Teodor Currentzis, Exzentriker aus Griechenland

  • Ramelow kannst Du ja nicht meinen.

    Nee, eher ein gerüttelt Maß derer, die ihn nicht gewählt haben. Schwer zu ertragen für mich als jemand, der leidenschaftlich gerne in Thüringen ist. Landschaftlich ein Traum.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Übrigens stellte sich der SWR mittlerweile ausdrücklich hinter Teodor Currentzis und betonte, es bestehe nicht der geringste Zweifel daran, dass dieser kein Befürworter des Ukrainekriegs sei. Man verstehe Currentzis' öffentliche Zurückhaltung. Den polemischen Erguss Eggerts halte man hingegen für keinen wertvollen Beitrag in der Debatte.

    Das war zu erwarten. Natürlich geht es Currentzis nicht etwa um seine eigene russische Karriere sondern ausschließlich um das Wohl der Mitglieder von MusicAeterna; ich bin gerührt. Kein Wort davon, dass er genau diese Musiker wie Sklaven für sich arbeiten lässt, dass er ihre wirtschaftliche Abhängigkeit und Unsicherheit gnadenlos für eigene Zwecke ausnutzt und in unübertrefflich zynischer Weise kommentiert hat, und auch kein Wort davon, dass etliche dieser Musiker den Krieg verherrlichen. Besonders peinlich finde ich das Rumeiern im letzten Absatz: Einerseits findet Matthias Claudi es angeblich nachvollziehbar, dass Currentzis' "öffentliches Schweigen für viele Menschen schwer erträglich" sei, nur um sofort danach zu behaupten, "die allermeisten Menschen" hätten "Verständnis für seine Situation". Wenn er sich da mal nicht irrt...

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Industrieller Völkermord an den Juden ganz Europas ist aber schon ein "deutsches Problem", insofern hat Rheingold1876 doch recht. Er hat ja nicht behauptet, dass es in Russland keinen Antisemtismus gäbe bzw. in der Sowjetunion gegeben habe.

    Deutsch ist schwer offenbar! Tertium comparationis nicht beachtet! Als Furtwängler sich für jüdische Mitbürger einsetzte, wusste noch Niemand (auch die Betroffenen nicht) etwas von einem möglichen "industriellen Völkermord". Rein als Denkmöglichkeit lag das völlig außerhalb dessen, was man sich überhaupt vorstellen konnte.

  • Deutsch ist schwer offenbar!

    Für mich nicht. Du hattest geschrieben:

    Was die Judenverfolgung angeht irrst Du Dich grundlegend.

    ...um dann wortreich zu erläutern, dass es auch in der Sowjetunion Antisemitismus gab. Das Gegenteil hatte allerdings auch niemand behauptet. Darauf, und nur darauf hatte ich hingewiesen. Lies es einfach noch mal, wenn's Dir nicht zu schwer fällt!

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Hallo


    Während der Coronazeit schälte sich bei vielen von uns die Überzeugung heraus, dass der Erhalt der Kultur und damit auch das finanzielle Überleben der Kulturschaffenden nicht hoch genug angesiedelt werden können. Mittlerweile sind die meisten Künstlerinnen und Künstler „über den Berg“ und wir freuen uns, wenn uns wieder die Kultur geboten wird, die wir individuell schätzen und lieben.


    Auch wenn ich seit Beginn der Coronapandemie kein Konzert mit Theodor Currentzis mehr erlebt habe, verdanke ich ihm doch einige der intensivsten Konzerterlebnisse der Vor-Coronajahre.


    Unabhängig davon frage ich mich allerdings, mit welchem Recht wir an diejenigen, die unsere kulturellen Wünsche in Erfüllung gehen lassen, Ansprüche hinsichtlich ihrer Haltung definieren. Sind doch sie es, die uns etwas geben. Und wenn sie diesen Ansprüchen nicht genügen, dürfen sie nicht mehr für uns „aufspielen“?


    Haben wir da nicht einen Knoten in der Beziehungsebene?


    Natürlich würde auch ich mich freuen, wenn Currentzis sich eindeutig von diesem Krieg distanzieren würde. Aber ich habe keinen Anspruch darauf, auch wenn ich diesen Krieg (wie jeden Krieg) für krank und komplett aus der Zeit gefallen halte.


    Unabhängig davon, dass ich mich nicht gedanklich in ihn hineinversetzen und somit seine Handlungsoptionen nicht beurteilen kann, da ich die Risiken nicht wirklich einschätzen kann, steht mir das auch nicht zu.


    Und natürlich muss er selbst die Konsequenzen tragen. Distanziert er sich, hat es Folgen für ihn und seine Musikerinnen und Musiker. Distanziert er sich nicht, entgehen ihm Engagements im Westen. Und dass er weniger Engagements erhält ist konsequent, muss doch immer beurteilt werden, ob ein Theodor Currentzis der sich zum Krieg indifferent verhält, noch Hallen füllt.


    Wer bin ich aber, von einem anderen Menschen ein Bekenntnis zu verlangen, damit ich mich befriedigt zurücklehnen kann: Er ist wohl doch ein Guter. Und wenn er es tut, dann darf er mich auch wieder unterhalten.


    Umgekehrt wird doch ein Schuh draus. Jeder hat das Recht mit seinen Füßen oder seinem Geldbeutel abzustimmen. Wer eine Distanzierung erwartet, meidet seine Konzerte. Man muss seine CDs nicht mehr kaufen. Die, die man besitzt, kann man wegwerfen. Man muss auch die Übertragungen im Rundfunk oder die Mitschnitte auf youtube nicht mehr anschauen. Da das aber nicht funktionieren wird, soll er es uns doch bitte leicht machen und sich distanzieren.


    Anders wäre es für mich, wenn Künstlerinnen oder Künstler aktiv ihre Position nutzen würden, den Krieg zu rechtfertigen. Entsprechende Informationen sind mir zu Herrn Currentzis bislang nicht zu Ohren gekommen.


    Ich hoffe, ich konnte meine Gedanken schlüssig darstellen und war nicht zu ausschweifend. Denn das ist einer der Gründe, weshalb ich auf den offenen Brief von Herrn Eggert etwas allergisch reagiere. Allein die Länge des Schreibens zeigt mir, dass es ihm nicht zuletzt um seine Selbstdarstellung ging. Eine Selbstdarstellung in einem Kontext, in dem es nicht viel Mut braucht, Position zu beziehen. Auch die Wortwahl ist nach meinem Eindruck bewusst gesetzt, um die eigene Empörung in Szene zu setzen.


    Hätte Herr Eggert tatsächlich etwas bewegen wollen, hätte er sich kürzer und prägnanter an Theodor Currentzis gewandt. Und zwar nicht öffentlich. Herr Eggert hat seine Segel gut in den Wind gesetzt und befeuert damit unsere ohnehin Überhand nehmende Empörungskultur.


    Gruß Wolfgang

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Unabhängig davon frage ich mich allerdings, mit welchem Recht wir an diejenigen, die unsere kulturellen Wünsche in Erfüllung gehen lassen, Ansprüche hinsichtlich ihrer Haltung definieren.

    Die Frage ist berechtigt. Allerdings hat gerade Currentzis immer wieder darauf hingewiesen, dass Musik keine "Ansammlung von Klängen bei einem Glas Champagner" sei sondern gesellschaftliche Bedeutung habe. Er sieht sich also als Künstler in einer gesellschaftlichen Verantwortung, an der er sich dann auch messen lassen muss. Aber grundsätzlich stimme ich Dir zu: Es ist zweifelhaft, von Musikern politische Stellungnahmen als Voraussetzung für Engagements zu verlangen. Es ist im Falle dieses Krieges besonders zweifelhaft, weil es bei anderen Kriegen (z.B. dem Irak-Krieg vor 20 Jahren) nicht stattgefunden hat. Es geht bei den Forderungen wohl doch nicht einfach nur um Moral, denn die würde ja nicht nur partiell gelten.


    Unabhängig davon, dass ich mich nicht gedanklich in ihn hineinversetzen und somit seine Handlungsoptionen nicht beurteilen kann, da ich die Risiken nicht wirklich einschätzen kann, steht mir das auch nicht zu.

    Das sehe ich allerdings anders. Die Risiken für ihn persönlich sind klar: Er könnte möglicherweise seine Russland-Kontakte verlieren, was aber durch zusätzliche Engagements und gestiegenes Renommee im Westen ganz sicher ausgeglichen würde. Die Sorgen um die Folgen für "seine" Musiker glaube ich ihm wie gesagt nicht, weil ihm deren Wohlergehen bisher auf gutdeutsch am Allerwertesten vorbei ging.


    Anders wäre es für mich, wenn Künstlerinnen oder Künstler aktiv ihre Position nutzen würden, den Krieg zu rechtfertigen. Entsprechende Informationen sind mir zu Herrn Currentzis bislang nicht zu Ohren gekommen.

    So einfach ist das meines Erachtens nicht. Sein Ensemble wird von der im Westen sanktionierten VTB-Bank und von Gazprom finanziert, im Vorstand sind u.a. die russische Nationalbankchefin und der Putin-Freund und Gouverneur von St. Petersburg Alexander Beglov. Der Heimatsaal des Ensembles wird von einer Holding betrieben, der die Putin-Geliebte Alina Kabajewa vorsteht. Currentzis trat bei Putins Wirtschaftsforum in St. Petersburg auf und widersprach auch nicht, als der VTB-Chef Kostin erklärte, er (Currentzis) habe Russland die Treue geschworen. Er hat selbst die Nähe zur Macht gesucht und lässt sich bereitwillig für deren Zwecke instrumentalisieren.


    Hätte Herr Eggert tatsächlich etwas bewegen wollen, hätte er sich kürzer und prägnanter an Theodor Currentzis gewandt. Und zwar nicht öffentlich. Herr Eggert hat seine Segel gut in den Wind gesetzt und befeuert damit unsere ohnehin Überhand nehmende Empörungskultur.

    Eggert weist ja selbst darauf hin, dass alle bisherigen Versuche gescheitert sind, Currentzis zu einer Stellungnahme gegen den Krieg zu bewegen (wie gesagt: Ich halte solche Forderungen durchaus für problematisch, aber darum geht es hier nicht). Es ist kaum anzunehmen, dass ein persönlicher, knapp gehaltener Brief Eggerts daran etwas geändert und er damit "etwas bewegt" hätte. "Überhand nehmende Empörungskultur" sehe ich auch, aber eher nicht in diesem Fall. Wer sich in der oben beschriebenen Weise von einem imperialistischen, verbrecherischen Diktator vereinnahmen lässt, ist kein "unpolitischer Künstler". Und er muss auch mit öffentlichem Widerspruch leben.

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    (Theodor W. Adorno)

  • Das hat zwar eigentlich wenig mit diesem Thread zu tun, aber das bezieht sich offenbar auf das Festkonzert mit Beethovens Neunter am Vorabend des Geburtstages des Führers vom 19. April 1942, das von der "Deutschen Wochenschau" filmisch festgehalten wurde. Gleich nachdem die letzten Takte verklungen sind, schreitet Goebbels nach vorne und streckt Furtwängler von sich aus die Hand entgegen, wie man im Film unstrittig ersehen kann. Es ist in keiner Weise erkennbar, dass er von Furtwängler den Hitlergruß erwartet. Worin soll hierin also ein Affront des Dirigenten liegen und wieso hätte dieser gleich nach dem Ende des Konzerts, während der stürmischen Ovationen des Publikums, überhaupt den besagten Deutschen Gruß vollführen sollen? Diese kolportierte widerständige Version scheint eher dem fragwürdigen Narrativ zu entspringen, dass Furtwängler natürlich rein überhaupt nichts mit diesem Regime zu tun gehabt haben will.

    Es geht doch eigentlich darum, dass man diesen Händedruck nicht (!) als Ausdruck einer Nähe von Furtwängler zum Nationalsozialismus verstehen kann, wie es ja geschehen ist. Furtwängler hat grundsätzlich den Hitlergruß verweigert, das wussten auch die Nazis und insbesondere Goebbels schon vor diesem Konzert. Man musste sich vom Regime her gedacht mit dem "Querkopf" Furtwängler arrangieren - und umgekehrt natürlich Furtwängler mit den Nazis auch, so schwer es ihm fiel. Einen offenen Skandel konnte sich keine Seite leisten und vor allem durfte nicht öffentlich werden, dass Furtwängler eine solche selbständige Position vertritt, die nicht voll und ganz auf der Linie der Parteil liegt. Wenn Goebbels ihm seine Hand entgegenstreckt, kann Furtwängler nur einschlagen und alle können so glauben, die es nur wollen, dass das Verhältnis von Kunst und NS-Staat in Ordnung ist. Das ist Diplomatie und politisches Kalkül.



    Lies es einfach noch mal, wenn's Dir nicht zu schwer fällt!

    Das tue ich gerne...


    Also:


    ich halte es für sehr verwegen und eigentlich unzulässig, Currentzis mit Furtwängler zu vergleichen und in diesem Zusammenhang die Verfolgung der Juden zu erwähnen. Damit stellst Du ganz offensichtliche Parallelen zwischen den Hitlerfaschisten in Deutschland und dem Regime Putins in Russland her. Das geht schon deshalb nicht, weil dadurch die Verbrechen der Deutschen relativiert würden und ihre schreckliche Einzigartigkeit verlören.

    Da wird einmal behauptet, dass es "unzulässig" sei, die Verfolgung der Juden überhaupt zu erwähnen und man keine Parallelen zwischen Putin und dem Hitlerfaschismus herstellen dürfe. Und dann wird gesagt, dass das letztlich den Holocoust relativieren würde.


    Beides geht völlig an dem vorbei, was ich gesagt habe. Erst einmal ist die Parallele nicht generell "unzulässig", denn es gibt Antisemitismus eben auch in Russland. Wegen des Antisemitismus sind Menschen aus Deutschland emigiriert - in Russland gibt es eine solche Emigrationsbewegung nach Israel aus demselben Grund bis heute.


    Furtwängler wurde ersucht, dass er seine Beziehungen dafür einsetzt, Juden, die ausreisen wollten, ein Visum zu verschaffen. Das hat er getan. Das hat nichts mit dem Holocaust zu tun und letztlich auch nicht damit, dass es insbesondere Juden waren. Es hätten auch Roma oder Jehowas Zeugen sein können. Es geht hier nur darum, dass einem Künstler in herausragender Position Menschen (Menschen!) nicht gleichgültig waren, die ihn um seine Hilfe in einer prekären Lage (der Verfolgung und Diskriminierung) gebeten haben. Er hat seine Verantwortung als Künstler eben nicht von der gesellschaftlichen Verantwortung getrennt - weil man es in einer solchen Lage gar nicht kann. Genau das ist aber das Problem bei Currentsis.


    (Wir neigen aus dem Rückblick dazu, immer gleich an dem Holocaust zu denken. Hier kann ich nur empfehlen, wenn man die Gelegenheit hat, sich die Mono-Oper Das Tagebuch der Anne Frank von Grigori Frid anzuschauen. Ich habe die Aufführung in Münster gesehen mit Kathrin Filip. Das war sehr eindruckvoll. Anne Frank schildert auch sprachlich erstaunlich den alltäglichen Horror eines jüdischen Mädchens in einer Litanei, was es alles nicht darf: nicht ins Schwimmbad gehen, nicht in die Bücherei etc. etc. Dieser Horror was Alltagsbanalitäten angeht war der Grund für die Ausreise so vieler Juden aus Deutschland, und nicht ein Holocaust, den man sich gar nicht vorstellen konnte.)

  • Da wird einmal behauptet, dass es "unzulässig" sei, die Verfolgung der Juden überhaupt zu erwähnen und man keine Parallelen zwischen Putin und dem Hitlerfaschismus herstellen dürfe. Und dann wird gesagt, dass das letztlich den Holocoust relativieren würde.


    Beides geht völlig an dem vorbei, was ich gesagt habe. Erst einmal ist die Parallele nicht generell "unzulässig", denn es gibt Antisemitismus eben auch in Russland. Wegen des Antisemitismus sind Menschen aus Deutschland emigiriert - in Russland gibt es eine solche Emigrationsbewegung nach Israel aus demselben Grund bis heute.

    Das ist trotzdem keine "Parallele": Die Judenphobie im russischen Zarenreich hatte im Gegensatz zu der in Deutschland kaum eine Verbindung zu Rassenlehren sondern war immer die Furcht vor intellektuell überlegenen Angehörigen einer fremden Religion. Mit der christlichen Taufe endeten für Juden deshalb in Russland auch alle staatlichen Diskriminierungen, vor allem die Pflicht, im "Ansiedlungsrayon" zu leben. Auch ohne das Menschheitsverbrechen des Holocausts ist der russische Antisemitismus deshalb ein anderer als der deutsche, danach natürlich sowieso. Eher schon kann man sagen, dass die Geschichte der russischen Juden eine Fortsetzung der der polnisch-litauischen und damit sogar der deutschen ist: Vor den Verfolgungen der Kreuzzugszeit flohen viele Juden in ein Gebiet des Königreichs Polen-Litauen, das dann im Zuge der polnischen Teilungen von Russland annektiert wurde. Dort lebte am Ende des 18. Jahrhunderts die größte jüdische Minderheit der Welt.

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  • Für mich sind Menschen, die keine öffentliche Stellung nehmen wollen (wie hier Maestro Currentzis), simple Opportunisten...

  • Das ist trotzdem keine "Parallele": Die Judenphobie im russischen Zarenreich hatte im Gegensatz zu der in Deutschland kaum eine Verbindung zu Rassenlehren sondern war immer die Furcht vor intellektuell überlegenen Angehörigen einer fremden Religion. Mit der christlichen Taufe endeten für Juden deshalb in Russland auch alle staatlichen Diskriminierungen, vor allem die Pflicht, im "Ansiedlungsrayon" zu leben.


    Das hast Du Dir irgendwo zusammengegoogelt ohne wirkliche Kenntnisse der umfangreichen Literatur zum Thema Antisemitismus, die ich zu Deinem Pech leider kenne. Die Behauptung, einen nicht-religösen Antisemitismus gäbe es nur in Deutschland sowie dass es in Russland nur einen religiös motivierten Antisemitismus gäbe, ist einfach evident falsch. Seit 1917 gibt es die Sowjetunion, und die marxistische Ideologie dort ist atheistisch. Warum ist seit 1917 also der russische Antisemitismus, wenn er angeblich nur religiöse Gründe hat, dann nicht verschwunden? Lazar Berman schreibt, dass in den 30iger Jahren der Antisemitismus in Russland so gut wie verschwunden war und in den 40iger Jahren wieder auftauchte. Das wohl kaum wegen der russisch-orthodoxen Kirche.

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  • Unabhängig davon, dass ich mich nicht gedanklich in ihn hineinversetzen und somit seine Handlungsoptionen nicht beurteilen kann, da ich die Risiken nicht wirklich einschätzen kann, steht mir das auch nicht zu.

    Lieber Wiolfgang,


    Danke für Deinen sehr besonnenen Beitrag, das wollte doch sagen. Von Künstlern "richtige Gesinnungen" zu fordern, halte ich auch für nicht angemessen, so wenn die Polen von Chopin-Preisträgerin Julianna Avdeeva, die schon lange in der Schweiz lebt, ein Bekenntnis gegen Putin verlangen, damit sie in Polen Konzerte geben darf. Sie hat sich politisch nie geäußert im Unterschied zu Gergiev oder Lisitsa, die beide diese unsägliche Schrift mit unterschrieben haben, dass die Annexion der Krim rechtens ist. Von Avdeeva so eine Stellungnahme zu verlangen, finde ich ungehörig. Sie will vielleicht ihre russischen Verwandten nicht gefährden. Lisitsa dagegen hat inzwischen wohl nicht zufällig ihren Wohnsitz von den USA nach Italien verlegt, weil sich in den USA u.a. die Orchestermusiker weigern, mit ihr aufzutreten, sie also zunehmend zur unerwünschten Person geworden ist. Das hat sie aufgrund ihrer offenen Haltung pro Putin letztlich selbst zu verantworten. Bei Currentzis könnte ich sein Schweigen verstehen, wenn es nur um den Erhalt des russischen Orchesters ginge. Nur leider hat er sich selber kompromittiert durch Auftritte, die finde ich die Grenze zur gebilligten propagandistischen Vereinnahmung überschreiten. Er müsste bei solchen dubiosen Veranstaltungen sicher nicht auftreten, hat es aber getan. Da ist er für mich alles andere als überzeugend. :hello:


    Schöne Grüße

    Holger

  • Das hast Du Dir irgendwo zusammengegoogelt ohne wirkliche Kenntnisse der umfangreichen Literatur zum Thema Antisemitismus, die ich zu Deinem Pech leider kenne.

    Deine ständigen Selbstbeweihräucherungen sind einfach nur zum Fremdschämen. So besonders tiefgehend können Deine Kenntnisse aber leider nicht sein, wenn Du vom Unterschied zwischen dem Antisemitismus in Deutschland und dem im russsischen Zarenreich noch nie gehört hast. Der wird in der "umfangreichen Literatur" ausführlich behandelt. Für den Anfang empfehle ich Dir "Rotbuch. Stalin und die Juden" von Arno Lustiger. Wenn Du damit durch bist, melde Dich.


    Die Behauptung, einen nicht-religösen Antisemitismus gäbe es nur in Deutschland sowie dass es in Russland nur einen religiös motivierten Antisemitismus gäbe, ist einfach evident falsch.

    Diese Behauptungen habe ich auch nicht aufgestellt. Du redest mal wieder irgendwas ins Leere und hoffst, dass das keiner merkt.


    Seit 1917 gibt es die Sowjetunion, und die marxistische Ideologie dort ist atheistisch. Warum ist seit 1917 also der russische Antisemitismus, wenn er angeblich nur religiöse Gründe hat, dann nicht verschwunden?

    Verstehe. Weil der Marxismus atheistisch ist, sind natürlich mit der Oktoberrevolution auch die Religion und mit ihr alle religiösen Vorurteile und Ressentiments auf einen Schlag verschwunden. Dein Geschichtsbild ist etwas holzschnittartig. Dass Du dabei den rassistischen Antisemitismus bis zum Holocaust so weit an den Rand schiebst, bis nur noch eine angebliche "Parallele" zu Russland übrig bleibt, überrascht so gesehen nicht.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
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    (Theodor W. Adorno)

  • Deine ständigen Selbstbeweihräucherungen sind einfach nur zum Fremdschämen. So besonders tiefgehend können Deine Kenntnisse aber leider nicht sein, wenn Du vom Unterschied zwischen dem Antisemitismus in Deutschland und dem im russsischen Zarenreich noch nie gehört hast.

    Das ist einfach nur zum Lachen!

    Verstehe. Weil der Marxismus atheistisch ist, sind natürlich mit der Oktoberrevolution auch die Religion und mit ihr alle religiösen Vorurteile und Ressentiments auf einen Schlag verschwunden.

    Diese Antwort verrät, dass Du von den Erkenntnissen der Antisemitismusforschung der letzten Jahrzehnte schlicht keinerlei Ahnung hast.

  • Der Unterschied zwischen Deutschland und Russland ist die perfekt funktionierende Verwaltung, mit Hilfe derer Gestze bis in den hintersten Winkel des Reiches umgestzt werden konnten, was in der zugegeben ungleich größeren Sowjetunion zu keiner Zeit der Fall war. Norbert Frei wies in einem Aufsatz darauf hin. Auch kam der Antisemitismus nicht über Nacht: die katholische Kiche hat über die Jahrhunderte hinweg die perfekte Vorarbeit geleistet durch den Erlass von antisemitischen Canones (Paragrafen im katholischen Recht), die aufgrund der Verstrickung von Staat und Kirche schnell Länderrecht wurden. Selbst die Gesetze nach 1933 finden Entsprechungen im alten, nunmehr bereinigten Codex Jus Canonicum. Nachzulesen bei Raoul Hilberg, bei dem sich auch die alten Canones nachlesen lassen.


    Die Lage ist also differenziert, und für die betroffenen Opfer ist es eigentlich gleichgültig, vor welchem ideologischen Hintergrund sie umgebracht worden sind oder auch noch werden. Ziemlich unersprießlich also, diese Diskussion im Zusammenhang mit Currentzis.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
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  • Hallo


    Was daran findest Du kitschig? Ich habe das Gefühl, der Rezensent schreibt das, was er empfunden hat.

    Und die Bewertungen der beiden Dirigenten - na ja, die Ansichten kann man vertreten.


    Gruß

    Wolfgang

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Ob nun ausgerechnet Thielemann in Sachen Mahler zeigen kann, "wo der Hammer hängt", wie der Rezensent behauptet, muss doch stark bezweifelt werden. Es gibt kommerziell keine einzige Mahler-Symphonie unter seinem Dirigat, die man käuflich erwerben könnte. Welche außer der Dritten und Achten hat er überhaupt jemals dirigiert? Und das soll nun ernsthaft gleich die neue Messlatte in Sachen Mahler-Interpretation sein? Das geht mir heutzutage zu rasant, passt aber zum Zeitgeist.


    Von Currentzis habe ich zumindest eine verblüffend stimmige und überzeugende Einspielung der Vierzehnten vorliegen, die ich als eine Art moderne Referenz ansehe. Sie ergänzt gut die klassischen Aufnahmen aus der Sowjetunion, die ohnehin in dieser Form nicht wiederholbar sind.


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Heute früh in der Bahn habe ich das ziemlich amüsiert gelesen - ein wirklich schönes Beispiel für Kitsch in der Rezension von musikalischen Aufführungen ^^ :

    Doch so richtig eine Rezension aus dem Jahre 1899. Am schönsten: "(Thielemann) forderte mit Ganzkörpereinsatz das leiseste piano."

    Es gibt ja jede Menge Dirigenten, die vor lauter Ganzkörpereinsatz nach dem Ende reanimiert werden müssen, aber dann doch eher, um "mit Ganzkörpereinsatz ein ohrenbetäubendes fffff " hervorzuzaubern. Ob es Kitsch ist, weiß ich nicht, aber unfreiwillig komisch auf jeden Fall.

    Dazu kommt die Überschrift. Wenn beide Aufführungen so fulminant waren, wer zeigt denn dann wem den Hammer? Oder ist der Hammer eher auf den Rezensenten.......?

    Schönheit du kannst zwar wol binden...

    Schönheit machet viel zu blinden...

    Schönheit alle Freyer grüssen...

    Schönheit reitzet an zum küssen...

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Den Videomitschnitt des Konzerts vom 28. Mai 2023 aus dem Festspielhaus Baden-Baden mit Teodor Currentzis und dem SWR Symphonieorchester gibt es jetzt hier:


    https://b23.tv/dFjcc7N


    Programm


    Alexei Retinski: Das Wasser hat keine Haare - Vorspiel zum Vorspiel "Tristan und Isolde"

    UA des Komposigiosauftrags des SWR

    Richard Wagner: Vorspiel und Liebestod aus „Tristan und Isolde“


    Wagner/Maazel: Der Ring ohne Worte


    Kritik zum Konzert:

    https://onlinemerker.com/baden…hester-teodor-currentzis/

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Nachdem ich mir jetzt die Aufnahme von Mahlers 6. Symphonie angehört habe, vermag ich den Hype um diesen Dirigenten nicht verstehen. Gewiss ist es faszinierend, was er aus seinem unbekannten Orchester an Energie und Genauigkeit rausholt, aber sein Dirigat wird diesem schwierigen Werk meines Erachtens nicht gerecht. Es gibt starke Passagen, die geradezu einpeitschend nach vorne stürmen, aber keinen Bogen, der alles zusammenhält. Die Klangmassen wirken auf mich ohne Zusammenhang, auch der Charakter der Musik wird nicht getroffen.

    Eine für mich völlig überbewertete Aufnahme.


    Viele Grüße, Christian

  • Nachdem ich mir jetzt die Aufnahme von Mahlers 6. Symphonie angehört habe, vermag ich den Hype um diesen Dirigenten nicht verstehen.

    Ich auch nicht, lieber Christian. Ich habe die Aufnahme zwar nicht ganz gehört - aber was ich gehört habe, reicht mir, dass ich dazu auch keine Lust verspüre. ^^


    Schöne Grüße

    Holger

  • Purcells "Indian Queen" in Neufassung von Sellars/Currentzis

    "Leider kann man den Plot von den rivalisierenden Ureinwohnern Amerikas heute zumindest nicht kommentarlos zur Aufführung bringen. Peter Sellars und Teodor Currentzis haben deshalb einen komplett neuen Plot um die schönsten Musiknummern gestrickt."

    Dies schreibt der ORF. Ein fiktiver indianischer Krieg "Mexikaner" gegen Inkas ist also tabu. Die Bösen sind immer die Spanier. Gut zu wissen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Immer dieser Currentzis. Er macht es seinen Kritikern wirklich nicht leicht, indem er Dinge tut, die denen eigentlich nicht ins Bild passen können Er schreibt Stücke so um, dass sie politisch korrekt werden und tut sich dazu mit einer US-amerikanischen Legende des Regietheaters zusammen. Ist er nun ein Guter geworden? Oder muss er immer noch weg?

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Die in Salzburg wiederaufgenommene Sellars/Currentzis-Produktion von Purcells "Indian Queen" stammt aus dem Jahr 2013 und ist seit langer Zeit auf DVD/Bluray erhältlich.



    Musikalisch wie szenisch ein Meisterstück!

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Die Herren Currentzis und Sellars haben in Madrid 2013 eine wirklich sehens- und hörenswerte Fassung von Purcells "The Indian Queen" erstellt. Die Produktion konnte man 2023 in Salzburg erleben, oder auch als Video hier.


    https://b23.tv/hzfJdWt

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo