Ich bin immer noch fassungslos über die Aufführung, die ich gestern Abend am Opernhaus Zürich über mich ergehen lassen musste. Es gibt Aufführungen mit sehr guten Sängern aber einer schlechten Inszenierung, wo man am Ende sagen kann, das war trotz allem ein Sieg der Musik. Nicht so in Zürich. Denn dort hat ein unfähiger und unmusikalischer Regisseur und Intendant derart "ganze Arbeit" geleistet, dass ein wunderbares Solistenquartett völlig an den Rand gedrängt wurde. Dass das Opernhaus Zürich seit dem Amtsantritt von Andreas Homoki als Intendant sehr tief gefallen ist, ist kein Geheimnis mehr. Insofern reiht sich diese Puritani-Premiere nahtlos in die Regietheater-Flopps der letzten Jahre ein, und kam auch nicht wirklich überraschend. Als düsteres Kriegsstück in historischen Kostümen wolle er Bellini's 1835 in Paris uraufgeführtes Werk inszenieren, tönte Herr Homoki neunmalklug im Programmheft. Was herausgekommen ist, ist altabgedroschenes platt-plumpes Regietheater, todlangweilig und unmusikalisch mit einem geänderten, dumm-dreisten Ende, welches Vincenzo Bellini und seine Musik völlig pervertierte. Oper von Prolls für Prolls. Aber nun mal der Reihe nach. Bühnenbildner Henrik Ahr (der in München bereits die Lucrezia Borgia verbrochen hatte) hatte eine dauer-rotierende runde Scheune aus Holzlatten auf die Bühne gestellt, die sich öffnen und auch mal heben konnte. Abgesehen von akustischen Problemen durch fehlende Deckelung, sah die Konstruktion billig, lieblos und völlig austauschbar aus, was durch die Stühle im Inneren verstärkt wurde. Die Bühne war so verbaut, dass im Grunde nur Rampensingen möglich war. Ab und an wurde das Ganze - ach wie originell- durch ein paar erhängte Frauen, die vom Schnürboden herabbaumelten und Leichenhaufen ergänzt. Selbst wenn nichts passierte und die Sänger "nur" an der Rampe standen, nervte die immer rotierende Drehbühne. Die angekündigten historischen Kostüme von Barbara Drohsin waren allesamt schmuddelig-schwarz und hässlich; alles wirkte wie aus einer Geisterbahn. Vielleicht hätte man sie für die Mannschaft des fliegenden Holländer akzeptieren können, für Bellini's Puritani waren sie jedoch fehl am Platz. Gleich in der ersten Szene beginnt Homoki mit dem Holzhammer. Das katholische Stuart-Königspaar in schmuddelig-elisabethanischer Robe wird im Eingangschor gefangen genommen und gefoltert, danach wird König Charles auf offener Bühne geköpft und Enrichettchen darf mit dem abgehauenen Kopf spielen, bevor sie von Soldaten vergewaltigt wird. Man weiss nich,t ob man lachen oder weinen soll. Der Chor wird von Homoki nonstop hyperaktiv geführt. Man schüttelt den Kopf über prollig schunkelnde Chordamen und Brautjungfern oder deren Hin- und Hergeschleppe von Kerzen. Die Personenführung war im wesentlichen auf das viel gescholtene Rampensingen beschränkt und todlangweilig . Wie beliebig wirkte der Schlüsselmoment als Arturo die Königin erkannte und beschloss sie zu retten.... In Jonathan Miller’s mustergültiger Münchner Puritani-Inszenierung aus dem Jahr 2000 war dieser Augenblick ein Gänsehautmoment, wenn Arturo vor Enrichetta seinen Hut abnahm und von Ehrfurcht überwältigt auf die Knie sank! Natürlich ließ Homoki die Sänger ihre Arien nicht ungestört vortragen. Während diese an der Rampe sangen, musste in bester schulmeisterlicher Regietheater-Tradition im Hintergrund irgendeine Parallelhandlung abgespult werden, so als ob man dem "dummen Publikum" gar nichts mehr zutraut. Wenn die Musik auf diese Weise gestört wurde schien Homoki zufrieden. Am Ende eines ermüdenden Abends wollte der Regisseur es dann scheinbar dem Publikum nochmal so richtig zeigen. Bei der von Sir Giorgio verkündeten Generalamnestie wurde Arturo, wie zu Beginn König Charles, auf offener Bühne geköpft und der Kopf der munter weitersingenden Elvira zum Spielen überlassen. Sie sah aus wie Salome, die in das falsche Stück gebeamt wurde....Einfach nur zum Kotzen! Povero Bellini! Schade um die guten und hochtalentierten Sänger. Die 31-jährige Pretty Yende als Elvira hätte nämlich das Potential sich in die Reihe ganz großer Rollenvorgängerinnen einzureihen. Man bedauerte, dass dieses Rollendebut derart von der Regie-Willkür des Herrn Homoki überschattet wurde. Ihre glockenhelle, aber dennoch warm timbrierte Stimme, traumhafte Koloraturen, wunderbare Farben und ihre jugendliche Naivität wirkten hinreissend! Wie sie in der Wiederholung des "Vien diletto" Bellini's Musik mit herrlichen Trillern und wunderbaren Verzierungen ausschmückte, das war ganz große Klasse. Lawrence Brownlee als Arturo stand dem um nichts nach. Bis zum verstümmelten Ende der Oper setzte er sich darstellerisch von allen Sängern noch am besten gegen Homoki’s Schwachsinn durch und sang einen vom ersten Ton an mitreissenden Lord Arturo Talbot. Das herrliche Timbre, die bewegenden und mit Leichtigkeit gesungenen Spitzentöne bis zum hohen F ließen seinen Auftritt zu einem wahren Erlebnis werden. Sowohl das "A te, oh cara" als auch die Romanze und die große Klage des dritten Akts waren bewegende Zeugnisse ganz großer Belcanto-Kunst. Da hatten es die anderen Männer schwerer auch wenn sie ihre Sache bisweilen sehr ordentlich machten. Georges Peteans Timbre ist rauh und hart, jedoch zeigte er in seiner Arie, dass er in der Lage ist wunderbar gefühlvolle Phrasen zu singen und im Duett mit Sir Giorgio mächtig aufzutrumpfen. Dieser war mit Michele Petrusi sehr ordentlich besetzt, auch wenn ich mir von seinem kultivierten Bass etwas mehr "Balsam" gewünscht hätte. Erwähnt werden soll auch Opernhaus-Urgestein Liliana Niketeanu als Königin Enrichetta, die ihrem Auftritt stimmlich die nötige Würde verlieh. Der Chor war von Pablo Assante -von einigen Wacklern abgesehen- ordentlich einstudiert worden, litt aber an der ständigen durch die Regie verordneten Unruhe und Nervosität. Fast wirkte es, als litten die Soldaten alle an ADHS. Der Generalmusikdirektor Fabio Luisi dirigierte aufgeblasen und selbstgefällig, der harte Orchesterklang entbehrte jedoch an Substanz und der für Belcanto-Opern so wichtigen Sensitivität. Am Ende gab es viel Jubel für die Sänger und mitunter heftige Buhs für die Regie, welche von den Zuschauern neben mir Zustimmung erhielten. Bei dem sich verbeugenden Regieteam fiel auf, dass die Kostüm-Bärbel im dunklen Zuschauerraum eine Sonnenbrille trug, welche symbolisch für die Blindheit der Regietheater-Mafia stehen könnte. Beim Verlassen der Oper Zürich dachte ich traurig an die bereits erwähnte mustergültige Münchner Inszenierung, welche Belcanto Belcanto sein ließ und das Auge mit kostbaren Bildern verwöhnte, welche den Rembrandt-Gemälden der Münchner alten Pinakothek nachempfunden waren. Damals führte die Gruberova auf dem Zenit ihrer Karriere das wunderbare Solistenquartett an, am Pult ließ der zu früh verstorbene Marcello Viotti mit sensiblen Klängen die Puritani zum Erlebnis werden. Eine Erinnerung, von der man in der derzeitigen, kaputten Opernwelt nur noch träumen kann.
Homoki? NOmoki oder I Puritani in Zürich, 19. Juni
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Zitat von Figarooo: Bei dem sich verbeugenden Regieteam fiel auf, dass die Kostüm-Bärbel im dunklen Zuschauerraum eine Sonnenbrille trug, welche symbolisch für die Blindheit der Regietheater-Mafia stehen könnte.
Lieber Figarooo,
erst einmal mein allerherzlichstes Beileid zu der durchlittenen Qual. Welcher böse Geist hat dich denn geritten, dir ausgerechnet in Zürich unter der derzeitigen berüchtigten Intendanz überhaupt eine Oper anzutun.
Ja, die Blindheit der Regietheatermafia nimmt immer mehr zu. Obwohl man es fast nicht mehr für möglich halten kann, nach Tiefpunkten kommen immer noch tiefere. Es bleibt nur zu wünschen, dass die Blindheit endlich so vollständig wird, dass sie alle in die Grube fallen, die sie sich selbst gegraben haben, und drinbleiben.Liebe Grüße
Gerhard -
Lieber Figarooo,
danke für den detailierten, aufschlussreichen Bericht mit Deinen eigenen, klugen Kommentaren. So wie Du es schilderst war es eine neuerlche mißglückte Regiearbeit des Herrn Homoki. Mich wurdert es sehr, dass dieser Intendant/Regisseur in Zürich so lange überlebt. In der Ärea Pereira hatte Zürich ein Sptzenniveau erreicht. Es wurde kulinarische, große Oper mit Spitzensolisten geboten, also genau das, was die Zürcher Gnomen von der Goldküste selbst an den Premierenabenden gerne protzend genießen und ihren Kunden vorführen. Ich hätte nicht gedacht, dass sich provozierendes Regietheater mit all seinen Unwägbarkeiten und Risiken beim konservativen Zürcher Geldadel etablieren kann. Aber vielleicht sind echte Schocker auch bei der Schickeria gerade in. Gewiss gerade in Zürich eine vorübergehende Marotte und Modeerscheinung.
Herzlichst
Operus -
Eine ausgewogenere Besprechung findet sich in der NZZ:
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Lieber Bertarido: Einspruch!
Die von Dir zitierte Kritik ist nicht differenzierter, sondern versagt sich ihrer Aufgabe, sprich der "Kritik". Auf die musikalischen Leistungen wird eingegangen, aber zu Homokis erneuter Verballhornung gibt es keine Stellungsnahme, stattdessen finde ich nur eine Nacherzählung seiner abstrusen Ideen, die zu dem Werk keinen Bezug haben, wie er es ja auch schon beim Lohengrin demonstriert hat.. Eben sowenig wird die Reaktion des Publikums erwähnt (man will es sich wohl mit dem Intendanten nicht verderben). Vermutlich wartet man, bis er das Theater so leer gespielt hat, wie er es schon an der Komischen Oper erreichte. Hauptsache ist anders und intellektuell ! Es ist noch nicht ganz so schlimm, wie in Berlin mit der "Entführung", also kann man wohl darüber schweigen...
P.s, Ein guter Freund von mir hat das Haus verägert und gelangweilt in der Pause verlassen. -
Liebe Freunde der Belcanto-Oper!
Was habt ihr von Homoki anderes erwartet? Er reitet auf der Welle "Die Klassiker sind mausetot - und nur noch tauglich als Vehikel für meine Karriere, nach der Devise: Gut ist, was mir Aufmerksamkeit verschafft!"
Wenn sich jemand von euch die Mühe machen will, nach Straßburg zu fahren zu einem Don Carlo, inszeniert von Robert Carsen, dann könnte es sein, dass wir uns einig sind darüber, wie auch ein moderner Regisseur sein Konzept mit dem Kern des Werkes in Einklang bringen kann.
Näheres darüber im Opernforum, im Thread "Quo vadis, Opera?", Nr.119. Dort hat der Regisseur, bis auf einige Ausrutscher, die Botschaft von Schiller und Verdi weitgehend umgesetzt. Eine Synthese von traditioneller und moderner Regie ist also aus meiner Sicht möglich, wenn man es nicht auf Provokation um jeden Preis anlegt.Ich denke, dass wir nicht warten sollten, bis die Total-Provokateure den Karren vollends an die Wand gefahren haben. Dann ist es vielleicht zu spät. Ich verbürge mich dafür, dass die Straßburger Lösung einen Besuch wert ist. Coraggio!
Herzlich grüßt euch der unbeirrbare Sixtus
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Zitat
Zitat von Sixtus: Ich denke, dass wir nicht warten sollten, bis die Total-Provokateure den Karren vollends an die Wand gefahren haben.
Lieber Sixtus,
leider können wir die Leute, die zur Zeit die Oper zerstören, nicht abwählen. Zu ihrem Ende kann nur das Publikum beitragen, aber es gibt immer wieder noch Leute, die nichtsahnend oder auch unbedarft dort hineingehen und die Plätze wenigstens noch teilweise füllen bzw. die ein Abonnement haben und mitgezählt werden, auch wenn sie die Vorstellung nicht besuchen oder denen die Inszenierung völlig egal ist. Die Verantwortlichen aber reagieren in der Regel erst dann, wenn "das Kind in den Brunnen gefallen" ist, d.h. der Saal leer ist. Dass sich die Säle immer mehr leeren, haben diese Leute, die - wie Figarooo richtig erkannt hat - unter Blindheit leiden, noch überhaupt nicht entdeckt.
Die Buh-Rufe der Zuschauer werden überhaupt nicht registriert. Erst einmal hat das Publikum (Düsseldorfer Nazi-Tannhäuser) es wirklich erreicht, dass die Inszenierung abgesetzt und nur noch konzertant gegeben werden konnte. Dieser Skandal müsste immer wieder passieren, z.B. bei der jetzigen Berliner "Entführung".Liebe Grüße
Gerhard -
Die Entwicklung wird beschleunigt durch die sinkenden Zuschauerzahlen. Wenn es richtig weh tut, werden die Verantwortlichen schnell reagieren. Hoffentlich nicht mit der Reaktion "läuft nicht mehr", also einsparen und weg damit.
Herzlichst
Operus -
Ja, lieber Gerhard, es ist ziemlich schwierig, ein Ende des Fadens zu finden, an dem der Knoten entwirrt werden kann.
Auf der einen Seite die oft selbstherrlichen Intendanten, die durch Subventionen den Blick für die Bedürfnisse des Publikums verloren haben - auf der anderen Seite eine schwindende Kenntnis beim Publikum, die dazu führt, dass es seine Ansprüche nicht formilieren kann. Das Resultat ist zunehmende Ratlosigkeit beim Publikum, die wiederum der Willkür und Beliebigkeit Tür und Tor öffnet. Ein Teufelskreis!
Ob allerdings Rebellion die Lösung bringt, möchte ich bezweifeln. Sie müsste zumindest durch gute Argumente gestützt sein. Aber woher die nehmen, wenn sie nirgends gelehrt werden? Ich glaube, am ehesten überzeugen exemplarisch gelungene Aufführungen, wie ich jetzt beim Straßburger Don Carlo eine erlebt habe - nicht perfekt, aber im Ganzen beeindruckend als Einheit von szenischer und musikalischer Interpretation auf hohem sängerischem Niveau.
Wir, die wir von der Sache etwas mehr verstehen, können nur auf solche positiven Beispiele hinweisen und hoffen, dass einige andere neugierig werden und Blut lecken. Dann könnten in einer Art Schneeballsystem zunehmend die exemplarischen Aufführungen als Multiplikatoren wirken.
Falls das nicht funktioniert, bleiben nur noch konzertante Aufführungen, um die musikalische Seite (die ja bei italienischen Opern immer im Zentrum steht) für eine kleine Minderheit von Liebhabern zu retten. Aber das wäre nur als flankierende Maßnahme zu wünschen...
Herzliche Grüße von Sixtus
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Zitat
Zitat von Sixtus: Ich glaube, am ehesten überzeugen exemplarisch gelungene Aufführungen, wie ich jetzt beim Straßburger Don Carlo eine erlebt habe - nicht perfekt, aber im Ganzen beeindruckend als Einheit von szenischer und musikalischer Interpretation auf hohem sängerischem Niveau.
Lieber Sixtus,
natürlich wäre das schön, wenn alle Opernfreunde dahin drängen würden, wo es noch vernünftige Inszenierungen gibt, und die Häuser, die sich in Scheußlichkeiten ergehen, sich immer mehr leeren würden. Leider aber sind die Wenigsten - nicht nur aus finanziellen, sondern auch aus zeitlichen Gründen - in der Lage, überall dorthin zu reisen, wenn es vor Ort nicht Gescheites mehr gibt. Wieder andere, die aufgrund - wie du auch feststellst - schwindender Kenntnis der eigentlichen Werke oder weil sie nur dabei sind, weil es sich in ihren Kreisen "schickt", werden also weiterhin noch dafür sorgen, dass wenigstens ein Teil der Plätze dieser Häuser belegt ist. Und die Buh-Rufe, die aber von den Verantwortlichen geflissentlich überhört werden (in Gegenteil, die Provokateure sonnen sich ja darin) können ja auch nur von Kennern kommen.
Die kommenden Generationen bekommen genug "Sch..." in Fernsehen geboten und sind an dem "Sch...", der ihnen jetzt auch noch auf der Bühne serviert wird, überhaupt nicht mehr interessiert. Es müsste also auch von staatlicher Seite, die ja auch für den Erhalt der Kultur und Bildung verantwortlich ist darauf gedrängt werden, dass für die Subventionen auch hochwertige Ware geliefert wird. Aber die Entscheider haben in den meisten Fällen ebenfalls keine Ahnung.
"Quo vadis, Opera?" "Immer tiefer in Schmutz und Schlamm!"ZitatZitat von Operus: Die Entwicklung wird beschleunigt durch die sinkenden Zuschauerzahlen. Wenn es richtig weh tut, werden die Verantwortlichen schnell reagieren. Hoffentlich nicht mit der Reaktion "läuft nicht mehr", also einsparen und weg damit.
Lieber Hans,
dein Wort - wie man so schön sagt - in Gottes Ohr. Aber vor allem in das Ohr der von Blindheit geschlagenen Verantwortlichen.
Liebe Grüße
Gerhard -
Um die Frage in der Überschrift zu beantworten:
NOMOKI!!!!
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Lieber Knuspi,
wie schön, dass Du wieder häufiger im Forum aktiv bist. Wir brauchen Dich, Deine Beiträge, Deine Kommentare - besonders in der Opernfraktion.
Herzlichst
Operus -
Da wurden einige Fragen aufgeworfen, die nicht neu sind, aber immer wieder zu neuen kontroversen Diskussionen führen. Ich will mal zu einigen davon Stellung nehmen:
-- Nackedeis auf der Opernbühne - warum nicht, wenn sie dramaturgisch Sinn machen. Nur wissen wir aus hundertfacher Erfahrung, dass sie das in den wenigsten Fällen tun. Meistens gehören sie in die Kategorie der Schmuddelecken im Internet. Und dort sollten wir sie lassen, weil es viele gibt, die dergleichen nötig haben. Künstlerisch ist es fast nie zu rechtfertigen. Und wozu ist es gut, ein osmanisches Serail des 18.Jahrhunderts zum aktuellen Bordell umzufunktionieren? Ein Serail ist kein Bordell, sondern ein Bestandteil orientalischer Feudalkultur.
-- Dass man entstellende Eingriffe in ein Werk nur beurteilen kann, wenn man die Aufführung selbst gesehen hat, halte ich für fragwürdig. Bei einiger Kenntnis des Stücks genügt es schon, die Kritik zu lesen. Aus ihrem Stil und Vokabular kann man sehr wohl erkennen, ob der Verfasser ein ernsthafter Rezensent ist oder nur ein willfähriger Hofberichterstatter, der im Strom des Zeitgeistes segelt und bloß up to date sein will. Bei manchen Berichten weiß ich nach der Lektüre, dass der Schreiber von der Oper nichts versteht. Dann lese ich gar nicht zu Ende. Bei anderen sehe ich, dass hier etwas angepriesen wird, nur weil es anders ist als sonst. Da muss ich nicht reingehen.
-- Was die gesprochenen Dialoge betrifft: Die Spatzen pfeifen es längst von allen Dächern, dass die meisten Dialoge ungekürzt nur schwer erträglich sind. Ebenso klar ist aber, dass das Stück nicht mehr zu verstehen ist, wenn man sie ganz weglässt. Es bleibt also nur eine intelligente Kürzung übrig. Alle anderen Lösungen haben sich so gut wie nie bewährt. (Wagner hat schon gewusst, warum er seine Stücke durchkomponiert!)
Herzliche Grüße von Sixtus
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-- Was die gesprochenen Dialoge betrifft: Die Spatzen pfeifen es längst von allen Dächern, dass die meisten Dialoge ungekürzt nur schwer erträglich sind. Ebenso klar ist aber, dass das Stück nicht mehr zu verstehen ist, wenn man sie ganz weglässt. Es bleibt also nur eine intelligente Kürzung übrig. Alle anderen Lösungen haben sich so gut wie nie bewährt. (Wagner hat schon gewusst, warum er seine Stücke durchkomponiert!)Das sehe ich nicht so. Ich lausche sogar ausgesprochen gerne den gesprochenen Dialogen, wenn sie denn gut vorgetragen werden. Nur leider kann das heute kaum mehr einer. Aber horch mal, wie Schauspieler früher selbst den banalsten Texten Leben einhauchen konnten:
https://www.youtube.com/watch?v=m61iCD49ux8
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Zitat
Zitat von Sixtus: -- Dass man entstellende Eingriffe in ein Werk nur beurteilen kann, wenn man die Aufführung selbst gesehen hat, halte ich für fragwürdig. Bei einiger Kenntnis des Stücks genügt es schon, die Kritik zu lesen. Aus ihrem Stil und Vokabular kann man sehr wohl erkennen, ob der Verfasser ein ernsthafter Rezensent ist oder nur ein willfähriger Hofberichterstatter, der im Strom des Zeitgeistes segelt und bloß up to date sein will. Bei manchen Berichten weiß ich nach der Lektüre, dass der Schreiber von der Oper nichts versteht. Dann lese ich gar nicht zu Ende. Bei anderen sehe ich, dass hier etwas angepriesen wird, nur weil es anders ist als sonst. Da muss ich nicht reingehen.
Lieber Sixtus,
der Ansicht bin ich schon immer gewesen und bleibe dabei, auch wenn manch einer hier versucht hat, uns das auszureden. Man erkennt an jeder Kritik, die auch auf die Inszenierung eingeht, sehr genau, wohin "der Hase läuft" und welch geistige Richtung der Rezensent einschlägt. Man erkennt auch, ob der Rezensent etwas von der Oper versteht. Ich habe auch manche Kritik gelesen, die einfach den Inhalt der Oper aus einem Opernführer abgekupfert hat, aber selbst keine Kenntnis der Oper hat. Darüber hinaus weiß ich aus eigener Erfahrung (wenn auch nur als Amateurschauspieler), dass auch Kritiken erschienen, obwohl der Rezensent körperlich garnicht anwesend war. Und manchmal schreibt wohl auch der Chefredakteur vor, was der Rezensent sagen darf oder nicht.
Es ist wie mit dem schönen Witz:
In der Oper Carmen wird die Michaela von einer Sängerin gesungen, die zwar nicht besonders talentiert, aber die Freundin des Zeitungsverlegers ist. Der strenge, unbestechliche Kritiker des Blatte erhält deshalb die Weisung: "Die Damen müssen Sie loben.
Und der unbestechliche Kritiker schreibt über die Aufführung:
"Als Michaela gastierte Fräulein S. Ich muss sie loben."
Wer weiß, warum manche Kritiker die Aufführung loben müssen?Liebe Grüße
Gerhard -
Da sich hier viele Taminos bemüßigt fühlen, etwas zu schreiben, obwohl sie - wie meistens - die Aufführung nicht gesehen haben, werde ich mich jetzt auf den Weg machen, um mir mein eigenes Bild von den Puritanern zu machen.
Habe ohnehin in der Schweiz zu tun, dann passt das wunderbar zusammen.Soweit ich weiß, hat bisher außer Figaroo niemand die Vorstellung gesehen.
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I puritani Oper von Vincenzo Bellini
Besuch der 4. von 7 Vorstellungen am 29.06.2016Musikalische Leitung Fabio Luisi
Inszenierung Andreas Homoki
Bühne Henrik Ahr
Kostüme Barbara Drosihn
Lichtgestaltung Franck Evin
Choreinstudierung Pablo Assante
Dramaturgie Claus SpahnDie Rollen und ihre Interpreten:
Lord Gualtiero Valton - Wenwei Zhang
Sir Giorgio - Michele Pertusi
Lord Arturo Talbo - Lawrence Brownlee
Sir Riccardo Forth - George Petean
Sir Bruno Robertson - Dmitry Ivanchey
Enrichetta di Francia - Liliana Nikiteanu
Elvira - Pretty YendePhilharmonia Zürich
Statistenverein am Opernhaus Zürich
Chor der Oper Zürich
Um es vorwegzunehmen: Es war eine rundum geglückte Aufführung. Gesanglich das Beste, was derzeit im Belcanto-Bereich aufgeboten werden kann. Das Orchester in Hochform, der Chor auch. Wobei ich mir persönlich einen im Volumen etwas schlankeren Chor gewünscht hätte. Bei den Forte-Passagen wirkte er gegenüber Orchester und Solisten etwas zu dominant. Das war aber der einzige musikalische Kritikpunkt, den ich bei dieser Vorstellung nennen kann.
Das Bühnenbild, welches eigentlich gar keins ist, besteht aus einem um die Hochachse rotierenden Zylinder im exakten Durchmesser der Drehbühne, von außen mit Holzlamellen verkleidet, innen eine Art Sichtbeton, der die verwendeten Schalungshölzer noch erkennen lässt. Eine etwa 90° - Öffnung lässt den Blick ins Innere zu.
Die Drehbühne erlaubt so schnelle Szenenwechsel und zeigt auch mittels Lichttechnik parallele Handlungsfolgen. Somit ist die Reduzierung auf das Wesentliche der Handlung erreicht: Fantasie, Erinnerungen, Alpträume, schließlich der Wahnsinn, dem die Hauptdarstellerin durch die vermeintliche Untreue ihres Geliebten anheimfällt.Die Rotation des Raums versinnbildlicht der Zeiten Lauf, die sich wiederholenden Wechsel von Außen- und Innenansicht reflektieren die Gemütszustände der Beteiligten sehr trefflich. Auch gut darstellbar war so die Reaktion der im Vordergrund Agierenden auf Klangbilder im Hintergrund.
Bei den Kostümen wären ein paar zusätzliche Farbnuancen von Vorteil. So waren optisch z.B. Elviras Vater Lord Gualtiero Valton und ihr Onkel Sir Giorgio im Halbdunkel nur schwer voneinander zu unterscheiden, waren sie doch von ähnlicher Statur und dazu auch noch mit den gleichen Perücken bestückt.
Doch dies alles tritt in den Hintergrund, sobald die Musik erklingt. Herausragende Sänger, zuvorderst das Protagonistenpaar Pretty Yende und Lawrence Brownlee. Sie wurden mit langanhaltenden stehenden Ovationen bedacht. Ihre Kunst des Singens und Interpretierens war allein das Eintrittsgeld wert. So perfekt habe ich diese schwierigen und teils halsbrecherisch hohen Partien noch nie gesungen gehört.
Die tieferen Männerstimmen von Michele Pertusi und George Petean harmonierten wunderbar zusammen, was ihre Gesangsnummern zum Ohrenschmaus werden ließ.
Auch die kleineren Rollen wurden von Liliana Nikiteanu, Wenwei Zhang und Dmitry Ivanchey sehr gut in Szene gesetzt ließen den Opernabend zu einem Fest der Stimmen werden.Schade, wenn es vereinzelt anders wahrgenommen wurde.
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Kurzer Nachtrag:
Die Vorstellung war nahezu ausverkauft. Bis auf einige wenige Plätze mit schlechten Sichtverhältnissen, z.B. hinter Pfeilern oder Seitenplätze, von denen die Bühne nur partiell sichtbar ist.
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Lieber Siegfried,
endlich mal ein Bericht von jemandem der dabei war. Vielen Dank -
Lieber Rodolfo,
Ich möchte dich sanft auf den Eingangsbeitrag von Figarooo hinweisen.... -
Lieber m.joho,
das Figarooo die Auffühung gesehen hat, hab ich natürlich nicht überlesen. Es ist auch mal schön, zwei unterschiedliche Erfahrungsbeichte von einer Aufführung zu lesen.