Aktive Pianist(inn)en unserer Tage: Yuja Wang

  • Hallo,


    ein Virtuose macht sein eigenes Ding, er zeigt seine persönlichen Fähigkeiten am Instrument,


    das Werk an sich spielt eine untergeordnete Rolle, ist Mittel zum Zweck, es geht in erster Linie um den Interpreten.


    Das ist eine eigenständige künstlerische Darbietung, die es für sich zu betrachten gilt.



    Was den asiatischen Nachwuchs betrifft, sehe ich entweder beliebige Namenlosigkeit oder übertrieben kokettes Auftreten. Spielen können sie alle, was fehlt, ist die innere Haltung und Reife.


    Persönlichkeiten wie Zhu Xiao-Mei, die mit einer beispielhaften Demut ihr tiefes Verständnis für Bach erkennen läßt,

    sollten Vorbild sein.


    Es grüßt


    Karl

  • Zitat von Thomas Pape

    Nur so am Rande bemerkt: mir graust es auch bei jeder Aufnahme, die ich bislang von Roger Norrington gehört habe. Da sind dann halt Geschmäcker verschieden.

    Zitat von Dr. Holger Kaletha

    Sowas ist auch nicht unbedingt mein Fall.

    Das kann ich so nicht stehen lassen, meine Herren. Ich habe Roger Norrington am 24. Oktober 1997 kennenglernt, als die Bamberger Symphoniker in einem Festkonzert unter seiner Leitung bei uns in Coesfeld in der Stadthalle anlässlich des 50jährigen Bestehens des Konzertrings Coesfeld Beethovens 3. Klavierkonzert und anschließend die Eroica aufführten. Solist war Christian Zacharias. Gleichzeitig war dieses Konzert ein bedeutender kultureller Beitrag zum 800jährigen Jubiläum der Stadt Coesfeld, und es war ein grandioses Konzert. So etwas prägt, und ich begann damals meine nun schon etwas umfangreichere Diskographie mit Aufnahmen Sir Rogers aufzubauen.

    Ich will damit nicht sagen, dass ich alles gut finde, was er dirigiert hat. Zum Beispiel hat er in der Neunten Beethoven (AD 1986-88) das Adagio in 11:08 Minuten dirigiert. Das geht in meinen Augen gar nicht. Aber der "große Rest" der neun Symphonien hat mich in seiner Interpretation durchaus überzeugt. Ebenso, was ich an Mozart, Schubert und Mahler bisher von ihm habe. Zuletzt sind Schumann, Berlioz und Brahms bei mir einegtroffen (natürlich in Aufnahmen von Norrington^^), und die dazu gehörigen Hörschnipsel waren mehr als vielversprechend. Momentan gibt es von ihm (vor allem bei JPC) so viel auch zu günstigen Preisen, weil er ja am 16. März 85 Jahre alt geworden ist.

    Soviel vorerst aus meiner Sicht zu Norrington!


    Liebe Grüße


    Willi:)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zitat von Karl

    Persönlichkeiten wie Zhu Xiao-Mei, die mit einer beispielhaften Demut ihr tiefes Verständnis für Bach erkennen läßt,

    sollten Vorbild sein.

    Zhu Xiao-Mei, lieber Karl, oder die nun auch schon 46jährige Japanerin Nami Eijiri, sowie natürlich auch die ebenfalls aus der Richtung der aufgehenden Sonne stammende Dame Mitsuko Uchida, kommen in meinem Thread über die B-dur-Sonate D.960 von Franz Schubert noch zu Wort, was allerdings noch etwas dauert.


    Liebe Grüße


    Willi:)


    P.S. Der Vorname von letzterer Dame war ja in den letzten Tagen viel im Fernsehen zu hören, da auch die emeritierte japanische Kaiserin so heißt.

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Das kann ich so nicht stehen lassen, meine Herren.

    ^^ Das bezog sich bei meiner unbedachten Bemerkung, lieber Willi, auch eher auf HIP-Extremismen allgemein als auf Norrington, der sicher viele sehr schöne Aufnahmen gemacht hat.


    Liebe Grüße

    Holger

  • Auch hier, lieber Will, halte ich fest, dass er für meinen Geschmack viel zu schnell spielen lässt. Da kommt bei mir vom Werk nichts an, und ich greife lieber zu Furtwängler oder Kna. Oder Böhm (hoffentlich werde ich jetzt nicht verhauen). Geht mir übrigens ähmlich mit der Sonaten-GA Beethovens von HJLim. Das kann man sich leise im Hintegrund anhören, zumal sie sehr präzise spielt, aber nach dem Resonanz-Mehrwert der Aufnahme fahnde ich noch. Aber wir schweifen ab. Hier geht's ja eigentlich um Yuja Wang.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

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  • Hallo Willi,


    es würde mir sehr helfen, wenn du diese Aufnahme mit


    Lewis


    in deinen Thread mitaufnehmen und speziell mit Zhu Xiao-Mei vergleichen könntest.


    Nette Grüße


    Karl

  • Zitat von Thomas Pape

    Geht mir übrigens ähmlich mit der Sonaten-GA Beethovens von HJLim

    Lieber Thomas, ich kenne diese Dame überhaupt nicht, und als ich sie ben gegoogelt habe, war als erstes Hör- und Sehbeispiel die Monschein-Sonate, Kopfsatz, angegeben. Ich habe kurz reingehört und kann deine Ansicht voll untestützen. Das ist viel zu schnell und zudem im temporalen Ablauf sehr unrythmisch. Das fließt nicht so, wie es soll. Da lohnt sich, wenigstens momentan noch keine Beschäftigung.

    Lieber Karl, selbstverständlich habe ich Paul Lewis in meiner Schubert-Sammlung und natürlich auch mit der B-dur-Sonate. Es wäre ein großer Fehler, wenn man den Brendel-Schüler Paul Lewis nicht mit in diese Sammlung aufnehmen würde. Wenn ich bei Paul Lewis angelangt bin, werde ich mal vermerken, dass ich zum Vergleich auch Zhu Xiao-Mei höre.


    Liebe Grüße


    Willi:)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Reifezeugnis intellektueller Einfühlsamkeit: Yuja Wangs Berliner Konzert


    (The Berlin Recital DGG 2018)




    Einen Künstler – besonders eine junge und auch noch attraktive Künstlerin – mit Lobeshymnen zu überschütten, kann auch zum Fluch des Auffälligen werden, der mit dem Oberflächenglanz von Starruhm verbunden ist. Im Lichte des Starrummels nimmt die Kritik gerne zwei Rituale an: Entweder wird im Lichte des blendenden Erfolgs die eigentliche künstlerische Leistung über Gebühr zur Sensation hochgejubelt, oder aber das frisch aufgebaute Denkmal vom Sockel gestürzt, die Popularität als Blendwerk, als Missverhältnis von Ruhm und künstlerischer Leistung, entlarvt. Beides ist bei Yuja Wang völlig unangebracht. Es gilt vielmehr, dem Phänomen Yuja Wang gerecht zu werden, was Respekt und Bewunderung ebenso einschließt wie die kritische Analyse. Manchmal ist es so, dass gerade nicht der Jubel, sondern die kritische Distanz das Großartige einer künstlerischen Leistung enthüllt. Und genau das führt zum „Kern“ des Phänomens Yuja Wang.


    Beginnen wir mit der Bewunderung: Beeindruckend bei Yuja Wang ist ihre Uneitelkeit, die Reflektiertheit, dass sie es nicht nötig hat, irgendwelche Show-Effekte zu präsentieren, sondern sich statt dessen ganz der Musik hingibt: Es gibt keine überdrehten Tempi, keinerlei Zirkus-Virtuosen-Allüren. Das ist wahrlich ein Reifezeugnis einer jungen Musikerin, die sich längst zur ernsthaften und Ernst zu nehmenden Interpretin gemausert hat. Doch das Großartige bei Yuja Wang ist nicht eigentlich das, was sie ohne Zweifel kann, sondern wie sie klug umgeht mit dem, was sie nicht kann. Die junge Chinesin ist ein zartes Persönchen, welche von ihrer Statur her nicht über die Physis der großen russischen Klaviertitanen verfügt. Sie hat eben nicht die „Pranke“, um bei Rachmaninow zuzulangen. Aber das braucht sie auch gar nicht. Sie kompensiert dies mit ihrer Spritzigkeit und Energie, ihrer Lebendigkeit und Fähigkeit, zu kontrastieren, zu charakterisieren. Sie hat verstanden: Auf die Wirkung kommt es an, die Musik zum Leben zu erwecken, und dazu braucht man nicht unbedingt die Kraftakte der russischen Pianistenschule. Es ist immer wieder beeindruckend, wie ökonomisch klug und wohldosiert sie ihre Kräfte einsetzt.


    Aber nicht nur die physische Seite ist eine Grenze, die sie mit Klugheit und großer Intelligenz überwindet. Die andere Grenze ist diejenige, welche mit ihrer kulturellen Herkunft, der Zeit, in die sie hineingeboren wurde sowie ihrer Jugend zu tun hat. Rachmaninows eigentümliche Sentimentalität, der tiefe Weltschmerz, die Schmermütigkeit des Verlustes seiner russischen Heimat, all das bleibt der jungen Weltbürgerin Yuja Wang im Grunde fremd. Das ist eine emotionale Konstitution, die sie einfach von ihr selbst her nicht mitbringt und nicht mitbringen kann. Deswegen habe ich meine Besprechung mit „Reifezeugnis intellektueller Einfühlsamkeit“ überschrieben. Einfühlung ist die Fähigkeit, sich in ein Anderes und Fremdes einleben zu können, sozusagen „von außen“ in eine Welt eindringen zu können, welche nicht die eigene ist. Und wenn die Gefühlslage mangels gemeinsamer Erlebnisbasis nicht die einer Einsfühlung ist, sondern die Kluft überwinden muss zu einem Erleben, das dem eigenen Weltgefühl so gar nicht entspricht, dann geschieht dies nicht ohne Beteiligung des reflektierenden Intellekts. Yuja Wang versteht Rachmaninows Weltschmerz und lebt sich in dessen Welt ein, wobei sie ihn zugleich mit ihrer eigenen Lebensperspektive vereinnahmt: Da wird das Schwere der Schwermut zu inniger Empfindsamkeit erleichtert und damit nicht etwa vollständig reduziert, sondern statt dessen ganz und gar unemphatisch präsentiert und genau deshalb so authentisch: Würde sich die frische und unverbauchte Jugend in die Empfindungswelt überalterten, in Weltschmerz vergabenen Alters verwandeln wollen, so wäre dies eine Lebenslüge. Ehrlich und aufrichtig präsentiert die junge Chinesin Rachmaninow Empfindungswelt so, wie sie sich ihrer Empfindsamkeit erschließt: einfühlend, mitfühlend – Rachmaninow, versetzt in die Erlebniswelt einer jugendlichen Seele, welche mit dessen Alterssentimentalität Kontakt aufnimmt, ohne ihr sklavisch zu verfallen. Diese Transformation intellektueller Einfühlung, welche Nähe aus der Distanz erreicht, gelingt Yuja Wang einfach ganz großartig! Zudem beeindruckt ihr wacher analytischer Verstand, die spätromantische Komplexität dieses Klaviersatzes vorzuführen, Rachmaninows Musik also nicht im bloßen „Gefühl“ zu ertränken. Dabei hat sie Sinn für das Dämonische, Diabolische von Rachmaninows Musik. Erstaunlich, welche emotionale Reife sie da mitbringt!


    Eine solche geglückte Grenzüberschreitung bezeugt auch ihr Vortrag von Scriabins letzter, der 10. Klaviersonate, die sie klug in den musikgeschichtlichen Zusammenhang mit Ligetis Etüden stellt. Scriabins Exzentrik, seine Hyperbolik übersteigerter Subjektivität, sein Hang zur Metaphysik und Mystik, der sich in Exzessen von „Extasen“ auslebt, ist etwas, wozu ihr jugendliches Gemüt im Grunde zu „unschuldig“ ist. Scriabins Blumen des Bösen, sie verwandeln sich in Yuja Wangs Einfühlung so zu blühenden Empfindungen einer lauteren Seele. Ungemein intelligent ausgestaltet, klangschön und technisch perfekt verwandelt sie Scriabins Musik deshalb in reine Lyrik und eine Ligeti nahekommende Moderne: Musik, die nur noch reine Musik sein will in der Wahrnehmung von klanglichen Strukturen und rhythmischen Gestalten: ein l´art pour l´art von Musik, das wie John Cage es forderte nichts mehr „bedeutet“, sondern nur noch Musik „sein“ will. Auch das ist wiederum authentisch, eine Musik, die in der Verwandlung in das eigene Erleben der Künstlerin zum Leben erweckt wird, aber in dieser Transformation sich eben auch verwandeln muss.


    An den Schluss ihres ungemein anspruchsvollen Programms stellt die junge Chinesin Prokofieffs lyrisch-monumentale 8. Klaviersonate von 1944. Ihre große lyrische Begabung gibt Yuja Wang hier die Eintritttskarte in diese düstere, mystisch verklärende Exposition des Kopfsatzes von Prokofieffs wohl bedeutendster Klaviersonate: Sie, welche die Zerstörungsgewalt eines Weltkriegs nie erlebt hat, gibt dieser Kriegssonate durchaus Gewicht, Nachdenklichkeit. Was ihr jedoch in ihrer jugendlich-unschuldigen einfühlsamen Empfindsamkeit dann doch entgeht und entgehen muss ist die immanente Dialektik von reiner, zarter Lyrik als Kehrseite der Erfahrung des Monströsen und Entsetzlichen: Hat man etwa Emil Gilels im Ohr, dem Prokofieff diese Sonate widmete und der sie auch uraufführte, dann fehlt Yuja Wangs Lyrismus das Grüblerische, tief Versunkene, der Anflug von leiser Trostlosigkeit in der Erfahrung eines Zwecklos-Schönen. Die Bassschläge in der Durchführung des Kopfsatzes, die bei Emil Gilels im Konzert wie Bombeneinschläge klingen, sie bleiben doch etwas harmlos bei Yuja Wang, mehr intellektuell nachgefühlt als wirklich mitgefühlt. Das Intermezzo, die kleine Ballettszene in der Mitte dieser Sonate, sie ist zwar wiederum einfühlsam im Charakter getroffen. Doch Yuja Wangs Einfühlung nimmt sie statt charakteristisch scharf wie der Strich eines Holzschnitts empfindsam und „weich“ abtönend. Man vermisst hier die gewisse Trockenheit, Schärfe, Prokofieffs klassizistische Distanz einer Bildhaftigkeit, welche diese Idylle zu einem Irrealen, nur Suggestiven werden lässt, das wirklicher als die Wirklichkeit sein will und sich genau darin als unwirklich, ein bloß schöner Traum angesichts des Entsetzens, erweist. Im motorischen Finale zeigt Yuja Wang treffsicher charakterisierend Biss und Grimm. Doch da, wo sich dann das eigentliche Drama ereignet, im Durchführungs-Mittelteil, wo die Motorik erstarrt, der Lebenstanz des großen Ballettliebhabers Prokofieff zu einer Tänzerin wird, die mehr und mehr zur Salzsäule erstarrt, wirkt sie zu intellektuell und deswegen ein wenig harmlos im Ausdruck. Yuja Wang entgeht hier die Verdichtung einer Motorik, die sich in Bewegungslosigkeit festrennt, wie das Rad eines Automobils, das im Sand stecken bleibt und sich beim permanenten Gasgeben, statt vom Fleck zu kommen, nur um so tiefer eingräbt. Nicht zuletzt kommt in dieser Erstarrung die Erinnerung an die düstere Lyrik des Kopfsatzes auf, eine tote Welt vollkommener Zerstörung, die im schönen Augenblick sich versenkend stillsteht, weil sich nichts mehr lebend bewegt. Hier vermisst man bei der jungen Chinesin dann doch den letzten Tiefgang, die Erkenntnis in die Tragik dieses Finales. Und in der Schlussapotheose der Motorik fehlt ihr letztlich die titanische Kraft, um diese Musik auch dynamisch noch einmal über sich hinauszuheben.


    Das Publikum reagiert mit begeistertem Beifall – und man muss mit Blick auf diese Gesamtleistung sagen: zu Recht! Auch wenn dieser Vortrag von Prokofieffs Sonate nicht an die ganz großen Aufnahmen von Emil Gilels, Svjatoslav Richter oder Grigory Sokolov heranreicht, so zeigt sich hier Yuja Wangs Fähigkeit, das eigentlich nicht zu Bewältigende doch zu bewältigenden mit ihrer weltbürgerlichen Fähigkeit zu intellektueller Einfühlung in das Emotional-Fremde, das sie so mit neuem, „jungem“ Leben erfüllt und dem Zuhörer wie ein verschossenes Buch aufzuschließen vermag. Yuja Wang schafft es, sowohl die räumliche Distanz als auch die Zeitdistanz schwinden zu lassen und auf diese Weise Menschen dieser und vergangener Generationen im Erleben von Musik zusammen zu bringen. Genau das ist aber die Aufgabe und Würde des Interpreten von klassischer, zum größten Teil vergangener Musik. :) :) :)


    Schöne Grüße

    Holger

  • Lieber Holger,


    ein fesselnder Bericht über Klaviermusik, die mir noch nicht so geläufig ist wie die Werke eines Ludwig van Beethoven oder eines Franz Schubert. Aber wie du die Vollblutmusikerin beschreibst in ihren Fähigkeiten und vor allem in ihrer Geisteshaltung, in der Art, wie sie Musik lebt, davon kann ich jedes Wort unterstreichen, auch, wenn ich daran zurückdenke, wie ich sie vor 8 Wochen in Dortmund mit Ravels Konzert für die linke Hand und mit Schostakowitschs F-dur-Konzert op. 102 erlebt habe.

    Ich bin dabei, mir das russische Klavierrepertoire als Hörer weiter zu erarbeiten, und was kann schöner sein, als es von einer derart talentierten und in ihrer musikalischen Bildung und Ausbildung schon herausragenden Musikerin vermittelt zu bekommen oder von einem äußerlichen Gegenpart wie Grigory Sokolov, der übrigens am 6. April 2020 wieder nach Köln kommt, zwei Tage vor seinem 70. Geburtstag: Vorverkaufsbeginn an Nikolaus!!


    Liebe Grüße


    Willi:)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich bin dabei, mir das russische Klavierrepertoire als Hörer weiter zu erarbeiten, und was kann schöner sein, als es von einer derart talentierten und in ihrer musikalischen Bildung und Ausbildung schon herausragenden Musikerin vermittelt zu bekommen oder von einem äußerlichen Gegenpart wie Grigory Sokolov, der übrigens am 6. April 2020 wieder nach Köln kommt, zwei Tage vor seinem 70. Geburtstag: Vorverkaufsbeginn an Nikolaus!!

    Lieber Willi,


    das ist sehr verlockend! Yuja Wang möchte ich auch hören, wenn sich die Gelegenheit bietet! :hello:


    Liebe Grüße

    Holger

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  • Lieber Holger, lieber Willi,


    ich möchte gerne ein weiteres, fulminantes Konzertdokument mit Yuya Wang einstellten, das einerseits Holgers äußerst lesenswerte Ausführungen in gewisser Weise illustriert, denn ich denke, dass vielen von dem, was Du ausgeführt hast, auch anhand dieses Videos deutlich wird:


    die intellektuelle Reife, die stupende Technik, die nie Selbstzweck ist, und immer der gestalterischen Intelligenz und enormen Ausdruckskraft dient. Diese schwierigen Harmonien, Läufe, Sprünge meistert sie mühelos, integriert diese Kaskaden jedoch mit dem Orchesterklang in einen so einheitlichen, geschmeidigen, organischen Fluss, dass es einem den Atem raubt. Aber auch die schwermütig-lyrischen Momente, die nachdenklich-innerlichen, so seltsam-verspielten Melodien gibt sie mit großer Einfühlung und Hingabe wieder. Alles in allem, wie ich finde, ein enormes Dokument, das ich zu meinen Favoriten zähle, was Prokofievs Drittes Klavierkonzert angeht, zumal auch das Royal Concertgebouw Orchestra unter Daniele Gatti keine Wünsche offen lässt, und auch die Ton- und Bildtechnik des niederländischen Rundfunks ausgezeichnete Qualität bietet.

    Für Dich, lieber Willi, daher vielleicht auch ein schöner Fund, da Du ja schriebst, Dir das russische Klavierrepertoire noch mehr erschließen zu wollen.



    liebe Grüße

  • Alles in allem, wie ich finde, ein enormes Dokument, das ich zu meinen Favoriten zähle, was Prokofievs Drittes Klavierkonzert angeht, zumal auch das Royal Concertgebouw Orchestra unter Daniele Gatti keine Wünsche offen lässt, und auch die Ton- und Bildtechnik des niederländischen Rundfunks ausgezeichnete Qualität bietet.

    Ja, lieber Don! Das spielt sie fulminant! Und auch das Orchester ist toll! Pikant: Da dirigiert Daniele Gatti, den sie inzwischen wegen der Anschuldigung von sexueller Belästigung in Amsterdam gefeuert haben. Yuja Wang hat sich auch zu dem Thema geäußert in einem Interwiev, das ich gelesen habe, dass sie von MeToo überhaupt nichts hält, nach dem Motto: Wenn ich nicht berührt werden will, dann gehe ich da gar nicht erst hin! Sie ist eine sehr eigenständige und selbstbewusste Frau - andere Frauen, die sich in einem Abhängigkeitsverhältnis befinden, haben diese Eigenständigkeit aber leider nicht, um sich solch eine Meinung leisten zu können, darf man da doch kritisch anmerken. Das hat sie mit solchen sehr auf ihre eigene Person bezogenen Äußerungen schlicht ausgeblendet. :hello:


    Einen schönen Sonntag wünscht

    Holger

  • Dringend zu empfehlen: die Aufzeichnung der BBC (bbcradio3) des Konzertes vom 05.09. in der Royal Albert Hall. Yuja Wang und die Staatskapelle Dresden spielen Rach.3

    "How piano can be played" - hier kann man es erleben. Welch eine Weiterentwicklung der Pianistin, wenn man zum Vergleich die Aufnahme (mit ebenfalls den Dresdnern) von 2012 heranzieht.

  • Ich habe das Konzert letzten Sonntag in Dresden gehört. Es war atemberaubend. Von fehlender Musikalität, die ihr oft unterstellt wird, keine Spur. Als eine von zwei Zugaben hat sie übrigens noch die Carmen-Variationen von Horowitz/Bizet gespielt.

  • Die Carmen-Variationen hat sie auch gespielt, als ich sie vor zwei Jahren in der Elbphilharmonie mit Brahms 1 erlebte. Begleitet wurde sie damals von Yuri Temirkanov und seinem St. Petersburger Orchester.


    Liebe Grüße


    Willi:jubel:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Na, das hört sich doch alles prima an!


    Umso mehr freue ich mich auf Freitag. Dann nämlich spielt Wang die KK 1+2 von Schostakowitsch mit dem NDR-Elphi-Orchester unter dem neuen Chef Alan Gilbert, dessen offiziellen Antritt mit einem interessanten Programm ich vorgestern in der Elphi verfolgen durfte.


    Jedenfalls erwarte ich von Wang nichts weniger als ein mitreißendes Feuerwerk, was sonst. Schön, wenn die Erwartungen hoch sein dürfen. :jubel:

  • Habe Wang in der Elphi am Freitag mit Schostakowitsch op.35 und op.102 gehört. Mein Eindruck: Extraklasse. Dem Letzteren hatte ich vor Monaten schon mal an gleicher Stelle mit gleichem Orchester und Anna Vinnitskaya (Karte für deren Solo-Recital im nächsten Jahr liegt bereit) gelauscht und war SEHR angetan. Aber Wang war nochmal eine andere Nummer - zum Zungeschnalzen. Ich habe im Moment keine Zeit, da differenziertere Worte zu schreiben, aber Klarheit und Sinnlichkeit ergänzen sich auf schönste Weise bei ihr. Ihre linke Hand kam MONSTERmäßig gut - welche Ausdruckskraft! Ihre rechte ist aber auch nicht schlecht. :)

  • Lieber Holger,


    nach längerer Pause habe ich wieder mal im Forum vorbeigeschaut. Dabei hat mich besonders Deine überaus gescheite und tiefgründige Würdigung von Yuja Wangs Schostakowitsch, Rachmaninow u.a. gefesselt.

    Der Versuch, dieser Ausnahmepianistin "gerecht" zu werden, zeichnet sich gerade dadurch aus, daß Du auch in dem, was sie nicht "kann", noch die überaus seriöse und unbestechliche Künstlerin am Werke siehst. "In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister"...


    Ich stehe ja "psychologisierenden oder philosophischen" Kritiken musikalischer Darbietungen sehr skeptisch gegenüber. Wenn von "fehlender Tiefe" z.B. die Rede ist, stellt sich mir die grundsätzliche Frage: Was ist das in der Musik und - vor allem - wie mach man sie oder ihr Fehlen intersubjektiv mitteilbar. Da bleibt doch stets nur der Vergleich mit anderen Interpreten, und da kommt man letztlich zu reinen Geschmacksurteilen.


    Da sich Musik ans Gefühl wendet, ist man allzu leicht versucht, die eigenen Empfindungen für objektiv in dem Gehörten vorhanden und nachweisbar zu halten. Man möchte über seine Gefühle sprechen, auch um zu einer Beurteilung, sei sie positiv oder negativ, zu kommen. Es ist nicht leicht, zu erkennen, daß man alles selbst hinzufügt. Willi hat in seiner Besprechueng der Hammerklavier den meiner Meinung nach allein nachvollziehberen Weg beschritten.


    Etienne Barilier (der den von Yuja inspirierten Roman "China am Klavier" geschrieben hat):

    La musique n'est rien que la musique. - Damit werden sich allerdings die wengisten zufriedengeben...

    Liebe Grüße und weiterhin viel Freude an Yuja Wang und ihrem Weg in immer neue Gefilde

  • Yuja Wang und "me too"


    Lieber Holger, Yuja hat in einem langen Interview mit der SZ zu "me too" Stellung bezogen. Sie findet es albern und lächerlich.

    Dabei hat sie sich durchaus nicht nur auf sich und ihre unabhängige Stellung bezogen. Sie hat eingeräumt, daß z.B. eine Schauspielerin keine Rolle bekommen könnte, wenn sie sich verweigert. Also wie immer: realistisch und nüchtern.

  • Der Versuch, dieser Ausnahmepianistin "gerecht" zu werden, zeichnet sich gerade dadurch aus, daß Du auch in dem, was sie nicht "kann", noch die überaus seriöse und unbestechliche Künstlerin am Werke siehst. "In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister"...

    Lieber Kratzbaum,


    genau das meine ich auch. :) Ich wollte ganz bewusst solche klischeehaften Beschreibungen vermeiden, die entweder in eine Jubelpose verfallen oder alles bemäkelnd zerfläddern. Wenn mir das ein wenig gelungen ist, freut mich das! :)

    Ich stehe ja "psychologisierenden oder philosophischen" Kritiken musikalischer Darbietungen sehr skeptisch gegenüber. Wenn von "fehlender Tiefe" z.B. die Rede ist, stellt sich mir die grundsätzliche Frage: Was ist das in der Musik und - vor allem - wie mach man sie oder ihr Fehlen intersubjektiv mitteilbar. Da bleibt doch stets nur der Vergleich mit anderen Interpreten, und da kommt man letztlich zu reinen Geschmacksurteilen.

    Es ist einfach schwierig, über Musik und musikalisches Erleben die richtigen Worte zu finden. Aber man sollte es versuchen finde ich und sich dabei bemühen, nachvollziehbare Argumente zu bringen. Gefühle kann man ja auch so wiedergeben, dass der Andere sie versteht. Geschmacksurteile sind immer geprägt von den eigenen Erlebnissen - aber deshalb nicht beliebig. Sonst könnten wir dieses Forum einfach zumachen! ^^

    Da sich Musik ans Gefühl wendet, ist man allzu leicht versucht, die eigenen Empfindungen für objektiv in dem Gehörten vorhanden und nachweisbar zu halten. Man möchte über seine Gefühle sprechen, auch um zu einer Beurteilung, sei sie positiv oder negativ, zu kommen. Es ist nicht leicht, zu erkennen, daß man alles selbst hinzufügt.

    Das ist auch theoretisch ein altes Problem - die Aporien der Einfühlungstheorien. Aber ich finde schon, dass Gefühlsinhalte zum "Objekt" gehören. ich vergleiche das immer mit der Mimik eines Clowns. Wir können die traurige Miene als Ausdruck des Gesichts unterscheiden von den traurigen Empfindungen, die sie in uns auslöst. Ich muss nicht selber traurig gestimmt sein, um etwas als traurig zu verstehen. Genauso gehört der traurige Ausdruck zur traurigen Melodie und ist nicht etwas in uns.

    Etienne Barilier (der den von Yuja inspirierten Roman "China am Klavier" geschrieben hat):

    La musique n'est rien que la musique. - Damit werden sich allerdings die wengisten zufriedengeben...

    Bei mancher Musik stimmt das schon - bei Mahler z.B. aber nicht! ;)

    Lieber Holger, Yuja hat in einem langen Interview mit der SZ zu "me too" Stellung bezogen. Sie findet es albern und lächerlich.

    Dabei hat sie sich durchaus nicht nur auf sich und ihre unabhängige Stellung bezogen. Sie hat eingeräumt, daß z.B. eine Schauspielerin keine Rolle bekommen könnte, wenn sie sich verweigert. Also wie immer: realistisch und nüchtern.

    Das habe ich auch gelesen - ich finde MeToo eine sehr zwiespältige Sache. So eine selbstbewusste kritische Stimme wie die von Yuja Wang ist angesichts mancher mehr als fragwürdiger Erscheinungen des MeeToo-Populismus einfach nötig!


    Ich hoffe, Du bleibst uns als ständiges Mitglied erhalten! :hello:


    Schöne Grüße

    Holger

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  • Was Yuja Wang meiner Meinung nach auch so "besonders" macht, ist ein ausgeprägtes "mimetisches" Moment in ihren Interpretationen. Wenn sie Petruschka oder "Gretchen" spielt, dann "ist" sie währenddessen die symbolisierte Person.

    "As if I were the composer..." oder "I have that in my bloodcells..."


    Beim "Gretchen" kann man diese An(verwandlung) förmlich sehen, wenn sie am Ende einige Sekunden braucht, um aus der Versenkung wiederaufzutauchen und in die Wirklichkeit des Konzertsaals samt Publikum zurückzufinden.

    Überhaupt sagt ihre Mimik zusätzlich etwas über das Werk bzw. ihre Empfindungen.


    Auch ihre ausgefallenen Kleider sind eine Verkleidung, eine Kostümierung.