Elbphilharmonie - mein Wunschzettel an MSchenk

  • Durch einen Beitrag in einem anderen Thread bin ich auf folgende hübsche Frage (die vielleicht aber auch nur für Taminos interessant ist, die bereits in der Elbphilharmonie gewesen sind) gekommen:


    Welchen Dirigenten (oder auch Solisten) hättet ihr gerne noch im Großen Saal der Elbphilharmonie erlebt?


    Bei mir sind es ganz klar Günter Wand und Michael Gielen.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Toscanini und Furtwängler! :D

    Ich hätte es wohl präziser fassen müssen :untertauch: Ich dachte eher an Dirigenten bzw. Musiker die man selbst noch erlebt hat (und so alt bist Du nicht, lieber Stimmliebhaber :hello:). Beispielsweise könnte ich mir vorstellen, dass die akustischen Verhältnisse der Elbphilharmonie einem eher analytischen, weniger "romantischen" Ansatz (auch z.B. durch die kurze Nachhallzeit) eher entgegenkommen, als einem "legato-orientierten" Klang. Insofern wäre sicher auch Karajan interessant, den ich selbst allerdings nie Live gehört habe. Andererseits ist Thielemann (den ich ebenfalls noch nicht live gehört habe, den ich aber auch entgegen anders tönender Meinungen nicht automatisch mit Furtwängler oder Karajan "in einen Topf" werfen will) bereits in der Elbphilharmonie gewesen und wohl ziemlich gut zurecht gekommen..

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Insofern, Michael: Falls du Lust hast: Könntest du mir den Verzicht noch ein bisschen schwerer machen und etwas darüber schreiben, was ich heute Abend womöglich verpasse? ;)

    Diesem Wunsch will ich an dieser Stelle gerne nachkommen:


    Olivier Messiaen, Trois petites liturgies de la présence divine


    Dmitrij Schostakowitsch, Symphonie Nr.13 b-moll op.113 "Babi Jar"


    Cédric Tiberghien (Klavier)

    Nathalie Forget (Ondes Martenot)

    Mikhail Petrenko (Bass)


    WDR Rundfunkchor & NDR Chor


    NDR Elbphilharmonie Orchester


    Ltg.: Ingo Metzmacher


    (Bereich 16/T, Reihe 1, Platz 15)


    Inzwischen kann der ehemalige GMD der Hamburger Staatsoper Ingo Metzmacher schon zu den Elbphilharmonie-Routinies gezählt werden: So war er der Erste, der hier - bereits knapp zwei Wochen nach der Eröffnung - zusammen mit den Wiener Philharmonikern ein außerordentlich anspruchsvolles Programm mit Werken von Webern, Hartmann und Schostakowitsch präsentierte um dann einige Tage später am Pult des NDR Elbphilharmonie Orchesters (NDR EO) Schönbergs unvollendete Oper Moses und Aron konzertant auf die Bühne zu bringen. In dieser Woche nun drei weitere Konzerte am Donnerstag, Freitag und heute Abend, wieder mit dem NDR EO und wieder keine Kulinarik, kein wirklicher "Schönklang", sondern vollste Inanspruchnahme der Zuhörer!


    Messiaens Werke als "farbig" zu bezeichnen hieße einen Allgemeinplatz zu bemühen, trotzdem sind derartige Assoziationen auch bei seinen Trois petites liturgies de la présence divine nicht von der Hand zu weisen. Die drei kurz vor Ende des II.Weltkrieges komponierten Chorsätze weisen klanglich in eine positive Zukunft. Die Besetzung ohne Bläser, jedoch mit Schlagwerk, Klavier, Celesta und der für Messiaens Klangsprache fast unvermeidlichen Ondes Martenot korrespondiert hier mit einem reinen Frauenchor in durchweg hellen bis hellsten Tönen. Konnte ich in der Vorbereitung mit dem Stück (wie überhaupt mit Messiaens Kompositionen) nicht übermäßig viel anfangen, war der Eindruck im Konzert ein deutlich anderer: Alleine durch das Sehen, wie hier musiziert wird, die Klänge entstehen und der Dirigent (Metzmacher hier, wie auch später im zweiten Konzert-Teil ohne Taktstock) den Klangfluß lenkt und leitet, wurde das Stück für mich deutlich transparenter und zugänglicher. Die Damen des WDR Rundfunkchores im Verein mit denen des NDR Chores überzeugten mich in den fast durchweg oberen Lagen, Frau Forget spielte ihren Part natürlich auswendig (vermutlich hat sie die gesamte Literatur für ihr Instrument im Kopf) und der langjährige Konzertmeister des NDR EO Roland Greutter spielte ein ausgezeichnetes Solo.


    Nach Messiaens mit Vogelklängen durchwirkten Liturgien bildet Schostakowitschs op.113 einen Kontrast, wie er stärker, brutaler kaum sein kann. In dieser Symphonie auf fünf Gedichte Jewgenij Jewtuschenkos dominieren Düsternis und Resignation. Allein ganz am Ende erklingt eine kleine Melodie, die man vielleicht als "schön" bezeichnen könnte, aber trotzdem bleibt das Gefühl, wie ich es in einer Kritik beschrieben gefunden habe, einen "Schlag in die Magengrube" erhalten zu haben. Inhalt der Gedichte und Hintergründe zur Werkgeschichte lassen sich im Netz nachlesen und müssen hier nicht wiedergegeben werden. Was ich aber feststellen kann, daß Metzmacher und die Musiker sich der tiefe dieses Werkes voll hingegeben haben. Bezeichnend etwa das hohle klacken der aneinanderschlagenden Töpfe, mit denen die Frauen vor dem Laden warten. Die totale Exaltiertheit im zweiten Satz, der mit Humor(!) überschrieben ist. Die tiefe Tuba gespielt von Markus Hötzel, die in Ängste die Wagnersche Drachenhöhle des Siegfried ins unsagbare potenziert. Jederzeit deutlich zu hören und zu verstehen der vielleicht etwas zu hell timbrierte Bass (zumindest, wenn man die großartige Aufnahme mit Arthur Eisen unter Kondrashin noch im Ohr hat) Mikhail Petrenkos.


    Insgesamt ein Konzert, welches vor allem im zweiten Teil kaum "schön" oder "spaßmachend" gewesen ist, welches aber genau aus diesem Grund als außerordentlich gelungen bezeichnet werden kann.


    Das Konzert vom Freitag wurde auf NDRkultur übertragen und soll dort in den nächsten Tagen eine Zeit lang zum Nachhören zur Verfügung stehen.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Vielen lieben Dank, Michael!!! :jubel:Das war ja wirklich auf Bestellung...:hail:


    Ja, das tut jetzt schon wirklich weh, nicht dabei sein zu können, gerade auf den Schostakowitsch war ich ganz arg gespannt. Aber du hast ja auch einen Hinweis darauf gegeben, dass der programmatische Kontrast durchaus wirkungsvoll war. Insofern war der Messiaen natürlich nicht zu übergehender substanzieller Bestandteil des Abends. Nochmals danke.