Nemanja Radulovic et les trilles du diable

  • (Hör- und Sehbericht von unklarer Relevanz 8o)


    Zwei Eintrittskarten als Geschenk von einem meiner besten Freunde. "...wir sind da aber im Urlaub" warnt die Lebensgefährtin telefonisch bei unserer Danksagung.


    Bei gutartigen Temperaturen sitzen wir im Ordenssaal des Ludwigsburger Schlosses und erwarten Nemanja. Viel gediegenes, älteres Publikum, keine sichtbaren freien Plätze.


    Herein springt ein sympathischer und gutaussehender junger Mann mit riesiger, sehr originell verfeinerter Afrolook- Frisur, sexy Gender- Kleidung, nicht ordinär, durchaus elegant. Er hat eine Geige in der Hand. (Ich schaue zu den beiden unauffälligen, akkuraten Damen neben mir, --- keine Regung). Der Geiger gefolgt von einem sehr normal aussehenden, gemischten Kollegium aus zwei Damen und drei Herrn, den Namen nach französisch und russisch (die eine Dame).


    Ich war ganz irritiert: machte der Nemanja so einen diabolischen Gesichtsausdruck oder sah der so aus ?


    Es ging ans Spielen. Wir hörten schöne, wohl überwiegend arrangierte/ ergänzte/ umgeschriebene (?) Stücke des klassischen (und ?) Geigenrepertoires von JSB, WAM, Kreisler, Paganini, Monti, de Sarasate, de Berio, gegen Schluss noch eine Kammermusikversion aus dem Film Schindlers Liste. Lauter Perlen, manchmal auch Erlösungsstreiche(l)n und Schmachtfetzen. Richtung Pause bereits Scharren mit den Füssen, Popo rücken und geordneter, freundlich heftiger (!) Beifall.


    In und nach der Pause nun, man rätselte, fühlte sich annähernd wohl, trank Alkohol in kleinen Dosierungen, diskutierte und hörte wieder... Doch Nemanja entwickelte sich zunehmend zu einem richtigen Teufelsgeiger, hüpfte, sprang und geigte mit Leichtigkeit. Die restlichen Franzosen (wir sind doch unter uns ? ;) )zeigten berufsbedingte contenance und ohne stilistische Bedenken (die sie unbedingt hätten haben dürfen !!! :jubel: :hail: :stumm: :love: 8-) ) zogen sie einfach freundlich mit und das ging sehr gut. Schliesslich waren wir in einem Rausch von höchsten, schnellsten, auch leisesten Geigentönen, Cello für Güte und Freundschaft, Bass (geschlagen wie in Budapest) für Versöhnung und Verdauung. Ziganmusik at its best !
    Die Leute entschlossen sich, einfach mitzuhopsen, zumindest innerlich (nun kam auch Bewegung in die beiden Ladies neben mir !)


    Tosender Beifall, freudige Schreie, Trampeln waren das Ergebnis dieser Therapiestunde in Sachen psychische und somatische Lockerung :jubel: :jubel: :jubel: .


    Ganz zum Schluss holte ich mir bei Maestro Nemanja noch ein Autogramm. Und er empfahl mir noch ein in- Lokal mit guter :rolleyes: Musik in Belgrad, nördlich der Donau, "Kolarac", (wir haben ab nächster Woche eine Urlaubsreise nach Serbien, Bosnien- Herc. und Montenegro vor uns).


    Nemanja stammt aus Nis, hat erstmal in Belgrad, später in Paris studiert, mehrere CDs aufgenommen, zuletzt mit DGG das Tschaikowski- Violinkonzert und Sachen von JSBach. Er hatte das Geschehen bis zum Schluss im Griff. Ich denke, dass er technisch alles kann und er ist ein Urmusikus. Im Ordenssaal ist ihm mit Ausnahme einer Kleinigkeit, kein für mich hörbarer Fehler unterlaufen. Die Interpretation der Musik wirkt fast jederzeit übertrieben: das Leise zu leise, das Laute zu heftig, aber das Liebliche nicht Süsslich- lieb...Fast wie Pop- Musik, nur besser. N.R. wirkt durchwegs sehr professionell. Aus der Nähe (am CD- und Autogrammtisch) ist das Lächeln nicht mehr diabolisch, sondern freundlich und zugewandt.
    Ich bin sehr beeindruckt vom Geiger und Menschen.


    MlG
    D. :)

  • Lieber Damiro, ein Text ganz nach meinem Geschmack! Mehr davon!

    Schönheit du kannst zwar wol binden...

    Schönheit machet viel zu blinden...

    Schönheit alle Freyer grüssen...

    Schönheit reitzet an zum küssen...

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)


  • Tosender Beifall, freudige Schreie, Trampeln waren das Ergebnis dieser Therapiestunde in Sachen psychische und somatische Lockerung :jubel: :jubel: :jubel: .


    Hallo, Damiro
    Deinen interessanten, locker und lebendig geschriebenen Bericht, habe ich mit Freude gelesen.
    Vielen Dank, herzlichst


    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...