Konzert des Kölner Kammerorchesters am 1. 6. 2018 in der Kölner Philharmonie

  • Ich bin vorhin aus Köln wiedergekommen, wo ich dem 6. und letzten Konzert der Reihe "Das Meisterwerk" in dieser Saison beigewohnt habe.
    Mitwirkende:
    Clara-Jumi Kang, Violine,

    Kölner Kammerorchester,

    Christoph Poppen, Dirigent,


    Programm:


    Felix Mendelssohn-Bartholdy, Ouvertüre F-dur op. 32 "Die schöne Melusine"
    Ludwig van Beethoven, Violinkonzert D-dur op. 61
    Joseph Haydn, Sinfonie Nr. 102 B-dur Hob.I:102


    Da ich sehr müde bin und Wert auf einen anständigen Bericht lege, werde ich diesen am Nachmittag nachliefern und mich jetzt hinlegen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Den Abend eröffnete das Kölner Kammerorchester, das älteste Kammerorchester Deutschlands und sicherlich auch eines der besten, mit der Konzertouvertüre "Die schöne Melusine". Es spielte dabei in folgender Besetzung:
    Streicher: 6-5-4-3-2, Holz: 2-2-2-2, Blech: 2-2, Pauke, also 32 Instrumentalisten.
    Die Ouvertüre habe ich auch seit etlichen Jahren in meiner Sammlung, und zwar in einer Box mit den Symphonien und 7 Ouvertüren, gespielt von der London Symphony unter seinem damaligen Chefdirigenten Claudio Abbado.
    Das Kölner Kammerorchester spielte in der Deutschen Aufstellung, wobei in der Orchestergröße trotz der etwas heikleren gegenüberliegenden Position der ersten und zweiten Geigen eine hervorragende Transparenz erzielt wurde. Das kam schon der Ouvertüre sehr entgegen, die in Ausschnitten das Märchen malte von der schönen Meerjungfrau, die sich in einen Ritter verliebt, sich mit ihm vermählt und ihm Reichtum, Glück und viele Kinder schenkt, aber unter der Bedingung, dass er sie nicht ansehen darf, wenn sie von Zeit zu Zeit ihre wahre Gestalt annimmt und für immer verschwindet, als er es einmal doch tut.
    In der sehr stimmungsvollen Interpretation des Kölner Kammerorchesters, das mit seinem Dirigenten Christoph Poppen eine sehr gute Einheit bildete, hörte man förmlich das Wasser strömen, in dem sich Melusine in ihrer eigentlichen Gestalt bewegt.
    Formal in der Sonatensatzform, stand der Thematik der Melusine mit den sanglichen Holzbläsern in den stürmischen Streicherfiguren das Thema des stolzen Ritters gegenüber, das von den Blechbläsern noch verstärkt wurde, die in dieser Besetzung sich sehr gut durchsetzen konnten. Die sehr guten Blechbläser versuchten aber nicht, die Streicher zuzudecken, sondern kamen mit ihnen zu einem organischen Gesamtklang.
    Verdienter Beifall des nicht gänzlich gefüllten Auditoriums war der Lohn für die mitreißende vorgetragenen Ouvertüre. Zum Auditorium werde ich zwischendurch noch etwas sagen.
    Spieldauer der Ouvertüre: 10:30 min.;


    Während der kurzen Umbauphase wegen des zusätzlichen Platzes für die Solistin kam mir in den Sinn, dass ich das Violinkonzert Beethovens schon lange nicht mehr live im Konzert gehört hatte, in den letzten 10 Jahren, wenn mir mein Gedächtnis keinen Streich spielt, wohl nur einmal im Dortmunder Konzerthaus mit Nikolaj Znaider und dem WDR-SO im Dortmunder Konzerthaus. Aber, wie es der Zufall will, steht es in der kommenden Saison schon wieder auf meinem Programm, und zwar am 23. 9. mit dem Freiburger Barockorchester unter Pablo Heras Casado. Die Violine wird Isabell Faust spielen, und neben Beethoven steht wieder Mendelssohn auf dem Programm. Aber am 23. 9. werde ich vormittags auch schon ein Konzert genießen können, und zwar zur Saisoneröffnung des Kölner Kammerorchesters. Dann gibt es Mozart und Beethoven. Neben der Weihe des Hauses wird Martin Helmchen Mozarts Es-dur-Konzert KV 482 spielen und Christoph Poppen zum Abschluss Beethovens Zweite dirigieren. (Man gönnt sich ja sonst nichts).


    Das Violinkonzert Beethovens spielte Clara-Jumi Kang, eine 1987 in Deutschlang geborene Tochter einer südkoreanischen Sopranistin und eines südkoreanischen Bassisten. Sie spielt die Stradivari "ex Strauss" (1708), eine Leihgabe der Samsung Cultural Foundation Korea.
    Ich war beeindruckt, wie berückende Pianissimi sie auf diesem Instrument spielte und wie dieses Instrument auch in der tiefsten dynamischen Lage noch körperhafte Töne hervorbringen konnte:


    Hier spielt sie das Konzert mit dem Seoul Philharmonic unter Chung Myung-Whun.


    Obwohl Beethovens Konzert ja kein Virtuosen-Konzert und die Sologeige praktisch "Primus inter pares" ist, hat es der Solopart jedoch in sich, und mit den Schwierigkeiten dieses Parts schien Frau Kang keine Schwierigkeiten zu haben und sie konnte sich ganz auf den Ausdruck konzentrieren, und dann kann man, so glaube ich, als Solist schon mal ins Schwelgen kommen und als Zuhörer ins Schwärmen- immer wieder diese berückenden Pianissimi, aber sie kann auch zupacken, an den entsprechenden Stellen. Ich konnte auf meinem Platz in der 4. Reihe Mitte beobachten, dass sie einmal gerissene Haare des Bogens an beiden Seiten abriss, ohne mit der Wimper zu zucken. Schlimmer hatte es da schon vor drei Wochen Tabea Zimmermann, als ihr mitten im Bratschenkonzert eine Saite riss und sie fluchtartig das Podium verließ und nach wenigen Minuten , die der launige Dirigent Francois Xavier Roth gekonnt kurzweilig überbrückt hatte, mit der reparierten Bratsche das Konzert fortsetzte, dabei die Stelle noch einmal spielend, an der die Saite gerissen war.
    Clara-Jumi Kang spielt gegen Ende des Kopfsatzes eine Kadenz, die mir vom Hören bekannt war. Sie hätte wohl von Joseph Joachim oder Leopold Auer sein können. In dem hier angegebenen Hörbeispiel spielt sie wohl auch diese Kadenz. Möglicherweise erscheint ja in den nächsten Tagen noch eine Kritik des Konzertes. Dann kann ich vielleicht Näheres dazu sagen.
    Jedenfalls endet der Satz recht spektakulär und unmittelbar danach drohten mir die Gesichtszüge zu entgleisen, denn mir kamen unmittelbar Zweifel auf, dass ein großer Teil des Publikums schon jemals das Konzert gehört haben könnte, so ein massiver Beifall setzte ein, ganz im Gegensatz zum hier zu hörenden Seouler Publikum.
    Die Protagonisten auf dem Podium machten gute Miene zum bösen Spiel, und als es Christoph Poppen dann zu bunt wurde, drehte er sich zum Orchester um und hob wieder den Taktstock. Erst dann beendeten die Ignoranten den Beifall.
    Naturgemäß gehören eigentlich bei allen Beethoven-Werken die langsamen Sätze zu meinen Lieblingen, so auch das überirdische Larghetto aus dem Violinkonzert. Hier haben Orchester und noch mehr Solist(in) Gelegenheit, in den Pianissimotiefen dem musikalischen Kern näher zu kommen. Die Mitwirkenden am gestrigen Abend kamen ihm sehr nahe. Clara-Jumi Kang hat auch, wie ich finde, eine großartige Trillertechnik.
    Und, by the way, da das Larghetto ja attacca in das abschließende Rondo übergeht, war ich schon mal froh, dass hier der Beifall "notgedrungen" ausbleiben durfte.


    Das Kölner Kammerorchester spielte gestern Abend etwas schneller als man es hier hören kann, aber doch auch in einem recht entspannten Tempo. Das kommt dem Larghetto besonders zu Gute. Larghetto ist eben doch sehr langsam.
    Und nach dem Attacca-Übergang spiel ja die Solistin zuerst das Thema in der tiefen Lage und wiederholt es dann in der hohen Lage, wobei sich ein Duett mit den ersten Geigen entspinnt, und das hat auf mich am gestrigen in dieser Kammerbesetzung einen ungeheuren Eindruck gemacht, vor allem auch dank dieser beiden Damen:

    Elisabeth Kufferath, Konzertmeisterin,

    Annette Walther, ebenfalls am 1. Pult
    Das Rondo-Allegro, eben ein echtes Beethoven-Finale, voller Drang, aber auch Eleganz, Rhythmus und dynamischem Impetus, bietet für alle Beteiligten nochmal Gelegenheit, aufs Schönste miteinander musizieren, und da war natürlich für die Zuhörer am gestrigen Abend mehr an Struktur zu erfahren, als es hier bei diesem Hörbeispiel mit dem großen Sinfonieorchester der Fall ist.
    Ich bin schon gespannt, wie sich im September das Freiburger Barockorchester und Isabell Faust sowie Pablo Heras-Casado ausnehmen werden.
    Trotz des enthusiastischen Schlussbeifalls zeigte anscheinend Clara-Jumi Kang wenig Lust, noch eine Zugabe zu spielen. Und auch das Publikum stellte nach dem dritten Abgang seine Bemühungen ein. Das sind eben alles keine Sokolov-Hardliner, die klatschen, bis ihnen die Hände abfallen, um sich dann blitzartig hinzusetzen, wenn der Maestro mit einer blitzartigen Drehung wieder am Instrument Platz nimmt. Und auch er spielt fast so lange, bis ihm die Hände abfallen. Aber das ist eine andere Welt.
    Spieldauer des Beethoven-Violinkonzerts: 42 min.;


    Nach der Pause kam dann Haydn, die wunderbare Sinfonie Nr. 102 B-dur, bei der dann auch der Paukist des Kölner Kammerorchesters:

    Dirk Offelder
    Gelegenheit hatte, sich in Szene zu setzen.
    Um nochmal auf die langsame Einleitung, das Largo zurückzukommen: das ist weit von dem entfernt, was in früheren Jahren oftmals fälschlicherweise unter dem Label "Papa Haydn" verstanden wurde. Das weist weit auf seine altersmäßigen Zeitgenossen hinaus, auf die Sinfonien Beethovens und in Teilen sogar auf die Romantik. Vor allem die Fortspinnung der Motive war ja so gewiss nicht an der Tagesordnung. Hinzu kommen die dynamischen Steigerungen mit den überraschenden Wendungen, und auch die Instrumentierung unterschied sich nicht von der des Beethovenschen Violinkonzerts, und die Musiker mussten hier ihre ganze Kraft in die Waagschale werfen.
    In dem wunderbaren langsamen Satz konnte auch der Solocellist Gerhard Anders:

    hervortreten. In spannend-entspannten Triolen begleitete und umspielte er das musikalische Geschehen.
    Der dritte Satz, ein Menuett.Allegro hatte auch nur noch wenig Ähnlichkeit mit den Menuetten, die anfänglich in Haydns Streichquartetten anzutreffen waren. Das grenzte in der orchestralen Wucht und dem originellen Rhythmus schon an ein Scherzo. Auch hier hatte der Paukist alle Hände voll zu tun, im wahrsten Sinne des Wortes, aber es gelang alles vortrefflich.


    Das finale Presto-Rondo war dann wirklich ein atemberaubendes Kehraus-Stück, wo Haydn nach dem tänzerischen leichten Auftakt dynamisch so richtig loslegte. Und so ging es hin und her, rhythmisch wie dynamischen brachen hier beinahe alle Dämme. Das hatte Feuer ohne Ende und gipfelte in dem furiosen Schluss der Coda, die ich heiß und innig liebe, seit ich vor vielen Jahren (sicherlich über 20) die Gesamtaufnahme der Haydn-Sinfonien in der Aufnahme Adam Fischers mit dem Austro Hungarian Haydn Orchestra zum Geburtstag von meiner Familie geschenkt bekam. Zur Zeit sind sie wieder günstig für gut 1 € pro CD zu haben:

    Nun durften die Leute auch wieder applaudieren, bei so einer berauschenden Vorführung. Leider taten sie es aber noch zweimal vorher, auch bei Haydn. Den hatte das Orchester in der Tat so begeisternd intoniert, dass sie sich quasi genötigt sahen zu klatschen, einmal sogar über eine Minute lang.
    Trotz dieser von mir nur als Misstöne zu bezeichnenden Applausunterbrechungen hat mir das Konzert an sich so gut gefallen, dass ich mich entschlossen habe, in der kommenden Saison ein drittes Abo zu erwerben, und zwar beim Kölner Kammerorchester.
    Spieldauer der Haydn-Sinfonie Nr. 102: 24 min.;


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).