Dr. Pingel´s musikalisches Rasiermesser

  • Zugegeben - das ist reißerischer Titel, der wohl nicht nur Holger die Haare zu Berge stehen lässt. Aber von Alfred lernen heißt siegen lernen. Angespielt wird natürlich auf Occams Rasiermesser, nach dem eine Theorie so einfach wie möglich zu sein hat. Hochstaplerisch (preposterous) ist der Titel natürlich auch noch, aber er ist geeignet für eine einfache Überlegung. Der alternative Titel wäre gewesen "Prüfsteine in der klassischen Musik"! Das will doch keiner lesen.
    Wie bei mir fast immer, ist es ein "weiches" Thema, d.h. der jeweilige Schreiber kann es mitgestalten, es gibt keine scharfen Grenzen.
    Also: es gibt in der klassischen Musik ein Phänomen (jedenfalls bei mir), wonach ein kleiner Patzer, eine kleine Unregelmäßigkeit mir großen Verdruss bringt. Dieser Patzer, dieser Fehler kann bereits in der Komposition (Oper, Sinfonie, Kammermusik) liegen oder aber beim Interpreten. Als Gegenteil zum Patzer ist natürlich auch das optimal Gelungene sehr willkommen. Als Beispiel für eine Trübung in der Komposition nenne ich mal die 9. Sinfonie von Dvorak, deren Schluss ich für sehr misslungen halte, das gleiche gilt für Dessaus Verhör des Lukullus, die für mich in einem undefinierten Lärm endet. Das Rasiermesser sagt dann "Weg damit", nur ist das bei Kompositionen nicht so einfach.
    Leicht ist das Rasiermesser anzuwenden bei missglückten Interpretationen. Da ist "Weg damit" gut umzusetzen, wie unser Thema "Frisch entsorgt" ja beweist.
    Nun das erste Beispiel, damit alles ganz klar wird. Helmut Hofmann in seinen Analysen der Mahlerschen Lieder hat mir theoretisch klar gemacht, was ich praktisch immer schon wusste, nämlich dass Mahler die meisten Lieder, auch die in den Sinfonien, aus des Knaben Wunderhorn entnahm. Er wollte eben keine künstlerischen Gedichte vertonen, sondern die Stimmung einfacher Menschen einfangen. Das bedeutet für den letzten Satz der 4. Sinfonie, das himmlische Leben, zwingend, keine Opernsängerin mit großer Stimme einzusetzen, sondern einen lyrische Sopran mit heller, mädchenhafter Stimme. Ich habe bei jpc nachgesehen; es gibt eine riesige Liste mit Mahlers 4. und bei einigen Sängerinnen kann ich mir schon denken, wie opernhaft das klingt. Mein Grundsatz war immer (jetzt kommt endlich das Rasiermesser): von jeder Mahler 4. höre ich zunächst den 4. Satz. Und entspricht der Sopran nicht diesen hier entwickelten Vorstellungen, lösche ich die Aufnahme, wenn sie aus dem Radio kommt oder kaufe die CD nicht.
    Und jetzt fragt man sich vielleicht: ja, gibt es das denn. Ja, natürlich. Ohne CD-Cover nenne ich nur Helen Donath und Lucia Popp. Ich denke, ihr kennt noch mehr davon. Meine Lieblingsaufnahme stelle ich aber im Bild vor:



    Das Layout gefällt mir hier gar nicht, denn die Sängerin Ruth Ziesak hätte mehr herausgestellt werden können, auch weil sie anschließend 5 Mahler-Lieder hinreißend singt. Da hätte ich gerne das Rasiermesser... lassen wir das lieber!

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Lieber Pingel, bezüglich Mahlers 4. hast Du natürlich recht: das ist keine Oper, sondern die naiv-volkstümliche Vorstellung von einem himmlischen Leben, die ohne Pathos und schnörkellos-schlicht gesungen werden muss. Ziemlich nah an mein Ideal kommt Reri Grist in der ersten Bernstein-Einspielung mit dem NYP mit ihrem knabenhaften Sopran.


    Siehe hier ab 46:35:



    In seiner letzten Aufnahme hat Bernstein es dann wirklich mit einem Knaben probiert (als Sänger, meine ich :D ), was aber schief gegangen ist.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Zugegeben - das ist reißerischer Titel, der wohl nicht nur Holger die Haare zu Berge stehen lässt. Aber von Alfred lernen heißt siegen lernen. Angespielt wird natürlich auf Occams Rasiermesser, nach dem eine Theorie so einfach wie möglich zu sein hat. Hochstaplerisch (preposterous) ist der Titel natürlich auch noch, aber er ist geeignet für eine einfache Überlegung. Der alternative Titel wäre gewesen "Prüfsteine in der klassischen Musik"! Das will doch keiner lesen.

    Nein, lieber Dr. Pingel, für Humor bin ich immer zu haben! Eine wirklich witzige Idee! :D


    Er wollte eben keine künstlerischen Gedichte vertonen, sondern die Stimmung einfacher Menschen einfangen. Das bedeutet für den letzten Satz der 4. Sinfonie, das himmlische Leben, zwingend, keine Opernsängerin mit großer Stimme einzusetzen, sondern einen lyrische Sopran mit heller, mädchenhafter Stimme.

    In diesem Falle ist das "Einfache" aber hoch komplexer romantischer Humor, also sehr artifizielle "Einfachheit". :D Das unschuldige Kind erklärt am Ende, wie es mit der Welt gemeint sei, so Mahler. Deswegen besetzt Bernstein die Partie in Amsterdam mit einer Knabenstimme, was natürlich eine sängerische Überforderung ist, aber immerhin hörbar, anders als schreckliche Operndiven (auch die selbstverständlich sängerisch überragende Elisabeth Schwarzkopf ist mir hier viel zu "reif"). (Theologisch ist das ja ganz schön frech, das weißt Du sicher besser: Johannes das Lämmlein auslasset, Herodes der Metzger drauf passet!) :D :D


    Wirklich ganz hervorragend hat mir zuletzt Christine Schäfer gefallen in der überragenden Haitink-Jubiläumsaufnahme aus Amsterdam 2006:



    Aber die Symphonie liebe ich so sehr, dass ich auch eine nicht ganz optimale Sängerleistung ertrage. ;) :hello:


    Schöne Grüße zum Sonntag
    Holger

  • Lieber Bertarido, leider ist die von dir empfohlene Aufnahme für Deutschland gesperrt. Vielleicht hast du noch eine andere Empfehlung.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Ich bin sehr angetan von der Reaktion auf dieses Thema und schiebe gleich Beispiel 2 hinterher. Das heißt nicht, dass sich niemand mehr zu Mahlers 4. äußern darf, so streng sind wir hier nicht.
    Es gibt viele Opern, die großartige Schlüsse haben. Aber zwei Opern haben so gewaltige Schlüsse, dass sie mir immer das Blut in den Adern gefrieren ließen und ich mich im Sitz festkrallen musste. Ich spreche von Salomé und der Sache Makropulos. Diese beiden Opern haben gemeinsam, dass am Schluss der dramatische Sopran sich über ein 80köpfiges, fortissimo spielendes Orchester hinwegsetzen muss. Live habe ich das in Düsseldorf erlebt mit Morenike Fadayomi (Salomé) und in den 70ern mit Colette Lorand (Makropulos). Als CDs empfehle ich hier Elisabeth Söderström unter Charles Mackerras (Makropulos)



    und Hildegard Behrens als Salomé unter Karajan.



    Wer eine solche Sopranistin nicht zur Verfügung hat, den treffe Pingels Rasiermesser.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Angeregt durch diesen Thread, habe ich gerade den vierten Satz der Vierten Mahler aus dieser Neurwerbung gehört:



    Elly Ameling
    Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam
    Dirigent: Bernard Haitnk
    AD: 1968


    Mir gefällt die Stimme Elly Amelings, die zum Zeitpunkt der Aufnahme 35 Jahre alt ist und der ich am 8. Februar zum 83. Geburtstag gratulieren konnte, ausnehmend. Sie klingt so natürlich, hell und klar. Schon auf einer CD mit Schubert-Liedern aht sie mich beeindruckt. Sie reüssierte auch mit dieser Partie in Salzburg unter Rafael Kubelik.
    Die o. a. Box enthält neben den Symphonien Mahlers auch diejenigen von Beethoven, Brahms, Bruckner (einschließlich der "Nullten", , Schumann und Tschaikowsky samt etlichen weiteren Orchesterwerken Beethovens, Brahms', Schumanns und Tschaikowskys und umfasst 36 CD*s. Bei Amazon konnte ich sie zu einem Schnäppchenpreis von 69,17 € erwerben. Heute kostet sie nur noch 68,82 und ich glaube schon, alleine schon auf Grund des Preises, aber auch dessden was ich bis jetzt von Mahler gehört habe, eine Empfehlung aussprechen zu können.
    Ich habe noch eine ganze Reihe weitere Aufnahmen der Vierten Mahler, und so aus dem Gedächtnis meine ich sagen zu können, dass Karajan die Sinfonie mit Edith Mathis aufgenommen hat. Sie scheint mir auch auf diesen Stimmtypus zuzutreffen.




    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Neues Beispiel: die Marienvesper von Monteverdi. Für mich eines der prachtvollsten und großartigsten Musikstücke aller Zeit, das ich nie müde werde zu hören. Unzählige Aufnahmen gibt es davon.
    Das Rasiermesser sagt hier folgendes, um eine Auswahl zu treffen: Schlüsselstück in Bezug auf Pracht, in der Lautstärke und differenziertes Musizieren sich die Waage halten, ist die Nr. 8: der Psalm 126 ("Nisi Dominus").
    Hier ist Ralf Otto mein Favorit, aber die japanische Aufnahme unter Suzuki ist ebenbürtig.



    Hier muss der Chor groß genug sein, um diese Pracht zu erzielen. Das trifft auf den Chor von L´Arpeggiata, der eher aus Solisten besteht, nicht zu. Insgesamt leidet die ganze Aufnahme darunter, dass manches zu dünn ist.



    Auf der anderen Seite gibt es ein Schlüsselstück, das diese Pracht nicht braucht, sondern von der Intensität und der Farbigkeit von Stimmen und Instrumenten lebt. Das ist Nr. 12, der Hymnus "Ave, maris stella". Das ist ein Stück, das einen süchtig machen kann; das weiß ich, weil ich es schon einige Male gesungen habe.
    Hier ist das kleinere Ensemble von Christina Pluhar in seinem Element.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Noch einmal Mahler. Ich denke, wir kennen alle das Adagio aus der 10. Sinfonie, den Rest eher nicht. In meinem thread "Supernovae in der Musik" habe ich diesen Ausbruch im Adagio als die Mutter aller Supernovaes identifiziert.
    Hier will das Rasiermesser einfach nur, dass sich der Hörer ans Herz fasst und die Decke einstürzt. Das ist das Mindeste, was ich verlange. Und leider muss ich sagen, dass auch große Dirigenten hier versagen und auf diesem Feld mein Plattenschrank leer ist, was angesichts dieser gewaltigen, kühnen Sinfonie nicht geht. Also die Bitte mir zu sagen, in welcher Aufnahme dieses Werkes das Rasiermesser nicht zum Einsatz kam.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Es war ein Tamino, der mir den Tipp gab, bei meiner verzweifelten Suche nach einer vernünftigen Aufnahme der 9. von Beethoven mit einem vernünftigen 4. Satz, es mit der Herreweghe-Aufnahme zu versuchen.
    Im Englischen gibt es das Wort "serendipity", was bedeutet, dass man etwas sucht, aber nicht findet, was man sucht, sondern etwas viel Besseres, also so wie Kolumbus Indien suchte und Westindien fand. Daher kann man serendipity als "Kolumbusität" bezeichnen.
    Zurück zu Herreweghe und der 9. Das Rasiermesser bei der 9. setzt bei mir gar nicht, wie vielleicht einige von euch denken, beim 4. Satz an. Den habe ich abgeschrieben. Nein, es ist der 2. Satz, dessen Wucht mich überzeugen muss. Man denkt ja immer, die Dirigenten der Alten Musik seien lahme Softies. Davon kann bei Herreweghe keine Rede sein.



    Ich warte ja noch immer auf die Aufnahme, in der der 4. Satz in einer Bearbeitung gespielt wird: die Solisten von Blechbläsern, der Chor von einem 2. kleinen Orchester.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Interviebanner 1 Gelbe Rose
  • Zitat

    Im Englischen gibt es das Wort "serendipity", was bedeutet, dass man etwas sucht, aber nicht findet, was man sucht, sondern etwas viel Besseres, also so wie Kolumbus Indien suchte und Westindien fand. Daher kann man serendipity als "Kolumbusität" bezeichnen.


    Tja ...


    Aber der Thread gefällt mir.


    ;) Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Da hast du mein Lieblingsscherzo angeführt, obwohl nicht als Scherzo bezeichnet. Die Beethoven-Symphonien sind sicherlich die Werkgruppe, von der ich die meisten HIP-Aufnahmen habe. Es sind sicherlich mehr als ein Dutzend. Herreweghe habe ich noch nicht, aber Jos van Immerseel. Die GA habe ich kurz vor meinem letzten Krankenhausaufenthalt erworben:


    Was Immerseel mit seiner Anima vor allem im Molto vivace aufführt, ist schon exorbitant. Er vereint kammermusikalische Transparenz in den Tutti mit messerscharfen Bläsern in den großen Steigerungen und schier berstender Energie. Es ist sicherlich einer der besten zweiten Sätze der Neunten in meiner ganzen Sammlung (und von der Neunten habe ich ca. 60), und die dramatische Wucht und der unwiderstehliche Vorwärtsdrang ist nicht zuletzt abhängig von der Qualität des Paukisten, und der der Anima Eterna gehört wahrlich zu den Allerbesten:

    Auch die Anima Eterna zähle ich zu den führenden Originalklang-Orchestern. Ich habe es schon einige Male im Konzert live erlebt.
    Die dynamische Wucht seines eigenen Orchesters wurde Jos van Immerseel schon einmal in einem Konzert zum Verhängnis, als er einige Mozart-.Klavierkonzerte vom Instrument aus dirigierte (es war ein historisches „Pianoforte“), das aber in den Tutti nicht zu vernehmen war. Von der 10. Reihe Mitte aus konnte ihn ihn in den Sequenzen nur spielen sehen, nicht hören.
    Um nochmal auf den Paukisten zurückzukommen.#:
    er ist der Einzige aus allen meinen Aufnahmen, der die berühmten Paukentriller nicht viermal laut und das fünfte Mal leiser spielt, sondern fünfmal laut. Das „putzt ganz ungemein“, wie es in den „Buddenbrooks“ so schön heißt.
    Nein, das ist wirklich eine ganz herausragende Aufnahme dieses zweiten Satzes.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Danke, lieber William, für diesen fulminanten Beitrag, der wahrscheinlich durch die fulminante Aufnahme hervorgerufen wird. Jos van Immerseel ist natürlich für mich kein Unbekannter, aber diese Aufnahme werde ich mir sicher zulegen, und zwar wegen des 2., nicht wegen des 4. Satzes. Aber diese Leier kennt ihr ja schon!!

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Ein Klassiker des Pingelschen Rasiermessers ist Schumanns 4. Ich kenne keine Aufnahme, die es mit der Furtwänglerschen aufnehmen kann, das gilt besonders für die Einleitung! Das ist so organisch, dass man nur staunt. Der negative Nebeneffekt, der eigentlich übertrieben ist: hört man die Einleitung, denkt man an Furtwängler (ich kann mich da gar nicht wehren) und sagt sich: "Wieder versemmelt!" Ein anderer Prüfstein ist der 4. Satz aus der "Rheinischen", einer der schönsten Bläsersätze in der sinfonischen Musik. Der gelingt Karajan erstaunlich gut.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Ein Tamino hat vor kurzem eine Messe von Alessandro Striggio empfohlen, für 40 Stimmen, im Agnus Dei für 60, sozusagen die Urmutter aller Massenmessen. Da wollte Tallis nicht zurückstehen und schrieb sein "Spem in alium" für 40 Stimmen.
    Das Pingelsche Rasiermesser verlangt hier zweierlei: zunächst muss das Stück eine ungeheure Wucht haben. Die hat es nicht in allen Aufnahmen. Und zum zweiten muss man (das gilt auch die "Lamentationes Jeremiae" von Tallis) die Dissonanzen sehr gut heraushören. Eine Aufnahme, die das schafft, auch wenn sie in der Musikkritik nicht so gut wegkommt, ist diese:


    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Lieber Bertarido, leider ist die von dir empfohlene Aufnahme für Deutschland gesperrt. Vielleicht hast du noch eine andere Empfehlung.


    Lieber Pingel,


    noch besser (nach nochmaligem Hören) gefällt mir Edith Mathis in der zweiten Bernstein-Aufnahme mit den Wiener Philharmonikern. Auch Bernstein ist da auf dem Höhepunkt seiner Mahler-Kunst.


    Das Video sollte in Deutschland abspielbar sein (Satz 4 ab 49:09):


    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Danke, lieber Bertarido, habe ich gleich gehört. Wirklich eine wunderbare Aufnahme: der richtige Mädchenton, sehr differenzierte Tempi, große Ruhepunkte, sehr gute Textverständlichkeit.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Edith Mathis hatte ich in Beitrag Nr. 4 auch schon mit Herbert von Karajan genannt. Ich habe sie allerdings auch mit Bernstein auf DVD:



    Diese Box (um 70 Euronen) ist in Deutschland ganz sicher abhörbar, und jede einzelne Symphonie ein Monument.


    Übrigens bei Kaarajan, Schumann 3, meinst due diese Box?



    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Diese Box (um 70 Euronen) ist in Deutschland ganz sicher abhörbar, und jede einzelne Symphonie ein Monument.


    Lieber Willi, genau aus dieser Box stammt das Youtube-Video. Ich liebe diese Aufnahmen auch, für mich ist Bernsteins zweiter Mahler-Zyklus der beste, und ihm beim Dirigieren zuzusehen ist immer ein Gewinn. Leider sind diese Aufnahmen nie auf CD erschienen, weshalb sie unbekannter sind als die alten mit dem NYP und die ganz späten Aufnahmen mit unterschiedlichen Orchestern, die bei der DG erschienen sind.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Lieber William, ich habe von den Schumann-Sinfonien die Karajan-Box (DG) von 1972 mit den Berlinern, nur die 4. mit den Wienern. Das Cover ist ein anderes als das von dir gezeigte.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Lieber Dottore, welches ist denn das Aufnahmejahr?


    Liebe Grüße


    Willi ?(

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • In Deutschland gab es in den 1920er-Jahren zwei Bewegungen, die das gleiche Ziel hatten. Die eine war die Wandervogelbewegung, die wieder die Natur suchte ("Aus grauer Städte Mauern"; "Wir wollen zu Land ausfahren"). Die andere war eine Entdeckung der alten protestantischen Musik, und zwar nicht so sehr von Bach, als von Schütz. Hier sollte die reine Musik zählen, also der vierstimmige Chor a cappella ohne den Tand von prachtvollen Instrumenten. Diese Position wird hier im Forum vom zweiten Bass vertreten. Heute zählt das als Irrtum, denn Schütz hat sehr oft die Besetzung seiner Werke gar nicht vorgeschrieben. Ich finde, dass man heute Schütz mit dem Gabrieli-Faktor spielen muss. Der Gabrieli-Faktor heißt, dass diese Musik prachtvoll klingen muss. Schütz hat ja in Venedig bei Gabrieli und Monteverdi gelernt und diese Eigenschaften nach Deutschland gebracht. Also sollte auch jede Schütz-Musik mit Pracht gespielt werden. Die Ausnahme: die kleinen geistlichen Konzerte, die mit wenigen Stimmen und meist mit Continuo auskommen.
    Gegen diesen Gabrieli-Faktor verstößt meiner Ansicht nach durchgängig die Weser-Renaissance unter Manfred Cordes, etwa in der Aufnahme der Geistlichen Chormusik von 1648, eine langweilige Aufnahme, deren Spannungslosigkeit nur durch die Aufnahme des Knabenchores Hannover übertroffen wird. Leider lässt auch Herreweghe die "Musikalischen Exequien" von 1636 zu spartanisch spielen. Das gilt besonders für den 2. Teil, die Motette "Herr, wenn ich nur dich habe" für 2 Chöre. Da muss das Gotteshaus erzittern!



    Auf der anderen Seite hat Herreweghe den Schwanengesang (op. ultimum, Ps. 119) eingespielt; und tatsächlich, da wackeln die Wände und die Marienvesper von Monteverdi lässt grüßen, was in meinen Augen ein gewaltiges Kompliment ist.


    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Lieber Dottore, ich habe das Opus ultimum in meiner Schützsammlung nicht gefunden, dafür aber aus der Matthäuspassion den Schlusschor:


    "Ehre sei dir Christe":


    In meiner Aufnahme kommt der Dresdner Kammerchor unter der Leitung von Hans Christoph Rademann gar nicht so richtig aus dem Quark. Das hat am Sonntagnachmittag in unserer musikalischen Andacht zum Passionssonntag doch ganz anders geklungen. Da ist dann wirklich "das Gotteshaus erzittert", namentlich in der Forte-Passage: .. und herrschest mit dem Vater dort in Ewigkeit... Wir waren uns alle einig, trotz meines eigentlichen Lieblingssatzes aus dieser Liturgie: "Ecce, quomodo moritur" von Jakobus Gallus, den ich seit über 50 Jahren singe, dass der Schütz doch am Sonntag noch beeindruckender war. Obwohl, der Gallus ist natürlich eine wunderbare Herausforderung für uns Tenöre. Vor allem, wenn wir das "et erit in pace memoria ejus" singen, läuft es mir regelmäßig heiß und kalt den Rücken runter. Der Echoeffekt mit dem nachfolgenden pp ist mit das Schönte und Beeindruckendste, was ich in meiner kanpp 60jährigen Sängerlaufbahn bisher gesungen habe. Und ich glaube, dass ich hier eine einigermaßen adäquate Wiedergabe gefunden habe, obwohl wir das Stück insgesamt etwas schneller singen, vor allem das "piu vivo" (ab Takt 33):

    Interessanterweise wird der Komponist hir bei seinem deutschen Namen genannt: "Jakob Handl".


    Liebe Grüße


    Willi :)


    P. S.: Und ich glaube, wir haben es noch nie so schön gesungen wie vorgestern (Beides, den Schütz und den Gallus).

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ja, lieber Willi, wir Chorsänger sind glückliche Leute. Wir singen am Karfreitag die Markuspassion, die Reinhard Keiser zugeschrieben wird. Der Chorpart ist besonders leicht, aber die Choräle sind sehr ergreifend.
    Das "Opus ultimum" in der Herreweghe-Aufnahme musst du dir unbedingt besorgen; dieses Werk zeigt einen Schütz, der Monteverdi ebenbürtig ist.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Vielen Dank, lieber Willi, für das eingestellte musikalische Beispiel von Jacobus Gallus. Von diesem Komponisten habe ich nicht eine einzige CD, aber was ich da gehört habe, ist für meine Ohren schon interessant. Ich werde ganz gewiss mal recherchieren.
    Erwähnen will ich aber noch, dass Händel in seinem Funeral Anthem "The ways of Zion do mourn" (auf den Tod der Königin Caroline) Musik von Gallus zitiert: Im 8. Satz des Anthems (The righteous shall be had) hat Händel zu den Worten "...but their name leveth evermore" Musik aus Gallus' Begräbnismotette "Ecce quomodo moritur justus" ausgewählt. Für mich immer eine Gänsehautstelle...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER