht nicht los, daß hier, geblendet durch den Oberflächenglanz, ein Fehlurteil nachgeplappert wird, ohne daß man sich mit dem Werk wirklich befaßt hat.
    :hello:

    ...

  • Hallo Edwin,


    das mag sein, denn ich mag glanzvolle Aufführungen. Die Einspielungen von Fritz Reiner haben für mich einen ganz besonderen Stellenwert. Er ist halt mein Lieblingsdirigent...



    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Hallo Liebestraum,
    mir unverständlich - es gibt ein paar recht gute Aufnahmen von ihm, aber insgesamt ist gerade Reiner ein Dirigent, der Werke zu Tode hetzt, und das mit einem Effekt, der nur noch knallt. Aber das ist Geschmackssache, klar. Nur wieso die identische Metronomzahl bei Gergiew zu schnell ist und bei Reiner gerade richtig, mußt Du mir schon noch erklären.
    :hello:

    ...

  • Hallo Edwin,


    ich kann es mir auch nicht erklären: bei Reiner klingt es langsamer-erhaben.


    Wie schon gesagt: ich habe Reiner mit an die Hörstation genommen (die ich auch zu Hause habe) und habe mir beide angehört... Mit dem Ergebnis, wie ich es oben geschrieben habe...


    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Hallo Liebestraum,
    und Du bist angesichts dessen wirklich ganz sicher, daß Du Dich nicht von einem Namen hast blenden lassen?
    Ich will hier nur ganz kurz in Parenthese eine Erfahrung erzählen: Eine liebe Freundin, hochmusikalisch und mit einem guten Ohr gesegnet, liebt Bernstein über alle Maßen und nannte Boulez einen staubtrockenen Eiskasten (wobei meiner Erfahrung nach Eiskästen eigentlich nicht staubtrocken sind...). Daraufhin machte ich einen miesen Dreh und behauptete, eine bestimmte Mahler VI sei ein eben herausgekommener Bernstein-Mitschnitt. Ich spielte ihr den vierten Satz vor. Am Schluß saß sie mit Tränen in den Augen da und sagte, sie müsse sich diese CD unbedingt kaufen, das sei das Erschütterndste, was sie je gehört habe. Daß es Boulez war, glaubte sie mir bis zum Beweis des Gegenteils nicht.
    Soll heißen: Wenn man eine bestimmte vorgefaßte Meinung hat, neigt man dazu, sie bestätigt zu finden. Du schätzt Reiner - ergo findest Du seine "Bilder" überzeugend. Du schätzt Gergiew nicht - ergo findest Du seine "Bilder" nicht gut.
    Aber bist Du wirklich sicher, daß das auch das Ergebnis eines Blindtests wäre... - vor allem angesichts des nachgewiesenermaßen identischen Tempos?
    :hello:

    ...

  • Hallo Edwin,


    dass ich Gergiev nicht schätze habe ich nie behauptet. Ich habe z.B. einige Opernaufnahmen unter Gergiev (darunter: "Fürst Igor", "Ruslan und Ludmila", "Sadko"). Habe ihn selbst schon live erlebt ("Chowanschtschina").


    Nur bei manchen Aufnahmen bin ich mit seinen Tempi nicht so einverstanden.
    Auch bei der "Ausstellung" hatte ich dieses Gefühl beim Vergleichshören...



    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Hallo Liebestraum,

    Zitat

    uch bei der "Ausstellung" hatte ich dieses Gefühl beim Vergleichshören...


    Wobei Du ja nicht wirklich "Vergleichshören" betrieben hast.... :D
    :hello:

    ...

  • Hallo Edwin,


    ich hatte es doch schon oben erklärt, ich war nach dem Hören vom "Tor" schon "bedient". Ich hatte da keine Lust mehr, mich auf ein tiefgreifenderes Hören einzulassen...


    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Hallo Liebestraum,
    und ich hatte betont, daß Du an das Werk falsch herangehst, ergo zu falschen Schlüssen über eine Interpretation kommst.
    Aber lassen wir diese Diskussion. Du wirst glücklich mit Reiners unvernünftiger Hetzjagd, ich (eher, wenn auch nicht ganz) mit Gergiews vernünftigen Relationen. Eine weitere Diskussion erübrigt sich, da Du eingestandenermaßen bei Gergiew mangels Kenntnis seiner Aufführung nicht mitreden kannst.
    :hello:

    ...

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Hallo Edwin,


    aber ja doch kann ich mitreden: denn das "Tor" hat mir ja nicht gefallen, deshalb höre ich mir die Gergiev-Aufnahme nicht an, so gut wie sie ansonsten auch sein mag....


    Ansonsten musst du mir schon selbst überlassen, wie ich an ein Werk herangehe, welchen Ausschnitt eines Werkes ich mir herausgreife oder was mir persönlich gefällt oder nicht. Darüber muss ich keinem und niemanden Rechenschaft ablegen


    Das mag für dch fragwürdig erscheinen... Aber für mich ist das Hören und Erleben von klassischer Musik auf CD, Konzertsaal oder Opernhaus ein sehr liebes Hobby... Mehr nicht... Aber Stellung beziehen will ich schon... :yes: :D Auch wenn es dem einen oder anderen nicht gefällt... :stumm:

    Im übrigen lasse mir schon gar nichts schulmeisterhaft etwas überstülpen. Wenn ich etwas mag, dann mag ich es und wenn ich etwas ablehne (sei es auch nur ein kleiner Ausschnitt einer ansonsten womöglich guten Aufnahme) dann ist es eben so. Und nichts, gar nichts kann mich dann überzeugen, gegensätzlicher Meinung zu werden...


    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Hallo Liebestraum,

    Zitat

    aber ja doch kann ich mitreden:


    manchnmal ist es drollig, mit Dir zu diskutieren. So ein bisschen ist das, wie wenn man mit einem 93-Jährigen Blinden, der bis zu seinem 3. Lebensjahr sehen konnte, über Farben spricht. So ein klein wenig Erinnerung wird da sein.


    Selbstverständlich überlasse ich es jedem selbst, wie er an Musik herangeht. Selbst, wenn die Herangehensweise absurd, falsch, lächerlich, ungenügend etc. ist. Nur mußt Du Dich in Deinem Fall, also bei Unkenntnis von fünf Sechstel einer bestimmten Aufnahme, die Du herunterputzt, darauf einstellen, daß eben Gegenwind kommt. Wir hatten eine ähnlich fruchtlose Diskussion schon einmal - lustigerweise auch wegen der "Bilder". Vielleicht solltest Du Dir von den Aufnahmen, über die Du sprichst doch zumindest etwas mehr als die Hälfte anhören, wenn schon nicht die ganze (und vor allem die musikalisch und interpretatorisch wichtigen Kernstellen und nicht den knalligen Höhepunkt im schulmäßig harmonisierten Satz)...


    Daher beende ich diese müßige Diskussion jetzt mit folgender Feststellung:
    Ich diskutiere mit Dir nicht weiter über die Gergiew-Aufnahme der "Bilder", da Du sie nicht ein einziges Mal gehört hast, sondern Dir lediglich ein unwesentliches Bruchstück vorspielen hast lassen. Du hast es obendrein so ungenau gehört, daß Dir Syrinx oben nachweisen konnte, wie grotesk Deine Behauptung ist.


    Ich sehe keinen Grund zu weiterer Erörterung, da Dir mangels Kenntnis der Aufnahme, leider die tauglichen Argumente fehlen.
    :hello:

    ...

  • Lieber Edwin, weisst du, dass es Gergiev war, der Anna Netrebko entdeckt und gross herausgebracht hat? :D



    Nur mal, um ein netteres Thema hier einzubringen....... :angel:


    F.Q.

  • Liebe Fairy Queen,
    ich sagte ja: Ich mag den Gergiew nicht einmal sonderlich.... :D


    Nein, jetzt einmal im Ernst: Wie sehr er von manchen geschätzt wird, kann ich nicht nachvollziehen. Mir ist sein Klang zu dick, vor allem sehr oft auch zu laut, ich finde, er dirigiert manches nur auf Effekt, und mitunter kann ich seine Tempovorstellungen nur bedingt nachvollziehen.


    Nichts desto weniger ist das ein sehr guter Dirigent, der sicher nie langweilt und der auf jeden Fall die Beschäftigung wert ist. Zumal er immer wieder entlegenes Repertoire aufführt - und zwar nicht als unliebsames Muß, sondern aus richtiger Freude am Entdecken. Prokofjews "Spieler" etwa, eine sehr unterschätzte Konversationsoper.


    Was die "Bilder" betrifft: Gergiew ist hier meiner Meinung nach ein Stückchen besser als die meisten anderen, weil er das Werk als Ganzes sieht und nicht in einzelne Bilder zerfallen läßt. Das bewirkt eine sehr kluge Tempodramaturgie. Daß ich abermals den Klang nicht sehr mag, steht auf einem anderen Blatt.
    :hello:

    ...

  • nein, ich habe nur das "Große Tor von Kiev" gehört und da ist mir das Tempo zu schnell.... Ich fange beim Hören einer "Ausstellung" immer mit dem "Tor" an. Nachdem ich es bei Gergiev gehört habe, habe ich die Aufnahme wieder zurückgestellt.


    Am vergangenen Samstag hatte ich die Gelegenheit, die Bilder unter Gergiev (oder Gergijew, wie wohl die Deutsche Transkription ist), live zu hören, allerdings mit dem LSO, nicht mit den Wienern wie in der Aufnahme.


    Ja, das Tor ist schnell. Aber es atmet immer noch Feierlichkeit, aber ohne großes Pathos. Es ist breit, aber niemals behäbig. Meine Frau und ich waren begeistert. Wenn man Gergiev vorwirft, er dirigiere auf Effekt: ja, das gelingt ihm aber auch!


    Aber sein Tschaikowski war ganz große Musik. Ein Dirigent, der die I. Tschaikowski dirigiert, als ob sie das wichtigste Werk Tschaikowskis wäre. So muss das sein, die ist viel zu oft und zu Unrecht unterschätzt. Mich hat der Mann beeindruckt: wie er dieses Orchester mit seinen spärlichen Gesten und Lauten unter Kontrolle hat.

  • Für mich besonders krass: Der Gergiev-Tschaikowskij mit den Wiener Philharmonikern - und das vergleichen mit Mrawinskij und seinen Leningradern und Swetlanow und seinen Moskauern. Für mich, aber das ist natürlich wirklich ganz persönlicher Geschmack, klingt Gergiev da schon sehr flügellahm dagegen.


    Zustimmung. Allerdings sollte man dafür nicht primär Gergijew (ich verwende ab jetzt konsequent die dt. Translationen) die Schuld geben. Wer seinen Tschaikowskij mit dem Kirow- bzw. Mariinskij-Orchester kennt, weiß, was ich meine. Kürzlich ist eine Aufnahme der Symphonien Nr. 4–6 als DVD beim hauseigenen Label erschienen (Kostproben auf YouTube). Das klingt doch sehr viel energischer und eben "russischer". Ich habe Gergijew persönlich schon live mit seinem Orchester erlebt bei der "Pathétique" und kann bestätigen, daß das ein begeisterndes 1A-Ereignis war. Tschaikowskij mit den Wiener Philharmonikern klingt eben arg verwestlicht. Wer Karajans Aufnahmen mit den Wienern kennt (mit seine übelsten überhaupt), wird Gergijews Wiener Leseart gleichwohl fast radikal und spannend nennen. Am besten gelingt Gergijew übrigens m. E. die 5. Symphonie mit den Wienern.


    DVD Blu-ray


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich muss hier einfach mal gestehen, dass ich Gergijew so sehr mag; weil ich, als ich ihn das erste Mal sah, dachte, er wäre nach einer durchzechten Nacht geradewegs aus der Kneipe oder Gosse ans Dirigentenpult gestolpert. Das machte mich neugierig und siehe da, es gibt die unsinnigsten Zugänge zu Musik ... :)

  • ...und siehe da, es gibt die unsinnigsten Zugänge zu Musik ...

    Bezieht sich diese Aussage nun auf sein Äußeres oder auf seine Interpretationen?


    Na ja, egal.... Ich habe ihn leider bisher noch nicht live erlebt, sondern kenne ihn nur von verschiedenen Aufnahmen auf youtube, und hier vordringlich - aufgrund besonderer Interessenlage - mit Werken von Strawinsky (Feuervogel, Sacre u.a.). Er sieht auch auf diesen Aufnahmen genau so aus, wie von Dir beschrieben :D, aber wenn es losgeht, ist man von der ersten Sekunde an gefesselt - der Hochdruck, unter dem er offensichtlich steht, springt sofort, auch auf dem Monitor, über, sodass man gar nicht anders kann, als gebannt und gespannt zuzuhören und -schauen. Ich weiß nicht, wie Du zu Strawinsky stehst, aber ich habe den Feuervogel und den Sacre noch nie mit einer solchen Prägnanz und rhythmischen Präzision gehört (vielleicht noch von Boulèz), und das mit recht bescheidener Gestik. Ich glaube sowieso, dass er mehr mit der Suggestivkraft seiner Mimik (wie auf youtube sehr schön zu sehen) als mit seinen Dirigierbewegungen, die ja nun alles andere als konventionell sind, arbeitet. Musik auf höchstem Niveau! Noch kenne ich zu wenig von ihm, und ich bin gespannt auf weitere Interpretationen.


    Herzliche Grüße,
    harry

  • Das hast du sehr schön in Worte gefasst, so in etwa würde ich das auch beschreiben: Über die optische Komponente habe ich mich ihm genähert und dann festgestellt, dass er vor allem in Fragen rhythmischer Aspekte mein Mann ist. Ich bin ja kein großer Freund der so genannten Moderne, aber es gibt dort Werke, die mich in der Tradition Bruckners Neunter auf Grund ihrer rhythmischen Anlage faszinieren, dazu gehören etwa der "Feuervogel" oder Bartoks "Konzert für Orchester"; letzteres hat er, glaube ich, leider noch nicht aufgenommen.

  • Ich hatte mehrmals die Gelegenheit, unter ihm als Solist zu musizieren: Benjamin Britten Klavierkonzert, Mozart: Klavierkonzerte A-Dur KV 488 und d-Moll KV 466 sowie Prokofievs 3. Klavierkonzert, sowohl mit "seinem" Mariinsky-Orchester als auch mit den Wiener Philharmonikern. Es war jedesmal ein ganz besonderes Erlebnis, seine Aura ist enorm und er ist ein wirklich unglaublich guter Begleiter, der den Solisten NIE zudeckt. Mitunter wird ihm ja von Kritikern vorgeworfen, dass seine Interpretationen klanglich übermässig massiv sind, ich kann das definitiv nicht bestätigen, im Gegenteil, ich habe mich bei seinen Dirigaten wirklich wohl gefühlt, vor allem auch bei den beiden Mozartkonzerten, also durchaus bei einem Repertoire, bei welchem man nicht in erster Linie an Gergiev denken würde. Proben scheint er nicht so sehr zu lieben, im Konzert selbst aber gibt er und seine von ihm angespornten MusikerInnen 1000%. Ein fabelhafter Musiker.

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