Hanns Dieter Hüsch, wer kennt ihn noch?


  • Diese drei DVDs mit sieben Kabarett-Programmen von Hanns Dieter Hübsch, kann ich allen empfehlen, die ihn noch auf der Bühne erlebt haben oder kennen lernen möchten.


    Die Produktinformation beschreibt ihn gut: "Der einzigartige Hanns Dieter Hüsch war viel mehr als nur Kabarettist: literarischer Komiker, Philosoph, Clown, Prediger, Poet und vor allem: Menschenfreund. Die aktuelle Tagespolitik hat HDH (zum Glück!) aus seinen Programmen herausgehalten, dadurch bleiben seine Kabarettprogramme zeitlos aktuell.
    Das Allzumenschliche, die großen und kleinen Fragen des Lebens sind seine Themen, mit scharfer Beobachtungsgabe, feinsinnigem Humor und unnachahmlichem Sprachwitz spürte er Komik und Tragik unseres Lebens nach. "


    Wie er hinter seiner wimmernden Orgel sitzt und das Publikum mit den Geschichten aus dem Niederrhein in den Bann zieht, sucht seinesgleichen.



    Der Text "Die polyphonische Krankheit" ist zeitlos und beschreibt deshalb auch uns.




    Eine fünfbändige Gesamtausgabe seiner Texte ist erhältlich. Sie sind es wert gelesen zu werden:




    Hanns Dieter Hüsch hat eines meiner Lieblingsgedichte verfasst:




    Ich sing für die Verrückten, die seitlich Umgeknickten


    Die eines Tags nach vorne fallen und unbemerkt von allen


    An ihrem Tisch in Küchen sitzen und keiner Weltanschauung nützen


    Die tagelang durch Städte streifen und die Geschichte nicht begreifen


    Die sich vom Kirchturm stürzen, die Welt noch mit Gelächter würzen


    Und für den Tod beizeiten sich selbst die Glocken läuten

    Die mit den Zügen sich beeilen, um nirgendwo zu lang zu weilen


    Die jeden Abschied aus der Nähe kennen, weil sie das Leben Abschied nennen


    Die auf den Schiffen sich verdingen und mit den Kindern Lieder singen


    Die suchen und die niemals finden und nachts vom Erdboden verschwinden


    Die Wärter stehen schon bereit mit Jacken, um werkgerecht die Irrenden zu packen


    Die freundlich auf den Dächern springen


    Für diese Leute will ich singen


    Die in den großen Wüsten sterben, den Schädel längst schon voller Scherben


    Der Sand verwischt bald alle Spuren, das Nichts läuft schon auf vollen Touren


    Die sich durchs rohe Dickicht schieben, vom Wahnsinn wund und krank gerieben


    Die durch den Urwald aller Seelen blicken, den ganzen Schwindel auf dem Rücken


    Ich sing für die Verrückten, die seitlich Umgeknickten


    Die eines Tags nach vorne fallen und unbemerkt von allen


    Sich aus der Schöpfung schleichen, weil Trost und Kraft nicht reichen


    Und einfach die Geschichte überspringen


    Für diese Leute will ich singen.
    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Was für ein geistvoller Mann !!! Wie DER Pointen setzt !!!
    Ich bilde mir ein ihn vor vielen Jahren im Fernsehen gesehen zu haben. Kann das sein ?
    Es Muss eiegentlich so gewesen sein, denn schon als ich ihn jetzt sag, wusste ich, welche Art von Humor er vermittelt...
    Ein Sprachjongleur allererster Güte !!
    Wie lange wird es noch ein Publikum geben, das diese Art von Humor versteht, ihm geistig folgen kann ??


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ja, lieber Alfred Schmidt, er war oft im Fernsehen zu hören und zu sehen. Damit er nicht in Vergessenheit gerät, habe ich diesen Thread eröffnet. Hanns Dieter Hübsch ist es wert, dass man sich mit ihm beschäftigt.


    Übrigens, Hüsch ist mir in den Sinn gekommen, als ich die Diskussionen der "germanischen Gerechtigkeitsfanatiker" im deutschen Fernsehen nach der Wahl des Bundestages gesehen hatte. Und es gibt sie auch, die "romanischen Höflichkeitsartisten".



    LG


    moderato
    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Als gebürtiger Düsseldorfer hat mich die Niederrhein-Mentalität von Hüsch immer sehr begeistert (Düsseldorfs Dialekt und Niederrheinisch unterscheiden sich kaum). Live war er noch besser als im Fernsehen.

    Schönheit du kannst zwar wol binden...

    Schönheit machet viel zu blinden...

    Schönheit alle Freyer grüssen...

    Schönheit reitzet an zum küssen...

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Ich habe Hüsch das erste Mal in den 70ern erlebt und bin bis zu seinem Rückzug von der Bühne ein treuer Besucher seiner Abende gewesen. Wenn man diesen weisen Humanisten mit heutigen Kabarettisten vergleicht, merkt man leider nur allzu deutlich, wie die heutige Zeit geistig verarmt. Die oben eingestellte DVD-Sammlung kann ich allen uneingeschränkt empfehlen, wie auch seine Bücher und Tonaufnahmen.

  • HDH - einer jener raren Künstler, deren Tod die deutsche Kultur-Landschaft tatsächlich ein Stück ärmer gemacht hat. Kritisch, wohlwollend, emphatisch, gehaltvoll, liebenswert - der Begriff "Menschenfreund" umschreibt ihn tatsächlich für mich am besten.


    Dieser Thread hat mich animiert, die im ersten Beitrag gezeigte DVD-Box - endlich - auf meine to-do-Liste zu stellen. Danke für den Anstoß!

    Herzliche Grüße
    Uranus

  • Ein melancholischer Heimatfilm mit, von und über Hanns Dieter Hüsch



    Seht der Abend ist gekommen
    Ist am Himmel längs geschwommen
    Legt sich aufs Gemüt
    Bis der Mond verblüht

    Auch ich muss nach Hause gehen
    Nach den kleinen Kindern sehen
    Nach den kleinen Tieren
    Dass sie niemals frieren

    Dass sie Brot und Suppe kriegen
    Und die Kühe keine Fliegen
    Lange Hälse für die Pferde
    Äpfel auch für Mutter Erde

    Niederrhein ist müde jetzt
    Hat für heut genug geschwätzt
    Jetzt wird alles schwarz und still
    Bis morgen früh wenn Gott es will




    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Ich habe ihn während meines Studiums in Bonn live erlebt, ein Meister des ironischen Dauertalks. Auch später habe ich ihn oft gehört. Da ich selbst als Düsseldorfer und als Bewohner des westlichen Ruhrgebiets ein durchaus guter Niederrheiner bin, konnte ich seine Milieuschilderungen immer gut verstehen. Mein Lieblingsspruch (den ich jetzt nicht auf Politiker oder Taminos übertragen werde). "Der Niederrheiner weiß nichts, kann aber alles erklären".

    Schönheit du kannst zwar wol binden...

    Schönheit machet viel zu blinden...

    Schönheit alle Freyer grüssen...

    Schönheit reitzet an zum küssen...

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • The Beggar`s Opera / Die Bettleroper


    Das ist meine Erinnerung an Hüsch und sie ist mir durch seine verbindenden Texte ans Herz gewachsen. Die sind für meine Ohren besser anzuhören als Rezitative - wobei ich bemerken will, dass ich nur diese Aufnahme kenne. Aber ich erinnere mich auch gerne an eine Fassung mit Roger Daltry, dem Mitgründer und Sänger von The Who, die ich vor Jahrzehnten mal im TV gesehen habe...


    Hanns Dieter Hüsch war (und ist) für mich immer noch durch seine legendären Auftritte ein Beispiel für hintergündigen Kabarett-Stil. Der brauchte keine lautstarken Exzesse, wie vielleicht auch Werner Finck, um die Themen herüberzubringen.

    Nein - vergessen ist dieser Mann nicht. Und die vielen erreichbaren Medien sorgen sicher auch dafür, dass er nie der Vergessenheit anheimfallen wird...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Die Hanns-Dieter-Hüsch-Edition ist mit acht Bänden abgeschlossen.


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    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928