ZitatAlles anzeigenOriginal von Dr. Holger Kaletha
Beisteuern möchte ich hier noch die Diskographie der b-moll-Sonate von Arturo Benedetti Michelangeli. Das ist natürlich die Zinne des olympischen Gipfels und eine eigene Interpretationsgeschichte, über die man allein ein ganzes Buch schreiben könnte. Leider enden die Dokumente mit der Vatikan-Aufnahme von 1977 - aus den 80igern ist kein weiteres überliefert, was jammerschade ist! In Düsseldorf 1986 hat er die Sonate wirklich abgründig todesverfallen gespielt - ein "Sein zum Tode" im Sine Heideggers. Unbeschreiblich!
Hier die Aufnahmen:
Arezzo 12.2.1952
London 30.6.1959 (BBC)
Prag 3.6.1960
RAI Turin 1962 (Fernsehaufnahme)
Lugano 4.6.1968
Tokyo 29.10.1973
Vatikan 29.4.1977
Beste Grüße
Holger
Lieber Holger,
ABM ist bei der Chopins b-Moll Sonata wirklich eine Klasse für sich. Und dabei bin ich eigentlich kein Fan seines ja oft trockenen und oft harten Spiels. Ich habe mir jetzt noch mal die 68er Aufnahme aus Lugano anghört, die man ja in dieser günstigen Box findet:
Es ist schon einzigartig, wie ABM die Grave-Einleitung als Eintritt in ein Totenreich begreift - so verstehe ich das zumindest. Aber er spielt hier eben auch konsequent "p tenuto", viele Pianisten setzen hier Akzente, bei ABM ist das sehr monoton und kalt. ABM ist meines Wissens dann der einzige, der die verzweifelt galopierenden Achtel aus dem tiefen sforzato-Akkord heraus ansteigen lässt - wobei nach meinem Notenverständnis der Basston gar nicht so lange nachklingen dürfte, der Bogen endet ja vor Beginn der Achtel. Im weiter Verlauf des Anfangs stellt ABM ab Takt 17 den Wechsel zwischen p und f unglaublich klar heraus, und er ist dann überwältigend gut bei Takt 25, wo er bei der Wiederkehr des nun regelrecht aufschreienden Achtelthemas wirklich auch f spielt (machen wenige!) und auch noch die Akzente (>) sinnfällig macht - so eindringlich hört man das sonst nur in Rubinsteins Moskau-Aufnahme. Allein dieser Einstieg ist wirklich einzigartig, ich habe ABM's Aufnahme aber auch erst nach einem Blick in die Noten zu bewundern begonnen, denn wie gesagt, zumeist finde ich sein Spiel zu hart. Bin jetzt auf die von Holger erwähnte Live-Aufnahme aus Arezzo gespannt...
BG,
Christian