Die Schönheit der Avantgarde

  • Ja zweifellos, lieber lutgra, - in diesem Ligeti-Streichquartett begegnet man ihr!
    Und ich sehe mich in meiner anfänglich hier geäußerten These bestätigt: Musikalische Schönheit ist ein genuin sinnlich-klangliches Phänomen, dessen konstitutiver Kern aus tonaler Harmonie besteht.

    Ich dachte gar nicht, lieber Helmut, dass Du als Adorno-"Schüler" ein Apologet der Tonalität bist. :D Und Deine "These" hast Du bis jetzt einfach sachlich nicht begründet, sondern stützt Dich ausschließlich auf Dein sehr subjektives Erleben. Leider bist Du auch auf Argumente in diesem Zusammenhang gar nicht eingegangen. Ich wiederhole mein erstes noch einmal und ergänze sie durch zwei weitere:


    1. Es ist sicher unbestreitbar, dass impressionistische Kunst einen besonderen sinnlichen Reiz hat und auch zauberhaft schön ist. Das gilt sowohl für die Malerei als auch die Musik. Nur ist für die impressionistische Reizqualität gerade nicht die "tonale Harmonie" der "konstitutive Kern", sondern gerade das, was die Tonalität verschleiert, also suspendiert. Würde man ein Debussy-Stück auf die nackte Tonalität reduzieren, wäre der impressionistische Reiz einfach weg und die Musik ziemlich öde. Deine These stimmt also schon bei Debussy und Ravel nicht.


    2. Richard Wagner und die Chromatik. Die funktionsharmonische Betrachtung von Tonalität ist letztlich nicht in der Lage, die "Schönheit" und Harmonie der Chromatik verständlich zu machen, erweist sich vielmehr als höchst abstrakt. Das ist das Problem der "Stimmführungsdissonanzen". Auf der tonalen Ebene ist die Musik hier disharmonisch, dissonant. Harmonie wird statt dessen durch die Stimmführungsbewegung erzeugt, so dass wir (tonale) Stimmführungsdissonanzen nicht als disharmonisch, sondern harmonisch wahrnehmen. Also auch hier stimmt Deine These nicht, dass die tonale Harmonie "konstitutiver Kern" musikalischer Schönheit sei. "Konstitutiver Kern" der Harmonie ist bei Wagners Chromatik nicht die Tonalität, sondern die Stimmführung.


    3. Serielle Musik. Bekanntlich wandelt serielle Musik die Skalierung aus auf alle musikalischen Parameter, beschränkt sich also nicht nur auf Tönhöhen wie noch Schönberg. Sie erfaßt also auch Klangfarbe, Rhythmus, Dynamik. Die These, dass der "konstitutive Kern" von musikalischer Schönheit die Tonalität sei, enthüllt sich von daher als ein Reduktionismus. Sie unterstellt nämlich implizit, dass Harmonie in einem Musikstück allein und ausschließlich durch die Tonhöhen und ihre "Ordnung" zustandekommt (denn Tonalität beruht auf der Skalierung von Tonhöhen) und bestreitet damit, dass z.B. auch Klangfarben eine schöne Ordnung herstellen können. Das ist aber eine wirklich ziemlich seltsame um nicht zu sagen befremdliche Auffassung.

    Die kann immer wieder einer Dekonstruktion ausgesetzt werden, und das ist ja die kompositorische Grund-Intention der Musik der Moderne in ihrer Suche nach musikalisch-künstlerischer Wahrheit.

    Bezeichnend haben sich weder Schönberg noch Boulez jemals als Dekonstruktivisten von Tonalität verstanden. Die "Dekonstruktion" von Tonalität hat sich im Rahmen der Tonalität selber vollzogen, nämlich in der Spätromantik und die Moderne hat daraus nur die Konsequenzen gezogen. Schönberg dachte sehr konservativ, wollte so komponieren wie Beethoven und Brahms, konnte das aber nicht mehr wegen der Selbst-Dekonstruktion der Tonalität in der Spätromantik. Serielle Musik ist konstruktiv und nicht dekonstruktiv. Wer sie als Dekonstruktion von Tonalität hört, der hört einfach falsch, projiziert da von außen eine Erwartung hinein, die nicht zur "Logik" dieser Musik gehört.

    Aber Dekonstruktion darf nicht zu Destruktion und Annullierung werden. Dann ist es aus mit der musikalischen Schönheit.

    Die These, dass Neue Musik "destruktiv" sei, also musikalische Schönheit zerstöre, unterstellt, dass Tonalität der alleinige und ausschließliche Grund für musikalische Schönheit sei. Was ist dann aber mit vorneuzeitlicher, mittelalterlicher Musik? Was mit außereuropäischer Musik? Da gibt es auch keine Dur-Moll-Tonalität.


    Und positiv gefragt: Was ist denn an der "Tonalität" eigentlich so schön? Kann man das endlich mal benennen? Warum soll die Kadenz D, SD, T der Inbegriff von Schönheit sein? Ich finde da erst einmal gar nichts schön dran.


    Meine Vermutung ist eine andere. Die "Tonalität" hat Hochkonjunktur im Zeitalter klassischer und romantischer Subjektivität, die musikalisches Erleben als "Ich-Erleben" konstituiert. Die Moderne in ihrer antiromantischen Haltung suspendiert nun genau diese Subjektivität, macht Musik "objektiv". Darauf reagiert nun das romantische Subjekt gekränkt, weil es kein Ich-Erlebnis mehr gibt. Die Verweigerung von Subjektivität wird dann als unangenehm und unschön empfunden. Unschön und dissonant ist eben, wenn sich das "stolze Ich" nicht mehr als Zentrum der Welt erfährt, sondern quasi gezwungen wird, von sich selber loszulassen und in eine Welt von Klängen einzutauchen, die keine narzistischen Selbstbespiegelungen seiner Wünsche und Bedürfnisse mehr sind. :D

    Was freilich nicht bedeutet, dass es auch mit der künstlerisch-musikalischen Wahrheit aus ist. Diese kann, wie ein anderes hier zitiertes Beispiel (Boulez, "Pli Selon Pli") zu zeigen vermochte, sehr wohl gegeben sein. Nur für "musikalische Schönheit" ist es nicht in Anspruch zu nehmen, - wie ich - sicher subjektiv - finde und wie es die Reaktionen hier darauf zumindest teilweise gezeigt haben.

    Meine Gegenmeinung: "Pli selon pli" ist objektiv schön. Wer diese Schönheit nicht erfährt, der findet einfach nur keinen Zugang zu dieser Musik. Die Antwort von Lutz hat ja auch schön gezeigt, dass sein Problem mit dem Gesang bei Boulez dasselbe ist wie bei Barockmusik, also im Grunde gar kein spezifisches für Neue Musik.

    Hier, bei dem von Dir gebrachten Beispiel, kann man das in exemplarischer und höchst beeindruckenden Weise erleben. Im ersten Satz ein höchst subtiles und aus dem Fundus der Musik des neunzehnten Jahrhunderts schöpfendes Spiel mit dem klanglichen Potential von Quinten und Terzen. Danach, im zweiten Satz die Dekonstruktion mit primär punktuell sich artikulierender und die Tonalität negierender Klanglichkeit. Dies aber in Gestalt einer immer wieder partielll sich ereignenden Rückkehr zur Tonalität.
    Ja, das ist ein wirklich überzeugender Beleg für die These dieses Threads: Dass es das das gibt, - die "Schönheit der Avantgarde".

    Dieses Streichquartett ist aber nun wirklich nicht repräsentativ für Ligetis Musik. Ligeti ist alles andere als ein Klassizist, der die Tonalität restituieren will. Hier sein berühmtestes Stück "Atmospheres", das völlig "atonal" ist:



    Schöne Grüße
    Holger

  • oh je, dann hat Holger ein falsches Beispiel gewählt.

    Wieso? Der Avantgarde-Begriff ist doch ein ziemlich wackelnder. Vielleicht sollte man ihn überhaupt vergessen ...


    das führt jetzt weg und wäre Titel eines eigenen threads, aber auch hier habe ich Einwände. Man müsste erst einmal definieren, was "Kanon" ist. Du hast Stücke dabei, die jeder kennt und von denen es 30+ Einspielungen kennt und solche, die kaum einer kennt und von denen es nur ein, zwei Einspielungen gibt.

    Die meisten Musikliebhaber finden klassische Musik generell doof. Musikliebhaber bestimmen sicher nicht den Kanon. Der CD-Markt ist zum Teil von den Käufern bestimmt und daher auch nicht besonders relevant. Der Kanon (der keiner Anführungszeichen bedarf, jedenfalls nicht mehr als die Avantgarde) wird etabliert und fortgeschrieben von Komponisten, Interpreten, Intendanten, Musikverlegern, -kritikern, -wissenschaftlern, -geschichtlern. Die breite Masse wird dabei nur selten erreicht, da hat sich seit dem Mittelalter nicht so viel verändert.
    8-)

  • Bei mir verblasst die gesamte Avantgarde vor Janacek. Damit bin ich vielleicht ein Vulgärsubjektivist. Erstaunlich, dass noch niemand dieses extrem diskriminierende Wort hier besprochen hat. Ich schätze mal, dass die Hauptaktivisten in diesem Thema, wenn man dazu Alfred noch abzieht, eine verschwindend geringe Minderheit darstellt, wir anderen sind Vulgärsubjektivisten. Aber alle Versuche hier, die objektive Schönheit der Avantgarde zu etablieren, sind ja zum Scheitern verurteilt.
    Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, der Subjektivismus sieht durchaus vor, dass man die Avantgarde mag. Das würde ich auch nie bestreiten. Aber bin ich mit meinen Vorlieben für die Polyphonie, Renaissance-Oper, Barockoper und Janacek ein Vulgärsubjektivist? Und wenn ja, dann bin ich es gerne.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Man kann Missverständnisse auch mutwillig herbeischreiben; ich glaube, jeder Tamino weiß was ich meinte. :thumbdown:

    Dass Du beleidigt reagierst, wenn ich der Gruppe, der Du angehörst, die Relevanz bei der Herausbildung des Kanons abspreche, verstehe ich schon. Allerdings hast Du ja wohl ein Problem mit dem Kanon, also dürfte etwas dran sein, dass die Liebhaber, sofern sie einen haben, einen anderen Kanon haben, als den offiziellen. Die Frage ist aber, ob sie überhaupt einen haben, und wie der sichtbar wird.

  • Pli selon pli war 1960 keine Avantgarde? Wenn man Avantgarde in dem üblichen Sinne, also nicht im dem spezialisierten Sinn, der einen bewusst antibürgerlichen Gestus wie beim Dadaismus verlangt, verwendet, scheint mir das gegen die übliche Einordnung von Boulez' Werk zu gehen.


    Was ich nicht ganz verstehe ist, warum auf einmal ganz allgemeine Themen wie "Kanon", "Schönheit", "Ästhetik", "Objektivität/Subjektivität ästhetischer Urteile" aufs Tapet gebracht werden. Man könnte all das ebensogut auch bei der Kontroverse über die "Zauberflöte" anbringen. (o.k., Kanon vielleicht nicht, aber Kanon dann spätestens bei den vermissten Werken der deutschen Spieloper.) Es hat erst einmal gar nichts mit Musik des 20./21. Jhd. zu tun. (Ausnahme: Dada, readymades u.ä., bei denen Konzeptionen des Kunstwerks usw. radikal in Frage gestellt werden, aber kein Schönberg, Messiaen, Boulez usw., die sich bezüglich überhaupt nicht von Brahms oder Verdi unterscheiden.)

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Pli selon pli war 1960 keine Avantgarde? Wenn man Avantgarde in dem üblichen Sinne, also nicht im dem spezialisierten Sinn, der einen bewusst antibürgerlichen Gestus wie beim Dadaismus verlangt, verwendet, scheint mir das gegen die übliche Einordnung von Boulez' Werk zu gehen.

    Also das war so: Lutger meinte, niemand würde Pli selon pli nicht als Avantgarde bezeichnen, worauf ich meinte, dass ich das nicht als Avantgarde bezeichnen würde (da ich den spezialisierten Sinn mit der Antikunst bevorzuge - wozu braucht man neben "für seine Zeit modern" und "Neue Musik" noch einen entweder mit dem einen oder dem anderen synonym verwendeten Avantgardebegriff?)

  • wozu braucht man neben "für seine Zeit modern" und "Neue Musik" noch einen entweder mit dem einen oder dem anderen synonym verwendeten Avantgardebegriff?)


    Neue Musik verstehe ich weiter, da gehören doch auch diverse Neo- oder Post-Stile dazu, die nicht unbedingt avantgardistisch sind und die ich hier auch nicht als Beispiele zulassen wollte, weil dort das Vorkommen von "schöner Musik" wohl unstrittiger ist.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Also meinem Verständnis nach (und der wikipedia-Artikel zu "Avantgarde" sieht das ähnlich) kann die "Antikunst" eine Spielart der Avantgarde sein, aber der Begriff ist i.A. weiter.
    Wenn man den verengten Begriff einer provokant-revolutionären "Antikunst" zugrundelegt, ist außer vielleicht Cage kaum ein berühmter Komponist des 20. Jhds. "Avantgarde" in diesem Sinn. Jedenfalls scheint mir dieser Aspekt in der Musik eine (verglichen mit der bildenden Kunst) eher geringe Rolle zu spielen.


    Außerdem: Minimalismus (oder vielleicht auch Satie?) wäre wohl ein Beispiel dafür, dass eine Spielart "anti-(Kunst)-Establishment" sein kann, aber "populärer" als z.B. kunst- und werktheoretisch "erzkonservative" Musik von Schönberg. Ist auch nicht so schwer zu erklären. "Klangteppich" oder Musik als Möblierung kann man in den "Hintergrund" verlegen, was mit Expressionismus nicht so leicht geht.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Also meinem Verständnis nach (und der wikipedia-Artikel zu "Avantgarde" sieht das ähnlich) kann die "Antikunst" eine Spielart der Avantgarde sein, aber der Begriff ist i.A. weiter.
    Wenn man den verengten Begriff einer provokant-revolutionären "Antikunst" zugrundelegt, ist außer vielleicht Cage kaum ein berühmter Komponist des 20. Jhds. "Avantgarde" in diesem Sinn. Jedenfalls scheint mir dieser Aspekt in der Musik eine (verglichen mit der bildenden Kunst) eher geringe Rolle zu spielen.

    Das ist richtig, zumal Cage auch nicht dazugehören würde, weil er zu spät kommt, der wäre eher bei der Neoavantgarde.

    Zitat

    Außerdem: Minimalismus (oder vielleicht auch Satie?) wäre wohl ein Beispiel dafür, dass eine Spielart "anti-(Kunst)-Establishment" sein kann, aber "populärer" als z.B. kunst- und werktheoretisch "erzkonservative" Musik von Schönberg. Ist auch nicht so schwer zu erklären. "Klangteppich" oder Musik als Möblierung kann man in den "Hintergrund" verlegen, was mit Expressionismus nicht so leicht geht.

    Genau. Der einzige prominente Avantgarde-Komponist ist Satie. Ich frage mich aber, wie Du auf die Idee kommst, dass das nicht die übliche Verwendung des Begriffes in der Fachwelt ist. Wie gesagt, steht im Neuen Handbuch der Musikwissenschaft bei Danuser eine mit Peter Bürger kompatible Version, im Avantgarde-Kapitel kommen Satie und Souris (und nicht-Komponisten, wenn ich mich richtig erinnere).
    Ich habe jetzt dieses Buch ausgeliehen:



    Das Zeitalter der Avantgarden: Kunst und Gesellschaft 1905-1955
    Klaus von Beyme, 2005
    Er geht auch weitgehend von Bürger aus, soweit ich das beim Durchblättern beurteilen kann. Schluss mit der Avantgarde ist um 1955-60. Allerdings gehört bei ihm auch Kandinsky dazu, das verstehe ich dann nicht mehr so ganz.
    Ich glaube, es wird so wie bei der Romantik auf unterschiedliche Bedeutungen je Sparte herauslaufen. Also Avantgarde bei Autoren über Literatur und bildende Kunst etwas GANZ anderes als Avantgarde bei der Musik. Oder Bürger setzt sich flächendeckend durch. Der weite Avantgarde-Begriff wird sich nicht durchsetzen.

  • Ich glaube, es wird so wie bei der Romantik auf unterschiedliche Bedeutungen je Sparte herauslaufen. Also Avantgarde bei Autoren über Literatur und bildende Kunst etwas GANZ anderes als Avantgarde bei der Musik. Oder Bürger setzt sich flächendeckend durch. Der weite Avantgarde-Begriff wird sich nicht durchsetzen.

    Naja, weiß nicht.



    Habe via google-books darin herumgescrollt.
    Ich habe fast den Eindruck, als würde innerhalb des Lexikons zwischen den Varianten gewechselt.

  • Der Thread-Ersteller und viele, die hier geantwortet haben, gehen anscheinend auch von dem weiteren Begriff aus. Soo ungewöhnlich scheint die weniger spezifische Verwendung also nicht zu sein.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Der Thread-Ersteller und viele, die hier geantwortet haben, gehen anscheinend auch von dem weiteren Begriff aus. Soo ungewöhnlich scheint die weniger spezifische Verwendung also nicht zu sein.

    Und die meisten Leute bezeichnen alles, was schräg klingt, als Zwölftonmusik.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Ich habe leider kein spezielles Nachschlagewerk. Ich habe die wikipedia-Einträge auf deutsch, englisch und französisch überflogen und keiner davon geht nur oder hauptsächlich von dem engen Avantgardebegriff aus, soweit ich sehe.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)


  • Der beste Titel für den Thread wäre "Die Schönheit schräger Musik" gewesen. :hahahaha:

    Deine Bemerkung mit der "schrägen Musik" ist witzig, lieber Bertarido - denn sie trifft das entscheidende Problem. Wer Zwölftonmusik als "schräg" hört, der mißt sie am Maßstab der Tonalität. Schönberg schreibt von der "Voraussetzungslosigkeit" und "Erinnerungslosigkeit" Neuer Musik. Darüber u.a. habe ich in meinem Aufsatz geschrieben (dem ich meinen persönlichen Kontakt mit Stockhausen verdanke :) ) - die Wiener Schönberg-Gesellschaft hat ihn zum Herunterladen ins Netz eingestellt:


    http://213.185.182.229/library…php/publications/show/904


    Man soll Neue Musik also hören, als hätte man die Tonalität völlig vergessen, so, als hätte sie nie existiert, darf also nicht so an sie herangehen, dass man die Erwartungshaltung hat, es müsse ein tonales Zentrum geben, dass man dann vergeblich sucht. Das ist schlicht Voraussetzung dafür, dass man die Schönheit auch von nicht-tonaler Musik erkennt. Die Schule, die Tonalität zu vergessen, war bei mir Debussy. Schon in frühester Jugend entdeckte ich meine Liebe zu Debussys Musik, habe natürlich auch die Images, die Preludes usw. selber gespielt. Bei Debussy lernt man intuitiv, die Schönheit des Klanges zu erfahren, die einfach nichts mit Tonalität zu tun hat. (Alfred Cortot hat das schön so umschrieben, dass man bei Debussy den Einzelakkord isoliert hören, seine Singularität entdecken soll.) Das ist prägend. Ich kann mich in die Logik unterschiedlichster Musik hineinversetzen, ob das nun Hildegard von Bingen ist, Barockmusik oder Neue Musik. Ich schalte meine Erwartungshaltung aus und überlasse mich der Eigenlogik der jeweiligen Musik. Das ist letztlich viel bereichernder, als ein "Vorurteil" zu haben. Der Horizont ist dann nämlich weiter.


    Überhaupt ist der Anspruch von Neuer Musik, eine Erfahrung von Musik zu erschließen, die es bisher so noch nicht gab. Stockhausen ist dafür ein exemplarisches Beispiel (siehe meinen Aufsatz). Stockhausen bezieht sich da u.a. auf Kandinskys Theorie der abstrakten Malerei. Kandinsky geht es um eine "Verfeinerung der Sinne". Das sind bei Stockhausen z.B. die Mikrotonintervalle bei einer Komposition wie "Xi". Wenn man natürlich wiederum seine "Erinnerung" an tonale Musik nicht loswird und erwartet, es müsse da eine Schönheit geben, so wie man sie von Beethoven kennt, dann erleidet man Schiffbruch. Eine neue musikalische Erfahrung hat auch eine andere Schönheit. Die eigentliche Frage ist also nicht: Kann Neue Musik schön sein? - sondern: Was für eine Art Schönheit ist das? Genauso wenig wie die Schönheit eines Gregorianischen Chorals etwas mit der eines Brahms-Liedes zu tun hat, hat die Schönheit von serieller Musik etwas mit der von tonalem Beethoven oder Chopin zu tun.


    Avantgarde und Neue Musik sind natürlich nicht deckungsgleich, aber es gibt viele Schnittmengen, z.B., dass traditionelle Musik als "überlebt" angesehen wird (siehe Busoni in meinem Aufsatz) und nach einem Neuanfang sucht. Und es gibt natürlich mannigfaltige Beziehungen von Literatur, bildender Kunst und Musik. Stichwort: Briefwechsel Schönberg-Kandinsky, Boulez und Mallarme usw. Der Avantgarde-Begriff - das sieht der Wikipedia-Artikel richtig - ist letztlich mit der Postmoderne außer Kurs gekommen. Denn durch den Postmodernediskurs ist die Fortschrittsideologie obsolet geworden. Heute klingt ja Schönbergs Überzeugung eher skurril, mit der Erfindung der Zwölftonkonstruktion sei die Vorherrschaft der deutschen Musik fürs nächste Jahrtausend gesichert. Der Postmoderne-Diskurs ist heilsam: Es gibt nicht Geschichte, sondern nur Geschichten. Ich kann eben Boulez und Schostakowitsch, Rachmaninow und Schnittke und Stockhausen hören. Wenn man die "großen Erzählungen" der Geschichtsphilosophie des 19. Jhd. vergißt, dann kann man eben Musik danach bewerten, was sie zu sagen hat, egal, aus welcher Tradition sie stammt. Leider hat die musikalische Analyse bei Zwölftonmusik viel Unheil produziert. Ich finde nichts öder als Analysen, die nichts anderes machen als nachzurechnen, wann wieviel welche Reihe verwendet wird. Auch Zwölftonmusik ist eben nicht nur Grammatik. Das habe ich in einem Aufsatz dargestellt ("Decomposition of the Sound continuum", erschienen bei PNM, Washington D.C.) , wo ich den - bei Adorno völlig vernachlässigten - Bezug von Neuer Musik zum Strukturalismus thematisiere. Es gibt in Neuer Musik nicht nur die Strukturebene, sondern auch eine Ereignisebene, die vielleicht viel wichtiger ist als die Struktur der Zwöltonreihe. Das wird dann auch in meinem demnächst in Wien erscheinenden großen systematischen Buch über "Musikalische Intentionalität" nachzulesen sein.


    Schöne Grüße
    Holger

  • So skurrile Sachen findet man auch im Netz - "Moderne-Phobie": Schönberg auf einer Stufe mit klimpernden Kindern, auf der kindischen Klimper-Stufe ist die Entwicklung des Gehirns dieses Kauzes wohl stehengeblieben. Aber es ist ja Karneval, und der ist zum Lachen da: :D



    Dr. Holger Kaletha Hallo Holger, ich habe leider keine Ahnung, was Du hier hast einstellen wollen. Der Link funktioniert nicht mehr. Wenn Du eine Idee hättest, würde ich das korrigieren. astewes als mod


    Schöne Grüße
    Holger

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Avantgarde und Neue Musik sind natürlich nicht deckungsgleich [...] Der Avantgarde-Begriff - das sieht der Wikipedia-Artikel richtig - ist [...]

    Im Gegensatz zu mir hast Du Dir offenbar schon einen Avantgarde-Begriff gebildet, den Du mit Überzeugung vertrittst (die Fachliteratur vermeidet das zum Teil und setzt verschiedene Sichten nebeneinander, explizit dazusagend, dass es kein "richtig" und "falsch" gibt).
    Deshalb interessiert mich: Gibt es für Dich nach 1970 noch Avantgarde? Was soll da dazugehören?
    Welche Stücke von Prokofieff und Schostakowitsch gehören zur Avantgarde? Welche von Schönberg und Berg?
    :hello:

  • Man soll Neue Musik also hören, als hätte man die Tonalität völlig vergessen, so, als hätte sie nie existiert, darf also nicht so an sie herangehen, dass man die Erwartungshaltung hat, es müsse ein tonales Zentrum geben, dass man dann vergeblich sucht. Das ist schlicht Voraussetzung dafür, dass man die Schönheit auch von nicht-tonaler Musik erkennt.


    Das ist aber sicher nicht so einfach, lieber Holger, wenn man mit tonaler Musik großgeworden ist. Aber man kann es wahrscheinlich lernen. Falls nicht doch Helmut Recht hat und wir als Menschen gar nicht dazu in der Lage sind, die Tonalität völlig zu vergessen.


    Ich bin noch weitere Beispiele "schöner Musik" schuldig, ich weiß. Das kommt davon, wenn man zu viele Themen zur gleichen Zeit anfängt :untertauch:

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Im Gegensatz zu mir hast Du Dir offenbar schon einen Avantgarde-Begriff gebildet, den Du mit Überzeugung vertrittst (die Fachliteratur vermeidet das zum Teil und setzt verschiedene Sichten nebeneinander, explizit dazusagend, dass es kein "richtig" und "falsch" gibt).
    Deshalb interessiert mich: Gibt es für Dich nach 1970 noch Avantgarde? Was soll da dazugehören?
    Welche Stücke von Prokofieff und Schostakowitsch gehören zur Avantgarde? Welche von Schönberg und Berg?

    Bevor ich mich da festlege, würde ich mir schon gerne die von Dir dankenswerter Weise angeführten Bücher anschauen. :) Für mich ist die Frage eher: Brauchen wir heute noch den Avantgarde-Begriff und wozu brauchen wir ihn? Da kann man finde ich den Postmoderne-Diskurs nicht ignorieren. "Avantgarde" - der Begriff stammt ja ursprünglich aus dem militärischen Bereich - hat einen Bezug zur Zeit. Ich weiß nicht, wie Bürger das sieht, aber das impliziert das Bewußtsein, seiner Zeit voraus zu sein, sozusagen Kunst als Vorbote des Kommenden. (Wie definiert das denn Bürger, könntest Du das mal zusammenfassen?) In dem Zusammenhang hatte ich Richard Wagners Begriff "Zukunftsmusik" genannt. Bei der Musik sollte man schon berücksichtigen, dass es bedingt durch den Nationalsozialismus eine Zeitverzögerung gibt. Entwicklungen, die es in der Malerei schon vor dem 2. Weltkrieg gab, kommen dann erst in den 50iger Jahren. Schostakowitschs Oper "Lady Macbeth von Mzensk" würde ich zur Avantgarde rechnen, sie war ja auch so gemeint und nicht zuletzt deshalb fiel Schostakowitsch beim Regime in Ungnade. Bei Prokofieff gibt es viel Neoklassizismus, das ist Anti-Avantgarde. Ich glaube die Schnittmenge mit dem Begriff "Neue Musik" ist, dass ein Bruch mit der Tradition und konventionellen Gewohnheit betont wird. Musik von Beethoven und Schumann war als sie komponiert wurde auch neu und erzeugte durchaus Irritationen, z.B. bei der 7. Symphonie von Beethoven die Rhythmik. Aber da fehlt eben die Komponente des Bruchs mit allem Vorherigen.

    Das ist aber sicher nicht so einfach, lieber Holger, wenn man mit tonaler Musik großgeworden ist. Aber man kann es wahrscheinlich lernen. Falls nicht doch Helmut Recht hat und wir als Menschen gar nicht dazu in der Lage sind, die Tonalität völlig zu vergessen.

    Wir sind doch alle mit tonaler Musik groß geworden, lieber Bertarido. Nur warum schaffen es dann viele Liebhaber Neuer Musik, die Tonalität zu vergessen und Andere dagegen stehen Zeit ihres Lebens mit der Moderne auf Kriegsfuß? :D Sachlich leuchtet mir ja nicht ein, warum das nicht möglich sein soll. Ich bin doch in der Lage, ein abstraktes Bild von Kandinsky anzuschauen, ohne an Bäume, Häuser und Menschen denken zu müssen. Andersherum hat es der Rezeption von Neuer Musik natürlich geschadet, wenn man die komplexen Beziehungen nicht sieht, die es z.B. bei Schönberg zu Brahms, Beethoven oder Wagner gibt, man also künstlich die Kontinuitäten ausblendet, weil ja Neue Musik so absolut neu sein muß. Auf diese Weise kommen nur ziemlich sterile Interpretationen dabei heraus, die den Hörer langweilen. Bei Glenn Gould oder Pollini merkt man dagegen all das - allerdings beziehen sich diese Verweise nicht auf die Tonalität, sondern andere Dinge. Natürlich stellt das Hören immer Bezüge her und soll das auch. Wirklich erhellend war für mich in diesem Zusammenhang ein Konzert in Bielefeld, wo vor Beethovens 9. erst Hildegard von Bingen und dann ein Stück von Giacinto Scelsi aufgeführt wurde. Da hat man bemerkt, dass Scelsi dem musikalischen Geist des Mittelalters doch sehr nahe kommt. Auf diese Weise spannt sich eine Brücke zu vorneuzeitlicher Musik, die sich uns ja auch nicht unbedingt so selbstverständlich erschließt wie Mozart oder Monteverdi. Solche Bezüge herzustellen beim Hören von Musik halte ich für wichtig, deswegen bin ich auch absolut kein Freund davon, dass sich Neue Musik komplett isoliert, eine Tendenz, die es schon bei Schönberg gibt mit der Gründung von musikalischen Privatvereinen usw. Bruch und Kontinuität sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Mit der Erfahrung von Musik des 20. Jhd. entdeckt man auch bei herkömmliche Musik ganz andere Dinge - gerade retrospektiv. Lustig in diesem Zusammenhang ist das Buch von Walter Georgii über Klaviermusik, wo steht, dass die Musik von Brahms so völlig unsinnlich sei. Interpreten wie Artur Rubinstein und Benedetti Michelangeli entdecken aber nicht zuletzt durch ihre Erfahrung mit Debussy, wie klangsinnlich, sozusagen "proto-impressionistisch", gerade Brahms ist. :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Das ist aber sicher nicht so einfach, lieber Holger, wenn man mit tonaler Musik großgeworden ist. Aber man kann es wahrscheinlich lernen.

    Eine Methode: Ich habe vor etlichen Jahren – damals hatte ich noch erheblich weniger CDs als heute – meine Sammlung einmal konsequent von Anfang bis Ende komplett durchgehört, und zwar in der Reihenfolge der Geburtstage der Komponisten, bis ich endlich in der Neuzeit angekommen war. Das hat ein gutes Jahr gedauert. Aber dadurch bin ich langsam und sozusagen unmerklich an die zeitgenössischen Kompositionen herangeführt worden und nun gefielen mir zum Beispiel auch Stücke von Lachenmann oder anderen, denen ich vorher überhaupt nichts abgewinnen konnte. (Allerdings würde das heute allein von der Menge her so wohl nicht mehr funktionieren. Ich müsste doch sehr selektieren, um damit noch zu Lebzeiten fertig zu werden.)

  • Warum hat Dieter Stockert, die in seinem letzten Beitrag erwähnte Methode gewählt, um sich der Musik der Zeitgenossen zu nähern?


    Weil er weiss, dass die Musikgeschichte ein stetes Fortschreiten, eine Entwicklung der Hörgewohnheiten darstellt.


    Damit ist allerdings noch nichts über die Schönheit in der Musik und im Besonderen auch nichts über die Schönheit der Avantgarde gesagt.

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Und er hat auch wenig über die Stücke gesagt. Dennoch finde ich seinen Selbstversuch - anders kann ich das nicht nennen - interessant. Warum wäre es wichtig gewesen, konkrete Beispiele zu benennen? In vokalen Werke ist je wohl der inhaltliche Bezug nicht ganz unwichtig. Für mich erschließen sich diese Stücke vornehmlich über Inhalte und literarische Vorlagen. Was wurde wann und warum in Noten gesetzt?

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Warum hat Dieter Stockert, die in seinem letzten Beitrag erwähnte Methode gewählt, um sich der Musik der Zeitgenossen zu nähern?

    Lieber moderato ,


    da hast Du ja einen faszinierenden Thread ausgegraben, der leider nicht ganz ohne toxische Anteile auskommt. Ich bin mit dem Lesen leider noch nicht durch, zum Teil auch, weil der manchmal, wie ich finde, unnötig agressive Ton in der Vertretung der Meinung das Lesen nicht unerheblich erschwert.


    Auf Deine Frage möchte ich aber doch schon einmal ganz kurz eingehen.


    Selbstverständlich bin ich überzeugt, dass Musik eine (kontinuierliche) Geschichte hat, die nicht mit dem Fortschritt verwechselt werden sollte ;). Und das von Dieter Stockert beschriebene Erlebnis beim historisch korrekten Rezipieren ist sicher interessant. So ist es mir in Teilen nach Diskussionen mit kurzstueckmeister über neuere Musik gegangen. Ich hatte (und habe sicher noch) ein eher holzschnittartiges Verständnis moderner Musik, einfach, weil ich nur wenige Vertreter davon kannte. Die Erweiterung des Spektrums, durchaus auch im physikalischen Sinne, lässt einen die Musik anders erleben und nivelliert selbstverständlich Berge von Vorurteilen, ...... und ersetzt sie durch neue (aber bessere :)).


    Die wesentliche Frage ist aber, braucht man diese Methodik? Ich glaube nicht. Ich selbst bin ein Beispiel, wie man auch mit wenig Wissen und Kenntnissen viel Freude an dieser Musik haben kann. Musik setzt sich nicht nur mit Musik auseinander, sondern ist auch Produkt eines "Reflexes" dafür prädestinierter Personen auf die gesamte Erfahrungswelt. Diese Sublimierung kann eben bei großer Kunst auch vom Rezipienten erfahren werden, wie auch immer das ästhetische Erlebnis beschrieben wird.


    Es scheint aber tatsächlich so zu sein, dass diese Erlebnisbereitschaft in der Jugend hoch ist und mit dem Alter abnimmt, was wahrscheinlich sogar Wurzeln in der Individualgenese haben mag. Ich habe mal gelesen, dass das kindliche und jugendliche Hirn wesentlich mehr Synapsen hat als das ältere..... :P. Ich finde, dass man beim Lesen im Forum diese jugendliche (frühkindliche) Prägung durchaus nachvollziehen kann. Zum Beispiel lese ich hier häufiger, wie der eigene Gesang einem schon früh Zugang zur Musik gegeben hat, ein Weg, der mir leider mangels Fähigkeiten schon früh verwehrt war ;(


    Zugang zu "Schönheit" dieser Musik scheinen im Endeffekt doch die frühen Prägungen oder die spätere Bereitschaft der Auseinandersetzung als eigentliche Voraussetzung zu haben. Auch der historisch, heuristische Ansatz Dieter Stockert s setzt ja in nicht unerheblichen Maße eine solche Bereitschaft voraus.

  • Zu den Synapsen: Das Hirn älterer Personen ist auch im hohen Alter lernfähig, nur geschieht die Verarbeitung langsamer. Das Gehirn besitzt eine unglaubliche Plastizität. Auch ein Ausfall bestimmter Hirnregionen nach einem Schlaganfall kann durch Aktivität durch andere Bereiche wieder übernommen werden. Das benötigt Zeit und eine gewisse Hartnäckigkeit.


    Der Mensch lebt in seinen Gewohnheiten. Das muss nicht etwas sein, ihn daran hindern sollte eigene Grenzen zu überschreiten.


    Geschichte ist ein Fortschreiten, das auch Irrwege und Sackgassen kennt. Ich habe deshalb nicht Fortschritt sondern Fortschreiten gewählt.


    Ich habe in meiner Hörbiografie bei bekannten Werken begonnen und durch meine Neugierde mich in andere, mit gänzlich fremde Bereiche hörend eingearbeitet. Das ergab ein Netz mit vielfältigen Bezügen und eine grosse Bandbreite der Werke und Komponisten quer durch alle Zeiten bis in die Gegenwart. Opern habe ich wenige mir wenige angehört, sicherlich mehr als der Durchschnittshörer. Doch was noch nicht ist, kann noch werden.


    Singen ist übrigens die unmittelbarste Möglichkeit Musik zu erleben. ich kann dich nur ermuntern, es zu versuchen.


    Toxisch ist dieser Thread, denn der Begriff "Schönheit" ist schwammig und vom Rezipienten abhängig, wie er sie empfindet. Sie hat etwas Absolutes.


    Ein Dur-Dreiklang und die zugrundeliegende Harmonik und Gesetzmässigkeiten ist etwas gänzlich anderes als die Methode der Zwölftonmusik. Das eine ist nachvollziehbar, bei der gesetzmässigen Aneinanderreihung der 12 Töne unseres Tonsystems ist das für den Hörer nicht immer gegeben.



    Lieber Dr. Holger Kaletha


    Der Link zum Artikel, den du in Beitrag 79 erwähnst, funktioniert nicht mehr.


    LG moderato in seiner Funktion als Moderator

    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Toxisch ist dieser Thread, denn der Begriff "Schönheit" ist schwammig und vom Rezipienten abhängig, wie er sie empfindet. Sie hat etwas Absolutes.

    Natürlichsprachliche Diskussionen müssen naturgemäß mit etwas schwammigen Begriffen umgehen können. Ich habe mal zu Beginn meines Studiums Vorlesungen zur formalen Logik gehört. Wenn man solche Präzision haben will, wird das Diskutieren schwierig. :)

  • Schostakowitschs Oper "Lady Macbeth von Mzensk" würde ich zur Avantgarde rechnen, sie war ja auch so gemeint und nicht zuletzt deshalb fiel Schostakowitsch beim Regime in Ungnade. Bei Prokofieff gibt es viel Neoklassizismus, das ist Anti-Avantgarde.

    Ich glaube inzwischen, dass alle diese Begriffe mit sehr divergierenden Bedeutungsumfängen verwendet werden, insbesondere auch der Neoklassizismus (siehe Wikipedia-Artikel, die Teile mit Fußnoten sind von mir), zu dem man Schostakowitschs Lady selbstverständlich auch zählen kann, wenn man will. Man kann also mit dem Attribut "neoklassizistisch" einen Aspekt des Werkes beschreiben und mit dem Begriff "avantgardistisch". Definiert werden die Begriffe anhand einzelner Werkgruppen, Neoklassizismus mit Strawinsky und Avantgarde mit Marinetti.


    Der Eröffnungsbeitrag macht es ohnehin richtig, definiert, was hier nun damit gemeint sein soll: "atonale Musik, Expressionismus, Zwölftonmusik, serielle Musik, Aleatorik, Klangflächenkompositionen und so manche andere Richtung, deren Gemeinsamkeit vor allem darin bestehen dürfte, sich von der tonalen Tradition der westlichen Musik abgewandt zu haben und die deswegen von vielen Taminos als „ungenießbar“ betrachtet wird". Ich hätte dafür eher "Neue Musik" als Label genommen, aber letztlich ist es auch egal.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose