Franz Schubert, Klaviersonate Nr. 21 B-dur D.960, CD (DVD)-Rezensionen und Vergleiche (2017)

  • Wieso gibt es denn jetzt zu dieser Sonata zwei threads? Das finde ich nicht gut, könnte Ihr das nicht bitte zusammenlegen, bzw. warum stellst Du, lieber Holger, Deine Besprechungen denn nicht bereits in dem vorhandenen thread ein??? Das wäre für Mitleser und gelegentliche Mitschreiber viel einfacher.

    Deshalb, lieber Christian, weil ich da eine ganz andere Herangehensweise habe was Art und Umfang der Beiträge angeht. Das ist eine Kolumnenseite, wo es dann ja die Möglichkeit gibt, das zur Diskussion hier zu verlinken. So ist es auch gedacht. Dazu kommt die leichtere Verfügbarkeit. Hier sind wir schon bei Beitrag Nr. 301!!! Es werden vielleicht 500 oder mehr. Wenn einer den Einführungsbeitrag von mir hier als Nr. 298 lesen würde - wie findet er ihn denn, wenn man bei Beitrag Nr. 425 ist? So würde er einfach untergehen. Es gibt übrigens schon zwei Threads über D 960! Deswegen hatte ich erst einen Teil meiner Beiträge nicht gefunden und sie dann auf der Festplatte zusammengebracht. ^^


    Schöne Grüße

    Holger

  • Ich bin mir sicher, dass Eure Beiträge sehr davon profitieren würden, wenn Ihr sie zusammenlegt - die Herangehensweis erklärt sich aus den jeweiligen Beiträgen von selbst.

    Mich schrecken zwei unterschiedliche threads zu einer Sonate jedenfalls eher ab, da ich erst überlegen muss, welcher jetzt passend ist.

    Aber wenn Du meinst... :/


    Viele Grüße

    Christian

  • Ich bin mir sicher, dass Eure Beiträge sehr davon profitieren würden, wenn Ihr sie zusammenlegt - die Herangehensweis erklärt sich aus den jeweiligen Beiträgen von selbst.

    Mich schrecken zwei unterschiedliche threads zu einer Sonate jedenfalls eher ab, da ich erst überlegen muss, welcher jetzt passend ist.

    Aber wenn Du meinst... :/

    Lieber Christian,


    ich glaube, Du hast die "Logik" dahinter nicht verstanden! :D


    Ich habe keinen gewöhnlichen Diskussionsthread eröffnet nach dem Motto: nun noch einen! Nein! Das ist eine Kolumnenseite (im "Testbereich") wo nur der Threadersteller (also in diesem Falle ich) posten kann. D.h. da werden dann meine Beiträge quasi lexikalisch alle nacheinander stehen zum Abrufen. Die werde ich immer wieder mit diesem Thread verlinken - so kann hier darüber darüber diskutiert werden - nur zu lesen sind die Beiträge nicht hier, sondern dort. Also ändert sich im Prinzip nichts. Nur hat das folgende Vorteile:


    1. Hier hat Willi die alphabetische Reihenfolge gewählt. Da ich meine Beiträge aber nicht nach diesem Ordnungsprinzip ausrichte, sondern thematischen Gesichtspunkten, störe ich diese Ordnung nicht (falle also nicht immer wieder "aus der Reihe"), sondern durch die Verlinkung können beide Ordnungen nebeneinander und sich ergänzend existieren.


    2. Es ist natürlich toll, wenn man so ziemlich alle verfügbaren Aufnahmen bespricht. Es gibt aber nach einigen hundert Beiträgen auch einen gewissen Ermüdungseffekt. Mein thematischer Ansatz soll einen gewissen Orientierungsrahmen geben im Kontrast mit dem "demokratischen" Prinzip der alphabetischen Reihenfolge: Was sind die wirklich wichtigen, bedeutenden Aufnahmen, so dass man die anderen dann verorten kann. Davon verspreche ich mir eine gewisse Belebung: Ziel ist die Attraktivität des Themas Schubert D 960 zu steigern.


    3. wird so die Möglichkeit geschaffen, hier gelaufene Diskussionen noch einmal zusammenzufassen und zu reflektieren als vertiefende Betrachtung - was in der chronologischen Anordnung so nicht vorkommt.


    Schöne Grüße

    Holger

  • Zitat von wok

    Hallo Willi,


    Das ist aber eine sehr gute Nachricht! CHRISTOPH ESCHENBACH interessiert mich vor allem als Pianist, weil ich diesen bereits in jungen Jahren 1963 in Würzburg mit einem Recital zum ersten Mal hörte und kennenlernte und seitdem seine Karriere verfolge und natürlich sehr bedauere, daß er seit Jahren nur noch gelegentlich als Pianist auftritt. Ich schätze ihn ganz besonders als MOZART-Spieler und bin etwas erstaunt, daß dieser als solcher von Dir gar nicht erwähnt wird. Besonders seine Einspielung der MOZART-Sonaten KV 330 und 331, sowie der Rondos KV 485 und 511 ist für mich exemplarisch. Ich widmete ihm und seiner Pianistenkarriere ja sogar am 10.10.2016 einen Thread!

    Lieber wok, natürlich weiß ich um Eschenbachs Qualitäten als Mozart-Pianist und habe auch die GA mit seinen Sonaten und den vierhändigen Werken, die er ebenfalls mit Justus Frantz aufgenommen hat, in meiner Sammlung. Aber wir sprechen ja hier nicht über Mozart, sondern über Schubert.

    Ich werde bei Gelegenheit einmal in deinen Eschenbach-Thread hineinsehen und kann dann sicherlich auch etwas dazu schreiben.


    Liebe Grüße


    Willi:)


    Dieser Beitrag sollte eigentlich schon früher hier gepostet sein, und ich ear auch derMeinung, ich hätte es schon getan und habes hiermit nachgeholt.

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Franz Schubert, Klaviersonate Nr. 21 B-dur D.960

    Christoph Eschenbach, Klavier

    AD: 19. 4. 1974

    eschenbach-christoph-20021940-dirigent-pianist-d-portrait-1974-picture-id541800165?s=612x612

    Instrument: Steinway

    Das Foto Christoph Eschenbachs wurde an Neujahr 1974 aufgenommen , also nur wenige Monate vor der Entstehung dieser Aufnahme der Sonate in der Jesus-Christus Kirche in Berlin.

    Spielzeiten: 19:21 - 10:33 - 4:18 - 8:54 --- 43:06 min.;


    Da Christoph Eschenbach bisher überhaupt noch nicht in meinen Sonatenthreads vorgekommen ist, werde ich hier einen Ausschnitt aus seiner Biografie einstellen. Ich werde darüber hinaus schauen, ob von ihm auch Beethoven-Sonatenaufnahmen habhaft sind.


    Christoph Eschenbach (* 20. Februar 1940 in Breslau) ist ein deutscher Pianist und Dirigent.

    Christoph Eschenbachs Mutter starb bei seiner Geburt. Sein Vater, der Breslauer Musikwissenschaftler Heribert Ringmann, fiel im Zweiten Weltkrieg als Angehöriger eines Bewährungsbataillons, in das er als Gegner des Nationalsozialismus versetzt worden war. Zunächst kümmerte sich die Großmutter um den Jungen, aber auch sie starb im Winter 1945/46 auf der Flucht aus Schlesien. Schließlich wurde er 1946 von einer Cousine seiner Mutter, Wallydore Eschenbach, und ihrem Ehemann aufgenommen. Bei ihnen, deren Namen er annahm, wuchs er auf, zunächst in Wismar, später in Neustadt in Holstein. Seine Pflegemutter, selbst Pianistin, entdeckte Christophs Interesse an Musik und unterrichtete ihn von 1948 bis 1959 im Klavierspiel. Bereits als Zehnjähriger gewann Christoph Eschenbach beim Hamburger Steinway-Wettbewerb den 1. Preis. Gleichfalls schon als Kind spielte er die Orgel in der Basilika Altenkrempe im gleichnamigen Dorf bei Neustadt. 1959 legte er am Einhard-Gymnasium in Aachen sein Abitur ab.

    Weiteres kann man hier lesen: https://de.wikipedia.org/wiki/Christoph_Eschenbach


    In seiner ersten Aufnahme ist der damals 34jährige deutlich schneller im Kopfsatz unterwegs als 38 Jahre später in seiner zweiten Aufnahme, die ich im Anschluss besprechen werde. e ist somit auch deutlich schneller als die hier zum Vergleich herangezogenen Philippe Entremont und Marc-André Hamelin. Da ich von Hamelin hier die Besprechung des Live-Konzertes vom Juni dieses Jahres vorliegen habe (die andere Aufnahme bespreche ich erst später), empfinde ich hier die Dynamik Eschenbachs auch zurückhaltender, aber von einer makellosen Klarheit und Durchsichtigkeit der Struktur, dass mir das Herz aufgeht.

    Der erste Basstriller ist, ähnlich wie die ganze Ausführung des Themas von einer positiven Wärme und einem tiefen Ausdruck gekennzeichnet.

    Ich höre zwar zum ersten Mal eine Sonate von ihm, aber ich habe seit vielen Jahren die Klavierduett-Werke Schuberts in meiner Sammlung, die er 1978/79 zusammen mit Justus Frantz aufgenommen hat und die ich immer mal wieder höre, weil ich sie ebenfalls für exzellent halte.

    Ich finde es wohltuend, wie konsequent er im dritten Teil des Themas, Takt 19 bis 33, im Pianissimo bleibt, wo manche andere Pianisten gerne im Laufe der inneren Beschleunigung (ab Takt 27 und 29) gerne im Zuge dieser scheinbaren Beschleunigung auch die Dynamik kontinuierlich steigern, so dass sie schon längst vor dem Crescendo (hier ab Takt 34) auf das Forte zusteuern. Dabei dient diese konsequente Beibehaltung des Pianissimo nicht nur der Erhellung der Struktur, sondern ist auch eine an sich selbstverständliche Umsetzung des Komponistenwillens.

    Und immer behält er, auch in der letzten Steigerung des Hauptthemas (hier in Takt 46/47), noch etwas Luft nach oben übrig. Aber er gehört zu denjenigen, die die dynamische Spannweite weiter unten beginnen und deswegen auch an der oberen Grenze nicht überborden müssen. Ich finde, das ist dem Charakter des Satzes durchaus angemessen.

    Im Seitensatz spielt er weiter in dieser klaren Tongebung, den sanften dynamischen Bewegungen aufmerksam folgend.

    In den folgenden Crescendi (ab Takt 65 und ab Takt 70 mit der Oktavierung) steigert er erst im zweiten Crescendo etwas mehr, bleibt aber immer noch im Piano-Bereich und erst im letzten Crescendo (ab Takt 76 mit Auftakt) erreicht er auch das Forte. Den zweiten Abschnitt mit den Achteltriolen, [nach dem neuerlichen Wechsel in B-dur seit Takt 60), lässt er wunderbar changieren zwischen Legato und Staccato, dabei mit der Melodie von Takt 86 bis 88 in den Bass wechselnd.

    Die dynamisch kontrastreiche Schlussgruppe spielt er weiterhin auf diesem extrem hohen Niveau, hier auch in Takt 105 das Fortissimo erreichend. Natürlich spielt er auch die Überleitung zur Wiederholung der Exposition und wiederholt diese anschließend. Dabei stellt er bei der Ausführung der Überleitung m. E. ebenfalls eindeutig unter Beweis, wie folgerichtig und unbedingt von Schubert gewollt diese ist.

    Bei der Wiederholung der Exposition fällt mir wieder auf, wie klar in diesem dritten Thementeil (Takt 19 bis 34) die Struktur der Sechzehntelbewegungen in der Begleitung zu Tage tritt. Es ist dieses sein Spiel auch technisch auf höchstem Niveau. Dann ist mir in der Steigerung im vierten Teil (ab Takt 34) so, als ob er die dynamische Kurve gegenüber der Exposition geringfügig erhöht, was m. E. auch Sinn macht.

    Auch das Seitenthema spielt er wieder so anrührend wie zu Beginn, ebenso wie wundersame Achteltriolensequenz und die Schlussgruppe.

    Danach leitet er mit einem sehr anrührenden Überleitungstakt 117 b zur cis-moll-Durchführung über.

    Diese spielt er im ersten Thema zart melancholisch. Auch in seiner Lesart hellt sich in der Achteltriolensequenz die Stimmung wieder auf und läuft dann in Takt 149 nach einer kräftigen Steigerung aus.

    Im nächsten Abschnitt verdunkeln die klopfenden Achtel die hellere Stimmung, die durch die Achteltriolenläufe entstanden war, wieder. Dies steigert Eschenbach durch präzise gespielte klopfende Achtel in der zunehmend dissonanten Tongebung sehr organisch, einhergehend mit einer stärkeren dynamischen Bewegung.

    Diese Bewegung, ab Takt 163 in eine langangelegte Steigerung mit geringen Gegenbewegungen übergehend, spielt er sehr ausdrucksstark, unmittelbar in die nächste Sequenz übergehend mit den klopfenden achtelakkordkette, bestehend aus wechselnden Quint- und Sextakkorden.

    Diese Akkordketten spielt er sehr leise, eher Pianissimo, erzielt aber nichtsdestoweniger damit ein weiter unsichere, beinahe beklemmende Atmosphäre, die dann ab Takt 186 durch die Rückkehr der Basstriller noch unterstützt werden. Eschenbach spielt hier die schrittweise Aufhellung, hin in Richtung Reprise sehr ruhig sehr leise und endet kurz vor der Reprise in zwei ppp-Trillern, die das Tor zur beseligenden Reprise öffnen.

    Auch in seiner Lesart meine ich zu verspüren, dass die Reprise noch etwas friedfertiger klingt als die Exposition. Der Triller in Takt 223 ist schon nahe am "pppp"- faszinierend.

    Den weiteren Verlauf, auch in der geringfügigen thematischen Modulierung, gestaltet er genauso grandios wie Exposition und Durchführung. Am Ende des dritten Thementeil steht dann wieder eine veritable Steigerung, vielleicht auch wieder etwas kraftvoller als die ursprüngliche Expositionssteigerung, das etwas nach oben transponierte Seitenthema noch etwas intensiver als die Ursprungssequenz, die Achteltriolensequenz noch etwas agiler.

    Und auch die Schlussgruppe spielt er noch mal mit großem Ausdruck. Dann schließt er mit einer atemberaubend fragilen kurzen Coda ab.

    Das war ein absolut herausragend gespielter Kopfsatz, sicherlich auch weil man jederzeit spüren konnte, dass er nur das ausdrücken wollte, was sich Schubert gedacht hatte.


    Im Andante ist er zeitgleich mit Philippe Entremont und daher geringfügig langsamer als Marc-André Hamelin. Er geht jedoch mit seiner dynamischen Gestaltung von einer wesentlich geringeren Grundlautstärke aus als manche anderen, und dennoch spielt er dies eher im ppp beheimatete Thema mit einer Klarheit und auch klar vernehmbaren dynamischen Bewegungen, die frappierend sind und eine etwas geheimnisvolle Atmosphäre erzeugen. Die verschiedenen Crescendi haben trotzdem eine große Spannweite.. Vollends an der Hörgrenze befinden wir uns nach dem Decrescendo ab Takt 34 und dem nochmaligen Zurückgehen in Takt 37.

    Im feierlichen Seitenthema (ab Takt 43 behält er nicht nur das langsame Tempo bei, sondern auch die extrem niedrige Dynamik, und dabei hält er auf faszinierende Weise die Spannungskurve hoch dank der im Bass nun auftretenden Sechzehntel, die er etwas stärker klopfen lässt, was durch ihren größeren Anteil das Gefühl wach hält, dass diese tröstende Stimmung noch nicht gewiss und von Dauer ist. Die nochmalige Oktavierung (ab Takt 76) spielte er dennoch weiter mit einer atemberaubenden Innigkeit, lässt das langsam im Melancholischen versinkende Hauptthema in einem berührenden Ritardando verklingen und endet dann mit einem ebenfalls gut 5 Sekunden langen Genetalpausentakt 89 (siehe Afanassjew), aber von diesem kann er das ja nicht abgeschaut haben, denn er hat diese Aufnahme 11 Jahre eher gemacht als jener.

    Mit Wiederbeginn des ersten Teils verstärkt er noch die nunmehr sehr traurige Stimmung, durch die obzwar auch sehr leise gespielten aber dennoch ungeheuer präsenten klopfenden Sechzehntel im Bass, die im Expositionsteil noch nicht zu hören waren- grandios!

    Beispielhaft vorbildlich ist wieder das Crescendo (hier ab Takt 98), das aus der fernen Tiefe emporsteigt, langsam, aber stetig. Und wie anrührend ist wieder der Durbogen (hier Takt 103 bis 106). Hier passt alles so wunderbar ineinander. Auch die letzte Steigerung ist wieder faszinierend.

    Und Christoph Eschenbach schließt diesen erschütternd schönen, musikalisch ganz tief hinab reichenden Satz mit einer unglaublichen Coda ab, tief im Piano pianissimo und langsamer werdend

    und noch weiter dynamisch herabsteigend bis zu einem sicherlichen "pppp", auch wenn es nicht verzeichnet ist, aber indirekt: In Takt 131 auf er Eins steht ein "ppp", in Takt 134 auf der Drei ein Diminuendo, und das spielt er in der Tat- ein herausragend gespielter Satz!


    Im Scherzo ist er langsamer als Hamelin, aber auch etwas schneller als Entremont. Auch hier ist wieder erstaunlich, wie konstant er die dynamischen Vorgaben erfüllt, dennoch aus dem Pianissimo heraus die dynamischen Bewegungen deutlich macht und den wiegenden Rhythmus konstant durchhält. Auch in der Wiederholung ändert sich da nichts.

    Das Trio trifft er sehr schön in seiner rhythmischen Eigenart, lediglich das Fortissimo Forzando in Takt 26 hätte ich mir etwas kräftiger gewünscht.

    Selbstverständlich spielt er dann das Scherzo da capo ed infine la Coda.


    Im Finale ist er deutlich langsamer als die zeitgleichen Entremont und Hamelin. Aber dieses Tempo passt bestens in das innere Verhältnis zu den anderen Sätzen, die G-Akkorde lässt er moderat abschwellen, und die schnellen Rhythmuswechsel trifft er bestens. Die dynamischen Bewegungen und Crescendi arbeitet er deutlich heraus. Auch hier ist die Spannweite wieder mehr als ausreihend.

    Nach dem rhythmisch und dynamisch abwechslungsreichen expositionsartigen ersten Teil lässt er im lyrischen Seitensatz die Musik wieder ruhiger atmen und fließen- welch ein entspanntes Musizieren. Diesen Seitensatz habe ich auch schon ganz anders, teilweise hektisch gehört.

    Und am Ende macht er auch hier wieder eine wirklich ausreichende zweit Takte lange Generalpause.

    Den Durchführungsabschnitt beginnt er mit einem veritablen Fortissimo- auch hier ein gehöriger Kontrast nicht nur innerhalb des Satzes, sondern auch innerhalb der ganzen Sonate.

    Und auch der stimmungsmäßige Kontrast in dem zweiten, dem lyrischen Teil dieses ersten Durchführungsabschnittes gelingt ihm hervorragend. wieder ein lauterer Gesang! Und in dem moderaten Grundtempo können sich auch die Achteltriolen der Begleitung so richtig schön entfalten.

    Und auch den nächsten , vermeintlich reprisenhaften Abschnitt, der aber, wie wir wissen, mehrheitlich durchführungsartige Züge trägt, führt er mit sichtlichem Vergnügen an den dynamisch-dramatischen Spitzen, wobei die ehemals lyrischen Achteltriolen sich nun in dramatische , teilweise Oktavwechseltriolen verwandelt haben. Christoph Eschenbach spielt auch diesen dramatischen Höhepunkt ganz mitreißend, auch das schrittweise beinahe seufzerartige Zurückweichen der Dynamik ab Takt 298, um dann in Takt 312 in den wirklich reprisenhaften Abschnitt überzuleiten, an den sich dann organisch ab Takt 360 wieder das lyrische Seitenthema anschließt.

    In einer Lesart wie der Eschenbachs kann man auch die als Synkopen wiederkehrenden Achtel in der Begleitung sehr deutlich vernehmen- und wieder schließt er mit einer deutlich Doppeltakt-Pausenfermate ab, die wiederum subito vom wiederkehrenden Durchführungsabschnitt abgelöst wird.

    Wieder greift Eschenbach vergnüglich zu und endet nach kraftvollen Fortssimotakten wieder im zweiten, lyrischen Triolen mit den hinreißenden Achteltriolen unter den im Diskant schwebenden Achtel-Sechzehntel-Wechseln, die diesen eigentümlich hüpfenden Wiegerhythmus ergeben.

    Und zum letzten Mal läuten die G-Akkorde das Hauptthema ein, die Eschenbach auch korrekt von Einsatz zu Einsatz diminuiert, bevor er mit einem mitreißenden Presto auch diesen grandiosen Satz beendet und nach dieser herausragenden Interpretation nur die Fragen offenlässt: warum hat er denn nur vor 45 Jahren nicht diesen so eindrucksvoll eingeschlagenen Weg, die Schubert-Sonaten aufzunehmen, nicht fortgesetzt: Aber scheinbar war in ihm der Wunsch zu Dirigieren, übermächtig, denn er hatte zum Zeitpunkt dieser Aufnahme ja schon dirigiert.


    Liebe Grüße


    Willi:thumbup::thumbup::thumbup::thumbup::thumbup::thumbup::thumbup::thumbup::thumbup::thumbup::thumbup::thumbup::thumbup::thumbup::thumbup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    Deine Besprechung der SCHUBERT-Sonate D 960 mit CHRISTOPH ESCHENBACH, habe ich schon gespannt erwartet und mit besonderem Interesse gelesen. Vielen Dank auch für das wunderbare, seltene Foto von 1974!! Mit einer solchen Haarpracht kenne ich ihn auch noch! :) Deine Besprechung ist wieder großartig und so subtil verfaßt wie ESCHENBACH's Spiel selbst. Wieder ein großes Kompliment!!. Es ist so schwierig, die verschiedenen Stimmungsschwankungen in SCHUBERT's Musik und in ESCHENBACH's so differenzierter und höchst nuancenreicher Darstellung so anschaulich und treffend, wie Du dazu stets in der Lage bist, zu beschreiben und charakterisieren. Daß Du zu einem so überaus positivem Gesamturteil kommst, überrascht mich allerdings nicht, obwohl ich mich bisher vor allem mit seinem ähnlich fabelhaften Spiel der MOZART-Sonaten beschäftigt habe, die er in noch jungen Jahren 1965 einspielte. Ich wußte aber natürlich, daß er auch ein großartiger SCHUBERT- und BEETHOVEN-Interpret war (BEETHOVEN c-moll-Sonate op. 111!!), ebenso wie ein sehr farbenreicher, sensibler Liedbegleiter, z. B. bei seinen SCHUBERT Lied-Aufnahmen mit RENÉE FLEMING!!


    Nun wirst Du auch verstehen, warum ich es so außerordentlich bedauere, daß er ab Mitte der 80er Jahre als Pianist auf Tonträgern nur noch vereinzelt in Erscheinung trat und sich immer mehr dem Dirigieren widmete, wo er dann gewiß auch Großes leistete und noch leistet. Seine außerordentliche Sensitivität und Subtilität, die für die Interpretation der Werke SCHUBERTs so unerläßlich ist, ist sicher nicht allein eine inhärente Eigenschaft, sondern dürfte sich auch durch äußere Einflüsse und schlimme Erlebnisse in seiner Kindheit als Vollwaise in einem fremden Heim nach Flucht und Kriegsende, Typhus-Erkrankung, Pflege und Adoption durch eine Cousine der Mutter, noch verstärkt haben. Nochmals vielen vielen Dank für diese so ausführliche und für mich ungemein spannende Besprechung!


    Viele Grüße

    wok

  • Lieber wok,


    schöne Dank für deinen Beitrag. Als Nächstes werde ich in den nächsten Tagen die zweite Aufnahme der B-dur-Sonate besprechen, die Christoph Eschenbach 2010 oder 2011 eingespielt hat. Sie ist Teil dieser Doppel-CD:

    Es hat sich in den 36 bzw. 37 Jahren, die zwischen beiden Aufnahmen liegen, doch etwas geändert, und man wird sehen, wie sich das auf das Ergebnis auswirken wird.


    Liebe Grüße


    Willi:)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    Ja, ein solcher Vergleich verspricht spannend zu werden. Ich wußte gar nicht, daß CHRISTOPH ESCHENBACH diese Sonate so spät nochmals einspielte. Ab den 80er Jahren ist er ja nur noch relativ selten als Pianist in Erscheinung getreten, und wenn, dann meist eher als Nebentätigkeit zu seiner Dirigentenarbeit, und zwar meist auf dem Gebiet der Kammermusik und des Lieds. Ich kenne nur seine früheren Einspielungen, und diese waren, ob nun MOZART, SCHUBERT oder BEETHOVEN; durchweg beeindruckend.


    Viele Grüße

    wok

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  • Da ich mich seit vielen Jahren intensiv mit Schuberts B-Dur-Sonate befasst habe und mir diese sozusagen ans Herz gewachsen ist, verfolge ich Deine Rezensionen von Aufnahmen derselben mit großer Aufmerksamkeit, lieber Willi.

    Die Eschenbach-Interpretation von 1974 kannte ich natürlich, und ich teile das Urteil von wok, das er, Deine Besprechung derselben betreffend , mit den Worten "großartig und subtil verfasst" zum Ausdruck brachte, voll und ganz.

    Der von Dir angekündigten Besprechung einer neuerlichen Interpretation durch Eschenbach blicke ich erwartungsvoll entgegen.

  • Lieber wok,


    schönen Dank für deinen beiden Beiträge und dein Lob!

    Zitat von Helmut Hofmann

    Da ich mich seit vielen Jahren intensiv mit Schuberts B-Dur-Sonate befasst habe und mir diese sozusagen ans Herz gewachsen ist, verfolge ich Deine Rezensionen von Aufnahmen derselben mit großer Aufmerksamkeit, lieber Willi.

    Die Eschenbach-Interpretation von 1974 kannte ich natürlich, und ich teile das Urteil von wok, das er, Deine Besprechung derselben betreffend , mit den Worten "großartig und subtil verfasst" zum Ausdruck brachte, voll und ganz.

    Der von Dir angekündigten Besprechung einer neuerlichen Interpretation durch Eschenbach blicke ich erwartungsvoll entgegen.

    Lieber Helmut,


    vielen Dank für deinen Beitrag und das "Lob aus berufenem" Munde. Wie dir, so geht es auch mir mit der B-dur-Sonate, und manchmal habe ich bei meinen Besprechungen den Eindruck, als wenn Schubert nicht nur sein Leben, sondern auch seinen ganzen Liederkosmos wie durch sein Brennglas in dieser seiner letzten Sonate konzentriert, aber sie auch zu einem Tor gemacht hat, das in eine andere, bessere Sphäre weist, also ein "Weiser" ist, der in seiner Bedeutung den "Weiser" aus der Winterreise ins Positive umkehrt.

    Ich denke, wenn ich das Andante aus der B-dur-Sonate höre, an das Lied "Am Meer" aus dem Schwangensang, an "Das Wirtshaus" und "Die Nebensonnen" aus der Winterreise, weil sie mir musikalisch so eng mit dem Andante verwandt erscheinen. Ich bin mal gespannt, welche Ähnlichkeiten ich noch finde, wenn ich in ein zwei Jahren mit der B-dur-Sonate durch bin und mir die A-dur-Sonate vornehme.

    Wenn ich morgen oder übermorgen mit der zweiten Eschenbachaufnahme fertig bin, werde ich anschließend mal den Schwanengesang hören, der ja auch in o. a. Box enthalten ist.


    Liebe Grüße


    Willi:)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Vielen Dank für die ausführliche Besprechung dieser Arrau-Aufnahme, lieber Holger! Da geht es mir ganz ähnlich!!! Obwohl ich Arrau sehr schätze, konnte ich mit dieser Einspielung wenig bis nichts anfangen. Diese Temposchwankungen sind bei Schubert für mich problematisch. Ich habe auch seine Ansichten über die Sonate in dem Interview-Buch gelesen, aber auch diese haben mir die Aufnahme nicht nähergebracht. Teilweise fand ich sie schrecklich hölzern. Und wie gesagt, ich bewundere Arrau sehr, er ist für mich einer der wenigen ganz großen Pianisten. Ich hatte das Glück, ihn noch live zu erleben, die Klangfülle war unvergleichlich. Jetzt werde ich mir diese Aufnahme also noch einmal anhören und dabei Deine spannenden Ausführungen bedenken!


    Viele Grüße

    Christian

  • Jetzt werde ich mir diese Aufnahme also noch einmal anhören und dabei Deine spannenden Ausführungen bedenken!

    Lieber Christian,


    das freut mich! Ich habe Arrau auch völlig neu entdeckt - habe ich mir vorher auch nicht Träumen lassen! :)


    Liebe Grüße

    Holger

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  • Ich hatte das Glück, ihn noch live zu erleben, die Klangfülle war unvergleichlich.

    Ich auch, lieber Christian. Ich glaube, es waren dreimal. Von zwei Konzerten habe ich noch die Programme. Einmal sprang er für Michelangeli ein, der einen Beethoven-Abend in der Düsseldorfer Tonhalle absagte. (Unglaublich, was waren das für Zeiten...) Da spielte er u.a. von Debussy Pour le piano und die Estampes. Das war unglaublich farbenreich, daran erinnere ich mich auch noch! :)


    Hast Du diese Mitschnitte?



    Die sind sagenhaft! Arrau völlig ohne Selbstzensur und selbstauferlegte Zwänge, ungehemmt spontan und leidenschaftlich! :)


    Schöne Grüße

    Holger

  • Auch beim Wiederhören fällt diese Aufnahme bei mir durch, das ist mir einfach zu holperig und zu stockend. Dabei mag ich ja Arraus eigenwillige, späte Schubert Aufnahmen aus den 80ern wie D.894, D.935 und D.946 sehr (und damit stehe ich ziemlich alleine da), aber bei der früher aufgenommen Sonate D.960 hat er keinen guten Tag gehabt: Zu viel Stückwerk, zu gewollt und vor allem temporal - wie Willi sagen würde - zu wackelig.


    Die oben abgebildete Box mit Liveaufnahmen ist großartig! Nur leider spielt er da keinen Schubert,


    Viele Grüße

    Christian

  • Auch beim Wiederhören fällt diese Aufnahme bei mir durch, das ist mir einfach zu holperig und zu stockend. Dabei mag ich ja Arraus eigenwillige, späte Schubert Aufnahmen aus den 80ern wie D.894, D.935 und D.946 sehr (und damit stehe ich ziemlich alleine da), aber bei der früher aufgenommen Sonate D.960 hat er keinen guten Tag gehabt: Zu viel Stückwerk, zu gewollt und vor allem temporal - wie Willi sagen würde - zu wackelig.

    Claudio Arrau selbst sagt ja, lieber Christian, dass er seine Aufnahme von D 958 für die gelungenste hält. Vielleicht ahnte er selbst, dass ihm D 960 dann doch nicht so ganz liegt? ^^ Die ältere Aufnahme kenne ich gar nicht! Ich würde von heute aus sagen: Arrau und D 960, das ist "Schubert für Fortgeschrittene". Diese Aufnahme würde mir auch jetzt nach dem Wiederentdecken nicht in den Sinn kommen, wenn ich Referenzaufnahmen küren müsste. Aber sie gehört zu denen, die, weil sie so sperrig eigenwillig sind, zum Nachdenken über bestimmte grundlegende Dinge bringen. Und Arrau ist eben immer unglaublich seriös als Interpret - und hat von daher stets etwas zu sagen, selbst wenn es nicht so ganz passt! :)


    Als nächstes nehme ich mir Brendel und Badura-Skoda vor. Habe mir schon die Mühe gemacht, die Texte alle abzuschreiben, die sie verfasst haben zum Thema, damit ich sie zitieren kann ... :P


    Schöne Grüße

    Holger

  • Die ältere Aufnahme kenne ich gar nicht!

    Das ist ein Missverständnis, es gibt von ihm nur eine Aufnahme von D. 960, aber er hat sie etwas früher aufgenommen als D.935, 946 und 894.

    Das Nachdenken hat sich hier in jedem Fall gelohnt. Danke nochmal für Deine bereichernden Gedanken!


    Viele Grüße

    Christian

  • Ich habe gerade noch einmal meine Besprechung vom 25. 11. 2017 durchgelesen (Beitrag Nr. 47) und mir war zu Recht erinnerlich, dass ich nach vielen vergleichenden Besprechungen zu einer Sichtweise gelangt bin, die mehrere Deutungsweisen (natürlich innerhalb eines ghewissen Spielraums) zulässt als nur eine begrenzte. Und gerade bei dieser finalen Komposition Schuberts gehen die Deutungsweisen, zumal die temporalen doch weit auseinander, wenn ich alleine an das Tempo des Kopfatzes denke. Das liegt natürlich auch an der ungenauen Tempobezeichnung, in die im Nachhinein von verschiedenen Seiten "genauere" Tempobezeichnungen hineininterpretiert wurden, aber auch am unterschiedlichen "Grundtempo", das einem Interpreten innewohnt. Entscheidend ist m. E., dass das Werk verschiedene Sichtweisen (s.o.) zulässt, sei es im Tempo oder im Rhythmus.

    Wie dem auch sei, ich habe jedenfalls bei der Beurteilung der Arrauschen Interpretation von 1980 keineswegs die Empfindung gehabt, dass dies "kein Schubert" war.

    Am gestrigen Abend hatte ich noch ein Erlebnis ähnlicher Art im Zusammenhang mit Tempoauffassungen. In Köln gabe Igor Levit ein Recital mit Bach, Busoni und Schumann vor der Pause und Beethoven nach der Pause, Sonaten Nr. 6 und 21. Der Autor des Programmtextes, Christoph Vratz, den ich beim Sonatenmarathon im letzten September kennengelernt hatte, legte sich, was das Tempo des Kopfsatzes der Waldstein-Sonate betraf, auch einseitig fest auf die Präferierung besonders schneller Interpretationen (getreu der Satzbezeichnung Allegro con brio) wie derjenigen Arthur Schnabels und Friedrich Guldas.

    Die Interpretation Igor Levits hörte sich dann auch tempomäßig wie eine Reinkarnation Arthur Schnabels an, sowohl was das nahe am Presto befindliche Tempo des Kopfsatzes betraf als auch das außerordentlich langsame Adagio der Introduzione, wobei Levit aber auch zusätzlich kundtat, welch großer Lyriker er inzwischen geworden ist. Ich kann allerdings nicht weiter darauf eingehen, weil ich mich inzwischen mitten in den Reisevorbereitungen meiner neuntägigen Reise nach Leipzig und Dresden befinde, wo ich dann nach zwei Tagen auf meinen Chor treffe.


    Liebe Grüße


    Willi:)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Ich habe gerade noch einmal meine Besprechung vom 25. 11. 2017 durchgelesen (Beitrag Nr. 47) und mir war zu Recht erinnerlich, dass ich nach vielen vergleichenden Besprechungen zu einer Sichtweise gelangt bin, die mehrere Deutungsweisen (natürlich innerhalb eines ghewissen Spielraums) zulässt als nur eine begrenzte. Und gerade bei dieser finalen Komposition Schuberts gehen die Deutungsweisen, zumal die temporalen doch weit auseinander, wenn ich alleine an das Tempo des Kopfatzes denke. Das liegt natürlich auch an der ungenauen Tempobezeichnung, in die im Nachhinein von verschiedenen Seiten "genauere" Tempobezeichnungen hineininterpretiert wurden, aber auch am unterschiedlichen "Grundtempo", das einem Interpreten innewohnt. Entscheidend ist m. E., dass das Werk verschiedene Sichtweisen (s.o.) zulässt, sei es im Tempo oder im Rhythmus.

    Lieber Willi,


    Deine Rezension habe ich gelesen! Ich stimme Dir vollzu! Es gibt ganz verschiedene Interpretationswege bei dieser letzten Schubertsonate - und nicht nur einer ist legitim! Das Problem ist auch unsere Gewohnheit und Erwartungshaltung - gerade bei dieser Sonate möchte man es besonders schön romantisch-liedhaft haben. Aber liegen wir da wirklich richtig?

    Wie dem auch sei, ich habe jedenfalls bei der Beurteilung der Arrauschen Interpretation von 1980 keineswegs die Empfindung gehabt, dass dies "kein Schubert" war.

    Am gestrigen Abend hatte ich noch ein Erlebnis ähnlicher Art im Zusammenhang mit Tempoauffassungen. In Köln gabe Igor Levit ein Recital mit Bach, Busoni und Schumann vor der Pause und Beethoven nach der Pause, Sonaten Nr. 6 und 21. Der Autor des Programmtextes, Christoph Vratz, den ich beim Sonatenmarathon im letzten September kennengelernt hatte, legte sich, was das Tempo des Kopfsatzes der Waldstein-Sonate betraf, auch einseitig fest auf die Präferierung besonders schneller Interpretationen (getreu der Satzbezeichnung Allegro con brio) wie derjenigen Arthur Schnabels und Friedrich Guldas.

    Die Diskussion mit dem Allegro con brio gibt es ja auch mit Bezug auf die Es-Dur-Sonate op. 7. Michelangeli und Gilels spielen das durchaus nicht im forschen Tempo wie - im Extrem - Schnabel und Gulda. Aber es gibt so viele Allegro con brio-Sätze, die sehr unterschiedlich sind, gerade auch im Tempo! Diese Frage lässt sich wahrlich nicht mit der Angabe einer Metronomzahl entscheiden! :hello:


    Liebe Grüße

    Holger

  • Ich bin vorhin aus einer grandiosen Ballettaufführung in der Semperoper zurückgekommen, Tschaikowskys "Dornröschen" mit der Staatskapelle Dresden und dem Dresdner Ballett. Bericht erfolgt später.

    Dann werde ich meine Erinnerungen einstellen und mal schauen ob sich Querverweise zu "Vergessenen" ergeben.


    Liebe Grüße


    Willi:)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Mein neuer Beitrag ist zum Thema:


    Hammerklavier oder moderner Konzertflügel? Paul Badura-Skoda auf drei Instrumenten (Aufnahmen Genuin Wien 2011, 2012)


    1. Hälfte:


    Franz Schubert: Romantiker, klassischer Romantiker? Interpretationswege am Beispiel der Klaviersonate B-Dur D 960


    2. Hälfte:


    Franz Schubert: Romantiker, klassischer Romantiker? Interpretationswege am Beispiel der Klaviersonate B-Dur D 960


    Es geht diesmal nicht nur um eine Besprechung der Interpretation, sondern um eine Antwort auf die grundsätzliche Frage angesichts HIP, ob der Hammerflügel wirklich "authentischer" ist als ein moderner Konzertflügel ist oder nicht. Deshalb ist der Beitrag etwas ausführlicher geraten als sonst. Diese Frage zu erörtern ermöglicht Badura-Skodas Aufnahme, die den Vergleich zwischen einem historischen Graf-Flügel, einem Bösendorfer und Steinway bietet.


    (Ich verstehe nur nicht, warum der Link zu jpc oder zu Amazon vom Laptop aus nicht zu setzen ist.)


    Schöne Grüße

    Holger

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  • was das romantische Ideal, auf einem mechanischen Instrument wie dem Klavier zu „singen“, im Grunde für ein Paradox bedeutet.

    kleiner Einwand:


    die Forderung des "Singens" auf einem Tasteninstrument ist weit vor der Romantik erhoben worden. Bekannt ist J.S. Bachs "cantable Art im Spielen", das er mit seinen Inventionen explizit fördern will. Auch C.P.E. Bach fordert, auf dem "Clavier" müsse genau so gesungen werden wie auf den anderen Instrumenten (Versuch, S. 2). Wohl wird bei Beethoven eine veränderte Vorstellung vom Cantabile vorliegen (Mozarts Spiel soll Beethoven nicht ganz behagt haben), das ändert nichts an der grundsätzlichen Forderung.

  • kleiner Einwand:


    die Forderung des "Singens" auf einem Tasteninstrument ist weit vor der Romantik erhoben worden. Bekannt ist J.S. Bachs "cantable Art im Spielen", das er mit seinen Inventionen explizit fördern will. Auch C.P.E. Bach fordert, auf dem "Clavier" müsse genau so gesungen werden wie auf den anderen Instrumenten (Versuch, S. 2). Wohl wird bei Beethoven eine veränderte Vorstellung vom Cantabile vorliegen (Mozarts Spiel soll Beethoven nicht ganz behagt haben), das ändert nichts an der grundsätzlichen Forderung.

    Entschuldigung, dass ich so spät antworte. Aber im Moment bin ich mit Hifi-Testereien beschäftigt wegen Umbau meiner Anlage. :) Du hast völlig Recht! Die Romantik hat ja viele Motive aus dem 18. Jhd. weitergetragen und lediglich neu interpretiert. Das habe ich auch nicht historisch betrachtet, mir ging es da vornehmlich um die Problematik des Hammerklaviers. Deshalb besten Dank für die notwendige Ergänzung! :)


    Anders als bei der RT-Debatte scheint in diesem Falle ja wenig Bereitschaft unter Taminos vorhanden zu sein, die wesentlichen Interpretationsfragen zu diskutieren, muss ich konstatieren. :(


    Schöne Grüße

    Holger

  • Anders als bei der RT-Debatte scheint in diesem Falle ja wenig Bereitschaft unter Taminos vorhanden zu sein, die wesentlichen Interpretationsfragen zu diskutieren, muss ich konstatieren. :(


    Schöne Grüße

    Holger

    Lieber Holger,


    ich habe Dir ja gesagt, dass es keine gute Idee ist, daraus zwei threads zu machen, so bin ich bspw. nicht fähig, aus dem anderen thread in diesem thread zu zitieren. Das ist mir zu umständlich. Leider habe ich gerade auch wenig Zeit, aber ich werde mich in jedem Fall noch zur Sache melden. Badura-Skoda konnte mich jedenfalls nicht überzeugen.

    Ein radikale, abgründige Aufnahme hat die kürzlich verstorbene Dina Ugorskaja rausgebracht:



    Viele Grüße

    Christian

  • Lieber Christian,


    das ist ja ein sensationeller Tipp. Ich habe Dina Ugorskaja sehr verehrt, und es ist m. E. ein Glücksfall, dass sie Die B-dur-Sonate noch aufgenommen hat, und es ist um so tragischer, dass es so kurz vor ihrem Tode war. Da kommt man schon ins Sinnieren. Ich habe gerade die gut 6 Minuten lange Exposition gehört, und dabei lief mir ein Schauer nach dem anderen über den Rücken: dieser wunderbare dynamische Fluss, diese feine Rhythmik, die "komponierte Stille". Vieles davon hat mich schon bei ihrem Landsmann Valery Afanassjew begeistert, bei ihr kommt noch der grandiose Klang der Aufnahme hinzu. Sie entfernt sozusagen alle Schleier, die vor dem musikalischen Kern liegen (könnten) und uns den Blick verstellen.

    Ich bin jetzt zwei Tage in Köln und höre den anderen großen Klavierkomponisten. Rudolf Buchbinder spielt und leitet alle fünf Klavierkonzerte Beethovens am Flügel, heute Abend das Erste und das Fünfte, und morgen Abend die Numern Zwei, Drei und Vier. Anschließend werde ich mich wieder mehr um die Klavierthreads kümmern und als Erstes Dina Ugorskajas Lesart der B-dur-Sonate besprechen. Das ist etwas, wo ich ja gar nicht mehr mit gerechnet hatte. Anschließend werde ich ihre Aufnahme der Hammerklaviersonate besprechen. Ich werde ohnehin in Zukunft bei akutellem Anlass öfter vom alphabethischen Vorgehen abweichen..


    Liebe Grüße


    Willi:)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

    Einmal editiert, zuletzt von William B.A. ()

  • so bin ich bspw. nicht fähig, aus dem anderen thread in diesem thread zu zitieren. Das ist mir zu umständlich.

    Lieber Christian,


    ist das denn nötig? Diesmal ist es wirklich ein langer Kolumnenartikel geworden, der hier gar nicht passen würde. Mit der Maus kopieren und hier kursiv setzen geht auch immer! ;)

    Ein ziemlich radikale Aufnahme hat zuletzt die kürzlich verstorbene Dina Ugorskaja rausgebracht:

    Das ist wirklich sehr traurig. Ich habe sie einmal in Bielefeld gehört - die Aufnahme habe ich aber nicht, leider. Würde ich mir gerne anhören!


    Liebe Grüße

    Holger

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