Das Kunstlied und seine Bewertung in der Gegenwart

  • Für 2010 habe ich mir die Entdeckung des Kunstliedes vorgenommen. Ich möchte mit dem Bekanntesten vm Bekannten beginnen, Winterreise, Dichterliebe, Ital. Liederbuch. Später Vier ernste Gesänge, Schwanengesang, Eichendorff-Liederkreis, sonstiger Brahms, Pfitzner, Strauss. Mahler-Orchesterlieder.


    Die Kunst des Liedgesangs ist hochsubtil. Sozusagen das Streichquartett der Vokalmusik. Das Lied stellt vor allem auch an den Zuhörer große Ansprüche, zumal bei einem ganzen Zyklus. Nichts zum Nebenbeihören im MP3-Player beim Joggen. Ich habe große Achtung vor dem Lied und seinen interpreten an Stimmband und Taste.

  • Hallo,


    obwohl ich absolut kein Opernfan bin, schätze ich doch immer mehr das Kunstlied.
    Das begann vor vielen Jahren mit Beethovens "Die Himmel rühmen" und setzte sich nach längerer Pause mit Strauss' "Vier letzten Lieder" fort, die für mich einer der Höhepunkte der Kompositions- und Sangeskunst vorstellen. Da ich auch die Dichtkunst sehr liebe, sollte natürlich die Vereinigung dieser mit Musik ein Hochamt für mich sein, aber es hat lange gedauert und ist auch immer noch nicht so richtig intensiv, dass ich mich damit beschäftige.
    Letzte Woche hörte ich im Rahmen eines Konzerts in Dortmund Wagners "Wesendonk-Lieder" zum ersten Mal. Sie haben mir so gut gefallen, dass ich mir gleich die Aufnahme mit Jessye Norman zugelegt habe. Wenn auch nicht ganz hohe Dichtkunst, doch wunderschöne Verschmelzung von sprachlichem Bild und Tonbild.
    Bisher schätze ich nur Kunstlieder mit Orchesterbegleitung, aber vielleicht sollte ich dieses Jahr mal nutzen, um mich in das Klavierlied einzuhören. Was würdet ihr mir da empfehlen? Schubert und ...?



    Grüße
    tukan

  • Hallo tukan,
    da könnte man nun Empfehlungen noch und nöcher geben...
    Aber knüpfen wir mal bei Beethoven an:
    An die ferne Geliebte Op.98, ein Liederzyklus mit 6 Liedern. Als Einzellieder: Adelaide, Der Kuss, An die Hoffnung.
    Dann natürlich Schubert - was soll man aus mehr als 600 Liedern heraussuchen?
    Erlkönig, Meeres Stille, Der Doppelgänger, Im Abendrot, Wanderers Nachtlied... nur mal so zum Reinhören. Vielleicht etwas später die Zyklen "Die schöne Müllerin" und "Winterreise"
    Robert Schumann: Liederkreis Op.24 (Heinrich Heine), das sind neun Lieder. Oder auch Op.35, Lieder nach Justinus Kerner. Auch hier muss viel Schönes ungenannt bleiben...
    Hugo Wolf: Verschwiegene Liebe(Eichendorff), Verborgenheit, Storchenbotschaft, Abschied(Mörike),wobei das Letztgenannte recht lustig ist.
    Richard Strauss: Heimliche Aufforderung / Zueignung / Breit über mein Haupt / Morgen / Ruhe, meine Seele / Allerseelen / Befreit / Die Georgine / Wiegenlied (möglichst von einer Frauenstimme gesungen)
    Gustav Mahler: Ich bin der Welt abhanden gekommen(Rückert), und "Lieder eines fahrenden Gesellen" oder auch "Das Lied von der Erde", die beiden letzten sind etwas längere Stücke.
    Wie bereits erwähnt, es ist praktisch unmöglich die "besten" Stücke herauszusuchen; andere werden wiederum ganz andere Listen erstellen...
    Wichtig, ja sogar sehr wichtig, ist, in welcher Interpretation die Stücke zu Gehör gebracht werden - dieses Forum bietet jedoch ausgezeichnete Möglichkeiten sich sachkundig zu machen.

  • Hallo hart,


    vielen Dank für deine Tipps!
    Wie bei jeder Aufzählung muss da vieles ungesagt bleiben, das ist klar, aber da habe ich schon mal einen Hinweis, womit ich anfangen kann. Einiges davon habe ich sogar in meinen CD-Regalen, wenn auch sicherlich nicht unbedingt in ausgesuchten Interpretationen. Aber für ein erstes Reinhören wird es genügen und bei Liedern/ -zyklen, die mir besonders gut gefallen, kann ich ja hier nach geeigneten Interpretationen suchen.


    Grüße


    tukan

  • Entschuldigung - bei den typischen Liedkomponisten habe ich den Carl Loewe vergessen. Dass man die Fontane-Balladen kennt ist praktisch ein "Muss"...
    "Archibald Douglas" / "Tom der Reimer"
    Aber auch Stücke wie "Heinrich der Vogler" / "Odins Meeresritt" oder "Der gefangene Admiral" und viele andere. Loewe hat etwa 500 geschrieben...
    Das in breiten Volksschichten wohl bekannteste Loewe-Lied ist wohl "Die Uhr".

  • Zitat

    Original von tukan:
    Die Kunst des Liedgesangs ist hochsubtil. Sozusagen das Streichquartett der Vokalmusik. (...) Nichts zum Nebenbeihören im MP3-Player beim Joggen.


    sowie:


    Zitat

    Original von hart:
    Beim Liederabend habe ich als Zuhörender den Interpreten fast ganz für mich alleine; kein Drumherum stört.


    ...sind zwei Aussagen die ich gerne unterstreichen würde. Kontrastiert seinen diese Bemerkungen mit einer Meinung die über Mozart als Liederkomponist einige Beachtung findet (unabhängig ob sie richtig oder falsch ist). Sie lautet in etwa, dass Mozart der Lied-Komposition keine besondere Beachtung beigemessen, es nicht unbedingt sonderlich gern getan habe und die Resultate höchstens dan Rang "Neben- oder Beiwerke", jedoch keine große weitere Beachtung verdient hätten.


    Nun geht es in diesem Thread ja nicht insbeonsdere um Mozart, aber diese Bemerkung sollte im Gegensatz zu den Zitaten die Ambivalenz klar machen, wie man Kunstlieder als Gattung betrachten kann. Ich für meinen Teil müsste sagen beidem ein wenig zuzustimmen, denn Aussagen wie:


    Zitat

    Original von hart:
    Das Genre Lied ist aus meiner Sicht eigentlich der Gipfel der Gesangskunst. Manches Lied ist ja praktisch eine kleine Oper für sich (...).


    und:


    Zitat

    Original von tukan:
    Das Lied stellt vor allem auch an den Zuhörer große Ansprüche, zumal bei einem ganzen Zyklus.


    würd ich wiederum ein wenig widersprechen.


    Gewiss, Lieder sind wahnsinnig SCHÖNE Kunst, aber (und insofern stimme ich dem genannten Mozart-Lied-Bild zu) an ihrer Komplexität gemssen keine GROSSE Kunst. Ich denke mit diesem Bewusstsein sollte man Lieder hören: Im kleinen Kreis und ohne "effect" gewiss (auf der großen Bühne haben Lieder wenig verloren) als kleine Schönheiten wahrgenommen sind Lieder viel mehr wert, als wenn sie zu gewichtigen Werken "aufgebauscht" und mit allem effect vorgetragen und beachtet werden.


    Insofern gesehen sind gerade Lieder eine sehr direkte und ehrliche Form von "Kammermusik" Durchaus schade, dass das heute wenig so gesehen wird.


    Eine Oper würde ich indes eher mit einem instrumentalen Konzert gleichsetzen - nicht als ein Lied im großen Stil betrachten (oder andersherum). Da ist der Vergleich mit dem Streichquartett meines Erachtens treffender gewählt; wobei eben weniger gewichtig zu nehmen.


    ##############


    Oh nun interessiert mich was von diesen meinen Ausführungen zu halten ist - eigentlich bin ich nämlich kein besonders intensiver Liedhörer. Aufmerksam geworden bin ich auf Lieder durch Mozart, weil mir seine Kompositionen in diesem bereich so anders anmuteten als sein übriges Werk. Das ist aber mitnichten eine qualitative Äußerung: Ich habe dort einige meiner ganz persänlich liebsten "Mozart-Perlen" gefunden, etwa: "Abendempfindung" (KV 523, F-Dur), "An Chloe" (KV 524, Es-Dur) und "Lied der Trennung" (KV 519, f-moll) um drei besonders schöne Beispiele zu nennen. Desgleichen fasziniert mich neuerdings das erste Lied "Gute Nacht" aus Schuberts Winterreise.


    "Gute Nacht" und "Lied der Trennung" habe ich je in einer Einspielung mit Arthur Schoonderwoerd als Pianist am Hammerflügel, wenn auch mit unterschiedlichen Sängern - dieser Vergleich macht erstaunen wie ähnlich Mozarts "Lied der Trennung" bereits an den Schubert'schen Liedcharakter heranreichen kann. Sehr faszinierend zu hören!

  • Bitte nicht hauen... der Begriff LIED lässt mich nicht sofort an Mozart denken, sondern vor allem an Schubert und Schumann oder den etwas aufs "Abstellgleis" geschobenen Loewe.
    Wenn ich ein Lied als "kleine Oper" bezeichne, dann denke ich zum Beispiel an "Der Liedler"(D209) von Schubert oder auch an "Archibald Douglas" von Loewe.

  • Zitat

    Original von hart
    Wenn ich ein Lied als "kleine Oper" bezeichne, dann denke ich zum Beispiel an "Der Liedler"(D209) von Schubert oder auch an "Archibald Douglas" von Loewe.


    Nicht zu vergessen "Die Bürgschaft" (D246) von Schubert.


    Jolanthe

  • Zitat

    Original von Jolanthe
    Nicht zu vergessen "Die Bürgschaft" (D246) von Schubert.
    Jolanthe


    Schön, Jolanthe, daß du an dieses Gänsehautstück erinnerst. Es wird viel zu selten dargeboten.


    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Die Ansichten sind unterschiedlich... ich habe viele hundert Liedplatten, da ist manchmal auch "Die Bürgschaft" drauf, natürlich hab ich das Stück auch schon im Konzrtsaal gehört, aber ich finde musikalisch keinen rechten Zugang, wobei mir aber das Gedicht an sich gut gefällt.

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  • Zitat

    Bitte nicht hauen... der Begriff LIED lässt mich nicht sofort an Mozart denken, sondern vor allem an Schubert und Schumann oder den etwas aufs "Abstellgleis" geschobenen Loewe.


    Oh nein, ich haue doch nicht um mich! Im Gegenteil danke ich Dir für diese Feststellung, denn da bist du weitläufig nicht allein.


    In der Tat ist Mozart nicht gerade erstrangig (nicht mal zweitrangig) als Compositeur von Liedern bekannt - da andere Werkgattungen deutlich im Vordergrund stehen. Daher rührt ja gerade das Bild, dass die Liedcomposition Nebensache gewesen sei. Aber neben meinen Ausführungen oben widerspricht dem auch, dass Mozart sich zu fortgeschrittenen Wiener Zeiten ein Büchlein führte, in dem er "vertonenswerte" Gedichte und Texte sammelte. Somit war ihm die Liedcomposition zumindest keineswegs mehr oder minder gleichgültig. Darüber hinaus existieren soweit ich mich gerade nicht irre in der erhaltenen Korrespondenz Hinweise, dass diese Lieder auch (eben zumindest im eigenen Freundeskries) gesungen wurden.


    Mit meinem Beitrag oben wollte ich unter anderem also auch darauf aufmerksam machen, dass Mozart durchaus auch in dieser Gattungen einige Aufmerksamkeit verdient. Als konkretes Beispiel führte ich extra den Vergleich "Lied der Trennung" von Mozart gegen Schuberts "Gute Nacht" aus der "Winterreise" an, eben WEIL ich weiß, dass die meisten Schubert und Schumann was Lieder angeht zu erst zitieren.


    Und das Mozart im "Lied der Trennung" schon der schubert'schen Lied-Charakteristik so nahe kommt macht ebenfalls mehr als deutlich, dass Mozart bei Betrachtung von Liedern nicht außen vor gelassen werden sollte. Andererseits wage ich jetzt mal nicht zu behaupten zu wissen wie weit Mozart zur ENTWICKLUNG des Kunst-Liedes beigetragen hat - zumindest aber sollte man diese seine Werke als "Liebhaber-Stücke" kennen - es lohnt sich sehr!

  • DAs trifft sich gut.


    Eigentlich hatte ich vor in den nächsten Tagen je eine Thread über das Mozartlied und über jene von Beethoven zu starten. Nachdem Peter Pasdzierny sich soeben mit diesem Thema identifiziert hat, rege ich an, ER möge einen dieser Threads, vorzugsweisen den über Mozarts Liedschaffen - und seine Bedeutung - mit einem zugkräftigen Threadtitel versehen - starten....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber
    Peter Pasdzierny,


    nur zur Richtigstellung: die von dir in deinem vorletzten Beitrag zitierten eloquenten Sätze stammen nicht von mir, sondern von Wolfram. Ich will mich
    Ich will mich weder selbst mit fremden Federn schmücken noch von anderen damit ausgestattet werden.Nichts für ungut ;)


    tukan,


    die sich auch sehr über die weiteren Tipps gefreut hat. Die Bürgschaft wird sicherlich demnächst angeschafft. (Danke Jolanthe)

  • @ tukan:


    Danke für den Hinweis, dann ist beim zitieren wohl doch etwas durcheinander gegangen - hatte verschiedenes in Erwägung gezogen und dann wieder gestrichen. Es war also ein Versehen!


    Übrigens zwinge ich hier niemanden meinen Nachnamen stets mit auszuschreiben - im übrigen lege ich auch keinen extra gesonderten Wett darauf, mit diesem angeredet zu werden ;)


    ###


    @ Alfred:


    Deinem Vorschlag komm ich prinzipiell gerne nach, jedoch bin ich mir noch nicht im klaren darüber, ob Du mir da nicht zuviel Kompetenz zusprechen willst. Ich werde mich an dem mozärtlichen Thema versuchen, wenn es misslingt melde ich mich :)


    Den Beethoven überlasse ich indes tatsächlich jemand anderem. Mit seinen Liedern bin ich noch zu wenig vertraut.


    :hello:


    Peter

  • Zitat

    Original von Peter Pasdzierny
    Übrigens zwinge ich hier niemanden meinen Nachnamen stets mit auszuschreiben - im übrigen lege ich auch keinen extra gesonderten Wett darauf, mit diesem angeredet zu werden ;)
    Peter


    Wie wärs denn mit einem einprägsamen Pseudonym?


    Bei Nur- Peter ist doch die Verwechslungsgefahr groß.


    :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • <<OFFTOPIC>>


    Bislang respektiere ich Alfreds Wünsche mich erstens mit meinem richtigen Namen anzumelden und den Namen zweitens nicht mehr nachträglich zu ändern. Grundlegend hast du aber sicherlich Recht mit deinem Vorschlag. Ich bin für Vorschläge offen :P ;)


    ...solang reicht Beispielsweise Peter P.


    :hello:


    Peter


    <</OFFTOPIC>>

  • Solange ich den Zunge-raus-Smilie nicht als Aufforderung verstehen muß, solls mir auch recht sein.


    Als Realname scheint doch KEINE ANGABE am häufigsten verbreitet zu sein. Und da sage noch Einer, die Großfamilien seien ausgestorben...

    Freundliche Grüße Siegfried