Deutschlands wichtigster Dirigent? - Sir Simon Rattle

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Hallo KSM,
    dieses Gerücht habe ich auch gehört. Boulez ist Perfektionist und erwartet, daß der Komponist jedes Detail seines eigenen Werkes kennt.


    :hello:


    Au ha, da gibt es sicher Werke, wo dieses Unterfangen schwer werden könnte. Ob Stockhausen eine Manipulation seiner "Gruppen" erkennen würde??? :beatnik:

  • Zitat

    Original von Wulf


    Au ha, da gibt es sicher Werke, wo dieses Unterfangen schwer werden könnte. Ob Stockhausen eine Manipulation seiner "Gruppen" erkennen würde??? :beatnik:


    Die Rede stammt doch von Boulez, und was der an Tongeschwadern absondert in jüngerer Zeit (repons)
    :no:
    mit "jeder Ton ist wichtig" ist da aber nichts, da kann man Ferneyhough und Stockhausen ganz in Ruhe lassen, die haben ja auch nicht behauptet, dass jeder Ton ganz wichtig ist.

  • Zitat

    Original von Wulf
    Jaja, ich weiß allerdings sowieso nicht, was das hier im Rattle-thread verloren hat...


    Ich habe Stockhausens Gruppen live im Wiener Konzerthaus unter Rattle gehört ...

  • Zitat

    Original von Wulf
    Jaja, ich weiß allerdings sowieso nicht, was das hier im Rattle-thread verloren hat.....
    :baeh01:


    Bei Rattle ist jede Abschweifung eine Erlösung...! :baeh01:


    -----------------


    Zitat

    Zitat KSM
    Die Rede stammt doch von Boulez, und was der an Tongeschwadern absondert in jüngerer Zeit (repons)


    Mein Gott, laß' ihn doch einmal einen Reißer für die breitere Masse schreiben.
    Außerdem: Ich mag "Répons".


    -------------------


    Nochmals außerdem: Rattle hat Boulez' "Rituel" aufgeführt. Über das Wie besser :stumm:


    :hello:

    ...


  • *räusper* Das hast Du jetzt gesagt. *[SIZE=7]klammheimlichzustimm[/SIZE]*

  • Zitat

    Original von lohengrins
    "so war es auch bei all den anderen Orchester-Chefs der Philharmoniker - viel größeren Dirigenten, als ich es bin".


    Selbst Rattle gibt also zu, daß Karajan ein größerer Dirigent war. :D

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Original von Felipe II.


    Selbst Rattle gibt also zu, daß Karajan ein größerer Dirigent war. :D


    Von der Körpergrösse könnte das hinkommen.


    Vom musikalischen Wert her: früher, als Rattle noch beim BSO war, auf keinen Fall. Heute könnte es fast hinkommen.....


    :hello:

  • Zitat

    Zitat Wulf
    Vom musikalischen Wert her: früher, als Rattle noch beim BSO war, auf keinen Fall. Heute könnte es fast hinkommen.....


    Genau. Eine Tragödie. Fängt als hochmusikalischer Spitzendirigent an und schrumpft auf Karajan-Maß.
    Dennoch: Seine Programmierungen sind immer noch relativ interessant(er als die Karajans).
    :hello:

    ...

  • Das war ja fast klar, daß sich unsere speziellen Karajan-Freunde über diese meine Äußerung echauffieren würden. :D

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Hallo.


    Und da hatte ich doch tatsächlich befürchtet, dass sich dieser Thread mit Simon Rattle befassen könnte. Ich Dummerchen.


    Gruß, l.

    "Jein".

    Fettes Brot

  • Tut er doch. Momentanes Thema: Von Simon the Sorcerer zu Simon the Wishmob - oder: Wie das Feuer erlischt.... :pfeif:


    Wir wollten nur kurz klarstellen, daß die Liga der Karajanesen Verstärkung durch die Wishmobs bekommt :hahahaha:

  • Liebe Taminos,


    wenn ich diesen Thread lese drängt sich mir- als unbefangenem Leser- eine Frage auf:


    Woran lässt sich konkret festmachen, dass Rattle als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker schlechter ist, als als Orchesterleiter in Birmingham? Vielleicht habe ich auch einfach nicht genau gelesen, aber Sachargumente schienen mir in den meisten Beiträgen nicht vorgekommen zu sein. Ich maße mir in der Frage selbst kein Urteil an, da ich mich bisher relativ wenig mit Rattle beschäftigt habe und nur wenige Aufnahmen mein Eigen nennen.


    Mit der Bitte um Erleuchtung (:D )


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Hallo Christian,
    wenn ich die Aufnahmen vergleiche, fällt mir in Rattles früherer Zeit auf:
    - Ausblenden eines Repertoires, das musikalisch weniger interessant scheint
    - Eingehen auf die spezifische Stilistik eines Werkes
    - Detailarbeit zur Verdeutlichung der Strukturen
    - Wagnis von kreativen Mißverständnissen


    Und jetzt:
    - Dirigiert wird alles quer durch
    - Dirigiert wird alles auf die gleiche Weise mit den immer gleichen Manierismen
    - Detailarbeit als Selbstzweck
    - Zunehmende Unverbindlichkeit der Interpretation


    :hello:

    ...

  • Lieber Edwin,


    damit ist mir schon einmal geholfen, obwohl ich aus den Berliner Jahren Rattles keine Aufnahmen besitze.


    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Hallo.


    Zitat

    Original von Wulf
    ...
    Wir wollten nur kurz klarstellen, daß die Liga der Karajanesen Verstärkung durch die Wishmobs bekommt :hahahaha:


    Das ist vermutlich unglaublich witzig.
    Allerdings verstehe ich den Zusammenhang nicht ganz.
    Zum Beispiel: Wer ist "Wir", ist das die Tamino-Geschmackspolizei, die Dirigenten auf den Index setzt? Und bin ich ein "Wishmob", eine Witzfigur, weil ich auf ein Rattle-Interview hinweise?
    Dieses Lager- und richtig/falsch-Denken verstehe ich nicht.


    Ich fand einfach nur interessant, dass ein Dirigent, der heutzutage als einer der Großen, einer der Mega-Seller durchgeht, sich in einem Interview so zurückhaltend, so zweifelnd äußert.
    Aber dieser Thread hat seinen Endpunkt offenbar bereits vor einiger Zeit gefunden, als dieses "wir" feststellte, dass Rattle früher gut war und heute schlecht ist.


    Gruß, l.

    "Jein".

    Fettes Brot

  • Zitat

    Zitat Lohengrins
    Ich fand einfach nur interessant, dass ein Dirigent, der heutzutage als einer der Großen, einer der Mega-Seller durchgeht, sich in einem Interview so zurückhaltend, so zweifelnd äußert.


    Ja, aber das ist meiner Meinung nach gemacht. Von wem stammt doch das Wort an einen mittelklassigen Schriftsteller, der mit gemachter Bescheidenheit auftrat: "So groß bist Du nicht, daß Du Dich so klein machen kannst".


    Wobei mir der nächste Rattle'sche Manierismus einfällt, der gar nichts mit seinen Interpretationen zu tun hat: Das Hochhalten der Partitur.


    Als er das in Wien zum ersten Mal machte (eine Mahler-Symphonie) wirkte dieses Ablenken des Applauses auf das Werk sehr sympathisch.
    Mittlerweile hält er nahezu jede Partitur des am Schluß des Konzert gespielten Werkes hoch - damit ist diese Geste zur Manier, zur Marotte verkommen. Ich finde das nur noch peinlich.


    :hello:

    ...

  • Hallo Edwin,


    ich kenne Rattle natürlich noch nicht so lange und so intensiv wie Du, aber immerhin erlebe ich ihn seit ein paar Jahren doch recht regelmäßig hier in Berlin - dass er nach dem Konzert die Partitur hochhält, habe ich allerdings noch nicht gesehen.
    Insofern kann ich das einfach nicht bestätigen. Wobei derlei auch mir aufgesetzt und letztlich peinlich erscheinen würde.


    Gruß, l.

    "Jein".

    Fettes Brot

  • Und, Edwin, ein Nachsatz: hast Du das Interview gelesen?
    Denn dieses Zweifelnde zieht sich für mein Empfinden durch das gesamte Gespräch. Und das finde ich dann doch erstaunlich.


    Gruß, l.

    "Jein".

    Fettes Brot

  • Hallo Lohengrins,


    ich habe das Interview gelesen und stimme Dir voll und ganz zu, daß Rattle auf eine sehr angenehme Art und Weise zweifelnd und bescheiden rüberkommt. Sollte das nur Show sein, dann ist es eine unglaublich gut durchgezogene - aber ich glaube nicht, daß ein Mensch so etwas auf Dauer durchhält, wenn dies nicht auch seinem Wesen entspricht.


    Zu diversen Punkten: ja, auch ich habe die Rattle-Biographie gelesen. Ja, ich weiß, daß Rattle vor zig Jahren erzählte, daß die Planeten nichts für ihn sind. So what? Darf ein Mensch seine Meinung ändern? Und selbst, wenn er sie nicht geändert haben sollte: die neu hinzugefügten Stücke (auch, wenn sie mir nicht besonders gefallen) sind doch Grund genug für ihn als Verfechter neuerer und unbekannterer Werke, die Planeten nochmal aufzunehmen. Ich nehme mal an, daß das Orchester auch ein gewisses Wörtchen mitzureden hat, wenn es um die Werke geht, die auf CD landen.


    Ich habe Rattle leider noch nicht im Konzert erleben dürfen. Sollte er wirklich häufig die Partitur Richtung Publikum halten, ist das zu viel des Guten, aber prinzipiell halte ich es für eine wunderbare Geste gegenüber dem Werk.


    Lieber Edwin: könntest Du mir bitte erläutern, inwiefern Detailarbeit bei Rattle zum Selbstzweck verkommt? Ich denke doch, daß gerade Details eine Interpretation ausmachen. Würde er über alles gleich drüberbügeln, wie Du ihm ja ebenfalls unterstellst, könnte er sich diese Detailarbeit ja sparen, oder?


    :hello:Jürgen

    Ich brauche keine Millionen, mir fehlt kein Pfennig zum Glück...

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  • Zitat

    Original von Hans Sachs
    Hallo Lohengrins,


    ich habe das Interview gelesen und stimme Dir voll und ganz zu, daß Rattle auf eine sehr angenehme Art und Weise zweifelnd und bescheiden rüberkommt. Sollte das nur Show sein, dann ist es eine unglaublich gut durchgezogene - aber ich glaube nicht, daß ein Mensch so etwas auf Dauer durchhält, wenn dies nicht auch seinem Wesen entspricht.


    Ich fand das Interview erfreulich unprätentiös. Natürlich könnte man Rattle unterstellen, dass diese Bescheidenheit nur zur Schau getragen und auf Wirkung berechnet ist. Aber in diesem Punkt stimme ich mit Jürgen völlig überein. Und wann hört man schon einmal einen Künstler, der einräumt: Die Missa Solemnis liegt mir nicht? Wäre Rattle wirklich ein auf pure Außenwirkung versessener Selbstdarsteller würde er solche Bedenken nicht hegen- und schon gar nicht öffentlich machen.


    Herzliche Grüße,:hello::hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Zitat

    Sollte er wirklich häufig die Partitur Richtung Publikum halten, ist das zu viel des Guten, aber prinzipiell halte ich es für eine wunderbare Geste gegenüber dem Werk.


    In Wien praktisch nach jedem Konzert. In Berlin vielleicht nicht, weil es durch die Regelmäßigkeit allzu auffällig wäre.


    Zitat

    Und, Edwin, ein Nachsatz: hast Du das Interview gelesen?


    Ja. Meiner meinung nach hat er einen glänzenden Berater, der ihm sehr geschickt dieses Image des zweifelnden Sonnyboys aufbaut. Es ist eine reine Gefühlssache: Ich glaub's einfach nicht.


    Zitat

    Und wann hört man schon einmal einen Künstler, der einräumt: Die Missa Solemnis liegt mir nicht? Wäre Rattle wirklich ein auf pure Außenwirkung versessener Selbstdarsteller würde er solche Bedenken nicht hegen- und schon gar nicht öffentlich machen.


    Doch. Genau das würde er sagen. Mit solchen Sätzen macht er sich interessant. Hach, wie bescheiden, ihm liegt die "Solemnis" nicht, drum läßt er die Finger von ihr.
    Andere Dirigenten treffen auch eine bestimmte Repertoire-Auswahl und nützen das nicht zu Bescheidenheitsdemonstrationen.
    Außerdem: Die "Planeten" lagen ihm einst auch nicht, aber wenn's um Kohle geht, nimmt so einen schlecht instrumentierten Mist sogar zweimal auf...


    Übrigens: Hätte Rattle gesagt, "die 'Planeten' sind zu lang" oder "ich mag diesen Mystizismus nicht" - alles o.k., das kann sich ändern. Aber er kanzelt die technische Seite ab. Und an der ändert sich wohl nichts.


    Die Manierismen in der Detailarbeit bestehen für mich darin, daß es für mich Unterschiede in der Wertigkeit der Details in Bezug auf das Ganze gibt. Wenn man nur noch Details aneinanderreiht, mag das bei kurzen Stücken funktionieren, bei längeren wird's aber relativ öde, wenn doch kein Spannungsbogen entsteht. Wenn ich mir etwa die Symphonischen Dichtungen Dvoráks mit Rattle anhöre, höre ich einen Wust von Einzelheiten, alle sehr interessant, aber ich höre vor lauter Noten das Stück nicht.


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner


    In Wien praktisch nach jedem Konzert. In Berlin vielleicht nicht, weil es durch die Regelmäßigkeit allzu auffällig wäre.


    Und trotzdem geht es doch eigentlich ums Werk, oder? Karajan kanzelst Du ab, weil er selbst immer im Mittelpunkt stand, Rattle kreidest Du an, daß er das Werk in den Mittelpunkt stellst. Schon klar, Du glaubst ihm diese Geste einfach nicht.


    Zitat

    Übrigens: Hätte Rattle gesagt, "die 'Planeten' sind zu lang" oder "ich mag diesen Mystizismus nicht" - alles o.k., das kann sich ändern. Aber er kanzelt die technische Seite ab. Und an der ändert sich wohl nichts.


    Ich bin mir zwar auch sicher, daß das keine rein künstlerische Entscheidung war, aber trotzdem: kann er seine Meinung nicht auch einfach geändert haben? Du kannst nach einigen Jahren ja vielleicht auch mit einer Instrumentierung was anfangen (Triangel), die Dir früher nicht gefallen hat.


    Zitat

    Wenn ich mir etwa die Symphonischen Dichtungen Dvoráks mit Rattle anhöre, höre ich einen Wust von Einzelheiten, alle sehr interessant, aber ich höre vor lauter Noten das Stück nicht.


    Dann doch lieber Breitwand, was? :D


    :hello:Jürgen

    Ich brauche keine Millionen, mir fehlt kein Pfennig zum Glück...

  • Aus meiner subjektiven Sicht hat man versucht, einen Dirigenten, der ein kleines Orchester aus der zweiten oder dritten Reihe mit Erfolg in der Qualität verbessert und dessen Marktpräsenz signifikant intensiviert hat zum Superstar hochzujubeln und ihm das zweitbeste Orcvhester der Welt anzuvertrauen, in der Hoffnung an alte Traditionen wieder anknüpfen zu können.


    Das hat IMO nicht funtioniert, weil es gar nicht funktionieren konnte, weil die Zeit der großen Stardirigenten vorbei zu sein scheint. Zudem wollte (oder musste ?) Rattle dem Orchester zeitgenössisches Repertoire aufzwingen, und ich freue mich, feststellen zu dürfen, das dies erneut nicht funktioniert hat.
    Widerstand kommt hier stets vom Publikum, aus den Reihen der Orchester und last but not least aus den Direktionsetagen der Tonträgerkonzerne.


    Aber auch "alte" Konzepte könnten hier nicht greifen, Guru-Denken ist IMO spätestens seit Celibidaches Tod ausgestorben, das Publikum ist allenfalls am Werk interessiert - und kaum mehr an "großen" Namen (In der Opern- und Pianistenwelt funktioniert dergleichen teilweise noch, am Dirigenten und Orchestersektor jedoch kaum)


    Es ist vielleicht traurig, aber dennoch Tatsache, daß die meisten Orchester kaum mehr das aufzuweisen haben, was man "Eigenklang" bzw "Charakter" nennt - und somit werden sie - speziell die teuren - weitgehend unfinanzierbar, weil sie ja - im Gegensatz zu früher - guten Mittelklasseorchestern gegenüber nur einen geringen Vorsprung aufzuweisen haben.


    Das überträgt sich natürlich auch auf die Person des Orchesterleiters


    In der Tat - ob man Karajan nun mag oder nicht - war er zu Lebzeiten (und ich meine hier die Jahre, wo er auf dem Zenith seines Ruhmes stand) doch wesentlich unangefochtener als es Rattle heutzutage ist.


    Wobei Rattles Tragik IMO darin besteht, daß er überhaupt nicht angefochten ist - im Gegenteil. Von der Plattenindustrie wird er kaum wahrgenommen.


    Hier könnte man sich die Frage stellen, wer hier aufs falsche Pferd gesetzt hat: EMI auf Rattle - oder Rattle auf EMI ??


    Wie sähe es aus, würde Rattle, wie seine Vorgänger auf Deutsch Grammophon aufnehmen ? Jenes Label, das wirklich in der Lage ist - bezw den Mut hat, gestern noch völlig unbekannte Jugenddirigenten und ebensolche Orchester aus der weißnichtwievielten Reihe zum Hochpreis zu vermarkten ???


    Auf jeden Fall kann ich mir kaum Vorstellen daß das Gelbetikett die älteren Aufnahmen ihres Hauptzugpferdes in den Klassikläden zum Low-Budgetpreis verramschte.......



    Ich war nie ein Anhänger von Rattle, muß aber gestehen, daß das einzige Konzert, welches ich (Beethovens 4. und 7. mit den Wiener Philharmonikern) mit ihm erlebte, einen durchaus positiven Eindruck bei mir hinterließ, das Konzert war wesentlich überzeugender, als es der (akustisch durchaus gute) Mitschnitt auf CD vermuten lässt.


    Rattles Aufnahmen, soweit ich sie kenne, sind durchaus gut - aber sie hinterlassen (bei mir ?) kerinen nachhaltugen Eindruck. Vielleicht ist das aber heutzutage - der allgemeinen Reizüberflutung wegen - gar nicht mehr möglich......


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred,


    erlaube mir, Dir in ein, zwei Punkte zu widersprechen.


    Das "zweitbeste Orchester der Welt" ist für mich eine reichlich irrelevante und hier wohl auch nur als Spitze eines Wieners gemeinte Klassifizierung. Insofern will ich darauf nicht weiter eingehen.
    Ich denke aber, dass es hier gerade nicht darum ging, "an alte Traditionen anzuknüpfen"; ich denke, dass das Orchester sich eben auch für Rattle entschieden hat, um etwas Neues auszuprobieren (andernfalls wären eben doch Maazel oder Barenboim erkoren worden).


    Inwieweit es nicht funktioniert hat, dem Orchester - und damit letztlich dem Publikum - zeitgenössisches Repertoire "aufzuzwingen", müsstest Du mir noch darlegen. Die kommende Spielzeit beispielsweise wird mit einem Auftragswerk von Lindberg (und Mahlers 9.) begonnen; in der vergangenen Spielzeit mit Janacek, Dvorak und ebenfalls einer Uraufführung eines Werks von Ades ein echter Erfolg usf.
    Dass es namentlich solche Werke nicht häufig auf CD gibt, ist äußerst bedauerlich, und jedenfalls für mich kein Grund, zu triumphieren.


    Ob die Berliner nur einen geringen Vorsprung gegenüber einem Mittelklasseorchester haben? Ich denke nicht, aber bitte schön, das mag jeder für sich anders sehen.


    Ich glaube auch, dass Karajan zu Lebzeiten unumstrittener war als Rattle. Und?


    Dass Rattle nun von der Plattenindustrie kaum wahrgenommen wird, ist schlicht falsch. Es gibt für mein Empfinden ein wirklich große Anzahl an CDs, die häufig auch sehr aktuell sind (und es werden - leider - auch nicht alle günstig angeboten).


    Es zeigt sich, dass Rattle polarisiert. Auch das spricht nicht gegen ihn.


    :hello:


    Gruß, l.

    "Jein".

    Fettes Brot

  • Ich finde immer wieder überraschend wie Internet- und andere Experten anscheinend völlig vergessen oder ignorieren, dass die Berliner Philharmoniker sich Rattle schließlich selbst ausgesucht haben. Völlig inkompetent dürften dessen Mitglieder, egal ob sie das beste oder das zehntbeste Orchester der Welt sind, doch wohl nicht sein, oder? Und sie haben bereits in der Vergangenheit, sowohl bei der Auseinandersetzung mit dem selbstherrlichen alten Karajan als auch bei der Nachfolge sich durchaus als eigensinnig erwiesen.


    Schon beim Amtsantritt Rattles war außerdem klar, dass niemals wieder so mit Plattenaufnahmen Kasse gemacht werden würde wie unter Karajan. Das liegt weniger an Karajan als an den 60er-80er Jahren, in denen sich schlicht mehr Geld damit verdienen ließ (Es hängt an allen möglichen Dingen, dass das heute nicht mehr geht). Das ist aber den Zeiten geschuldet und sollte kein Problem sein, da das Orchester in der ersten Hälfte des 20.Jhds. ebenfalls eher wenig Geld aus Plattenaufnahmen bezogen haben dürfte.


    Dumm von EMI war aber, dass bereits eine außerordentliche Menge von Einspielungen Rattels, aus Birmingham und anderswo vorlag, saudumm z.B. der Beethovenzyklus aus Wien kurz vor Amtsantritt in Berlin, so etwas hätte die erste größere Sache mit dem neuen Orchester sein sollen.
    Daher ist es kein Wunder, dass die ersten Aufnahmen mit dem neuen Orchester keine besonderen Hits werden. Ebenso aber die Erweiterung des Repertoires nicht nur rational, sondern unabdingbar. Man schafft es heute eben nicht mehr, wie teils noch in den 80ern die zigste Einspielung von Standardrepertoire als neue Erleuchtung anzudrehen...


    Und daran, dass der Abstand der Spitzenorchester ziemlich zusammengeschrumpft ist, kann ich auch nichts schlimmes finden. Sollen die Rundfunkorchester ihr Niveau senken, damit die angeblich Weltbesten heller strahlen können?
    Oder man höre mal die neuesten Aufnahmen mit Barenboims Staatskapelle, ein ganz wesentlicher Konkurrent vor der eigenen Haustür und im traditionellen Repertoire z.Zt. ziemlich sicher Rattle und seinen Berlinern überlegen. Wieder ein Grund für originelles Repertoire...


    Die Vergleiche mit Karajan hinken überdies insofern, als dass Karajan 1954, als er den Posten antrat, keineswegs völlig unumstritten war (z.B. unter den Furtwänglerianern...).


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    ...
    Die Vergleiche mit Karajan hinken überdies insofern, als dass Karajan 1954, als er den Posten antrat, keineswegs völlig unumstritten war (z.B. unter den Furtwänglerianern...).


    Jetzt hinkt aber der Vergleich des Vergleichs. ;)


    Wenn man Rattle jetzt mit Karajan vergleichen will, muss man Karajan nach 5 Jahren, also ca. 1959 heranziehen. Aber auch dann ist es nicht leicht, da sich halt in fast 50 Jahren zuviel in den äußeren Umständen verändert.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Ich finde immer wieder überraschend wie Internet- und andere Experten anscheinend völlig vergessen oder ignorieren, dass die Berliner Philharmoniker sich Rattle schließlich selbst ausgesucht haben. Völlig inkompetent dürften dessen Mitglieder, egal ob sie das beste oder das zehntbeste Orchester der Welt sind, doch wohl nicht sein, oder? Und sie haben bereits in der Vergangenheit, sowohl bei der Auseinandersetzung mit dem selbstherrlichen alten Karajan als auch bei der Nachfolge sich durchaus als eigensinnig erwiesen.


    Richtig, und wenn man die Möglichkeiten Maazel und Barenboim heranzieht war es wohl auch eine sehr gute Wahl.


    Also, ich habe nur das Eröffnungskonzert mit der 5. Mahler gehört und das fand ich grossartig (gibts ja auch auf DVD, wenn sich jemand eine eigene Meinung bilden möchte). Da wurde mit grosser Spielfreude musiziert, extrem gut aufeinander gehört und einfach auch sehr musikalisch gespielt. Zinman hat mal gesagt, Mahler ist Kammermusik für grosses Orchester, das kam da sehr gut heraus. Im Übrigen kam Rattle wieder sehr sympathisch rüber (ja ich weiss alles nur Show :wacky:, aber anscheinend macht er die Sympathieshow rund um die Uhr). Sich zwischen den Bläsersolisten am Schluss zu verbeugen war eine tolle Geste.
    Ich habe das Orchester oft unter Abbado gehört und da habe ich es immer schlechter erlebt. Da sind rein technische Pannen passiert, die es in der Form hoffentlich nicht mehr gibt. Den Status das beste oder zweitbeste Orchester der Welt zu sein, hatte es in dieser Phase schon lange nicht mehr zumindestens unter Musikern. Im ÜBrigen war das die Phase in der die grosse Verjüngung des Orchesters stattgefunden hat. In dieser Zeit ist der Orchesterklang grundsätzlich ein anderer geworden, was ja auch logisch ist, kein Mensch spielt Heute wie z.B. ein Zöller unter Karajan.
    Jetzt wo Abbado weg ist, finden ihn ja alle wieder ganz toll....


    Ich werde das Gefühl nicht los, dass die Zeitungskritiker im grossen und Ganzen voneinander abschreiben. Anders kann ich mir auch nicht erklären, dass Kent Nagano in den Kritiken so extrem gut weg kommt, obwohl die Musiker die ich kenne ihn schlicht unmusikalisch finden und das deutsche Symphonieorchester soweit ich weiss, alles andere als zufrieden ist. Was ich bisher gehört habe, fand ich auch nicht toll.


    Ich halte es durchaus für möglich, dass der negative Hype gegen Rattle auch eine Art Selbstläufer ist. Zum einen bezweifle ich das jeder Kritiker die Kompetenz besitzt eine Interpretation zu beurteilen. Ich bin auch Musiker und wenn ich das Stück nicht selber gespielt habe, traue ich mir das auch nicht bis ins letzte zu. ZUm anderen wird es ab einer bestimmten Ebene der Interpretation schon auch Geschmackssache. So kann man die Mahlerinterpretationen als oberlehrerhaft oder eben als besonders klar und deutlich in den Details empfinden. Das Simon Rattle grundsätzlich ein hervorragender und umfassend gebildeter Kapellmeister ist, hat er wirklich in seiner Birmingham-zeit ausreichend bewiesen. Sehr zu empfehlen sind übrigens auch die DVDs "Orchestral Music In The 20th Century". (besonders denjenigen die hier ständig Spitzen gegen die moderne Musik bringen :D) Was er da macht, können weiss Gott nicht viele Dirigenten und nebenbei präsentiert er es auch noch sehr gut und sympathisch (...ich weiss :wacky: )


    Ich werde die Philis im September wieder unter Rattle mit Sibelius 5. hören, mal sehen, obs wirklich so schlimm wird wie hier beschrieben.


    Gruss :hello:


    Syrinx

  • Stimmt schon, die Berliner haben Rattle gewählt. Der wollte zu diesem Zeitpunkt kein Orchester mehr übernehmen (oder war auch das Koketterie oder gezieltes Hochtreiben der eigenen Aktien?) und sich ihm dermaßen ausgeliefert, bis er nicht mehr nein sagen konnte.


    Daß die beiden anderen genannten Dirigenten (Barenboim und Maazel) eine schlechtere Wahl gewesen wäre - kein Zweifel. Die Abbados wachsen schließlich nicht auf den Bäumen. Und das Risiko, es mit einem jungen zu versuchen, war für ein europäisches Orchester, das noch immer in Meister-Hierarchien denkt (siehe die zur Wahl stehenden Dirigenten) wohl doch zu groß.


    Daß Rattle zeitgenössische Werke einbindet und einzelne Komponisten (wie Brett Dean - war der nich ein Orchestermitglied der Berliner Philharmoniker...?) protegiert: Ja, das ist gut. So soll's sein. Und ich hoffe nur, daß er an deren Werken nicht so vorbeidirigiert, wie an Orffs "Carmina" oder an Messiaens "Eclairs" (zum Vergleich bitte Wit und Cambreling hören!) und "Turangalila".


    Es ist auch keineswegs so, daß ich Rattle aus tiefstem Herzen ablehne - ich bin nur sehr enttäuscht von ihm, weil ich mir aufgrund seiner frühen Jahre mehr erwartet hätte. Und was herausgekommen ist: Ein stromlinienförmiger Marktführer. Das ist mir etwas zuwenig.


    -------------


    Zitat

    Zitate Hans Sachs
    Und trotzdem geht es doch eigentlich ums Werk, oder? Karajan kanzelst Du ab, weil er selbst immer im Mittelpunkt stand, Rattle kreidest Du an, daß er das Werk in den Mittelpunkt stellst. Schon klar, Du glaubst ihm diese Geste einfach nicht.


    Ich habe sie ihm beim ersten Mal geglaubt. Habe das in einem Gespräch erwähnt, und hörte darauf: "Aha, wie in Salzburg bei ..." (das Werk habe ich vergessen). Dann beim nächsten Mal in Wien wieder dasselbe. Und wieder. Und wieder.
    Meines Erachtens ist auch das eine Methode, sich selbst ins Rampenlicht zu stellen.
    Wieso hat man eigentlich bei einem Abbado oder einem Boulez nie das Gefühl, ihre Auftritte wären eine Perswonality-Show...?


    Zitat

    Ich bin mir zwar auch sicher, daß das keine rein künstlerische Entscheidung war, aber trotzdem: kann er seine Meinung nicht auch einfach geändert haben?


    Du meinst, in jungen Jahren habe er die Verdoppelung der Hornstimmen grauenhaft gefunden und viel zu dick und überhaupt sei das alles schlecht instrumentiert, und etwas später kommt er drauf, daß im Vergleich zur Kohle, die eine "Sensationsaufnahme" der "Planeten" abwirft, die Instrumentierung gar nicht so dick sei?
    Abermals: Interessant finde ich die Kombination mit den neuen "Planeten"-Stücken. Aber insgesamt ist es für mich ein Fall von "non olet".


    Zitat

    Dann doch lieber Breitwand, was?


    Nein, in Ausgewogenheit.
    Boulez hat einmal gesagt: Der Dirigent sollte in jedem Moment eines Werkes wissen, woher er kommt und wohin er geht.
    Bei Rattle habe ich das Gefühl, er verharrt im Augenblick und liefert Stückwerk. Auch nicht immer. Aber öfter, als mir lieb ist.


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    ...
    Und das Risiko, es mit einem jungen zu versuchen, war für ein europäisches Orchester, das noch immer in Meister-Hierarchien denkt (siehe die zur Wahl stehenden Dirigenten) wohl doch zu groß.
    ...


    Hallo Edwin,


    an wen denkst du da?

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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