Der führende Mozart-Dirigent der Gegenwart



  • Vielen Dank für den Hinweis, der mir im Eifer der Ereignisse entgangen ist. :jubel:


    Adam Fischer habe ich durch die Einspielung der Haydn-Sinfonien kennen- und schätzen gelernt. Werde mir die Mozart-Sinfonien mit ihm auch zu Gemüte führen. Meine Aufnahmen von Brillant Classics hören sich nicht aus einem Guss an.
    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Ich kann sicher mit den Mozart Kennern nicht mitreden, aber als Opernfreund möchte ich, das Thema zu verfehlen riskierend, anmerken, dass mir die Interpretationender da Ponte Opern von Teodor Currentzis , die sich gerade in ihrer dramatischen Unruhe von älteren Einspielungen deutlich abheben, sehr gut gefallen.

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Sagitt zitiert: "Wer die Einspielungen der Da-Ponte-Opern Wolfgang Amadeus Mozarts, also "Le nozze di Figaro", aufgenommen 2012, "Così fan tutte" von 2013 und "Don Giovanni" (2016) hört, kommt aus dem Staunen und manchmal auch aus dem Kopfschütteln nicht heraus. So wunderbar vielschichtig und elektrisierend unter Strom gesetzt das erotische Verwirrspiel der "Schule der Liebenden" ist, so kalt, kühn und manchmal unfrei klingt sein "Don Giovanni" teilweise, trotz vieler faszinierender Momente, die manches in ganz neuem Licht erscheinen lassen." Süddeutsche von Samstag,den 10.6.2017


    und "Es gibt wohl keinen Dirigenten der jüngeren Generation, an dem sich die Geister - Musikliebhaber wie Kritiker - so scheiden wie an Teodor Currentzis. Einerseits wird der 45-Jährige als "Blender" verachtet, der in CD-Booklets immer wieder betont, dass seine Sicht die einzig selig machende sei, aber mehr Porzellan zerbricht als er Preziosen zum Leuchten bringt. Andererseits vergöttert man den gebürtigen Griechen, der in Russland ausgebildet wurde, als "Messias", der Konventionen aufbricht und neue musikalische Wahrheiten nicht nur entdeckt, sondern sie auch lautstark verkündet. "


    Ich kenne Currentzis schon seit langem und es gab bisher keine einzige Aufnahme, die sich mindestens vier hörenswert gefunden hätte. Es ist schon mutig, nach Jahrzehnten hervorragender Wiedergaben von Mozart – Opern davon neu – Produktion vorzulegen. In allen Fällen ist es ihm gelungen, etwas wirklich Un-Erhörtes zu präsentieren. Wenn ich es vergleiche mit der Serie von Nezét Seguin, kann dieser sich nicht von vergangenen Produktionen absetzen, wohl aber Currentzis. Das ist als solches kein Qualitätsmerkmal, aber man hört wieder auf Werke, die man seit Jahrzehnten zu kennen glaubt und dies finde ich sehr spannend. Experten werden Currentzis viele Fehler nachweisen können, aber, ist eine beeindruckende Produktion davon wirklich abhängig? Ich vergötterte ihn nicht (weil ich Musiker generell nicht vergötterte), aber er ist derzeit der kühnste, der am Dirigentenpult steht.

  • Currentzis ist der Name, der mir auch zu allererst in den Sinn kam, als ich diesen Thread gesehen habe. Mein Urteil über ihn deckt sich mit dem von Sagitt. Eine Gesamtaufnahme der Mozart-Symphonien würde ich mir von ihm aber nicht unbedingt wünschen, und ich glaube auch nicht, dass er großes Interesse an einem solchen Projekt hätte. Denn bei den frühen Mozart-Symphonien sind doch etliche dabei, deren Aufführung ein Dirigent vielleicht eher als Pflichtprogramm begreift, was ich mir bei Currentzis schlecht vorstellen kann, der mir ein von seiner Leidenschaft Getriebener zu sein scheint. Aber vielleicht täusche ich mich, man wird sehen, wie seine Zeit beim SWR Symphonieorchester sich entwickelt. Auf jeden Fall wünsche ich mir, die späten Symphonien von Currentzis zu hören. Wenn die ähnlich sensationell ausfielen wie seine Aufnahmen der Da Ponte-Opern und des Requiems, dann würde er sich endgültig als bedeutender Mozart-Dirigent der Gegenwart etablieren.



    clck 6625

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Auch ich habe eine Entdeckung gemacht:
    Neulich habe ich im Rahmen der Suche nach Mozartpianisten unserer Zeit für den entsprechenden Thread einen Vidoclip mit Christian Zacharias gefunden, wo er ein Mozart Klavierkonzert - wenn ich nicht irre war es die Nr 23 - spielte und es auch vom Instrument aus dirigierte. Eigentlich - so dachte ich - wäre er auch ein idealer Mozart-Dirigent.
    (und das, obwohl ich Pianisten und andere Instrumentalsolisten, die dann ins Dirigentenfach wechseln, eher ablehnend gegenüberstehe - aber wie sagt ein Sprichwort so schön: Ausnahmen bestätigen die Regel)Zwei oder drei Tage später,in suchte und fand einen historischen Clip mit Eugenjochum, da kam hinterher ein clip mit demselben Stück, nämlich der
    Ouvertüre zu Mozarts "Le nozze di Figaro" -> dirigiert von CHRISTIAN ZACHARIAS, und das in einer Form, die meinen Geschmack hunderprozentig trifft. Kernig, fest, klangschön, nicht verhetzt oder harsch, Überrascht war ich auch über die Qualität des Orchesters "Sinfónica de Galicia" Wieso hatten die so einen schönen Mozart-Klang ?
    WIKIPEDIA Klärte mich einerseit über die Tatsache auf, daß Zacharias auch als Dirigent arbeitet und die englische WIKIPEDIA liess mich wissen


    Zitat

    Orquesta Sinfónica de Galicia is a Spanish orchestra, created in 1992 and based in A Coruña, where it is the main orchestra in the city's Mozart Festival. Its conductor is Dima Slobodeniouk.


    und jetzt der angekündigte Clip



    Fazit - Christian Zacharias ist als Mozart Dirigent weiter im Rennen......


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    POLITIKER wollen stets unser Bestes - ABER WIR GEBEN ES NICHT HER !!!



  • Ich kannte Christian Zacharias früher auch nur als Pianist. Inzwischen ist er keine Mozart-Entdeckung mehr, es gibt seit geraumer Zeit diese CD mit dem zum Glück bodenständig gebliebenen Teenie Jan Lisiecki:



    Sicher ist noch Luft nach oben, aber der Junge hat ja das Leben noch vor sich. Im C-Dur-Konzert glänzt er mit einer eigenen Kadenz. Zacharias macht das für meine Begriffe auch sehr ordentlich, schwungvoll und akzentuiert.. Im Klavierspiel liegt aber sicher seine größere Stärke.
    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Der letzte Eintrag zum Thema, wer der führende Mozart Dirigent der Gegenwart ist, liegt sieben Jahre zurück. Es ist Zeit eine Standortbestimmung vorzunehmen.

    Walter Benjamin hatte auf seiner Flucht einen Koffer bei sich. Was würdest du in deinen Koffer packen? Meiner ist gepackt.



  • Ich glaube, daß sich in den letzten Jahren gar niemand aktiv um diesen Posten beworben hat. Geht es nicht aktuell mehr in die Breite denn in die Tiefe? Von aktuellen Veröffentlichungen ausgehend, ist Mozart eher „unter ferner liefen“ dabei. Vielleicht hatte Currentzis mit seiner da-Ponte-Trias mal derlei Allüren? Spätestens beim DG haben die sich (für mich) zerschlagen.


    Bei genauer Betrachtung war aber Currentzis doch nur mehr der Impulsgeber, denn das „gelbe vom Ei“ ist bei Cosí und Figaro (neben größtenteils guten Sängern und Sängerinnen) der Clavierist Emelyanychev; der eben bei DG fehlt und sich verselbständigt hat - mitunter hat er auch recht häufig das Mozartparkett betreten. Aber als „führend“ würde ich ihn (noch) nicht bezeichnen wollen.


    Zudem: „führend“ könnte für mich sowieso ausnahmslos eine/r sein, der ein Originalklangensemble leitet. Da gibt es etliche gute, ich würde keinen nominieren wollen.

    „Wir sind nie einer Meinung!“ - „Das seh' ich anders ...“

  • Die lange Pause ist ein Signal, das mehr Aussagekraft hat als 50 oder 100 Beiträge:

    Es gibt derzeit keinen führenden Mozart-Dirigenten.

    Man mag einwenden, es gäbe auch heute noch Dirigenten, die Mozart dirigieren. Aber eine IKONE wie einst Karl Böhm, Joseps Krips oder Bruno Walter ist nicht in Sicht, ein "Mozart-Papst" gewissermaßen. Harnoncpourt hat IMO begonnen das klassiche Mozart-Bild zu zerftären, Jacobs folgte ihm und setzte das IMO noch konsequenter fort. Anere erwähne ich an dieser Stelle gar nicht - sonst läuft mir die Galle über. Mfg aus Wien. Ein Lichtblick ist die Serie "Next Generation of Mozart Soloists" unter Howard Griffiths, abwechselnd mir dem Mozarteumorchester Salzburg dem ORF Radio Symphonieorchester Wien und der Camerata Schweiz (für "alpha" , gesponsert von der Orpheum- Stiftung.

    Eine Oase in der Wüste....


    mfg aus Wien

    Alfred

    POLITIKER wollen stets unser Bestes - ABER WIR GEBEN ES NICHT HER !!!



  • ein "Mozart-Papst" gewissermaßen

    Das hat sich vielleicht auch dadurch geändert, daß Mozart durch die Entdeckung seiner Zeitgenossen - verstärkt etwa ab den 1980ern (?) - sein Monopol (zumindest vorübergehend) verloren hat.


    Im Gegensatz zu Alfred finde ich, daß Jacobs (im Vergleich zu NH) eigene Wege gegangen ist, die ich zwar nicht zu 100% goutiere, aber da war manchmal - aus Versehen - ganz Gelungenes dabei. Er ist für mich nicht in NHs Fußstapfen getreten. Jacobs hat versucht, Mozart zu barockisieren und damit für sich und sein Repertoire einzuverleiben, er hat Barockes oder barocke Elemente in Mozarts Musik aufgezeigt und herausgearbeitet, was natürlich ganz interessant ist - aber er hat es auf für mich überaus nervtötende Art und Weise übertrieben, denn Mozart war kein Barockkomponist. Mozart hat Barockes bewußt in seiner Musik implementiert - und sei es nur, um zu reflektieren oder zu persiflieren (beides z.B. in Donna Annas Arie „Fuggi, crudele“ - vgl. mit dem Domine oder Quoniam der großen Messe). Das hat Jacobs offenbar missverstanden.


    Harnoncourt vs. Jacobs - wer hat Mozart am besten schlecht gemacht? 8o8-):/

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  • Letztens hörte ich die Aufnahmen, die Dennis Russel Davis und das Stuttagrter Kammerorchester zusammen mit Keith Jarret gemacht haben. Das sind für mich richtig schöne Mozart-Aufnahmen. Ich habe allerdings noch nicht weiter verfolgt, ob Davis noch mehr Mozart mit SKO aufgenommen hat (so gerne ich die Münchinger-Aufnahmen höre: so gut wie der Mozart unter DRD waren die nicht).


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Für mich sind hier zwei Namen von Bedeutung: René Jacobs und Adam Fischer.


    LG :hello:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Es gibt derzeit keinen führenden Mozart-Dirigenten.

    Das ist auch mein Eindruck. Es gibt zwar etliche Pultgrößen, die sich immer wieder mit Mozart beschäftigen, aber Persönlichkeiten wie Josef Krips, Bruno Walter oder Karl Böhm, den man in seinen letzten Jahren schlicht als den "Mozart-Papst" bezeichnet hat, sind nicht in Sicht.

    Selbst ein Herbert von Karajan, der bei Mozart aus diversen Gründen nie in der ersten Liga mitgespielt hat, hat eine große Anzahl von Mozart-Aufnahmen hinterlassen, darunter auch nicht wenige von hohem Rang, wie z.B. seine "Così fan tutte" (1954), die frühe Zauberflöte aus Wien (1950) und die Hornkonzerte mit Dennis Brain (1953), nicht zu vergessen auch die Wiener Aufnahmen der Sinfonien Nr. 40 & 41 (1959/63). In Salzburg hat Karajan gerne seinem älteren Kollegen Böhm den Vortritt gelassen.


    Ich möchte hier an einen Dirigenten der "alten Schule" erinnern, der sich ein Leben lang für Mozarts Werke an vorderster Stelle (wenn mal seinen Einsatz für Haydns Sinfonien beseite läßt) stark gemacht hat: der Engländer Sir Thomas Beecham (1879-1961). Er war der Dirigent der ersten bahnbrechenden Gesamtaufnahme der "Zauberflöte" und sich nicht zu schade, dafür 1937 und 1938 mehrmals nach Berlin zu reisen, obwohl ihm die regierenden Nazis das nicht ganz leicht gemacht haben. Doch Beecham wollte für diese deutsche Oper unbedingt deutsche Künstler haben, und die gab es in England nicht. Doch, einen gab es: Richard Tauber, der als Jude 1933 aus Deutschland fliehen mußte. Ihn, den damals weltweit berühmtesten Tamino, wollte Beecham in dieser Rolle einsetzen, aber die Nazi-Behörden ließen ihn wissen, daß sie im Falle seiner Einreise nicht "für seine Sicherheit garantieren" könnten. Beecham mußte sich schließlich mit Helge Roswaenge begnügen. Seine Aufnahme, die ursprünglich auf 19 (!) 30 cm-Platten veröffentlicht wurde, gibt es noch heute auf diversen Labels zu kaufen:

    Mozart: Great Opera Recordings - Die Zauberflöte (Gesamtaufnahme)

    Doch auch nach dem Zweiten Weltkrieg nahm Mozart einen breiten Raum in seinem Repertoire ein, und es gibt eine ganze Anzahl von noch heute hörenswerten Aufnahmen, z.T. sogar in Stereo (obwohl Beecham von der neuen Technik gar nicht begeistert war: er sagte stets "stereocomic", wenn er "stereophonic" auf den Hüllen seiner LPs las.

    Ich möchte hier auf einige spektakuläre Aufnahmen in dieser Technik aufmerksam machen, die es nicht verdient haben, vergessen zu werden:


    Mozart: Die Entführung aus dem Serail (Gesamtaufnahme) Sinfonie 41 "Jupiter"+KonzSinfonie 35 / 2

    Bei der letzgenannten CD handelt es sich allerdings um Rundfunkaufnahmen der BBC aus 1949 und 1958, in Mono. Mit Jascha Heifetz hat er 1934 Mozarts Violinkonzerte Nr. 4 & 5 eingespielt. Es gibt noch eine erkleckliche Zahl weiterer Mozart-Werke mit den eigenwilligen Engländer, der es vorzog, in Frankreich zu leben, weil man im eigenen Land "weder leben noch sterben könne", weil es zu teuer sei.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Persönlichkeiten wie Josef Krips, Bruno Walter oder Karl Böhm, den man in seinen letzten Jahren schlicht als den "Mozart-Papst" bezeichnet hat, sind nicht in Sicht.

    Das mag verschiedene Gründe haben. Die drei genannten standen allesamt an der Wiege der LP, Krips und Böhm auch noch der stereo-Platte. Der uns heute bekannte Fundus an stereo-Aufnahmen entstand seit 1958. Zudem waren die Märkte recht abgeschottet. Karl Böhm war m.W. zudem der erste, der alle Mozartsinfonien für die Platte aufgenommen hat. Wenn Du damalige Plattenpreise bedenkst hat der Markt schlichtweg aus Sich der Plattenfirmen nicht mehr hergegeben. Günter Wand und seine Mozartaufnahmen gab's übrigens nur in Frankreich.


    Die GA von Christopher Hogwood finde ich formidable, ebenso die von Jeffrey Tate. Es hat schon was nach Karl Böhm gegeben, aber es wird nicht mehr so etikettiert. Wenn Du dann noch die unfassbare Breite an Werken und Komponisten betrachtest, die derzeit den Markt füllen, dann nimmt es nicht Wunder, das solche Etiketten nicht mehr vergeben werden.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Ja, Adam Fischer ist einer der wenigen, die eine höhere Rhythmusebene fließend dirigieren können.....

    E l l e n b e r g e r, Wolfgang

    ellenberger.me