Alexander Tichonowitsch Gretschaninow wurde am 25. Oktober 1864 in Moskau geboren und starb am 3. Januar 1956 in New York.
Gretschaninow studierte am Moskauer Konservatorium Klavier, Kontrapunkt, Harmonielehre und Fugenkomposition u. a. bei Anton Arenski und Sergei Tanejew. 1890-1893 war er Kompositionsschüler von Nikolai Rimski-Korsakow in St. Petersburg. 1896 kehrte er nach Moskau zurück und beschäftigte sich vor allem mit Kirchenmusik. Er unterrichtete am Gnesin-Institut, schrieb für Zeitschriften und wirkte als Dirigent. Nach der Oktoberrevolution war Gretschaninow verstärkt in öffentlichen Funktionen tätig. 1925 zog er allerdings nach Paris, ohne jedoch mit den Sowjets zu brechen. Er unternahm von dort aus zahlreiche Konzertreisen. 1939 emigrierte er aufgrund der Kriegsbedrohung in Europa in die USA und wohnte bis zum Tode in New York. Von hieraus schrieb er mehrfach Kompositionen, die als Unterstützung für die Truppen der Roten Armee gedacht waren. 1946 erhielt er die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Die Musik Gretschaninows knüpft direkt an die seines Lehrers Rimsky-Korsakow an um dann später französische Einflüsse zu assimilieren.

Alexander Tichonowitsch Gretschaninow / Gretschaninoff/ Grechaninov (1864-1956)
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Den russischen Komponisten Alexander Gretschaninow/Grechaninov gilt es noch zu entdecken, er hat u.a. 5 Symphonien und 4 Streichquartette komponiert, darüber hinaus zahlreiche Kirchenmusikwerke.
Seine erste Symphonie entstand 1895 unmittelbar nach der Lehrzeit bei Rimsky-Korsakow und wurde von diesem auch uraufgeführt. Beim Anhören dieses prächtigen symphonischen Erstlings kommt einem unmittelbar der Gedanke, ob der UA-Dirigent dasselbe dachte wie zumindest dieser Hörer, nämlich dass der Schüler es offenkundig besser kann als der Lehrer. Jedenfalls lässt IMO diese Symphonie die drei des Lehrers was die Qualität der musikalischen Einfälle und das ganze symphonische Denken angeht deutlich hinter sich. Auch die von Balakirew. Und selbst bei Tanejew und Glasunow muß man schon die besten hervorholen, um ein vergleichbares Werk zu finden. Ein genialer Wurf, bei mir ab sofort unter den Top 10 der romantischen russischen Symphonien. Ob er das Niveau halten konnte, muß ich erst noch herausfinden, Nr. 2 und 3 sind auf dem Weg zu mir. Die exemplarische Einspielung in selbst für Chandos-Verhältnisse außergewöhnlicher Tonqualität tut alles, um den Hörer zusätzlich zu begeistern. -
30 Jahre nach der 1. Symphonie komponierte Gretschaninow seine 3. op. 100. Man kann nicht behaupten, dass sein Stil irgendeine Entwicklung durchgemacht hat, schon gar nicht eine, die das reflektiert, was in der Zwischenzeit musikalisch passiert ist. Auch finde ich die melodischen Einfälle hier weniger zwingend als in der 1. Die Symphonie ist nicht wirklich schlecht, aber doch keine notwendige Repertoireerweiterung. Das Chorwerk dürfte vor allem Liebhaber des russischen Chorgesangs ansprechen, kommt aber doch auch dem Bereich Sakralkitsch gefährlich nahe.
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Zitat
Jedenfalls lässt IMO diese Symphonie die drei des Lehrers was die Qualität der musikalischen Einfälle und das ganze symphonische Denken angeht deutlich hinter sich. Auch die von Balakirew. Und selbst bei Tanejew und Glasunow muß man schon die besten hervorholen, um ein vergleichbares Werk zu finden.
Das sind grosse Worte, lieber Lutgra.
Das sie die Sinfonie Nr.1 des Lehrers Rimsky-Korsakow hinter sich lässt, glaube ich Dir ungehört.
In der Klassik (und auch in anderen Musikbereichen) habe ich schon öfters die Erfahrung gemacht, dass ein Stück (Werk) TOP ist und der Rest eher so la la ... So scheint es hier auch zu sein, wenn man die Sinfonie Nr.3 betrachtet.
Im Prinzip sind die Russen mein Repertoire, dass ich gerne vervollständige. Weniger allerdings für den Hochpreis, der hier für die Chandos-CD´s angesagt ist. Ich habe mir aber die Sinfonie Nr.1 in dieser Aufnahme (günstig aus GB) bestellt. Sie soll ja auch klangtechnisch einwandfrei und auf hohem Niveau sein, was schonmal das erste Bonbon ist ... obwohl ich mit Polyansky eher mittelmässige Erfahrungen gemacht habe. Die Dritte jedenfalls probiere ich erst gar nicht aus.Es stellt sich die Frage wie die Naxos -Aufnahme mit den Sinfonien Nr.1 und 2 sein könnte ???
Auch Wildner und seine Orchesterauswahl steht erfahrungsgemäss nicht gerade für das, was den CD-Hörer "vom Hocker reisst". Die Erste ist mit dem Dirigenten Edlinger (?) aufgenommen. Die CD wäre für unter nem Euro zu haben ...warum wohl ...
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Die 2. Symphonie entstand um 1909, wurde jedenfalls in diesem Jahr vom Komponisten in Moskau uraufgeführt, mit welchem Erfolg, ist nicht überliefert. Das Werk trägt den Titel "Pastoral" und auf die kürzeren gelungenen Sätze 1 und 3 trifft das auch durchaus zu. Etwas aus dem Rahmen fällt dagegen der längste zweite Satz, ein Andante, das ein Seelendrama a la Tschaikowsky's Pathetique heraufbeschwört, das zu der Stimmung der beiden andern Sätzen nicht so richtig passen will, auch wenn der Satz eigentlich hörenswert ist. Leider völlig enttäuschend dann der IMO uninspirierte Schlußsatz, der langweilige Themen durchnudelt und mich gar nicht überzeugt hat. Schade. So bleibt es dann wohl doch nur bei einem genialen Erstling. Ungeschickt in meinen Augen auch, dass jede Symphonie mit einem Chorwerk gekoppelt ist, das zumindest für mich verzichtbar wäre.
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astewes
Hat das Thema aus dem Forum KOMPONISTENFORUM für KLASSIK und ROMANTIK nach KOMPONISTENFORUM der MODERNE verschoben -
Ich habe - in Aufarbeitung meiner ungehörten CD-Bestände (einige 100 Stück) mein originalversiegeltes Exemplar herausgefischt , ausgepackt, in den Player gelegt und die erste Sinfonie angehört. Ich kann der Aussage von "Fanfare" "The Performance of the first Symphony is splendid on all counts" nur bedingungslos beipflichten. Es handelt sich hier um ein saftig-farbenfrohes Werk mit russischem Grundton, ein wenig an Tschaikowski erinnernd, mit wirksamer Orchestrierung, eindrucksvoll plakativ - teilweise schreiend - und gleichzeitig lieblich-geheimnisvoll und auch stellenweise volkstümlich eingängig. Obwohl es sich offenbar um eine Wiederauflage einer alten "Marco Polo" CD aus dem Jahre 1989 handelt ist die Tontechnik überzeugend bis großartig. Die CD ist inzwischen gestrichen. Dieses Schicksal teilt sie mit zahlreichen Naxos CDs, die, aufbauend auf einer alten Marco Polo Aufnahme, kaum mehr verkäuflich waren. Naxos ist nun auch mit der Gegenwart konfrontiert und kann sein Repertoire nicht bis in alle Ewigkeit aufrecht erhalten (was schade ist)
Abschreckend für Interessenten mag neben der mehrfach unterschiedlichen Schreibweise des Namens auch die Tatsache sein, daß der Komponist in keinem der beiden (angeblich) federführenden Konzertführer auch nur mit einem Wort erwähnt wird. Sowas macht mißtrauisch
Was zu beweisen war: Es handelt sich um eine ursprüngliche Marco Polo Aufnahme. Hier bei youtube via Kopfhörer ist die Aufnahme nur als müder Abklatsch zu hören. Die Dynamik ist bei mit daheim via Lautspreche wesentlich dynamischer- vorausgesetzt man hört mit ausreichender Lautstärke...
mfg aus Wien
Alfred
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Alexander Gretschaninow ist ein etwas merkwürdiger Fall. Nach meiner Beobachtung spielt er im Konzertleben bis heute überhaupt keine Rolle. Selbst in Russland kennt man ihn vorrangig als Komponisten geistlicher Werke, während sein übriges Œuvre merkwürdig im Schatten steht. Geboren 1864, gehörte er zur selben Generation wie Alexander Glasunow und Jean Sibelius. Mit letzterem teilt er sich beinahe exakt die Lebensdaten, ersteren überlebte er um 20 Jahre. Wieso aber Glasunow als Sinfoniker in Russland so ungleich beliebter ist, lässt sich wohl auch durch die Vita Gretschaninows erklären. Der jungen Sowjetunion kehrte dieser bekanntlich 1925 den Rücken zu und ging zunächst nach Frankreich, 1939 dann in die Vereinigten Staaten. Das goutierte man sowjetischerseits offenbar durch weitgehendes Ignorieren. Erst 1977 spielte das Staatslabel Melodia eine Sinfonie von Gretschaninow offiziell ein, nämlich die Vierte unter Algis Žiūraitis. Erst nach der Wende brachte Olympia dann eben diese Einspielung sowie eine nie auf LP gelangte Rundfunkproduktion der 2. Sinfonie unter Eduard Tschiwshel von 1983 auf CD heraus (s. o.). Dieser Dirigent verantwortete zudem eine Aufnahme der 1. Sinfonie, die wohl nur digital bei Denon zusammen mit den beiden anderen herausgekommen ist. Am meisten hat sich der hier schon mehrfach erwähnte Waleri Poljanski bei Chandos um Gretschaninow bemüht. Er legte die einzige Gesamteinspielung der fünf vollendeten Sinfonien vor. Marco Polo bzw. Naxos spielte die ersten beiden ein. Das war es dann diskographisch auch. Dabei gäbe es noch mehr an Orchestermusik aus seiner Feder, darunter Ouvertüren und Bühnenmusiken.
Diese Missachtung des Komponisten verstehe ich nicht, nachdem ich die oben gezeigten Werke gehört habe. Die 4. Sinfonie, die als letzte noch in Russland entstand, ist ein voll ausgereiftes spätromantisches Werk, das man kaum auf 1923/24 datieren würde. Auch die 2. Sinfonie, die ich deutlich günstiger beurteile als im bisherigen Threadverlauf geschehen, braucht keine Vergleiche zu scheuen. Hier klingt deutlicher die Nähe zu Borodin an. Beide können sie für meine Begriffe locker mit den Sinfonien von Glasunow mithalten.