Teodor Currentzis, Exzentriker aus Griechenland

  • Mahler ist eine der peinlichsten Erscheinungen der Musikgeschichte".

    Warum muss ich jetzt bei dieser Äußerung "Celis" bloß an diese Sache "Gott ist tot!" (Nietzsche) - "Nietzsche ist tot!" (Gott) denken? :hahahaha:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Hallo!


    Am vergangenen Freitag erlebte ich mein zweites Konzert des SWR Sinfonieorchesters unter der Leitung ihres neuen Chefdirigenten Teodor Currentzis.


    Programm:


    George Crumb: Ancient Voices of Children

    Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 4


    "Acient Voices" - ein zeitgenössisches Werk, das Georg Crumb 1970 auf Texte von Federico Garcia Lorca schrieb, war für mich im wahrsten Sinn des Wortes "Neue Musik". Die Bühne war nur über die Beleuchtung auf der Bühne für die jeweiligen Protagonisten leicht erhellt. Das kleine Ensemble wurde von Currentzis geleitet, die Hauptprotagonisten waren Sophia Burgos (Sopran) und Johannes Rempp (Knabensopran). Während einer Art "freiem Bewusstseinsstrom" (Programmheft) wurde der Hörer zusätzlich visuell durch Fotos von Kindern in Kriegssituationen animiert. Das Stück zu beschreiben erscheint mir sehr schwierig, daher stelle ich den Link eines anderen Ensembles ein:


    Georg Crumb - Ancient Voices of Children


    Mit Sicherheit eine sehr gewöhnungsbedürftige Musik, auf die man sich in vielleicht besonderem Maße einlassen muss. Das Stuttgarter Publikum war dazu bereit und hat die Aufführung anschließend entsprechend gewürdigt.


    Nach der Pause Mahlers 4te. Ich war äußerst gespannt, nach der hervorragenden Dritten nun einen weiteren "Currentzis-Mahler" zu erleben. Solistin war Christina Gansch (Sopran).


    Ich war wiederum fasziniert von dem Zusammenwirken von Orchester und Dirigenten. Er scheint mit jeder Bewegung, mit jeder Geste oder Mimik auszudrücken: "Ich bin begeistert von dem was Ihr spielt" und unterstreicht es, indem er auch vor großen Bewegungen nicht zurückschreckt.


    Gradmesser war für mich der herrliche dritte Satz. Tage zuvor hatte ich mir zur Vorbereitung eine für mich sehr gelungene Aufführung des NDR Sinfonieorchesters unter Christof Eschenbach aus dem Jahr 2010 (Eröffnungskonzert des Schleswig Holstein Festivals) angeschaut und angehört. Schon hier war ich ergriffen von der Tiefe der Darbietung dieses Satzes, zumal die Ergriffenheit Eschenbachs sichtbar war. Entsprechend gespannt war ich auf diesen Abend.


    Ich kann mir nicht vorstellen, dass es möglich ist, diesem Satz mehr emotinale Tiefe zu verleihen, als es dem SWR SO gelungen ist. Beweis dafür ist, dass in diesen zwanzig Minuten annähernd Nullk Räuspern oder Husten zu vernehmen war. Das Publikum war schlichtweg zu gebannt.


    Der Abend schloss sich hinsichtlich meiner und der Begeisterung des Stuttgarter Pblikums nahtlos an das Erleben der Dritten Sinfonie an.


    Am Ende des Konzertes wies der Maestro darauf hin, man möge doch noch etwas trinken un anschließend zurück kommen. Es würde dann noch etwas musiziert.


    Als Dreingabe hörten wir ebenfalls ein Stück von George Crumb: Vox Balaenae für 3 maskierte Spieler (Flöte, Violoncello und Klavier).


    Ich hoffe, noch viele derartige Abende erleben zu dürfen.


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Hier kann man sich das ganze Konzert anhören!


    Currentzis dirigiert Crumb und Mahler 4


    LG Fiesco


    PS: Ich kann mich WoKa's Rezension voll anschließen, und bekomme noch immer eine Gänsehaut allein schon beim nur lesen:!:

    Leider konnte ich Currentzis netter Aufforderung nicht nachkommen, da meine Mitnahme Gelegenheit zurück musste! :(

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Ergänzend vielleicht Teodor Currentzis probt Mahlers Vierte. Ich selber als Hamburger habe das Konzert nicht erlebt, dafür vor einigen Monaten das Gastspiel in der Elbphilharmonie mit Schnittkes Violakonzert und Tschaikowskis 5ter. - Großes Kino!


    An alle Konzertbesucher hier die Frage, wie sich Frau Gansch, die ja bis vor kurzem noch Ensemblemitglied der Hamburger Staatsoper gewesen ist, geschlagen hat?

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • An alle Konzertbesucher hier die Frage, wie sich Frau Gansch, die ja bis vor kurzem noch Ensemblemitglied der Hamburger Staatsoper gewesen ist, geschlagen hat?

    Also ich fand den von ihr gesungen Finalsatz ganz hervorragend, meine erste Begegnung mit dieser sympathischen Sängerin (es gab im Vorfeld ein Interview mit ihr).

    mfg

    lutgra

  • Mahlers Dritte mit Currentzis hat mir übrigens auch gefallen, nur so ganz nebenbei...

    Und auch noch ganz nebenbei, Currrentzis scheint einen Reserve-Dirigentenstock zu haben, den er plötzlich zu zeigen braucht :-)


    Spannend, dass mit Teodor Currentzis inzwischen ein Enfant terrible einem Radioorchester wie dem SWR vorsteht. Sein Multimedia-Projekt Dau, das in Berlin nicht gezeigt wurde, nun aber in Paris aufgeführt wird, verstörte die Kritik. Jürgen König findet das Projekt im Deutschlandfunk einfach nur „peinlich bis hochstaplerisch“, und Igor Torony-Lalic vom Spectator schreibt: „Das einzig halbwegs Spannende für einen Musikkritiker ist, dass es das erigierte Glied von Teodor Currentzis zu sehen gab. Nun, ich habe Haitinks Dödel noch nie gesehen, oder Rattles oder Toscaninis. Wenigstens das war neu. Etwas, das man auf der Liste abhaken kann.

    (Crescendo, Magazin für Klassische Musik)


    Aber brauchen wir so was??

  • Zitat

    Aber brauchen wir so was??

    Mit 120prozentiger Sicherheit nicht. Ein großer Musiker wird er wohl sein, wenn auch nicht unumstritten. Ein großer Narzisst ist Currentzis auf jeden Fall.


    Im Übrigen könnte das auch griechischer Humor sein. Man kennt die entsprechenden Figürchen und ein Bekannter von mir, der aus Athen stammt, schilderte mir einst begeistert die Länge des Organs bei seinem wenige Monate alten Nachwuchs.


    :)Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Spannend, dass mit Teodor Currentzis inzwischen ein Enfant terrible einem Radioorchester wie dem SWR vorsteht. Sein Multimedia-Projekt Dau, das in Berlin nicht gezeigt wurde, nun aber in Paris aufgeführt wird, verstörte die Kritik. Jürgen König findet das Projekt im Deutschlandfunk einfach nur „peinlich bis hochstaplerisch“, und Igor Torony-Lalic vom Spectator schreibt: „Das einzig halbwegs Spannende für einen Musikkritiker ist, dass es das erigierte Glied von Teodor Currentzis zu sehen gab. Nun, ich habe Haitinks Dödel noch nie gesehen, oder Rattles oder Toscaninis. Wenigstens das war neu. Etwas, das man auf der Liste abhaken kann.

    (Crescendo, Magazin für Klassische Musik)


    Aber brauchen wir so was??

    Wer auch immer "wir" sind, und was genau mit dem "so was" gemeint ist: Um mir ein Urteil zu bilden, wollte ich das Projekt dringend besuchen, anstatt einfach die Meinung von Kulturjournalisten zu übernehmen. Zumal die oben verlinkten Artikel keine Einhelligkeit verbreiten: Jörn Florian Fuchs von der "Wiener Zeitung" konnte "Dau" offenbar nach einer gewissen Zeit der Irritation, Enttäuschung und Desorientierung durchaus interessante Seiten abgewinnen.

  • Hallo!


    Am Freitag 28. Juni dirigierte Currentzis in der Liederhalle Schostakowitschs Leningrader - die 7te - Sinfonie.


    Da wir an dem Tag bereits im Urlaub waren, konnte ich dem Konzert nicht beiwohnen, habe mir allerdings mittlerweile den Mitschnitt auf SWR Classic angeschaut und angehört.


    Ich kann es nur jedem empfehlen - der Bolero im 1. Satz nahm mir den Atem.


    Die Entscheidung, die Streicher oder auch die Bläser zeitweilig aufstehen zu lassen, hat eine beachtliche Wirkung.


    Vielleicht können ja Fiesco oder Lutz ihre Liveeindrücke schildern, da ich davon ausgehe, dass zumindest einer von beiden dabei war. Das wäre schön.


    https://www.swr.de/swrclassic/…ebte,av-o1133219-100.html


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

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  • Bei youtube auch schon zu erleben.



    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Ich habe Teodor Currentzis nur zweimal gehört, und zwar aus dem Orchestergraben. Sein Dirigat gesehen habe ich also nicht und kann nicht beurteilen, wie affektiert oder narzisstisch er sich gebärdet. Bei einem Konzert, wenn man ihn sieht, ist man wahrscheinlich geneigt, all das, was man über ihn gehört und gelesen hat, in seinen Bewegungen und Rumhüpfereien bestätigt zu sehen, sowohl im negativen wie im positiven Sinn.


    Die von ihm dirigierte Lady Macbeth von Mzensk entsprach meiner Meinung nach voll den Intentionen Schostakowitschs: sehr agressiv, sehr jazzig und immer der jeweiligen Handlungssituation auf der Bühne angepasst, die manchmal halt schnelle Tempi verlangt.

    Und zu Verdis Macbeth in der viel gerühmten Inszenierung von Barrie Kosky in Zürich passte sein Dirigat perfekt. Die Regie legte auf der Bühne frei, was im Inneren der Personen vor sich ging - action auf der Bühne gab es nicht viel - und Currentzis gelang es, genau diese Seelenschau musikalisch zu verdeutlichen.


    Soll er doch seine seltsamen Schuhe und seine eigenartige Frisur tragen, ich habe sie ja nur beim Applaus, der allerdings ziemlich lange dauerte, sehen können (oder müssen?)


    Einmal editiert, zuletzt von Souffleur ()

  • Kam gerade per e-mail vom SWR rein:


    Aus gesundheitlichen Gründen musste Teodor Currentzis seine Mitwirkung bei den Konzerten des SWR Symphonieorchesters in den kommenden zwei Wochen leider absagen.

    Dankenswerter Weise hat sich Michael Sanderling bereit erklärt, die Konzertprogramme weitestgehend unverändert zu übernehmen.

    Programm:

    Henri Dutilleux | Trois Strophes sur le nom de Sacher für Violoncello solo

    Dmitrij Schostakowitsch | Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 2 G-Dur op. 126

    - Pause -

    Anton Webern | Im Sommerwind, Idyll für großes Orchester

    Gustav Mahler | Adagio aus der Sinfonie Nr. 10 Fis-Dur

    Nicolas Altstaedt | Violoncello

    SWR Symphonieorchester

    Michael Sanderling | Dirigent

    Das Currentzis LAB am 17. September, 20 Uhr (Stuttgart, Liederhalle, Mozart-Saal; Live-Videostream auf SWRClassic.de) sowie die Currentis‘ Midnight Lounge am Samstag, 21. September, 0.05-2.00 Uhr (Stuttgart, Bix Jazzclub; Live-Radiosendung SWR2) entfallen.

  • Aufregend gute Nachrichten aus der Schweiz an alle Currentzis-Fans dieses Forums – falls diese sie noch nicht vernommen haben.

    Mit seinem Orchester bot Currentzis Mozarts drei Da-Ponte-Opern dar: Am 12.9. „Le Nozze di Figaro“, am 14.9. „Don Giovanni“ und am 15.9. „Così fan tutte“. Alleine dem letzten dieser Konzerte widmet das Feuilleton der „Neuen Zürcher Zeitung“ eine ganze Seite mit drei lobpreisenden Rezensionen aus der Feder dreien verschiedenen Rezensenten. Und es gab sogar eine Weltpremiere: Currentzis‘ gemeinsamen Auftritt mit Cecilia Bartoli, die man in der Rolle der Despina erleben durfte. Mit Currentzis trat sie noch am 13.9. in einem Zwischendurch-Konzert mit Mozart-Arien auf. Der Maestro, der mal behauptete, er würde nie an drei aufeinanderfolgenden Tagen auftreten, hat hiermit seine Prinzipien gebrochen; dies sei angeblich nur ausnahmsweise wegen der Bartoli – und exklusiv für Luzern, hiess es. Vermutlich ist es dieser Luzerner Stress, der Currentzis veranlasst hat, die fünf darauffolgenden SWR-September-Konzerte „aus gesundheitlichen Gründen“ abzusagen.

    Falls er beim SWR einen Monatslohn-Vertrag hat, wird er vermutlich auch im Krankheitsfall ausbezahlt? Das ist eine naive, doch berechtigte Frage. Die Gage für seinen Luzerner-Mozart-Marathon entspricht sicherlich 1-2 dieser Monatsgehälter, also muss er sich finanziell keine Sorgen machen, falls er den September-Lohn vom SWR nicht kriegt.

  • Ich habe gerade auf Youtube dieses Livekonzert aus Berlin vom 30. 11. 2019 genossen bis einschließlich dritten Teil: Offertorium:

    Jetzt muss ich erst ins Bett, denn auch so eine selbstgewählte Langstreckenquarantäne ist anstrengend.

    Bis dahin war ich begeistert, ursprünglich hatte ich das Requiem auch in Köln gebucht, musste aber wegen eigener Verpflichtungen davon zurücktreten.


    Morgen werde ich mir den Rest zu Gemüte führen.

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Fridemann Leipold über diese Aufnahme am 19.06.2020 im BR:


    "Er beherrscht die Selbstinszenierung, kreiert einen Medien-Hype um sich – ja, heizt den selbst noch an durch mystisch raunende Kommentare. So beschreibt er als Ziel dieser Aufnahme, "das musikalische Drama der Fünften Symphonie auf allen nur erdenklichen Ebenen zur Katharsis zu führen." Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Klingt gut. Verkauft sich vielleicht auch gut. Verrät aber viel über die Selbststilisierung von Currentzis zum Klassik-Revolutionär. Keine Frage, seine Beethoven-Interpretation ist impulsiv und rasant, subjektiv und frei – eine Katharsis hat sie bei mir aber nicht ausgelöst. Eher ein ungutes Gefühl: Da ist er wieder, der Geniekult, der Mythos vom Maestro. Und ich hatte eigentlich gehofft, das läge endlich hinter uns."

  • So amüsant die Videorezension von David Hurwitz in seinem typischen apodiktischen Stil auch ist: Die Currentzis-Aufnahme der Fünften von Beethoven ist nicht halb so schlecht, wie es sein Verriss glauben macht. Zwar erfindet Currentzis das Rad nicht neu, aber mir gefiel das Gehörte durchaus, selbst wenn es zahlreiche genauso gute HIP-Einspielungen gibt (etwa Harnoncourt oder jüngst Savall). Das eigentliche Ärgernis ist doch die extrem kurze Spielzeit dieser Neuerscheinung. Die Siebente soll, so hört man, dann im Laufe des Jahres noch nachgereicht werden - wieder allein.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Nicht undenkbar, allerdings scheint Currentzis eher nicht der Dirigent zu sein, der Gesamtaufnahmen macht. So kam ja auch in Sachen Tschaikowski (Pathétique und Violinkonzert) und Schostakowitsch (Symphonie Nr. 14, Klavierkonzerte Nr. 1 & 2) diskographisch bisher nichts nach, obwohl er Tschaikowskis Fünfte und Schostakowitschs Siebte und Fünfzehnte im Konzert durchaus schon dirigierte.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Nicht zu vergessen Mahler. Die 6. ist auf CD erschienen, die 3. hat er zum Antritt beim SWR Symphonieorchester (hervorragend) dirigiert.


    Ich sehe es wie Johannes Schlüter und warte geduldig, bis die knapp über 30 Minuten Musik zu einem für mich akzeptablem Preis erhältlich sind oder bis Beethovens 5. und 7. auf einer CD erscheinen.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Teodor Currentzis sei zwar "ein Superstar der Klassik-Szene". Doch nach den Salzburger Festspielen habe seine Entzauberung endlich begonnen, so ist im SPIEGEL zu lesen. Zu Recht: Denn die Jagd nach Extremen sei auf Dauer öde.

    https://www.spiegel.de/kultur/…89-4092-a8c4-9b196cb66c6d

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Teodor Currentzis sei zwar "ein Superstar der Klassik-Szene". Doch nach den Salzburger Festspielen habe seine Entzauberung endlich begonnen, so ist im SPIEGEL zu lesen. Zu Recht: Denn die Jagd nach Extremen sei auf Dauer öde.

    https://www.spiegel.de/kultur/…89-4092-a8c4-9b196cb66c6d

    Lieber Rüdiger,


    mir hat die 5. Beethoven von ihm gereicht! Wir leben im Zeitalter von Events und Happenings. Aufsehen erregen um jeden Preis ist das, was gewollt ist. Diese Rolle erfüllt er gut. Zum Glück ist Effekthascherei eben doch nicht nachhaltig - auch in der Wirkung nicht! ;)


    Schöne Grüße

    Holger

  • Eine Zeitlang fand ich Currentzis durchaus interessant. Die Presse lag ihm ziemlich einmütig zu Füßen. Manche seiner früheren Einspielungen hat auch durchaus ihre Meriten. Ich denke etwa an die 14. Symphonie von Schostakowitsch von 2010, als er noch nicht in aller Munde war. Die letzten Jahre aber beschleicht mich immer mehr das Gefühl, dass hier primär der Effekt um des Effekts willen im Mittelpunkt steht. Immer greller und rücksichtsloser, um auch ja aufzufallen. Die Beethoven-Ergebnisse sind schon ziemlich diskutabel und dürften wohl hauptsächlich wegen der lächerlich kurzen Spielzeiten der CDs in Erinnerung bleiben. David Hurwitz verlieh ihm bereits zweimal die zweifelhafte Auszeichnung einer "CD From Hell" (für Tschaikowskis Violinkonzert und Beethovens Siebte). Currentzis steht mittlerweile im 50. Lebensjahr. Das von ihm gepflegte Image des "jungen Wilden" wird allmählich etwas ridikül.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • In meinem Beitrag #47 und später auch in #103 hatte ich erwähnt, daß Ioan Holender vom Permer Dirigat des Giovanni durch Currentzis total begeistert war. Kann sich Holender so irren?

    Ich hatte in einem späteren Beitrag #112 auch erwähnt, daß mich seine 3. Mahler mit den fusionierten SWR-Orchester glatt begeistert hat, und das SWR-Orchester war bis dato keines meiner Lieblingsorchester.

    Zum diskutierten Giovanni kann ich mich nicht äußern, ich hatte mir ein TV-Verbot selbst auferlegt, aber nicht wegen des Dirigenten.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • ... hatte ich erwähnt, daß Ioan Holender vom Permer Dirigat des Giovanni durch Currentzis total begeistert war. Kann sich Holender so irren?

    Auch Holender kann natürlich irren, aber der ihn begeisternde Don Giovanni aus Perm wurde 2016 auf CD aufgenommen und man kann die Oper also hören, vergleichen und sich selber ein Urteil bilden; der in Salzburg stammt aus 2021. Da gibt es sicher Unterschiede im Dirigat.

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Bzgl. Salzburger "Don Giovanni": Ich habe nur die reine Tonspur vorliegen (nach allem, was man so hört, kein Verlust). Jedenfalls stören die außermusikalischen Knalleffekte teils massiv. Und dann das nervige Hammerklavier-Geklimper bereits während der Ouvertüre, die man wohl auch noch nie so einseitig brutal gehört, dass es einen fast erschlägt. Zu den Stimmen schreibe ich jetzt gar nichts im Detail; Schweigen ist zuweilen auch gnädiger. "Ästhetischer Terroranschlag" (Kesting, F.A.Z.) trifft es. Die gar nicht mehr schockierende Höllenfahrt kann nichts mehr draufsetzen, da alles Pulver bereits in der Ouvertüre verschossen wurde. Aber das Salzburger Publikum beklatscht natürlich auch das, lässt sich unbemerkt selbst vorführen. "Umso seltsamer, dass die Besucher des „Don Giovanni“ den schamlosen Ego-Trip des Dirigenten Teodor Currentzis feierten, der sich für die Wein-Arie mit seinem Orchester auf die Bühne hieven und sich im Flammen von Stroboskop-Blitzen als den wahren Protagonisten feiern ließ" (Kesting, F.A.Z.). Nein, das hätte sich nicht einmal ein Karajan getraut. Fazit: "Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen" (Brecht).

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Immerhin wird bei Kesting nicht so recht klar, wie er die Aufführung nun denn fand. Und das wundert eigentlich keinen. Denn die Qualitätssteigerung bei Currentzis und / oder sein Erfolg flachen sich langsam ab, das entwickelt sich fast zwangsläufig so, wie man einschlägig liest und hört. Und es erzählen mannigfaltige sog. Erfolgsbiografien so oder so ähnlich. Es kann auch anders gehen. Wie genau, wird man in aller Ruhe verfolgen können.

    In meinem Umfeld ist man weiterhin interessiert an seiner Arbeit und deren Ergebnissen, die bisher sehr positiv waren. Ich finde es leicht zu verstehen, wenn gewisse seltsame Dinge passieren, die mit der Orchestermusik oder Oper herzlich wenig zu tun haben. Er ist auf einer solchen Erfolgswelle, dass er sich allerhand Experimente und auch Mätzchen leisten kann, da können Kritiker noch so eifern. Wenn nur das Publikum es mitmacht.


    Wenn er wieder in Stuttgart ist (oder im Umkreis ;)) werde ich wahrscheinlich dabei sein. In 2019 war er mit Mahler 3 bei uns sehr erfolgreich. Und wir sind gespannt und erwartungsfroh ^^

  • In der 3sat Mediathek bis 12. November 2021 ein Mozart-Programm mit dem Dirigenten Teodor Currentzis


    von den Salzburger Festspielen 2021.


    https://www.3sat.de/kultur/mus…eodor-currentzis-100.html


    Es wirkten mit:


    Nadezhda Pavlova, Sopran

    musicAeterna Choir

    Orchester: musicAeterna


    Wolfgang Amadeus Mozart

    Alzai le flebili voci al signor für Sopran, Chor und Orchester aus "Davide penitente", Kantate KV 469


    Wolfgang Amadeus Mozart

    Sinfonie Nr. 40 g-Moll KV 550


    Wolfgang Amadeus Mozart

    Maurerische Trauermusik c-Moll KV 477


    Wolfgang Amadeus Mozart

    Sinfonie Nr. 41 C-Dur KV 551, "Jupitersinfonie"


    Wolfgang Amadeus Mozart

    “Non mi dir“ aus "Don Giovanni" KV 527

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Ich habe mir das Mozart-Konzert angesehen (und angehört natürlich) und fand es - superb!


    Den letzten Programmpunkt - Non mi dir aus Doin Giovanni - habe ich allerdings wegen Störungen, die sowohl das Bild als auch den Ton betrafen, nicht mehr sehen können. Schade.


    Es war tatsächlich eine gelungene Sendung. Ich fand es schade, dass Currentzis nicht auch die Es-Dur-Sinfonie - KV 543 - in das Programm aufgenommen hat. So interessant die Solostücke des Konzerts auch sind, für die erste Sinfonie seiner letzten drei sinfonischen Werke hätte ich gerne auf die Solo-Arien und die Maurerische Trauermusik verzichtet...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

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