Fritz Brun: Sinfonien - Sinfonische Dichtungen - Konzerte

  • So, ich habe nun die gesamte Box durchgehört und gehöre offiziell zu den (wenigen) Menschen, die alle Brun-Sinfonien kennen. Meine Bilanz fällt gemischt aus: Ich bereue nicht den Kauf dieser Box, denn die Werke sind durchaus kennenswert und einiges hat mir auch sehr zugesagt. Gleichzeitig hat mich auch einiges eher kalt gelassen. Brun gehört damit nicht zu meinen liebsten Komponisten der zweiten Reihe - aber ich empfehle Musik-Liebhabern und insbesondere Freunden der spätromantischen/modernen Sinfonik diese Werke!


    Für mich fallen die Urteile über die einzelnen Sinfonien sehr unterschiedlich aus. Ich habe verschiedene Schaffensabschnitte ausgemacht, die ich mangels Literatur selbstständig am ehesten folgendermaßen einteilen würde:

    1. & 2. Sinfonie: Spätromantische, relativ 'gefällige' Werke

    3. - 5. Sinfonie: Progressive Phase, teilweise an den Grenzen der Tonalität

    6. - 8. (& 10.) Sinfonie: Bruns große, dramatische und gewichtige Sinfonien im vollständig eigenen Stil

    9. Sinfonie: Leichteres, 'klassizistisches' Zwischenspiel (erinnerte mich deshalb an Schostakowitsch 9)


    Kurze Anmerkungen:

    Die ersten beiden Sinfonien werden jedem zusagen, der romantische und spätromantische Sinfonien mag. Vollständig tonal, insgesamt eher 'harmlos', durchaus tiefgehende langsame Sätze. Auch ich mag diese Werke und werde sie öfter wiederhören.


    Die nächste Schaffensphase hat es in sich. Mit den Sinfonien 3 bis 5 tue ich mich wirklich schwer. Und zwar zunehmend mit der Nummerierung. Das ist mir teilweise zu chaotische Musik. Ich habe kein Problem mit Grenzen der Tonalität oder Progressivität. Ich liebe Sibelius 4, Nielsen 5 oder Schostakowitsch 4. Doch kommt Brun mit seinen Werken da für mich nicht heran. Auch wenn es nachvollziehbare Strukturen in diesen Werken gibt (Chaconne in der 5., Variationen in der 3. etc.), empfinde ich die musikalische Umsetzung als wenig bezwingend. Brun selbst war wohl mit der Fünften auch nicht so zufrieden.

    NB: Die 4. Sinfonie hört sich für mich zuweilen so an, als wäre sie von Bruckner und Wagner beeinflusst.


    Die 6. Sinfonie empfinde ich dann als ein Werk des Übergangs. Sie ist knapper und von größer innerer Dramatik. Hier beginnt etwas, das mir wiederum sehr gefällt. Bei den Sinfonien 6-8 und auch 10 verstehe ich, warum es sich lohnt, sich mit Brun zu beschäftigen. Hier ist er nämlich weder rein spätromantisch, noch unverständlich - hier höre ich einen dramatisch und kompositorisch begabten Komponisten, der seiner Zeit (vor, während und nach dem 2. WK) überzeugende ästhetische Werke entgegenzusetzen weiß. Besonders diese Werke werde ich mir in Zukunft wieder vornehmen.


    Die 9. Sinfonie wirkt da wie eine Insel. Sie ist programmatisch und musikalisch deutlich leichtgewichtiger - auch kürzer als die monumentale 8. Der Vergleich mit Schostakowitsch liegt da auf der Hand. Das bedeutet nicht, dass sie mir nicht auch gefallen hätte - mit ihrem humoristisch-liebevollen Ton (incl. Zitaten wie "Gaudeamus igitur").


    Fritz Bruns Sinfonik - die ich hier vor allem mit und dank des Dirigenten und Taminos Adriano kennengelernt habe - lohnt absolut der genaueren Beschäftigung. Dabei macht sie es einem aber nicht immer einfach.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • :) Zu Bruns Symphonien - soviel wird mir Adriano hoffentlich erlauben vorauszuschicken - ist auch ein Interview angesetzt. Die nächste Folge über Adrianos Filmmusik-Schaffen ist fast fertig und erscheint demnächst. Das nur als Hinweis.