Meine zehn liebsten Lieder-Zyklen (Umfrage 2016)


  • Darauf wäre ich jetzt nie gekommen :D:hello:


    Naja, als Zyklus könnten sie schon geplant worden sein - ich dachte in der Tat bislang, das wäre so gewesen, und werde mich mal informieren. Der bourgoise Schöngeist Strauss wird sie aber kaum so benannt haben wollen - oder irgendwie doch? Die Weltflucht und Vollendung des späten Heldenleben-Jünglings hat allenthalben auch etwas Snobistisch-Selbstgefälliges ...


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Lieber Wolfgang


    ich hatte etwas anderes gemeint. Es bezog sich darauf, dass der andere Wolfgang diesen Zyklus auf Platz 1 setzt. Da ich ihn privat kenne, weiß ich, dass er ALLE Aufnahmen der vier letzten Lieder sammelt. :hello:

  • Lieber Wolfgang
    ich hatte etwas anderes gemeint, der andere Wolfgang wird verstehen, was ich sagen wollte. Es bezog sich darauf, dass er diesen Zyklus auf Platz 1 setzt.

    Das tue ich ürigens auch - noch vor der Winterreise. Als breiter Liedkenner darf ich allerdings wirklich nicht (nicht nur nicht wirklich) gelten.



    Zitat

    Da ich ihn privat kenne, weiß ich, dass er ALLE Aufnahmen der vier letzten Lieder sammelt. :hello:

    Ach so. Nicht uninteressant. Ich besitze übrigens auch eine Handvoll letzter Lieder und "nur" (die Anführungszeichen erklären sich aus der oben erwähnten mangelnden Breite und würden dann natürlich nicht für einen WoKa oder einen Helmut Hoffmann gelten) drei Winterreisen. Wobei das ja heutzutage im Zeitalter von YouTube gar nicht mehr so die Relevanz hat, wenn man sich informieren, austesten, vergleichen will.


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!


  • Darauf wäre ich jetzt nie gekommen :D:hello:


    Tja Lutz - da siehst Du mal: Ich bin doch immer wieder für eine Überraschung gut!


    Liebe Grüße
    Wolfgang

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Ich kenne die Hintergrundgeschichte nicht genau, aber die 4LL haben schon ausreichende "poetische" Gemeinsamkeiten, um sie als schlüssigen Zyklus anzuerkennen. (Während mir das beim "Schwanengesang" mit dem besten Willen nicht gelingen will.) Auch Das Lied von der Erde, bei dem ja, da es eine Art Sinfonie ist, praktisch nie einzelne Sätze aufgeführt werden, hat für mich keinen leicht oder unmittelbar hörbaren starken musikalischen Zusammenhang (wie, sagen wir Mahlers 6. Sinfonie), sondern eher einen allgemein poetischen.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zit: „…aber die 4LL haben schon ausreichende "poetische" Gemeinsamkeiten, um sie als schlüssigen Zyklus anzuerkennen. „

    Die "Vier letzten Lieder" von Richard Strauss stellen keinen "Zyklus" in dem Sinn dar, wie dieser Begriff musikwissenschaftlich in etwa definiert ist. Sie weisen eine thematische Gemeinsamkeit auf, - das Thema „Alter, Tod und Vergänglichkeit“. Das macht sie aber noch nicht zu einem „Zyklus“. Ein solcher konstituiert sich in der Aufeinanderfolge der Lieder musikstrukturell allererst in inneren Zusammenhängen ihrer kompositorischen Faktur: Etwa der Wiederkehr und Modifikation musikalischer Figuren, wie sie mit bestimmten lyrischen Aussagen verbunden sind, in Verwandtschaften oder bewusst hergestellten Gegensätzen in der Harmonik, wobei Anfang und Ende eine besondere Bedeutung zukommt, und – nicht zuletzt - im nachweislichen Wieder-Aufgreifen musikalischer Themen in der Abfolge der Lieder im Sinne einer Fortführung dieser Thematik.


    Diese Lieder entstanden (auf der Grundlage von Skizzen aus den Jahren 1946/47) im Jahr 1948, und die Reihenfolge geht nicht auf Strauss selbst zurück, sondern wurde von dem Verleger Ernst Roth in der heute allseits akzeptierten (und von Elisabeth Schwarzkopf gleichsam kanonisch gemachten) Form vorgenommen. In der Gesamtausgabe von Straussens Werk werden die Lieder nach dem Datum ihrer Entstehung aneinandergereiht, ohne dass dabei ein zyklischer Charakter unterstellt wird. Kirsten Flagstad sang sie übrigens bei der Uraufführung am 22. Mai 1950 in der Reihenfolge: „Beim Schlafengehen“ „September“, „Frühling“ und „Im Abendrot“.

  • Die Vier letzten Lieder von Richard Strauss nach Gedichten von Hermann Hesse und Joseph von Eichendorff entstanden 1948 in der Schweiz, wohin Strauss mit seiner Frau nach Kriegsende gezogen war. Der Titel stammt nicht vom Komponisten, sie waren auch nicht als abgeschlossener Zyklus gedacht. Sie dokumentieren vielmehr eine kontinuierliche, dynamische Auseinandersetzung mit den Themen Tod und Abschied, auch vor dem Hintergrund des vergangenen Krieges und in Gewärtigung des eigenen, baldigen Todes. Im letzten der vier Lieder, "Im Abendrot", zitiert Strauss nicht nur sein eigenes Orchesterstück "Tod und Verklärung" sondern, rhythmisch leicht abgewandelt, auch den Beginn des Requiems von Johannes Brahms.


    Strauss hatte in dieser Zeit zufällig Hermann Hesse in einem Schweizer Hotel kennengelernt. Hesse war die Begegnung nicht angenehm, auch weil ihm Strauss’ „rauschender“ Stil nicht zusagte. Zu den Vier letzten Liedern sagte Hesse später, sie erschienen ihm „wie alle Strauss-Musik: virtuos, raffiniert, voll handwerklicher Schönheit, aber ohne Zentrum, nur Selbstzweck.“
    In der ersten gedruckten Ausgabe, die postum 1950 bei Boosey & Hawkes erschien, wurde auf Anweisung des Verlagsleiters Ernst Roth, mit dem Strauss befreundet war, eine von der Chronologie der Entstehung abweichende Reihenfolge gewählt, die bis heute – auch im Konzertgebrauch – beibehalten wurde:

  • Richard Strauss komponierte diese Lieder 1948 in der Schweiz. Die Anregung dazu kam aus dem Familienkreis. Offenbar überwand er damit auch eigene Depressionen, die den politischen und gesellschaftlichen Umständen geschuldet waren. Abgeschnitten vom kulturellen Leben langweilte er sich auch in seinem Exil. Gleichzeitig wollte er es noch einmal wissen und der Welt beweisen, dass seine Schaffenskraft nicht erloschen sei. Die Lieder fallen in eine Zeit, in der er dieses Genre eigentlich längt hinter sich gelassen hatte. Zuerst entstand im Mai "Im Abendrot" nach Eichendoff. Es folgten zwischen Juli und August die Lieder nach Hesse-Gedichten "Frühling", "Beim Schlafengehen" und "September". Mit vier Monaten ist die Arbeitsphase für Strauss’sche Verhältnisse relativ lang. Sein definitiv letztes Lied mit Klavierbegleitung heißt "Malven" nach einem Gedicht der schweizer Journalistin und Frauenrechtlerin Betty Knobel (1904-1998). Es ist der „geliebten Maria" Jeritza gewidmet, die es unter Verschluss hielt. Erst nach ihrem Tod 1983 gelangte es an die Öffentlichkeit und wurde von Kiri Te Kanawa 1985 in New York uraufgeführt. Gemeinsam mit Christian Thielemann sang Anja Harteros in einem Konzert 2014 in Dresden sozusagen "Fünf letzte Lieder". Wolfgang Rihm hatte "Malven" instrumentiert. Das Lied wurde an die zweite Position der inzwischen üblichen, von inhaltlichen und nicht mehr von zeitlichen Gesichtspunkten getragenen Reihenfolge gesetzt. Ein interessantes Angebot zum 150. Geburtstag von Strauss, dass auch offiziell auf DVD veröffentlicht wurde.


    Worauf beruht nun die Legende von den "Vier letzten Liedern" als ein Zyklus? Nach der Fertigstellung der Lieder schrieb Strauss – inzwischen nach Garmisch zurückgekehrt – der Sopranistin Kirsten Flagstad einen langen Brief, in dem er auch bedauerte, dass es mit ihr keine Zusammenarbeit gegeben habe. Das sollte sich nun ändern. Der Komponist unterbreitete konkrete Vorschläge und kündigte an, ihr sein „vier letzten Lieder“ zur Verfügung stellen zu wollen, die derzeit in London verlegt würden. Bei dem Verlag handelte es sich um Boosey and Hawkes, auf dessen leitenden Mitarbeiter Ernst Roth die Namenswahl zurückgeht. Roth setzte sich auch dafür ein, dass die Lieder unter diesem Titel am 22. Mai 1950 in der Royal Albert Hall von der Flagstad erstmals vorgetragen wurden. Es spielte das Philharmonia Orchestra unter Wilhelm Furtwängler. Die Lieder – auf dem Programmzettel "For Last Sogs" genannt, waren eingebettet in Musik von Richard Wagner. Zur Eröffnung erklang das "Meistersinger"-Vorspiel, dann folgten die Lieder. Nach der Pause gab es Vorspiel und Liebestod aus "Tristan", gefolgt von Siegfrieds Rheinfahrt und Schlussgesang der Brünnhilde aus "Götterdämmerung". Später - so 1952 bei einem Konzert im Berliner Titania-Palast - ließ die Fagstadt das für sie immer schwieriger werdende Lied "Frühling" weg.


    Für mich persönlich ist es mehr als gerechtfertigt, bei den „Vier letzten Liedern" von einem Zyklus zu sprechen, wie das auch andere Forumsmitglieder tun.


    Die wichtigsten neuen Quellen:
    Michael Tanner: Booklet des bei Testament erschienen Mitschnitts der Uraufführung
    Walter Werbeck: Richard Strauss Handbuch, Metzler und Bärenrteiter
    Daniel Ender: Richard Strauss - Meister der Inzsnierung, Böhlau-Verlag


    Auch wenn Helmut und hart inzwischen sehr viel zur Aufklärung beigetragen haben, was meinen Exkurs eigentlich überflüssig macht, stelle ich ihn aber trotz der Übereinstimmungen hier ein. Die Beiträge hatten sich überschnitten. Das kommt immer wieder mal vor.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Nach meiner - zugegeben sehr großzügigen - Definition im Eröffnungsbeitrag dieser Rubrik sind die "Vier letzten Lieder" zulässig. ;)


    Ich habe sie trotzdem ganz bewusst nicht genannt - und hätte sie nicht mal bei meinen 30 liebsten Liederzyklen genannt! :P

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • Du sagst, lieber Rheingold: "Für mich persönlich ist es mehr als gerechtfertigt, bei den „Vier letzten“ Liedern von einem Zyklus zu sprechen, wie das auch andere Forumsmitglieder tun."


    Selbstverständlich kann man das so halten, - auf der Grundlage eines bestimmten Verständnisses vom Wesen eines Liederzyklus. Ich habe oben kurz zu umreißen versucht, was eben dieses Wesen ausmacht. Es ist eine aus der Faktur der Lieder und ihrer Reihenfolge vom Komponisten gewollte und als solche aufweisbare innere Gestalt. Eine solche liegt bei den "Vier letzten Liedern" de facto nicht vor. Sie bilden eine liedkompositorische Einheit aus zwei Gründen: Einem editorischen und einem thematischen.
    Wenn man sie eben deshalb als "Liederzyklus" verstehen möchte, - meinetwegen. Man muss sich aber dabei bewusst sein, dass man sich dabei von der Definition eines "Zyklus", wie sie gemeinhin in der Musikwissenschaft verwendet wird, abhebt und distanziert.

  • Lieber Helmut, noch bevor ich meinen Exkurs freigab, hatte ich Deine Ausführungen längst entdeckt (die von hart hingegen noch nicht) und alles, was bei mir auf den inhaltlichen Zusammenhalt dieser Lieder verwies, schnell wieder gestrichen. So gut und präzise wie Du hätte ich es nämlich nicht ausdrücken können. Deshalb konzentrierte ich mich - auch in der Überschrift - auf die Entstehungsgeschichte und die andere, nicht unwichtige Seite dieses Zyklus, die editorische.


    Es grüßt Rheingold

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  • Die Anregung dazu kam aus dem Familienkreis.


    Das lässt sich konkretisieren, lieber Rheingold:


    Sohn Franz berichtet dem Strauss-Biographen Kurt Wilhelm:
    »1948 waren wir in Montreux zu Besuch. Ich habe gesehen, wie er sich quält, und habe ihm zugeredet: Papa, lass‘ das Briefeschreiben und das Grübeln, schreib‘ lieber ein paar schöne Lieder. Er hat nicht geantwortet. Beim nächsten Besuch nach ein paar Monaten kam er in unser Zimmer, legte Partituren auf den Tisch und sagte zu Alice: ‚Da sind die Lieder, die dein Mann bestellt hat.«

  • Danke, lieber hart, dieses Buch habe ich auch hier im Regal. Ich kam nur nicht so schnell auf diese Quelle bei der Entsehungsgeschichte dieser Lieder und bediente mich aus dem Gedächtnis. Trotzdem: Ganz herzlichen Dank also für die Hinweisung auf dieses schöne Buch. Ich habe es soeben herbeigeholt und werde später wieder drin lesen.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


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  • Der Begriff (Lieder-)Zyklus wird im allgemeinen Sprachgebrauch aber erheblich loser verwendet.
    Die vier letzten Lieder mögen nicht musikalisch-thematisch zusammenhängen; das ist allerdings bei vielen "deutlicheren" Zyklen auch keineswegs explizit hörbar. Auch die "Winterreise" oder "Schöne Müllerin" werden m.E. erst einmal sujet-thematisch als Einheit wahrgenommen, nicht musikalisch, jedenfalls nicht in dem engen Zusammenschluss wie z.B. Beethoven "An die ferne Geliebte", bei der man eigentlich kein Lied einzeln vortragen kann (was bekanntlich bei den Schubert-Zyklen nicht selten getan wird).


    Für Schumanns Eichendorff-Lieder op.39 habe ich mal einen Text von Adorno gelesen, in dem der musikalische Zusammenhänge aufzeigt, aber auch das hört ein "unbefangener Hörer" erst einmal auch nicht. (Und da es hier keinen so deutlichen roten Faden gibt wie bei Winterreise oder Dichterliebe hat der Hörer auch keinen klaren poetisch-thematischen Anhalt.) Mit der sujet-thematischen und "Stimmungs-"Einheit gehen die 4 LL m.E. deutlich über andere publikationsbedingte "Quasi-Zyklen" wie Mahlers "Rückert" oder "Wunderhorn", Schumanns Kerner-Lieder oder Schuberts Schwanengesang hinaus. Das mag eine nachträglich so wahrgenommen Einheit sein, na und?


    Ich sehe das so ähnlich wie bei Klavierzyklen. Auch hier gibt es welche, bei denen traditionell manche Stücke einzeln gespielt wurden, selbst wenn eigentlich deutlich ist, dass es sich um eine planvoll organisierte Abfolge handelt oder gar musikalisch-thematische Zusammenhänge bestehen (z.B Kinderszenen). Andere sind erheblich loser, haben aber durch die Publikation eine ähnliche Gestalt wie die "engen Zyklen" und es hat sich eingebürgert, sie normalerweise komplett zu spielen.

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  • Zit.: "Nach meiner - zugegeben sehr großzügigen - Definition im Eröffnungsbeitrag dieser Rubrik sind die "Vier letzten Lieder" zulässig."

    Und darin hast Du recht, lieber Stimmenliebhaber. Es tut mir leid, dass ich mich durch den Beitrag von Johannes Roehl dazu habe verleiten lassen, mich auf solche, hier eigentlich nebensächliche definitorische Fragen einzulassen.
    Dieser Thread zielt ab auf liedmusikalische Werke, die infolge ihrer inneren zyklischen Gestalt, aber auch ihrer thematischen Ausrichtung und ihrer editorischen Gestalt eine kompositorische Einheit bilden. Und in diesem Zusammenhang geht es nicht um strukturelle Aspekte, sondern um den Hör-Eindruck, den diese Werke vermitteln, und um die Frage, wie tief sie einen anzusprechen vermögen.
    Die "Vier letzten Lieder" von Richard Strauss vermögen das in ganz gewiss sehr hohem Maß.

  • Interessanterweise haben immer wieder Sänger auch aus Liederzyklen, die nach jeder Definition "zyklisch" konzipiert und komponiert sind, immer wieder einzelne Lieder ausgewählt aufgeführt oder aufnommen. Sogar bei der "Winterreise "und der "Dichterliebe", bei "Frauenliebe und -leben" und bei "Nuits d'été"!
    Bei Janaceks "Tagebuch eines Verschollenen" gibt es das nicht - geht wohl auch nicht.


    Gibt es noch andere Beispiele?


    Vielleicht passt die Frage ja nicht in diesen Thead, ich wäre aber neugierig zu erfahren, ob wirklich die Rezeption der Zyklen den Zykluscharakter respektiert. Anders gefragt: ob und inwieweit der Zyklus Werkcharakter hat und damit eine konkret, „wahrnehmbare Formgestaltung“, in der das Ganze geschädigt wird durch Herausbrechen von Teilen.


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Und darin hast Du recht, lieber Stimmenliebhaber. Es tut mir leid, dass ich mich durch den Beitrag von Johannes Roehl dazu habe verleiten lassen, mich auf solche, hier eigentlich nebensächliche definitorische Fragen einzulassen.


    Lieber Helmut,


    das muss dir nicht Leid tun! Was du zum Thema Lied und Liederzyklen zu sagen hast, ist immer interessant und lesenswert!


    Und selbst wenn inzwischen einige Beiträge mit dem ursprünglichen Rubrikthema nur noch wenig zu tun haben, sind zahlreiche lesenswerte darunter! :) :hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Wir haben heute oft eine Tendenz, "päpstlicher zu sein als der Papst". Das hängt zwar auch mit dem sehr nonchalanten Umgang, der noch bis ins 20. Jhd. mit vielen Musikstücken, was Auswählen, Weglassen, Bearbeiten usw. betrifft, gepflegt wurde, zusammen, und die Anerkennung von bestimmten Werken als "emphatischen Zyklen" (eben z.B. der Winterreise, oder auch Chopins Preludes) bringt normalerweise auch ein besseres Erfassen tatsächlicher Zusammenhänge oder einer Werkintegrität mit sich. (Selbst Richter hat z.B. bei Schumanns Fantasiestücken op.12 immer zwei weggelassen, weil er die nicht mochte.)
    Aber dass man sofort schaudert, wenn ein paar Preludes oder Lieder als Auswahl geboten werden, ist sicher auch übertrieben. Und wir tendieren dazu, Werksammlungen, die gar nicht für eine vollständige Aufführung konzipiert gewesen sind, zyklisch zu sehen und in einem Rutsch aufzuführen (z.B. Chopins Etüden oder etliche Bach-Sammlungen)


    Wie ein Werk, dass aus Teilen besteht, seine Einheit erhält, ist eine interessante, keineswegs offensichtlich zu beantwortende Frage und unterschiedliche Werke weisen diesbezüglich natürlich auch Unterschiede auf. Beethovens op.131 hängt prima facie enger zusammen als op.130, aber das heißt noch lange nicht, dass man in letztgenanntem Werk Weglassungen oder Umstellungen vornehmen könnte (selbst wenn es zwei mögliche Fassungen gibt, betrifft das eben nur den letzten Satz). Zu Wagners Wesendonck-Liedern lese ich gerade, dass sie als Zyklus komponiert, aber die Reihenfolge mehrfach geändert wurde, so dass es keine verbindliche Reihenfolge gibt, was uns bei einem "engen Zyklus" seltsam vorkäme.


    Da "eher lose Sammlungen" wie Schuberts "Schwanengesang", Mahlers "Rückert-Lieder, evtl. auch die "Liederbücher" Wolfs aufführungspraktisch beinahe wie die "engen Zyklen" behandelt werden, finde ich von Stimmenliebhaber vorgeschlagene liberale Handhabung sinnvoll.

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  • Wir haben heute oft eine Tendenz, "päpstlicher zu sein als der Papst".


    Da hast Du wahrlich Recht, lieber Johannes.
    Die Vorstellung, dass es soetwas wie Integrität und Würde des "Werkes" geben könne, ist doch ziemlich jung. Vermutlich ist sie mit dem Heroenkult erst im späten 19. Jahrhundert entstanden. Wenn man bestimmten Musikern und sogar ihren Werken Größe zuschreibt, wenn die Kunst schließlich als heilig gilt, wer dürfte dann auswählen, weglassen, bearbeiten usw.?


    Dass seine Liederzyklen nur als Zyklen aufgeführt werden dürften, hätte vermutlich Schubert sehr verwundert. Gustav Mahler aber eher nicht!


    Damit ist natürlich meine eigentliche Frage noch nicht beantwortet. Aber das macht ja nichts. Hätte das Thema des Threads eigentlich auch überdehnt.


    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


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  • Warum sollten aus Zyklen nicht einzelne Nummer entnommen werden? Schließlich ist es ja auch Brauch, Arien, Duette und andere Szenen aus Opern separat aufzuführen und einzuspielen. Ich habe nichts dagegen. Kein Werk nimmt Schaden, indem man sich daraus bedient. Ein kleiner Rückblick, der keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, sei mir in Bezug auf die "Winterreise" und "Die schöne Müllerin" von Schubert gestattet. Er verdeutlicht einen teilweise lockeren Umgang mit beiden Zyklen, die in den TAMINO-Listen so eine große Rolle spielen.


    Noch bevor der Bariton Gerhard Hüsch 1933 die erste Gesamtaufnahme der "Winterreise" vorlegte, hatte es nur stark gekürzte Aufnahmen gegeben, darunter mit Richard Tauber. Einzelne Lieder tauchen bereits früher in den Katalogen auf. Eine besondere Vorliebe scheint es für den "Leiermann", das letzte Lied der Winterreise, gegeben zu haben. Er wurde 1910 sogar in St. Petersburg von Lev Sibiriakov, einem Bass, in russischer Übersetzung aufgenommen und kann sich noch heute hören lassen, auch wenn die Anklänge an das Idiom russischer Volksmusik nicht zu leugnen sind.


    Schon frühzeitig haben sich Frauen der "Winterreise" bemächtigt. Lotte Lehmann ist das prominenteste Beispiel, später traten Christa Ludwig, Brigitte Fassbaender und – man möchte es kaum glauben – Barbara Hendricks hinzu. Auch wenn ich mich unbeliebt machen sollte, die "Winterreise" halte ich noch weniger als die "Müllerin" für Frauen geeignet. Es sind "Männerzyklen", was durchaus ein eigenes Thema wäre. In der akustischen Hinterlassenschaft von Kirsten Flagstad stößt man auf die "Krähe", die "Post" und den "Wegweiser". Die im Liedschaffen sehr bewanderte Elisabeth Schwarzkopf - auch das ist eine Information – hat auf Lieder aus der "Winterreise" gänzlich verzichtet. Bearbeitungen sind spätestens seit Franz Liszt in Mode. Er hat zwölf Lieder für Klavier transkribiert. Der "Wegweiser" ist beispielsweise von Anton Webern mit Orchester versehen worden. Max Reger hat nach meiner Kenntnis nur einzelne Lieder von Schubert orchestriert, die Zyklen umgangen.


    Wenn ich es richtig sehe, wurde sich bei Schuberts "Schöner Müllerin" viel häufiger bedient. Die erste geschlossene Wiedergabe sang der österreichische Tenor Franz Naval 1909 für Odeon in den Zylinder. Mit leichten Kürzungen, als sei er in Eile. Das straffe Tempo war der begrenzten Aufnahmetechnik geschuldet, die in den Kinderschuhen steckte. Seine Aufnahme kann noch heute bestehen. Bereits 1902 hatte Naval das Müllerinnen-Lied "Der Neugierige" eingespielt, noch früher, nämlich 1901, sang der Bassist Paul Knüpfer den Titel "Ungeduld" für die Deutsche Grammophon Aktien-Gesellschaft. Die Firma wird, wie damals üblich, sogar mit scharfer Stimme angesagt. Einzelne Nummern aus dem Zyklus sind mit Beginn der Schelllackära häufig anzutreffen. Noch in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre hat die Schwarzkopf das Lied "Ungeduld" gleich dreimal aufgenommen. Danach sind einzelne Aufnahmen aus der "Müllerin" fast nicht mehr anzutreffen. Gesamtaufnahmen wurden die Regel.


    Bis auf wenige Ausnahmen wurde auf Tonträgern stets in der Originalsprache gesungen. Germaine Martinelli wählte 1935 für Malibran eine französische Übersetzung, Georgi Vinogradov 1954 eine russische und Beno Blachut, der neuerding bei TAMINIO zu Recht gewürdigte Tenor, um 1960 oder etwas später eine tschechische. Viel mehr Ausnahmen sind nicht nachzuweisen. Es wurde nicht nur weggelassen – es wurde auch hinzugefügt. Einmal hat Dietrich Fischer-Dieskau gemeinsam mit dem legendären Begleiter Gerald Moore den Zyklus sogar mit gesprochenem Prolog und leicht gekürztem Epilog eingespielt. Schubert hatte 1823 nicht alle Lieder der gleichnamigen Gedichtsammlung von Wilhelm Müller komponiert. Weggelassen wurden "Das Mühlenleben", "Erster Schmerz, letzter Schmerz", "Blümlein Vergießmein" und eben Prolog und Epilog. Der ironische Grundton der einleitenden und abschließenden Betrachtungen, die dem Zyklus eine völlig andere Perspektive geben, waren Schuberts Sache nicht. Dennoch wäre es konsequent und gewiss nicht unspannend gewesen, an den entsprechenden Stellen der Aufnahme die übrigen Texte auch gesprochen einzufügen. Dann nämlich hätte Fischer-Dieskau, der ein exzellenter Rezitator gewesen ist, im Epilog nicht die einleitenden zehn Zeilen weglassen müssen, die sich nämlich auf die Tatsache beziehen, dass der Zyklus aus insgesamt fünfundzwanzig Gedichten besteht. Eine Rumpflösung ist immerhin besser als gar keine. Dennoch hat diese Variante keine Nachahmer gefunden.


    So viel zu "Winterreise" und "Müllerin".


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


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  • Ich möchte noch erwähnen, dass neben den genannten Liederzyklen von Schubert, Schumann, Mahler und Wagner noch


    Manuel de Falla: 7 canciones españolas


    Joseph Canteloube: Chants d'Auvergne



    ganz oben auf meiner Liste stehen.

  • Warum sollten aus Zyklen nicht einzelne Nummer entnommen werden?


    Da bin ich ganz Deiner Meinung, lieber Rheingold!


    In meinem Beitrag 47 hatte ich ja darauf hingewiesen. Du hast das jetzt mit hochinteressanten Beispielen für die beiden Schubert-Zyklen noch mal konkretisiert. Danke dafür.


    Ich hatte aber auch festgestellt, dass es keine Einzellieder-Aufnahmen aus Janaceks "Tagebuch eines Verschollenen" gibt. Ich kenne immerhin 15 Aufnahmen des kompletten Zyklus (Teils in der Originalsprache, teils in deutsch). Aber keine Veröffentlichung von einzelnen Lieder daraus. Kann ich mir schlicht auch nicht vorstellen.
    Deshalb hatte ich gefragt, ob jemand noch andere Beipiele kennt, wo immer nur der komplette Zyklus aufgeführt oder aufgenommen wird. Oder sollte Janaceks "Tagebuch eines Verschollenen" wirklich die einzige Ausnahme sein? Vielleicht noch die beiden von mir genannten Britten-Zyklen? Da habe ich keinen Überblick!
    Selbst aus Mahlers "Lied von der Erde" und Schönbergs "Gurrelieder" sind einzelne Teile isoliert aufgenommen worden. Aber nur selten.


    Mit besten Grüßen


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Ich habe nicht so viele Aufnahmen vom Tagebuch eines Verschollenen wie Caruso, aber ich kann mir denken, dass man hier keine Lieder entnehmen kann, weil das Tagebuch eine kleine Janacek-Oper ist. Auch aus den Opern Janaceks gibt es keine Möglichkeit, für ein Wunschkonzert Arien herauszugreifen. Das einzige Beispiel, das ich hier kenne, ist die Anordnung Janaceks, bei seiner Beerdigung die Schlussszene aus dem Schlauen Füchslein zu spielen.
    Die schönste Tagebuch-Aufnahme ist die Orchesterfassung (nicht original), in der Philip Langridge singt und Claudio Abbado dirigiert (beide schon tot).
    Was Britten betrifft: die Serenade für Tenor, Horn und Streicher (op.31) habe ich nie anders gehört denn als komplettes Werk.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Mein Punkt war hauptsächlich, dass ungeachtet der berechtigten Hinweise auf Unterschiede zwischen z.B. "4 letzten Liedern" und Winterreise die Geschichte und Praxis zeigen, dass "Liederzyklus" keine scharf abzugrenzende "natürliche Art" (gegenüber einer loseren Sammlung) ist. Meiner Erinnerung nach verwendet Schumann teils "Liederreihe", "Liederkreis", um solche Unterschiede in der Enge des Zusammenhangs der Liederfolge anzudeuten, aber sie sind eben auch nicht in Stein gemeißelt.
    Man könnte auch gut dafür argumentieren, dass Liszts "Faustsinfonie" oder Mahlers 8. keine "richtigen" Sinfonien in dem engen Sinne sind wie Mozarts Jupitersinfonie oder Brahms 2. Sinfonie (sondern die erste eher eine Tondichtung, die zweite eher eine Kantate). Aber die Komponisten haben sie nunmal Sinfonie genannt.
    Es gibt auch Stücke, etwa Suiten aus Ballett- oder Schauspielmusiken, die in dieser Zusammenstellung gar nicht von den ursprünglichen Komponisten stammen, aber seither so etwas wie eine "Werkidentität" gewonnen haben und wir wären zumindest verwundert, wenn in der "Nussknackersuite" einer der üblichen Tänze fehlen würde.
    Schuberts Schwanengesang ist ebenfalls eine Kreation des Verlegers, ebenso wie einige Konzerte Händels. Natürlich unterscheiden sie sich deswegen in der Enge des Zusammenhangs von planvollen Zyklen. Aber sie haben seither in der Praxis eine ähnliche Werkidentität gewonnen und solche Unterschiede gibt es eben auch zwischen Dichterliebe und den Kerner-Liedern.


    Zum Herausnehmen von Liedern: Bei "An die ferne Geliebte" fiele das eher schwer; ich habe aber nicht überprüft, ob es Aufnahmen von einzelnen gibt, der gesamte "Zyklus" ist ja sehr kurz. Ebenso gibt es in Schumanns Dichterliebe und op.24 einzelne Lieder, die man sehr schlecht herausnehmen kann (weil sehr kurz und eng an die Umgebung angeschlossen), andere sind aber eher "isolierbar" und das wurde vermutlich auch gemacht. (Schließlich hat Schumann selbst vier Lieder aus der Urfassung der Dichterliebe herausgenommen!)
    Das ist so ähnlich wie bei den Chopin-Preludes, kaum jemand wird die winzige Mazurka des A-Dur herausnehmen wollen, aber das "Regentropfen" oder das letzte d-moll kann man recht problemlos allein spielen.


    Ich finde es auch nicht uninteressant, dass der sehr enge musikalische Zusammenhang eines der ersten Zyklen, eben "An die ferne Geliebte", danach eher selten umgesetzt wurde. Das mag daran liegen, dass Beethoven weit mehr als die meisten romantischen Liederkomponisten in erster Linie ein Instrumentalkomponist war und "kleine Stücke" eh noch nicht die Bedeutung hatten wie später.


    In Charles Rosens Buch zur Musik der Romantik sind ein oder zwei faszinierende Texte drin, wie gerade Schumanns Zyklen, sowohl von Liedern als auch von Klavierstücken gleichzeitig von einer "Ästhetik des Fragments" und von zyklischem Beziehungsreichtum der kurzen Stücke, sowie einem, teils außermusikalischen, Anspielungsreichtum geprägt sein können. Die Dichterliebe ist ein gutes Beispiel für die "Offenheit" eines Zyklus mit dem scheinbar beiläufig "mittendrin" anfangenden ersten Lied und dem "zu langen" Klaviernachspiel, das wie ein offenes Ende wirkt, als ob der Pianist noch länger weiterspielen könnte. Gleichzeitig gibt es natürlich allerhand enge Beziehungen zwischen den Liedern, außermusikalische Verweise (wie die "Rheinromantik" oder die Andeutung barocker Kirchenmusik bei "Im Rhein, im heiligen Strome..." usw.)

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  • ....aber ich kann mir denken, dass man hier keine Lieder entnehmen kann, weil das Tagebuch eine kleine Janacek-Oper ist.....

    Lieber Dottore Pingel!


    Das ist Richtig. Deshalb hat ja die Staasoper Berlin das Werk auch szenisch aufgeführt: mit dem wundervollen Tenor Benedikt Kristjánsson. Interessant war das Expriment, das Tagebuch zusammen mit Francis Poulencs „La Voix Humaine“ zu spielen.
    Beide Werke waren wie in der Ariadne von Strauss gleichsam ineinander geschoben. Faszinierend und echt erhellend!




    http://www.tagesspiegel.de/kul…nd-gewonnen/10955664.html
    http://www.ft.com/cms/s/0/af45…eabdc0.html#axzz4EwRsqvds



    Die schönste Tagebuch-Aufnahme ist die Orchesterfassung (nicht original),

    Das kann man unterschiedlich sehen. Das Tagebuch in der Orchesterfassung ist eigentlich ein eigenes Werk. Ich habe die Aufnahme von Abbado nicht mitgezählt bei meinen Aufnahmen. Meiner Ansicht nach wußte Janacek sehr gut, warum er nicht mehr Instrumente einsetzte. Zudem klingt die Orchesterfassung für meine Ohren nicht wirklich nach Janacek .



    Auch aus den Opern Janaceks gibt es keine Möglichkeit, für ein Wunschkonzert Arien herauszugreifen. Das einzige Beispiel, das ich hier kenne,....

    Das Gebet der Jenufa hört man gar nicht so selten einzeln. Natürlich auf Recitals von tschechischen Sopranen, aber zum Beispiel auch auf einem von Karita Mattila. Zudem ist der Monolog der Küsterin auf verschiedenen Recitals, unter anderem von Eva Urbanova zu hören. Auch die Schlussszene aus Katja Kabanowa wurde schon für Sängerrecitals eigens aufgenommen. Wenn man sucht, findet man sicher noch mehr. Das schenke ich mir jetzt aber. Gehört ja auch nur sehr mittelbar in einen Thread über Liederzyklen.



    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!


  • Hallo!


    Mit der Zeit erarbeite ich mir weitere Zyklen. Daher ergänze ich mittlerweile um "7 Frühe Lieder" von Alban Berg.


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Ich stelle gerade beim Wiederlesen fest, dass dieses Thema ziemlich lückenlos bearbeitet worden ist. Leider haben wir alle einen besonders schönen Zyklus vergessen, der auch in die Weihnachtszeit passt. Damals, in meinem Essener Vokalensemble, wurde ich von der Aufführung ausgeschlossen, aber die anderen Männer auch. Es ist nämlich "A Christmas Carol" von Britten, für Frauenchor und Harfe. Der erste Chor wird von draußen angestimmt und die Sängerinnen wandeln (!) singend in die Kirche, zum Schluss schreiten sie mit dem gleichen Chor wieder hinaus. In Janaceks "Tagebuch eines Verschollenen" ist der zentrale Satz ein Klavier-Solo, was wohl die Vereinigung der Liebenden darstellen soll. Dasselbe gibt es hier bei Britten, ein wunderbares Harfensolo. Aber was es darstellt, weiß ich jetzt nicht. Zum ersten Mal habe ich den Zyklus bei einem Konzert im Museum Quadrat in Bottrop gehört. Es sang ein wunderbarer Frauenchor, aber leider sang auch die Leiterin mit: sie hatte eine schreckliche Stimme. Das ist wahrlich ein Dilemma. Es gibt eine Parallele in der Alten Musik, nämlich das "Ensemble Organum" aus Frankreich. Der Leiter ist Marcel Pérès, der leider einige Stücke mit seiner schrecklichen Stimme kontaminiert.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Zyklus sehe ich, wenn der Komponist uns eine Geschichte erzählt, die Auswahl der Gedichte einen Bezug zueinander hat oder ein Thema behandelt wird. Ich habe versucht exemplarische Aufnahmen zu nennen, die ich für gelungen halte. Wenn eine Aufnahme mit Fischer Dieskau auch erhältlich ist, ist man mit diesem Meister des Liedgesanges gut bedient.



    Ohne Anspruch auf eine Rangierung sind meine 10 liebsten Zyklen <3

    plus 1 ausser Konkurrenz 8)


    Franz Schubert: Schöne Müllerin, D.795 (nach. Gedichten von Wilhelm Müller)




    Franz Schubert: Winterreise D.911 (nach Gedichten von Wilhelm Müller)




    Franz Schubert: Schwanengesang, D. 957 (nach Gedichten von Friedrich Rückert, Heinrich Heine und Gabriel Seidl)


    <= aus Pünktchen klicken, dann kommt man zu dieser Aufnahme


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    Schumann: Lieder op. 24 Nr. 1-9 /nach Gedichten von Heinrich Heine)

    Schumann: Lieder op. 35 Nr. 1-12 (nach Gedichten von Justinus Kerner)

    Schumann: Lieder op. 39 Nr. 1-12 (Liederkreis nach Gedichten von Joseph von Eichendorff)

    Schumann: Dichterliebe, op. 48 (nach Gedichten von Heinrich Heine)





    Gustav Mahler: Lieder nach Gedichten von Friedrich Rückert Nr. 1-5


    Aufnahme mit Dietrich Fischer-Dieskau und Daniel Barenboim bei DG erschienen, gibt's nur noch als Download, aber diese Aufnahme mit Gerhaher/Huber ist auch eine gute Alternative:




    Meine Empfehlung, etwas für Liebhaber des Liedgesanges abseits des Gängigen:


    Ralph Vaughan William: Songs of Travel


    Gerald Finzi: Let us Garlands bring op.18




    und diese fünf Lieder, die ich als Zyklus sehe:


    Edward Elgar: Sea Pictures op. 37


    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Mit der Zeit erarbeite ich mir weitere Zyklen. Daher ergänze ich mittlerweile um "7 Frühe Lieder" von Alban Berg.

    Bei Alban Bergs "Sieben frühen Liedern" handelt es sich nicht um einen "Liederzyklus".


    Damit man - so sieht es die Musikwissenschaft - bei einer Liederfolge von einem "Zyklus" sprechen kann, muss ein innerer Zusammenhang zwischen den Liedern gegeben sein, im Bereich der Thematik und/oder der Tonarten, wie das in exemplarischer Weise bei Beethovens Zyklus "An die ferne Geliebte" der Fall ist, oder es muss sich darin, wie etwa bei Schuberts "Schöner Müllerin", ein narratives Geschehen abzeichnen.

    All das ist bei den "Sieben frühen Liedern" nicht der Fall. Es sei denn, man folgt in der Betrachtung dieser Lieder Th. W. Adorno. Der ließ sich in einem Artikel von 1929 auch auf die „Sieben frühen Lieder“ ein. Es sind recht interessante und aufschlussreiche Gedanken, die man darin findet. Ein Aspekt von Bergs Liedschaffen, den Adorno gleich in mehreren Aufsätzen zu den Liedern Bergs aufgreift und zum Ausdruck bringt, ist der der „Scham“. Er meint, dass der „Affekt der Scham“ ganz wesentlich den klanglichen Charakter und die musikalische Aussage der frühen Lieder Bergs präge. Sie wiesen eine „originale Substanz“ auf, diese verhülle sich aber unter dem „Zwang eben jenes Affekts“ der ihnen unmittelbar eigen sei und ihren „Ton“ bestimme: Eben diesem „Affekt der Scham“. Und Adorno fügt hinzu: „Nie zuvor, von wenigen Opernmomenten Mozarts abgesehen, ist Scham expressiver Gegenstand von Musik gewesen.“

    Der Leser solcher Äußerungen wird allerdings - wie das ganz typisch für Adorno ist - im Stich gelassen bei der Frage, woran denn nun dieser „Affekt der Scham“ ganz konkret in der Faktur der Lieder auszumachen sei. Man erfährt nur noch so viel dazu: „Gewiß also sind Bergs frühe Lieder (…) Ausdrucksmusik: aber solche, in der die ausgedrückte Subjektivität sich eher verschweigt als mitteilt; vom Ausdrucksgehalt ist nur dies noch übrig: bei sich selber zu bleiben, sich zusammenzuziehen und zu horchen auf das, was wird.“

    Wer Näheres über diese Liedergruppe Alban Bergs und sein Liedschaffen überhaupt erfahren möchte - WoKa möge sich bitte nicht angesprochen fühlen -, kann hier fündig werden: Alban Berg. "Sieben frühe" und weitere Lieder

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