Chopin: Klaviersonate No. 2 op. 35


  • Lieber Holger,


    ABM ist bei der Chopins b-Moll Sonata wirklich eine Klasse für sich. Und dabei bin ich eigentlich kein Fan seines ja oft trockenen und oft harten Spiels. Ich habe mir jetzt noch mal die 68er Aufnahme aus Lugano anghört, die man ja in dieser günstigen Box findet:



    Es ist schon einzigartig, wie ABM die Grave-Einleitung als Eintritt in ein Totenreich begreift - so verstehe ich das zumindest. Aber er spielt hier eben auch konsequent "p tenuto", viele Pianisten setzen hier Akzente, bei ABM ist das sehr monoton und kalt. ABM ist meines Wissens dann der einzige, der die verzweifelt galopierenden Achtel aus dem tiefen sforzato-Akkord heraus ansteigen lässt - wobei nach meinem Notenverständnis der Basston gar nicht so lange nachklingen dürfte, der Bogen endet ja vor Beginn der Achtel. Im weiter Verlauf des Anfangs stellt ABM ab Takt 17 den Wechsel zwischen p und f unglaublich klar heraus, und er ist dann überwältigend gut bei Takt 25, wo er bei der Wiederkehr des nun regelrecht aufschreienden Achtelthemas wirklich auch f spielt (machen wenige!) und auch noch die Akzente (>) sinnfällig macht - so eindringlich hört man das sonst nur in Rubinsteins Moskau-Aufnahme. Allein dieser Einstieg ist wirklich einzigartig, ich habe ABM's Aufnahme aber auch erst nach einem Blick in die Noten zu bewundern begonnen, denn wie gesagt, zumeist finde ich sein Spiel zu hart. Bin jetzt auf die von Holger erwähnte Live-Aufnahme aus Arezzo gespannt...


    BG,
    Christian

  • Zitat

    Original von Christian B.
    ABM ist bei der Chopins b-Moll Sonata wirklich eine Klasse für sich. Und dabei bin ich eigentlich kein Fan seines ja oft trockenen und oft harten Spiels. Ich habe mir jetzt noch mal die 68er Aufnahme aus Lugano anghört, die man ja in dieser günstigen Box findet:



    Es ist schon einzigartig, wie ABM die Grave-Einleitung als Eintritt in ein Totenreich begreift - so verstehe ich das zumindest. Aber er spielt hier eben auch konsequent "p tenuto", viele Pianisten setzen hier Akzente, bei ABM ist das sehr monoton und kalt. ABM ist meines Wissens dann der einzige, der die verzweifelt galopierenden Achtel aus dem tiefen sforzato-Akkord heraus ansteigen lässt - wobei nach meinem Notenverständnis der Basston gar nicht so lange nachklingen dürfte, der Bogen endet ja vor Beginn der Achtel. Im weiter Verlauf des Anfangs stellt ABM ab Takt 17 den Wechsel zwischen p und f unglaublich klar heraus, und er ist dann überwältigend gut bei Takt 25, wo er bei der Wiederkehr des nun regelrecht aufschreienden Achtelthemas wirklich auch f spielt (machen wenige!) und auch noch die Akzente (>) sinnfällig macht - so eindringlich hört man das sonst nur in Rubinsteins Moskau-Aufnahme. Allein dieser Einstieg ist wirklich einzigartig, ich habe ABM's Aufnahme aber auch erst nach einem Blick in die Noten zu bewundern begonnen, denn wie gesagt, zumeist finde ich sein Spiel zu hart. Bin jetzt auf die von Holger erwähnte Live-Aufnahme aus Arezzo gespannt...


    Lieber Christian,


    das hast Du sehr treffend beschrieben! Er spielt diese Wechsel p und f wirklich sehr genau, vor allem auch bei den Wiederholungen des Hauptthemas mit den <-Akzenten. Die meisten Interpreten ebnen diese sorgfältig notierte dynamische Dramaturgie schlicht ein. Das Sforzato, das Chopin notiert, wenn das Hauiptthema einsetzt, empfinden viele Interpreten als zu klobig und knallig und lassen es weg. ABM hat diese geniale Idee, den Akzent zu realisieren durch eine Oktavierung im Baß, wodurch er nicht mehr so knallig hervortritt. Samson Francois (ich nehme an, er hat ABM im Konzert gehört und diese Idee von ihm übernommen) oktaviert auch, aber das ist nicht so überzeugend wie bei ABM, weil er trotzdem das Sforzato spielt, obwohl das gar nicht nötig ist, weil die Oktavierung allein schon hervorhebend wirkt.


    Welcher Mitschnitt ist denn in dieser Box? Das ist wohl das Label "Aura", die haben seine Mitschnitte immer wieder in verschiedenen Zusammenstellungen veröffentlicht bzw. die Firma, die Aura inzwischen aufgekauft hat. Das druchschaue ich nicht so ganz. Die Internetseite von Aura ist jedenfalls verschwunden - sie veröffentlich(t)en vor allem Mitschnitte aus dem Rundfunk der italienischen Schweiz - ergänzt haben sie das durch manche "Raubkopien", bei ABM die frühen EMI-Italiana-Aufnahmen sowie einige Mitschnitte aus dem Vatikan.


    ABMs Spiel trocken und hart? Das verstehe ich nun wahrlich nicht. Er ist doch der Inbegriff des Pianisten mit einem "schönen Ton"! Beispiel: Die aberwitzig schweren Paganini-Variationen von Brahms. Bei anderen Pianisten klingt der Flügel dort wie eine häßliche Blechbüchse. Bei ABM ist das Musik auf dem mechanischen Instrument Klavier, die auch in den betont "technischen", halsbrecherischsten Passagen immer noch "klingt". Und wie wäre er zu "dem" Debussy-Interpreten schlechthin geworden nach Gieseking, wenn sein Spiel "trocken und hart" wäre? ABM ist freilich ein Musiker, der es sich und dem Publikum nie leicht macht - er ist niemals "gefällig", was ich ungemein an ihm schätze. So gibt es um 1970 herum eine Phase, wo der große Klangästhet geradezu asketisch spielt, Musik purifiziert und Faszination und Klangmagie um jeden Preis vermeiden will - das grenzt manchmal fast an Selbstverleugnung. Aus dieser Phase stammen die beiden für ihn ungewöhnlich "trockenen" EMI-Aufnahmen von Schumanns Carnaval und zweier Haydn-Konzerte. Der trockene Klang liegt natürlich auch an der nicht ganz idealen Aufnahmetechnik, aber die Tendenz ist von ihm gewollt. Daran kann man sich reiben - man kommt aber genau deshalb immer wieder auf diese singulären Aufnahmen zurück, die wirklich eine andere "geistige" Dimension erschließen. So geht es jedenfalls mir.


    Das Programm des Arezzo-Konzertes war: Einige Scarlatti-Sonaten, Beethoven-Sonate op. 2 Nr. 3, Brahms Pagagini-Variationen, Chopin Sonate b-moll, Ravel Valses nobles et sentimentales.


    Beste Grüße
    Holger

  • Zitat

    Original von Frank Georg Bechyna
    Unabhängig von den Musikinterprten sind doch fast alle Menschen, so sie dies vermögen , mehr oder weniger grosse " Rhetoriker " .


    Einer der bekanntesten Klavier - " Rhetroriker " war doch der von Dir erwähnte Arthur Rubinstein gewesen .


    Lieber Frank,


    es gibt natürlich die lange Tradition der musikalischen Rhetorik - Johann Matthesons berühmte Definition der Musik als "Klangrede und Tonsprache" zeugt davon. Aber Rubinstein würde ich nun gerade nicht als Beispiel für einen Rhetoriker nehmen! Die Rhetorik ist eine Kunst, die ursprünglich aus dem politischen Bereich stammt. Der Redner will vor allem eins: Er will durch Überredung die Menschen für sich und seine Überzeugung gewinnen. Das ist der Grund, warum die Rhetorik auf Wirkung abzielt. Die Wirkung ist freilich nicht Selbstzweck. Worum es dem rhetorischen Vortrag geht ist, daß der Redner verstanden werden will. Er bemüht sich deshalb vor allem um eine klare und deutliche Artikulation. Aber das wäre noch zu wenig. Der rhetorische Stil neigt zu einer gewissen Überpointierung, d.h. die Sache nicht nur deutlich zu artikulieren, sondern möglichst "überdeutlich", so daß auch der "Begriffsstutzigste" den Sinn versteht. Bei Francois kann man das in seiner Interpretation der Mazurken erfahren: Das ist nicht nur tänzerisch, sondern geradezu "übertänzerisch". Der rhetorische Stil, der poinitert, hat immer in gewissem Sinne etwas Gewaltsames, er versucht der Musik den Ausdruck "abzupressen". Das Gegenteil davon ist nun Rubinstein. Daniel Barenboim sagt über ihn sehr treffend finde ich: "Bei Ruibinstein geht alles durch ein Natürlichkeitsfilter!" Rubinstein bleibt - im Unterschied zum Rhetoriker Francois, der niemals gelassen ist - immer gelassen. Gelassenheit heißt: Nicht pointieren, sondern die Musik sich selbst aussprechen lassen im Vertrauen darauf, daß sie selbst ausdrucksvoll genug ist, um verstanden zu werden. Genau dieses ("Ur-")Vertrauen hat ein "Rhetoriker" wie Samson Francois im Prinzip nicht. Rhetorisches gibt es natürlich nicht nur bei Francois. Beim späten ABM kommen auch diese pointierten, rhetorischen Phrasierungen, die es früher bei ihm so nicht gab. Niemand spielt so ungemein plastische und beredte Seufzermotive wie ABM! Ich gehöre gewiß nicht zu den - vielen - Philosophen, welche die Rhetorik generell verteufeln. Aber der rhetorische Stil ist immer eine Gratwanderung, die Grenze, wo das Ganze in manieristische Effekthascherei umschlägt, ist bisweilen sehr schmal! Dem sollte man sich doch bewußt sein!


    P.S. Haraswiewicz habe ich in Düsseldorf einmal gehört in meiner Jugend - ich erinnere mich noch heute an einen faszinierenden Vortrag des 3. Scherzos. Er ist ein wahrlich großartiger Chopin-Interrpet. Große Sonatenarchitekturen sind seine Sache freilich nicht. Ashkenazy hat eigentlich sehr viele intelligiente, oft erfrischend unkonventionelle, ideenreiche und auch emotional aufrüttelende Chopin-Interpretationen gegeben (technische Perfektion ist für ihn selbstverständlich, das braucht man nicht zu erwähnen), die weniger gelungene b-moll-Sonate gehört leider nicht dazu. Die h-moll-Sonate liegt ihm deutlich besser


    Beste Grüße
    Holger


  • Lieber Holger,


    ja, es ja handelt sich um Aura-Mitschnitte.


    Als trocken und auch etwas eintönig empfinde ich bspw. seine Aufnahmen von Beethovens op. 7 und 37 (letzteres mit Giulini) und op. 111 (Decca). Schumanns Carnaval hingegen ist für mich in seiner Stilisierung eine der besten Aufnahmen dieses Werks überhaupt, aber Brahms op.35 leuchtet bspw. bei Olga Kern mehr und ist bei ihr insgesamt auch lyrischer angelegt, was mir bei einem fast schon einseitig virtuosen Werk besser gefällt. Seinen Debussy bewundere ich eben nicht so sehr - allerdings war sein letztes Konzert in München mit den Debussy-Zugaben wiedrum einzigartig, aber das vermitteln seine CD's nicht. Aber in diesem Thread geht es ja um Chopins op.35, deswegen sei hier Schluss.


    BG,
    Christian

  • Zitat

    Original von Christian B.


    Als trocken und auch etwas eintönig empfinde ich bspw. seine Aufnahmen von Beethovens op. 7 und 37 (letzteres mit Giulini) und op. 111 (Decca). Schumanns Carnaval hingegen ist für mich in seiner Stilisierung eine der besten Aufnahmen dieses Werks überhaupt, aber Brahms op.35 leuchtet bspw. bei Olga Kern mehr und ist bei ihr insgesamt auch lyrischer angelegt, was mir bei einem fast schon einseitig virtuosen Werk besser gefällt. Seinen Debussy bewundere ich eben nicht so sehr - allerdings war sein letztes Konzert in München mit den Debussy-Zugaben wiedrum einzigartig, aber das vermitteln seine CD's nicht. Aber in diesem Thread geht es ja um Chopins op.35, deswegen sei hier Schluss.


    Lieber Christian,


    in diese Diskussion steigen wir hier besser nicht ein! Zwei Meinungen von Pianistenkollegen: Michael Korstick sagt über ABMs Aufnahme von Beethovens op. 7, daß er durch diese Aufnahme dieses Stück überhaupt erst lieben gelernt hat. Das sei zudem ein schwindelnd hohes pianistisches und interpretatorisches Niveau, was Maßstäbe setzt und hinter das kein Pianist der Welt mehr zurückfallen dürfe. Für meinen Pianistenfreund und ehemaligen Lehrer F.-J., der die op. 7 in seinem Konzertexamen spielte, ist ABMs Aufnahme "die" Interpretation schlechthin, neben der er keine andere gelten läßt. Und er kann das auch sehr gut begründen. Die Decca-Aufnahmetechnik von 1960 ist nicht ideal, klar. Aber niemand spielt die Arietta aus op. 111 so berückend schön. Ich habe da nie auch nur die Spur von Eintönigkeit erlebt. ABM hat 1990 in London übrigens eine ganz andere Interpretation der op. 111 gegeben, die ist von dieser Aufnahme meilenweit entfernt (die Arietta unglaublich rhythmisch-bewegt!). Bei den Paganini-Variationen ist sich die Musikwelt glaube ich weitgehend einig, daß ABM hier singulär ist. Die einzige Aufnahme, die ich für einen Vergleich überhaupt zulasse, ist die zu Recht neben ABM berühmteste von Julius Katchen. Das letzte Konzert von ABM in Hamburg ist die illegale Aufnahme eines Amateurs, der diesen sagenhaften Abend vom Publikum aus illegal mitgeschnitten hat - Mikro und DAT-Recorder auf dem Schoß, daher die vielen Rumpelgeräusche, wenn dieser Mensch sich auf seinem Stuhl bewegt hat, halt nicht wie zur leblosen Statue erstarrt stillhalten konnte. ABMs Frau Guiliana war sehr erbost über diese Veröffentlichung! Nun aber Schluß damit! Quälen wir Chopin nicht länger! :pfeif:


    Beste Grüße
    Holger

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  • Zur EMI-Box mit Francois:



    Ich vermute sehr stark, dass diese identisch mit der älteren 10-CD-Box (rechts) ist. Zu befürchten ist, dass man nicht einmal ein neues Remastering vorgenommen hat. Ich besitze diese ältere Box und die remasterings stammen, je nach CD von 1986-99. Man hat also in diesem Falle schon einfach die zu unterschiedlichen Zeiten als CD herausgebrachten gebündelt.


    Ich weiß auch nicht, wieviele alternative Aufnahmen es von einigen Stücken gibt, ich vermute mal, dass man, wenn eine Stereo-Aufnahme vorlag, diese verwendet hat und mit den restlichen Studio-Aufn. ergänzt.


    Die Aufnahmen sind ca. zur Hälfte mono und auch bei einigen Stereo-Aufnahmen ist der klang nicht gerade überragend, aber eigentlich immer o.k.
    (Zugegebenermaßen bin ich allerdings erst in den letzten Wochen "unterweg" auf mäßigem Equipment zum ausführlicheren Hören der Box gekommen, auf der richtigen Anlage zu Hause war ich vom Klang wneig begeistert, hier stört es mich nicht.)


    mono sind Balladen, Scherzi, Mazurken, Impromptus, evtl. auch die Etuden, der Rest Stereo. (Aufnahmen von 1954-69) Es sind fast alle bekannten Werke enthalten; ein paar Kleinigkeiten fehlen (Berceuse, Bolero), von den posthumen Walzern ist nur einer dabei, dafür drei posthume Polonaisen. Die einzelnen Preludes "25 + 26" fehlen, nicht aber die Trois nouvelles Etudes.


    Der Bookletschreiber hebt besonders die Balladen und die Nocturnes hervor und hält die Mazurken und Walzer für nicht so überzeugend bzw. inhomogen. Ich wage das (noch) nicht zu beurteilen.


    Ungeachtet all dessen scheint mir die Box durchaus empfehlenswert. Selbst wenn vielleicht keine "neutrale Kennenlernversion" der jeweiligen Werke geboten werden und die Klangqualität angesichts der Aufnahmedaten erheblich besser sein könnte... so finden sich, wie schon von anderen angedeutet, leidenschaftliche und teils sehr individuelle Interpretationen. Die Balladen sind mir stellenweise etwas zu hektisch, besonders in 1 und 4, allerdings ist der gewaltsame Einbruch in der 2. Ballade nach dem lyrischen Beginn großartig. Die Sonaten gefielen mir ziemlich gut, ebenso die Barcarolle und die Preludes. (Wobei ich bei den Preludes sonst nur zwei ziemlich extreme Interpretationen, nämlich Argerich und Sokolov kenne)


    Das gehört eigentlich in einen anderen thread, aber da diese Aufnahmen nunmal erwähnt wurden, dachte ich, ich schreibe kurz was dazu.
    Als Ergänzung für den Chopin-Liebhaber ist die Box, auch angesichts des niedrigen Preises sicher interessant, sofern man nicht auf gutem Klang besteht.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Lieber Holger :



    Danke wie stest für Deine Ausführungen .


    Rubinstein selbst war nach eigenen Angaben bis zu dem Zeitpunkt als seine Karriere mehr als nur stagnierte nie ein fleissiger Übender gewesen .
    In dieser Zeit hat sich dies angeblich schlagartig geändert . Er begann sogar sehr intensiv die Notentexte zu studieren und auch am Flügel täglich lange zu üben .
    Er erklärte in einem Folm, der 2009 im TV gesendet worden ist, dass ihm dann bezüglich seines Spieles und der Wirkungen das Publikum eine grosse Hilfe gewesen sei .
    Rubinstein avancierte dann auch schnell zu einem der Publikumslieblinge überhaupt und konnte diese ehrliche Zuneigung seines Publikums auch bis zu seinem Tod aufrechthalten .
    Im Gegensatz zu den meisten Pianisten des "Goldenen Zeitalters des Klavierspiels " erfolgte der internationale , bleibende Durchbruch in seiner Karriere erst als AR schon über 50 Jahre alt gewesen ist .


    Es geht hier primär um Frédéric Chopin . Rubinsteins Chopin ist hörbar kraftvoll , sehr vital , hat den berühmten goldenen Ton . Die Abtönungen gelingen ihm wundervoll . Er hielt Chopin auch viel mehr für einen "Klassiker" als einen "Romantiker" ( wobei offen bleibt , was er darunter genau versteht ) . Aber ich denke, dass dieses Spiel , diese ganz persönliche Note bei Rubinstein vor allem auch auf seine beiden Interpretationen der Brahms - Klavierkonzerte entscheidenenden Einfluss hatte . Rubinsteins Brahms wird nicht selten seine Chopininterpretationen gleichgestellt . Bei Rubinsteins Wiedergaben der Werke für Klavier solo von Johannes Brahms ist mir dieser Ton zu weit entfernt von der Herbheit Brahms' . Dies trifft auch auf die Melancholie in Schuberts Musik zu .


    Du hast bei Chopin die "Mazurken " hervorgehoben . Ich finde, dass die beiden Gesamtaufnahmen dieser Werke einen Refernzstatus beanspruchen können . Ähnliches höre ich bei den 4 Scherzi in der Edition " The Piano Library " .
    Und seine Interpretationen der b - Moll - Klaviersonaten haben in keinem Moment diese zu oft zu hörende hohle Pathos ; sie haben etwas "Erhabenes" , etwas "Grosses" . Rubinstein spielt einen stolzen Chopin .


    Beste Grüsse



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Lieber Frank,


    meine Zustimmung zu Rubinstein (das hast Du wirklich sehr treffend charakterisiert!) - über seinen Brahms denke ich allerdings ein bischen anders. (Den Film habe ich auch gesehen, sehr aufschlußreich!) Ich finde, daß er eine große, quasi naturgegebene Affinität zu Brahms hat - eben Gefühl und diese gewisse "deutsche" Strenge und männliche Herbheit, welche die Musik nie verzuckert oder sentimentalisiert. Seine Aufnahme der Sonate op. 5 finde ich bis heute unübertroffen, auch die Intermezzi und Rhapsodien sind großartig - zudem die Kammermusik, als Begleiter von Szering z.B. Bei den Balladen op. 10 kommt er allerdings bei weitem nicht an ABMs Referenzaufnahme heran, aber trotzdem stimmt noch die Idiomatik. Anders als bei Brendel z.B., der bei den Brahms-Balladen "lisztet". Diese flatternde Instabilität paß einfach nicht zu Brahms - da stimmt dann die Idiomatik nicht mehr!


    Bei Chopin führt bis heute kein Weg an Rubinstein vorbei - speziell bei den Sonaten natürlich auch nicht!


    Beste Grüße
    Holger

  • Lieber Johannes :



    ich habe mich noch einmal erkundigt .


    (1) Es gab durch TOSHIBA- EMI Ltd. , Japan , eine völlig überarbeitete Edition dieser EMI - Box aus 1999 , im Jahr 2004 . Die inhaltlich identische Zusammenstellung umfasste 12 CDs .


    Sie scheint zur Zeit selbst in Frankreich vergriffen zu sein .


    Die technischen Überarbeitungen durch TOSHIBA sind in allen mir bekannten Wiederveröffentlichungen sehr gut gelungen und unterscheiden sich sehr positiv , was die verschiedenen EMI - Bearbeitungen in den 1990er Jahren zustande gebracht haben .



    (2) Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass eine Musikliebhaberin aus Frankreich Ende 2009 im Internet geschreiben hatte , dass die EMI für 2010 plane , eine Gesamtausgabe der Aufnahmen von Samson Francois herauszugeben ( alle je bei der EMI zwischen 1954 und 1969 aufgenommenen Interpretationen ) . Diese Ausgabe soll über 40 CDs umfassen ( also vergleichbar der Ciccolini - Edition ) .


    Viele Grüsse


    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Zitat

    Original von Dr. Holger Kaletha
    Lieber Christian,


    in diese Diskussion steigen wir hier besser nicht ein!


    Vielleicht kann ja einer der geschätzten Moderatoren diesen ABM-Exkurs in einen ABM-Thread verschieben, denn ich würde durchaus gerne in diese Diskussion einsteigen. Unter anderem auch, weil der von Dir erwähnte Korstick für mich eben kein Argument sein kann.


    Liebe Grüße,
    Christian

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  • Lieber Holger :



    nochmals : Nicht weniger Musikliebhaber halteh Rubinsteins Brahms für weitaus interessanter und wichtiger als seinbe Chopinaufnahmen .
    Wobei man sagen muss , das nur einmal AR live erelbt zu haben etwas völlig anderes ist als die fast kalte Atmosphäre in dem Klanbg einer CD ( weniger in den LP-Aufnahmen ) .


    Es ist natürlich trefflich über die einzelnen Aufnahmen zu diskutieren . Ich selbst halte Cladio Arrau für - insgeamt - d e n Brahmsinterpretn schlechthin .


    Die ist ja kein Sportwettbewerb hier , sondern zeigt einmal mehr , wie wir auch Filmmaterial doch in Nuancen anders wahrnehmen .


    Als BILANZ der bisherigen Besprechungen der b - Moll - Klaviersonaten würde ich , um bei der tatsächlich bestandenen Rivalität zwischen ihm und Horowitz im Falle der b - Moll - Klaviersonate doch Horowitz , vor allem in der frühen Aufnahme , das Wesen der Sonbate doch mehr liegen !


    Zu ABM gilt doch dann die Frage an Dich ( die Du ruig erst beantworten kannst , wenn Du wieder etwas mehr Ruhe haben wirst ! ) , ob Du denn doch nicht eine auch Dir mehr zusagenden Wiedergabe der verschiedenen Aufnahmen immer hattest o d e r , ob Du vielleicht in Dir selbst einen Wandel in Deiner persönlichen Sicht auf die Komposition im Laufe Deiner Hörerjahre erlebt hast ? Dies würde mich schon s e h r interessieren .


    Ich hatte dies ja anhand der Aufnahmen von Beethovens Opus 111 sowohl bei ABM als auch bei Claudio Arrau und Backjaus sowie S. Richter bei mir festgestellt . Bei W. Kempffv ist diese Eigenerfahrung nicht eingetreten .



    Beste Grüsse



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Zitat

    Original von Christian B.
    [quote]Original von Dr. Holger Kaletha


    Lieber Christian,


    das war nur das bemerkenswerte Statement eines Interpreten, der selbst an einer Gesamtaufnahme der Klaviersonaten arbeitet, also nicht nur "Hörer" und Liebhaber ist. Du kannst gerne in den ABM-Thread gehen - in bezug auf die op. 7 wird das für mich "arbeitsintensiv". :yes: Jeder von uns hat seine Prägung, was den Zugang zu bestimmter Musik bzw. Intepreten angeht. Das ist völlig normal. Es ist auch immer wieder interessant zu erfahren, wie unterschiedlich die Wahrnehmungen sind. So geht es jedenfalls mir!


    Beste Grüße
    Holger


  • Lieber Frank,


    da hast Du natürlich recht! Ich denke so: Es gibt wirklich sehr wenige "geborene" Brahms-Interpreten und viele andere mit großem Namen, die nun wirklich keine Affinität zu dieser Musik haben. Unter der Gruppe der "Brahmsianer" gibt es natürlich Nuancen - und die kann der ein oder andere verschieden gewichten! Klar! Seien wir also froh, daß wir Rubinstein und Arrau haben - Arrau hat von Brahms natürlich weit mehr eingespielt was das Repertoire angeht als Rubinstein. Die Konzerte z.B. gefallen mir von Arrau besser als von Rubinstein - aber da müßte ich dann noch einmal nachhören, um mich letztlich definitiv festzulegen!


    Bei ABM existiert die Mär, daß er über die Jahrzehnte alles gleich spiele. Im Laufe der Jahre, wenn man an die verschiedensten raren Mitschnitte kommt, erfährt man dann, daß das Gegenteil der Fall ist. Gerade bei op. 111. Es gibt auch einige seiner Schüler, die berichten, daß er bewußt verschiedene Interpretationen von einem Werk in diversen Konzerten gegeben hat. Das kann ich aufgrund meiner Sammlung durchaus bestätigen! (Joachim Kaiser schrieb in seinem Nachruf: ABM war kein einfältiger Esel, weil er sehr genau wußte, daß man ein und dasselbe Werk sehr verschiedenen interpretieren kann!) Bei Arrau gibt es solche Entwicklungen auch (besonders nachvollziehbar bei Chopin) und bei Richter gibt es diese Schwankungen. Bei Richter speziell kommen noch Formschwankungen hinzu, er hat ja jedes Konzert gegeben und nicht abgesagt, auch wenn er sich eigentlich indisponiert fühlte.


    Beste Grüße
    Holger

  • Apropos Backhaus - seine Aufnahme der b-moll-Sonate ist vielleicht die "deutscheste" (mehr noch als die von Kempff) - das ist schwergewichtiger Chopin, als Bruder von Johannes Brahms gewissermaßen! :pfeif:


    Beste Grüße
    Holger

  • Zitat

    Original von Dr. Holger Kaletha
    ...
    Das Programm des Arezzo-Konzertes war: Einige Scarlatti-Sonaten, Beethoven-Sonate op. 2 Nr. 3, Brahms Pagagini-Variationen, Chopin Sonate b-moll, Ravel Valses nobles et sentimentales.


    Beste Grüße
    Holger


    Lieber Holger,


    auf dieser CD (heute eingetroffen!)



    fehlen leider die Scarlatti-Sonaten und der Ravel. Vor allem letzteres ist schade, da ich keine ABM-Aufnahme der 'Valses nobles et sentimentales' von Ravel kenne.


    Chopins b-moll-Sonate spielte Michelangeli 1952 in Arezzo wie folgt:


    1. Satz: 8.18
    2. Satz: 8:02
    3. Satz: 10:32
    4. Satz: 1.35 (erreicht Finalakkord bei 1:10!)


    Insgesamt also etwas langsamer, aber im wesentlichen finde ich in Arezzo die Charakterzüge seiner Einspielungen aus Lugano und dem Vatikan wieder. Allein der "Abstieg" der Grave-Einleitung ist hier noch unheimlicher und leiser als in den anderen Aufnahmen (fast schon gruselig). Wirklich erstaunlich. Danke auch für den Hinweis mit der Oktavierung im Baß, ich dachte schon, ich könnte keine Noten mehr lesen (bin da nicht so der Experte wie Du) und habe mich lange gefragt, wie er das macht - das ist wirklich genial, aber eben auch eine ziemliche Eigenmächtigkeit, oder?


    Beim Durchhören meiner anderen Aufnahmen der b-Moll Sonate habe ich übrigens festgestellt, dass Nelson Freire die Grave-Einleitung sehr ähnlich spielt und sich dabei vermutlich an ABM orientiert. Aber im weiteren Verlauf kann er nicht mithalten und einige etwas unschöne Temposchwankungen (ab 0:35) zeigen doch den Unterschied. Ich spreche von dieser Aufnahme:



    Beste Grüße,
    Christian

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  • Die „unendliche Geschichte“
    meines Projektes eines großen historischen Interpretationsvergleichs der Sonate
    op. 35 geht weiter! Ich habe – wer hätte es gedacht (!) – aktuell noch 17 (!)
    Aufnahmen zu bearbeiten. Bei Cortot noch nachzutragen: Aufnahmen von 1949 und
    1953 sowie die Bearbeitung seiner kommentierten Ausgabe von op. 35. Bei Gilels
    ist noch die EMI-Studioaufnahme zu ergänzen und bei Pogorelich der Vortrag vom
    Chopin-Wettbewerb. Sehr freue ich mich, dass sich das Bild der russischen
    Schuke komplettiert hat mit den Schulbildnern Heinrich Neuhaus (Aufnahme 1949)
    und Yakov Flier, und neben Bermans vorzüglicher Aufnahme nun auch noch die von
    G. Ginsburg dazugekommen ist. Der de Greef ist endlich bestellt und Perlemuter
    nach einer vergeblichen Bestellung, auf die ich Monate gewartet habe, im
    zweiten Anlauf doch gekommen. Auch T. Vasary, der in den 60igern wahrlich
    überragende Chopin-Einspielungen bei der DGG machte, ist nun dabei. Die Rubrik
    „Pianistinnen“ hat ebenfalls Zuwachs bekommen, u.a. durch Edna Sterns
    Einspielung auf einem historischen Instrument, so dass ich hier einen Vergleich
    mit Olejniczak anstellen kann. Noch zu bearbeiten sind also neben den oben
    erwähnten (kursiv!): de Greef, Vasary, Perlemuter, Ginsburg, Kapell, Bulva,
    Ohlsson, Fialkowska, Kern, Lazic, Stern, Nat, Neuhaus.



    I.
    Historische Aufnahmen I: De Greef, Hofmann, Paderewski,
    Friedman, Grainger



    II.
    Historische Aufnahmen II: Godowsky, Rachmaninow, Brailowsky, Cortot
    (3)



    III.
    Die Deutschen: Kempff und Backhaus



    IV.
    Poeten und Virtuosen I: Horowitz (2), Cziffra (3), Cherkassky



    V.
    Artur Rubinstein (4)



    VI.
    Arturo Benedetti Michelangeli (ABM) (7)



    VII.
    Emil Gilels (5)



    VIII.
    Die polnische Schule: Askenase, Harasiewitz, Oleiniczak (2)



    IX.
    Chopin modern: Weissenberg (2), Argerich, Anda



    X.
    Die neue Sachlichkeit: Barenboim, Pollini (3), Vasary,
    Ashkenazy



    XI.
    Frankreich: Nat, Perlemuter, El Bacha



    XII.
    Chopin angelsächsisch: Katchen, Kapell, Perahia, Katin,
    Ohlsson, Shelley



    XIII.
    Bulva, Moravec, Andsnes



    XIV.
    Poeten und Virtuosen II: Janis, Freire, Hamelin



    XV.
    Exzentriker und Individualisten: Francois, Pogorelich
    (2), Katsaris



    XVI.
    Die russische Schule: Neuhaus, Flier, Ginsburg,
    Berman, Gawrilow, Sokolov, Pletnev, Kissin



    XVII. Pianistinnen:
    Biret, Ousset, Fialkowska, Grimaux, Kern, Stern



    XVIII. Die
    Youngstars: Lazić, Tokarev, Trpceski, Y. Wang
    :thumbsup:


    Beste Grüße
    Holger




  • Ich muss zugeben, dass es mir widerstrebt, wie bei Kritikern beliebt für musikalische Interpretationen so etwas wie Schulnoten zu verteilen. Dahinter steckt nicht nur der hilflose Versuch, Qualitatives zu quantifizieren. Das Erteilen von Noten verschleiert zudem die hochkomplexe Wertung mit an sich heterogenen, unvergleichlichen Kriterien, die in ein solches Urteil eingehen. Letztlich sind Wertungen aber doch irgendwie unerlässlich, um eine gewisse Orientierung zu geben. Die folgende Werteskala spiegelt unvermeidlich die Zweideutigkeit, dass einmal die Qualität Grundlage der Bewertung ist, aber auch die Bedeutung einer Interpretation im absoluten wie interpretationsgeschichtlichen Sinne. So darf man keineswegs annehmen, dass eine Aufnahme, die 4 Sterne erhält, grundsätzlich irgendwie „schlechter“ sein müsse als eine andere mit 5 oder 6 Sternen. Der Unterschied liegt hier im wesentlichen in der Bedeutung eines Vorbildes für die heutige Zeit im Sinne von Maßstäben, die wir infolge der fortgeschrittenen Interpretationsgeschichte erheben und welche die betreffende Aufnahme exemplarisch und wegweisend verkörpert sowie meiner persönlichen Wertschätzung, die ich hier natürlich nicht in jedem einzelnen Fall begründen kann. Immerhin habe ich 9 persönliche Referenzen und 9 maßstabsetzende Aufnahmen ausgewählt, was zeigt, dass ich durchaus nicht irgendwie dogmatisch festgelegt bin auf eine bestimmte Weltsicht in Sachen Chopin-Interpretation. Auch heißt das natürlich nicht, dass ich auf die anderen herausragenden Aufnahmen verzichten wollte oder könnte! Nein, als leidenschaftlicher Liebhaber des Klavierspiels bin ich regelrecht „süchtig“ nach ihnen allen! Es ist doch beglückend, dass es so viele musikalische Edelsteine zu entdecken gibt! Beispiel für das gewisse Wertungsdilemma: Cortots 4 Sterne. Man kann diesen Stil nicht nachahmen – insofern bleiben seine Aufnahmen historisch – was aber keineswegs bedeutet, dass sich nicht jeder ernsthafte Musiker mit ihm auseinandersetzen und auch der Musikliebhaber an dieser ungemein tiefschürfenden, existenzialistischen Deutung einfach vorbeigehen sollte. Drei der historischen Aufnahmen entziehen sich schlicht der Bewertung durch Noten – jeder Vergleich wäre hier unpassend. Auch die Aufnahmen auf historischen Instrumenten (Olejniczak, Stern) verweigern sich in vielerlei Hinsicht dem Vergleich mit dem, was ein moderner Konzertflügel erlaubt, nutzen aber die Möglichkeiten des Instruments exemplarisch mit einer zudem hervorragenden Interpretation, weswegen ich sie in die 5 Sterne-Kategorie eingeordnet habe.


    Bewertungskriterien:


    6 Sterne: Meine persönlichen Referenzen

    5 Sterne: Bis heute maßstabsetzende Aufnahmen mit Vorbildcharakter

    4 Sterne: Herausragende Interpretationen bleibender Gültigkeit

    3-4 Sterne: Sehr gut

    3 Sterne: Gut

    2-3 Sterne: Akzeptabel – mit mehr oder weniger deutlichen Schwächen

    2 Sterne: Mäßig

    1 Stern: Sehr mäßig


    Die Einteilung habe ich inzwischen geändert – die Rubrik Frauen als Interpreten eliminiert.


    I.
    Historische Aufnahmen I: Hofmann, Paderewski, Friedman, de Greef, Grainger
    II.
    Historische Aufnahmen II: Godowsky, Rachmaninow, Brailowsky, Cortot
    (3)
    III.
    Die Deutschen: Kempff und Backhaus
    IV.
    Poeten und Virtuosen I: Horowitz (2), Cziffra (3), Sherkassky
    V. Artur Rubinstein (4)
    VI. Arturo Benedetti Michelangeli (ABM) (7) (mit der Filmaufnahme der RAI)
    VII. Emil Gilels (6)
    VIII. Die polnische Schule: Askenase, Harasiewitz, Olejniczak (2)
    IX. Chopin modern: Weissenberg (2), Argerich, Anda
    X. Die neue Sachlichkeit: Barenboim, Vasary, Pollini (3), Ashkenazy
    XI. Chopin angelsächsisch: Katchen, Kapell, Perahia, Katin, Shelley, Ohlsson, Fialkowska
    XII. Bulva, Moravec, Andsnes, Stern
    XIII. Poeten und Virtuosen II: Janis, Freire, Hamelin
    XIV. Exzentriker und Individualisten: Francois, Pogorelich (2), Katsaris
    XV. Die russische Schule: Neuhaus, Flier, Ginsburg, Berman,
    Gawrilow, Sokolov, Pletnev, Kissin, Kern
    XVI. Die französische Schule: Nat, Perlemuter, Ousset, Biret, El Bacha, Grimaux
    XVII. Die Youngstars: Lazić, Tokarev, Trpceski, Y. Wang



    Aufschlüsselung nach Wertung (eingegangen sind 84 Aufnahmen):


    6 Sterne (9 mal), 5 Sterne (9
    mal), 4 Sterne (10 mal), 3-4 Sterne (8 mal), 3 Sterne (6 mal), 2-3 Sterne (9
    mal), 2 Sterne (11 mal), 1 Stern (2 mal)


    Wie man sieht – die vielen Sterne
    haben das Übergewicht! Die Wertung fällt insgesamt sehr positiv aus. Auf
    Anfrage – wenn Interesse besteht – stelle ich eine Kurzbewertung des
    betreffenden Interpreten ein.


    6 Sterne: Meine persönlichen Referenzen


    Horowitz (CBS 1962), Cziffra (EMI
    1977), Rubinstein, Benedetti Michelangeli, Gilels, Anda, Pogorelich (Warschau
    1980), Flier, Berman


    5 Sterne: Bis heute
    maßstabsetzende Aufnahmen mit Vorbildcharakter


    Weissenberg, Argerich, Pollini,
    Katchen, Perahia, Perlemuter, Kern

    Auf historischem Instrument
    mustergültig interpretiert: Olejniczak, Stern


    4 Sterne: Herausragende
    Interpretationen bleibender Gültigkeit

    De Greef, Grainger, Rachmaninow,
    Brailowsky, Cortot, Horowitz (RCA 1950), Cziffra (1963), Sherkassky, Askenase,
    Francois


    3-4 Sterne: Sehr gut

    Godowsky, Kempff, Backhaus,
    Pollini (DGG 2007), Janis, Pogorelich (DGG 1981), Neuhaus, Kissin


    3 Sterne: Gut

    Barenboim, Fialkowska, Moravec,
    Hamelin, Biret, El Bacha


    2-3 Sterne: Akzeptabel – mit
    mehr oder weniger deutlichen Schwächen


    Harasiewicz, Vasary, Ashkenazy,
    Ohlsson, Freire, Katsaris, Ginsburg, Ousset, Wang


    2 Sterne: Mäßig

    Kapell, Shelley, Andsnes,
    Gawrilow, Sokolov, Pletnev, Nat, Grimaux, Lazić, Tokarev, Trpceski


    1 Stern: Sehr mäßig

    Katin, Bulva



    Ohne Wertung: Hofmann (Rollenaufnahme), Paderewski
    (nur Trauermarsch), Friedman (nur Trauermarsch u. Presto-Finale)


    Beste Grüße
    Holger



  • Lieber Holger,


    ich bin ja mit der neuen Forensoftware nicht glücklich, das ist alles sehr holperig, aber dieser Thread ist so wertvoll, dass ich mich jetzt aufgerafft habe. Vielen Dank für die Fortsetzung Deines spannenden Projekts, ich finde die Einteilung gut, eben auch weil sie nach subjektiven und kulturellen Aspekten ausgewählt wurde.


    Nicht ganz einverstanden bin ich allerdings persönlich mit Deiner Einschätzung von Ginzburg, dessen erregte Live-Aufnahme für mich eine der größeren Entedeckungen der letzten Zeit war. Das ist kein absolut perfektes Klaiverspiel, aber Ginzburg riskiert auf der anderen Seite viel mehr als die meisten seiner Kollegen, er geht voll auf Risko und scheut die Extreme eben nicht - und diese Sonate ist nun wahrlich keine feinsinnige Salonmusik, sondern sie ist radikal und verstörend, und das heute noch, wenn sie so gespielt wird, wie bspw. Ginzburg den ersten Satz nimmt. Sein extrovertierter Stil legt eine Seite dieser Musik offen, die gern nivelliert wird: selten habe ich die Erschütterungen in den Bässen zu Beginn der Durchführung so aufrüttelnd und dem Wahnsinn nahe gehört wie hier, selten wurde mir bewusst, dass hier eine andere Welt 'einbricht'. Das ist eine Durchführung ohne jede Zurückhaltung, erschütternd, aufgewühlt und wild! Aber genau das gefällt mir, hier fände ich Zurückhaltung falsch, dabei spielt er meines Erachtens beherrschter als etwa Sokolov.. Aber das scheint mir dieser Durchführung, die den Irrsinn nicht nur streift, durchaus angemessen. Insgesamt für mich eine der erregtesten Aufnahmen des ersten Satzes der Sonate - sie rückt die wilde Seite der Musik in den Vordergrund - und dies überzeugender als bei Sokolov oder Gavrilov!


    Beste Grüße,


    Christian


  • Lieber Theophilus,


    auch nach mehrmaligen Versuchen ist es mir nicht gelungen, aus dem vorherigen Beitrag einen Absatz zu zitieren. Ich habe die Kästchen zum Anklicken schon gefunden, aber es hat nicht funktioniert. Entweder es hat sich immer der Computer aufgehängt oder es passierte gar nichts. Und dabei habe ich eine wirklich sehr schnelle Verbindung, die ansonsten immer reibungslos läuft. Des weiteren war es mir nicht möglich, in der Vorschau zu sehen, ob der Amazon-Link funktioniert. Dann macht so eine Vorschau auch keinen Sinn. Und da ich nun schon mal dabei bin, möchte ich noch folgende Anregungen loswergen:


    - früher gab es eine Standard-Übersicht der zuletzt verfassten Beiträge, die fand ich sehr hilfreich.


    - auch vermisse ich die Überischt auf der linken Seite des Bildschrims, dadurch war das Navigieren innerhalb des Forums viel einfacher, eben weil man immer auf diese fixierte Übersicht klicken konnte! Es ist jetzt einfach alles viel unübersichtlicher.


    Mir ist schon klar, dass Ihr viel Arbeit investiert habt, um das Forum wiederherzustellen, aber die genannten Punkte finde ich wichtig, das sind ja fast Mindestanforderungen an die Software. Man ist ansonsten zuviel mit Suchen beschäftigt und dann vergeht irgendwie die Lust.


    Herzliche Grüße,


    Christian

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  • auch nach mehrmaligen Versuchen ist es mir nicht gelungen, aus dem vorherigen Beitrag einen Absatz zu zitieren. Ich habe die Kästchen zum Anklicken schon gefunden, aber es hat nicht funktioniert.


    Ich habe den obigen Text in deinem Beitrag markiert, dann auf Zitat geklickt und "Textstelle direkt zitieren" ausgewählt. Damit wird ein neuer Beitrag erstellt und das Zitat automatisch eingefügt!


    Will ich ein weiteres Zitat aus deinem Beitrag einfügen, scrolle ich hinunter. Unter dem gerade bearbeiteten neuen Beitrag finden sich die letzten 20 Beiträge des aktuellen Threads. Ich markiere eine andere Textstelle aus deinem Beitrag und verwende wieder die Zitatsfunktion ("Textstelle zum Zitieren auswählen"):


    - früher gab es eine Standard-Übersicht der zuletzt verfassten Beiträge, die fand ich sehr hilfreich.


    Voilà. Ich kann nicht nachvollziehen, wo bei dir das Problem beim Zitieren liegt. Ansonsten verweise ich wieder auf die Hilfefunktion, in der das Zitieren ausführlicher behandelt wird.



    Deine anderen beschriebenen Mängel beziehen sich auf das noch fehlende Portal. Das wird es in der gleichen Form zwar nicht mehr geben, aber es wird etwas ähnliches kommen. Man muss sich jetzt mit der Suchfunktion behelfen ("Ungelesene Beiträge", "Themen der letzten 24 Stunden", "Neue Beiträge seit <dem letzten Einstieg>"). Ist zwar nicht ganz so schön, leistet aber eigentlich alles, was man braucht. Das ist kein Mangel der Software an sich, es fehlt einfach noch eine im Prinzip geplante Erweiterung.


    Generell ist die neue Forensoftware ein großer Fortschritt und in vielen Punkten eine klare Verbesserung. Der gravierendste Mangel ist die Unmöglichkeit, in Thementiteln zu suchen. Dies ist eine schwer zu verstehende Entscheidung von WoltLab, aber vorläufig müssen wir damit leben. Ansonsten sind die bestehenden Probleme eher solche der Umstellung...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ich habe den obigen Text in deinem Beitrag markiert, dann auf Zitat geklickt und "Textstelle direkt zitieren" ausgewählt. Damit wird ein neuer Beitrag erstellt und das Zitat automatisch eingefügt!


    funktioniert wunderbar, Danke für den Hinweis!
    VG,
    Christian

  • Lieber Christian,


    diese Software ist in der Tat furchtbar. Langsam, unübersichtlich und das Zitieren ist fürchterlich umständlich!


    Ich habe gestern von dieser CD den "Carnaval" gehört. Zu Beginn war ich sehr angetan: eine wirklich gelungene Mischung aus intellektueller Kontrolle und Spontaneität. Doch irgendwann kippt es. Man hat das Gefühl, wenn er in der Konzertsituation sozusagen heiß läuft, dann wird es grobschlächtig. Mit der fehlenden Perfektion habe ich eigentlich weniger Probleme - Sherkassky z.B. ist auch alles andere als ein Präzisionsfanatiker! Bei der Chopin-Sonate finde ich den ersten Satz bei Ginsburg noch am besten. Die mäßige Bewertung kommt vor allem vom Trauermarsch her, einer völlig mißlungenen Rachmaninow-Imitation - wie übrigens bei C. Katsaris und Nelson Freire auch! Das Finale ist auch viel zu grob. Das Scherzo geht, mit Licht und Schatten. Der Hauptthemenkomplex des Kopfsatzes ähnlich wie der Beginn des "Carnaval" - eine durchaus gelungene Mischung aus Spontanietät und Kontrolle. Das Seitenthema ist leider sehr hölzern und steif - dieselbe Steifheit kann man hören auch im 2. Impromptus. Es stimmt: Die Durchführung "verniedlicht" er nicht, da werden die elementaren Gewalten entfesselt. Da hast Du völlig Recht! Das ist für mich auch nicht der Stein des Anstoßes! Im Gegenteil! Was ich bemäkele ist ein gewisser Positivismus. Andere können hier ebenso die elementaren Gewalten entfesseln, verstehen aber z.B. den Pausen Leben einzuhauchen, so etwas wie Subjektivität: Zögern und dann wieder Losbrechen der Gewalt. Letztlich ist das eine Frage der Agogik. Das ist mir bei Ginsburg alles oft etwas zu vordergründig knallig und in diesem Krafteinsatz gehen dann die Abstufungen verloren. (Klar, das ist irgendwo auch die russische Pianistenschule, welche die dynamischen Möglichkeiten des Flügels voll auskostet bis in die Extreme!) Dazu neigt er offenbar in der Konzertsituation - auch im Carnaval wirkt das an vielen Stellen, besonders zum Ende hin, zu aufdringlich und störend. Es wäre interessant, wenn er von der Sonate eine Studioaufnahme hinterlassen hätte, wie es da aussehen würde. Doch die gibt es wohl leider nicht! Sein Liszt ist wirklich toll übrigens! Die "Glocken von Genf" unglaublich dämonisch. Seine 2. Ungarischen Rhapsodie ist für mich eine der schönsten Aufnahmen überhaupt (auf CD in der Serie "Great Pianists").


    Beste Grüße
    Holger

  • diese Software ist in der Tat furchtbar. Langsam, unübersichtlich und das Zitieren ist fürchterlich umständlich!


    Bitte keine haltlosen Pauschalverurteilungen!


    Das neue Forum läuft definitiv schneller als das alte, und zwar merklich! Wenn es dir langsamer vorkommt, dann ist der Grund bei deinem PC zu suchen!


    Ob es unübersichtlich ist, ist natürlich eine überwiegend subjektive Einschätzung. Nur, worauf beruht sie? Ich habe auch beim alten Forum das Portal nur wenig verwendet und bin eher direkt auf die Standardoberfläche gegangen (Was helfen mir die letzten 6 oder 10 Postings, wenn ich in Wirklichkeit alle ungelesenen sehen will? Ähnliches gilt für die Themen.). Und dort sind die Unterschiede doch gar nicht so groß, wenige Einschränkungen und einige gravierende Verbesserungen.


    Und eine der spürbarsten Verbesserungen ist die neue Zitatfunktion. "Fürchterlich umständlich"? Jetzt übertreibe nicht! Früher hatte man eine Schaltfläche, um einen Artikel zur Gänze zu zitieren. Jetzt brauche ich dazu einen Doppelklick. Na, schrecklich. ;)
    Dafür verbergen sich im Zitatmenü ein paar sehr nette Neuerungen, mit denen man ganz einfach einzelne Passagen zitieren kann, und sogar aus einem oder mehreren(!) Beiträgen mehrere Textstellen sammeln und auf einmal in einen neuen Beitrag als Zitate einfügen kann. Und zwar in einer Weise, die wirklich nicht mehr einfacher und eleganter bewerkstelligt werden kann. Und nebenbei bemerkt funktioniert die alte Methode, manuell einzelne Zitate zu erstellen, natürlich vollkommen gleich auch im neuen Forum!


    Also bitte keine unnützen Pauschalurteile sondern konkrete Fragen zu konkreten Problemen, damit man Unterstützung geben kann!


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo miteinander,


    seit kurzem gibt es ja die neue "The Complete Album Collection" von Arthur Rubinstein.

    141CD's dieser Box entsprechen weitgehend der wunderbaren Rubinstein Collection; für alle, die diese Aufnahmen haben, ist die Anschaffung dieser Box ziemlicher Irrsinn. Aber es sind drei neue CD's dabei mit Live-Aufnahmen aus der Carnegie Hall 1961. Rubinstein hat hier insgesamt 10 Konzerte gegeben, und bislang gab es davon nur wenige Stücke auf einer Highlights CD:

    Bei den neuen Aufnahme sind einige wirklich kapitale Stücke dabei - so eine Aufnahme von Stravinskys Petruschka, Brahms Sonate op. 5 und eben auch eine Aufnahme von Chopins Sonate op. 35!!! Damit liegen nun insgesamt vier Rubinstein-Aufnahmen dieses Werks vor. Die neu verfügbare Einspielung aus der Carnegie Hall ist nicht ganz so wild wie die Aufnahme aus Moksau, aber doch deutlich intensiver und spannender als die kontrolliertere Studio-Einspielung. Was für eine Entdeckung!


    Wenn man nur an einige der letzten neuen Aufnahmen dieses famosen Stücks denkt (Grimaud, Pizarro, auch Lortie) wird man schnell feststellen, dass Rubinstein seinen jüngeren Kollegen in Ausdruck aber auch in technisch-musikalischer Hinsicht weit überlegen ist. Nivelliert bspw. Pizarro bei den Achteln zu Beginn den Unterschied zwischen den p- und f-Takten , so ist bei Rubinstein trotz halsbrecherischem Tempo alles viel genauer und dadurch auch ausdrucksstärker wiedergegeben. Und so geht es weiter - auch das Finale spielt er rasanter als alle neue Aufnahme (1:17) und erreicht dadurch eine irrsinnige Logik!


    Viele Grüße,
    Christian

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Hallo Christian,


    ich bin auch schon sehr gespannt auf diese Konzertaufnahme - Rubinstein live ist ein ganz anderer Mensch! Von Strawinskys Petruschka hieß es lange, es gäbe gar keine Aufnahme von Rubinstein, der an diesem Stück aktiv mitgearbeitet hat - seinen Freund Strawinsky in die Schweiz "entführte", um ihm zu zeigen, wie man für das Klavier schreibt. Der Mitschnitt jedenfalls ist sehr beeindruckend!


    Ich habe wieder einige Aufnahmen gesammelt von op. 35 - und werde sie demnächst "begutachten" und dann besprechen, darunter diesen Rubinstein, Pollini 1960 vom Chopin-Wettbewerb, Blechacz ebenfalls vom Chopin-Wettbewerb bekomme ich noch, Casadesus. Dann habe ich noch Duchable. Es wird wieder spannend!


    Beste Grüße
    Holger

  • Kann mir vielleicht jemand weiterhelfen? Kürzlich habe ich diese Aufnahme von Mitsuko Ushida erstanden - zur Komplettierung meiner Sammlung. Es handelt sich wohl um eine Lizenzausgabe (?) oder Raubkopie der vergriffenen Denon-Aufnahme. Es gibt im Bookelt keinerlei Angaben über Aufnahmeort und Datum - auch im Internet waren sie nicht zu eruieren. Wenn jemand die Denon-Aufnahme zufällig hat, wäre es nett, wenn er mir die Angaben mitteilen würde! Besten Dank im voraus!



    Beste Grüße
    Holger

  • So, nun habe ich nach zwei Jahren wieder angefangen, mein Projekt weiterzuführen - die inzwischen angesammelten Aufnahmen gilt es "abzuarbeiten". lachen.gif Sehr glücklich bin ich, einen Rundfunkmitschnitt von Krystian Zimerman bekommen zu haben - von den Salzburger Festspielen 1984. Begonnen habe ich mit 4 Aufnahmen: Zimerman, Buniatishvili, Ushida, Ax.


    Eine Vorbemerkung zur neuen Platte von Khatia Buniatishvili. Das haut mich nicht vom Stuhl - vom Pianistentyp her gehört sie zur Kategorie Anna Gourari: Lyrismen, Musik eher aus dem Bauch heraus gespielt. Der direkte Vergleich mit der von Emanuel Ax vorzüglich interpretierten, sehr schwierigen weil komplexen 4. Ballade macht deutlich: Da fehlt ein interpretatorisches Gesamtkonzept, virtuose Effekte hier und lyrische Sensibilität da - an der großen Aufgabe, das Ganze als eine musikalische Einheit darzustellen, ist sie letztlich gescheitert.


    Das 2. Chopin-Konzert ist übrigens auch enttäuschend. Zu diesem undisziplinierten, unausgewogenen und unausgegorenen Chopin-Spiel paßt die Bemerkung, die Daniel Barenboim zu Martha Argerich machte, als sie noch ein Teenager war: "Dein Spiel ist wie ein Bild ohne Rahmen!"


    Meine Kurzbewertungen:


    Krystian Zimerman (Salzburg 1984): Die Zweifel angesichts einer missglückten Grave-Einleitung verfliegen schnell: Das ist ganz große Interpretationskunst des damals 28jährigen Zimerman, pianistische Unfehlbarkeit zudem garantiert. Die Dynamik des Flügels wird bis an seine Grenzen ausgeschöpft in ungemein präzise kalkulierten Abstufungen,immer vorbildlich durchdacht und inspiriert zugleich, höchst kultiviertim Anschlag und ungemein perspektivenreich; musikalische Intelligenz und emotionale Einfühlsamkeit, die mit dem Füllhorn ausgeschüttet wird. Es endet mit einem hypervirtuosen Presto-Finale, das einem den Atem verschlägt! Mit einem Wort: Olympisch.
    Wertung: 6 Sterne (Referenz)


    [timg]http://ecx.images-amazon.com/i…0000E6DN/taminoklassik-21[/timg]Emanuel Ax (RCA 1990): Die Programmgestaltung bei Ax bekommt Sinn: Die B-moll-Sonate wird im Verein mit den 4 Balladen zur Ballade in Sonatenform. In Ax´ immer schlüssig durchdachter, geschlossener Darstellung geht es weniger um die Gegenüberstellung der Charaktere als den überall durchdringenden, kontinuitätsstiftenden dramatischen Impuls. Aufwühlend mit großem emotionalen Engagement gespielt singt, summt und spricht Ax hörbar mit. Eine rundum gelungene Einspielung, die man sich gerne anhört. Wertung: 3-4 Sterne


    Khatia Buniatishvili (Sony 2012): Nur der Kopfsatz mit vielversprechenden Ansätzen. Das Scherzo zum Überhören – ein musikalischer Totalausfall. Der Trauermarsch Durchschnitt – mit dem lyrischen Intermezzo weiß sie nichts anzufangen. Im Presto-Finale fliegt sie über die Tasten – das ist pianistisch ausgezeichnet. Fazit: Es fehlt die interpretatorische Reife. Virtuosität und Lyrismus allein sind einfach zu wenig, um Chopins komplexem musikalischen Drama gerecht zu werden. Die Aufnahmetechnik ist hervorragend, ein schöner, sinnlich farbiger Klavierton. Wertung: 2-3 Sterne

    [timg]http://ecx.images-amazon.com/i…5VyFL._SL500_AA300_.jpg;l[/timg]Mitsuko Ushida (Denon, Aufnahmedatum nicht eruierbar): Eine Einspielung, dem man besser dem Orkus des Vergessens anheimgibt. Hart, knallig, undifferenziert und überhastet, keine dynamischen Abstufungen. Der Trauermarsch und das Presto-Finale: Mechanisches Klavierspiel, Musik, die abläuft wie ein Uhrwerk. Dazu kommt eine hallige und bisweilen klirrende Aufnahmetechnik. Wertung: 2 Sterne

    Manche Aufnahmen rücken die Maßstäbe zurecht. Viele der jungen aufstrebenden Pianistensternchen von heute glauben ernsthaft, sich ausgerechnet mit Chopins monumentaler b-moll Sonate profilieren zu können. Die Tokarevs, Trpceskis, Wangs und Buniatishvilis heimsen dafür manchmal sogar Preise ein. Das immer wieder enttäuschende Ergebnis ist eine Mischung aus Routine, (klavier-)wettbewerblichem Sport und Lyrismen ohne dramatischem Tiefgang. Da kommt man nicht umhin altklug festzustellen: Solch jugendlicher Unbedarftheit fehlt einfach die nötige Reife. Beim damals nur 18jährigen Maurizio Pollini ist das völlig anders: Da tritt ein „fertiger“ Musiker auf – eine wahrlich kaum glaubliche (Früh-)Reife. Es zeigt sich eine staunenswert souveräne interpretatorische und pianistische Gestaltung, der man in jeder Hinsicht „Überlegenheit“ bescheinigen kann. Und das alles im Stress der Wettbewerbssituation! An dieser Aufnahme in ihrer Geschlossenheit – wofür das Wort „Vollendung“ nicht zu schade ist – gibt es einfach nichts zu bekritteln. Das wäre schlicht beckmesserisch. Maßstabsetzend darf man sie nennen, weil sie in exemplarischer Weise einen neuen Interpretationsstil für Chopin etabliert – die „Neue Sachlichkeit“ – in einer wahrlich überzeugend-einnehmenden Weise, nämlich ohne jemals fade zu wirken.


    Fazit: Da kann man vor dem jungen Meisterpianisten auch nach so vielen Jahren nur den Hut ziehen! Was man hier beglückend verspürt ist den kairos des Einmalig-Unwiederbringlichen, des ersten ganz großen „Wurfs“ – den die späteren Aufnahmen trotz all ihrer unbestreitbaren Vorzüge dann doch nicht mehr besitzen.


    Deshalb nehme ich diese erste Pollini-Aufnahme auch ohne zu Zögern in meine Referenzen auf. Wertung: 6 Sterne (Referenz).



    Nächste Woche geht es weiter mit Daniel Barenboims Mitschnitt aus Warschau 2010 sowie den Franzosen Casadesus und Duchable! :D


    Beste Grüße
    Holger

  • Weiter geht es:


    Daniel Barenboim (Aufn.Warschau 28.2.2010, EMI 1974): Zwischen Barenboims Studioeinspielung und dem bewegenden Mitschnitt aus Warschau liegen fast 40 Jahre. Die Aufnahme des jungen Barenboim ist wohldurchdacht und kraftvoll, entbehrt in ihrer untadeligen Gediegenheit jedoch jeglicher erotischer Ausstrahlung. Ganz anders das Warschauer Konzert: Das ist lebendiges Musizieren aus der Inspiration des Moments, kein aristokratisch zurückhaltender Chopin, sondern versetzt auf eine große Opernbühne, ohne jedoch jemals theatralisch zu wirken. Barenboim zieht alle Register eines souveränen Dirigenten am Klavier: Chopin tonmalerisch und monumental-kraftvoll, in atmosphärischen Stimmungsbildern, immer besonnen und klug durchdacht, dabei psychologisch sehr einfühlsam und emotional reichhaltig gestaltet – Richard Wagner ist nicht weit. Gegenüber der Studioaufnahme ein Quantensprung. Nachhaltig beeindruckend.
    Wertung: 4 Sterne (Warschau 2010), 3 Sterne (EMI 1974)


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    Andrei Gawrilow (Aufn. EMI 1984/85 u. DGG 1991): Klaviertechnisch natürlich ungemein souverän. Ein harter Klavierklang und zumeist überhastet wirkender Gestus des Vortrags. Was dieser Interpretation völlig abgeht, ist emotionale Tiefe: es bleibt beimAusdrucksniveau eines naiven Naturkindes. Das Tor zur geistigen Welt dieserSonate öffnet sich für Gawrilow nicht. Die beiden Aufnahmen unterscheiden sich kaum – die spätere bei der DGG ist lediglich in den Härten ein wenigabgemildert aber nicht weniger einfalls- und ausdruckslos. Total enttäuschend! Wertung: 2 Sterne

    [align=justify]Louis Lortie (Aufn. Chandos 2009): Eine einzige Enttäuschung. Plastisch und emotional völlig flach, interpretatorisch ungeschickt mit wenig Einfühlungsvermögen. Der Trauermarsch ist nicht nur ausdruckslos, sondern völlig ausdrucksleer, das Presto-Finale pianistisch routiniert einfach runtergespielt. Wertung: 2 Sterne


    Die Nocturnes sind übrigens sehr gut anhörbar, durchaus emotional vielschichtig. Warum er ausgerechnet bei der Sonate so abfällt - keine Ahnung!



    Beste Grüße
    Holger

  • [timg]http://s.pixogs.com/image/A-15…1191367488.jpeg;l;125;150[/timg]

    Robert Casadesus (Konzert-Aufnahme 1946): Keine tiefgreifenden neuen Einsichten in Chopins Werk, aber eine schnörkellose und geradlinige Darstellung von ungewöhnlicher Geschlossenheit und Treffsicherheit mit einer sich überall durchziehenden rhythmischen Bewegtheit. Das avantgardistisch verfrühte Beispiel für eine neusachliche Interpretation – und genau darin liegt ihre interpretationsgeschichtliche Bedeutung. Unsentimental, unprätentiös, mit herbem aber niemals unsensiblem Ton und durchaus mit Ausdrucksqualitäten im Trauermarsch.
    Wertung: 3-4 Sterne



    (Von der CD mit den Sonaten gibt es leider kein Cover-Bild mehr!)


    François-René Duchâble (Aufn. Virgin-Classics 1985) Gerade in ihrer unspektakulären und unaufdringlichen Art ist diese Aufnahme im Großen und Ganzen überzeugend, wenn auch nicht ganz ohne Schwächen, und zeigt zudem Format durch ihre formbewusste Gestaltung. Nicht zuletzt der berührenden Intimität des Trauermarsches verdankt sie ihren insgesamt „guten“ Eindruck. Wertung: 3 Sterne



    Edward Kilenyi
    (Aufnahme Paris, April 1937): Mit einem Wort: Gravitätisch! Eine insgesamt sehr geschlossene und schlüssige, beeindruckende Aufnahme des damals 27jährigen Dohnanyi-Schülers Edward Kilenyi. Ein sehr gewichtiger, eindrucksvoller Trauermarsch. Der interpretatorische Ansatz, Chopins Sonate als eine zweite „Pathétique“ zu deuten, überzeugt voll und ganz! Wertung: 4 Sterne


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    Sergio Fiorentino,
    den Arturo Benedetti Michelangeli den „einzigen anderen Pianisten“ nannte, ist nicht nur der große Unbekannte, sondern der unbekannte Große, wahrlich eine tragische Figur unter den großen Pianisten des 20. Jahrhunderts. Von der b-moll-Sonate existiert ein Konzert-Mitschnitt aus Warstein vom 11.12.1993. Der erste Satz zeigt alle Vorzüge seines Spiels: Nie gewaltsam, eher behutsam mit Formsinn und klassischer Ausgewogenheit. Das Problem von Fiorentinos Interpretation ist der Trauermarsch, welcher Zeugnis von seiner Bewunderung für Rachmaninow gibt, leider aber auch zu einem Stilbruch führt. Das ist sehr bildhaft, aber wenig berührend. Eine nicht uninteressante, aber als Gesamtkonzept dann doch nicht überzeugende Sicht. Wertung: 3 Sterne


    Beste Grüße
    Holger

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