1968 war für den 1926 geborenen Jazztrompeter aus East St. Louis am Mississippi sicher sehr turbulent. Wayne Shorter, Sopran- und Altsaxophon, war zum Quintet gestossen, zu Herbie Hancock, Klavier, Ron Carter Kontra- und E- Bass, und zu Tony Williams an den drums. Im Laufe des Jahres kamen Chick Corea für H. Hancock, Dave Holland für R. Carter und Jack DeJohnette ersetzte T. Williams. Aussermusikalisch hatte Miles erhebliche Ehe- und Gesundheitsprobleme.
Details liest man hier nach:
https://www.google.com/search?…oe=utf-8&client=firefox-b
Miles hatte zuvor schon viele LPs und auch Radiotakes aufgenommen, bereits seit den 1955er Jahren. Mit dem seit 1964 bestehenden Quintet hatte sich die Vielseitigkeit der Formation enorm gesteigert. Alle Musiker hatten Musikstudium, stammten teils aus der schwarzen Mittelschicht und hatten viel musikalische Erfahrung bereits gesammelt. Miles besass, wie es sich herausstellte, neben Führungseigenschaften ein Händchen für das Auffinden begabter Nachwuchsmusiker und war experimentierfreudig, was seine Stücke und Besetzungen anging. Die Plattenfirmen, Konzertveranstalter, Radioleute und Jazzclubbesitzer gewährten ihm viele Freiheiten.Aus der Vielzahl des musikalischen Materials ragen einige Stücke bzw. Alben heraus, von denen in diesem Thread die Rede sein soll. Ich will mal damit anfangen, einige zu nennen und darüber zu berichten. Das soll in loser Folge ohne grosses begriffliches, d.h. theoretisches Beiwerk und ohne Anspruch auf Vollständigkeit geschehen. Ich rechne damit und begrüsse es, wenn andere geneigte Foristen ihre Lieblings- LPs oder -CDs hier einbringen.
Heute geht es los mit der (titelmässig gg. dem Original von 1969 veränderten) CD
*** Filles de Kilimanjaro *** (rec. 1968 )
Achtung: dieser Titel ist neben dem Vinyl in diversen CD- Ausführungen am Markt; wieso habe ich nicht erforscht, kann ich mir aber denken.
Das zentrale Stück hieraus ist Miss Mabry (Mademoiselle Mabry), eine real existierende junge Frau, mit der Miles sogar mehr als ein Jahr verheiratet war.
Ich habe es (die anderen Stücke sind aber auch toll !) als Beispielstück ausgesucht, um einiges zu demonstrieren:- das musikalische Geschehen, insbesondere das Thema, ist sehr übersichtlich und nachvollziehbar, trotz zeitweise ungerader Taktierung. ---> einfach hinhören, laufen lassen ohne mitzuzählen.
- die beiden Bläser spielen das Thema parallel, aber eben jazzmässig und nicht im Modus der klassischen Musik von Jahrhunderten (genau eben nicht "präzise", nicht "sauber" !)
- Schlagzeug und Bass agieren mit hoher integrativer Kraft, d.h. funktional wie ein Instrument, wobei der Bass eben nicht nur als Begleiter agiert, sondern auch kontrapunktisch sich entwickeln darf/ soll. Man beachte Tony Williams` unendlich diffiziles und leises, nie aufdringliches Schlagzeugspiel.
Bei Mme. Mabry handelt es sich um den wahrscheinlich durch Mikrofon- verstärkten Flügel des Studios. Man benutzte allerdings damals auch Tonabnehmer wie sie bei den Elektrogitarren schon vorher im Gebrauch waren. Im Verlauf der Datei ist auch ein weiteres Piano zu hören. - das elektromechanische, tragbare RHODES- (oder Fender Rhodes Piano) von Herbie Hancock. Es erinnert anfangs an die Töne eines Computerspiels, entwickelt aber nach einiger Zeit einen klanglichen und rytmischen Reiz, den man richtig lieben kann und der durch Reduktion und Auswahl der gespielten Töne verstärkt wird - ist meine Behauptung !). Weit früher schon hat das Piano im Jazz schon kontrapunktisch agiert, besonders in seinen Soli, jedoch wurde es aber durchaus noch zu den Rytmusinstrumenten gerechnet. (Das gilt aber nicht für die Pianotrios, z.B. bei Oscar Peterson, wo das Klavier alles unendlich dominiert).
Das thematische Material ist von grossem Reiz durch den Gegensatz zwischen kürzerer melodiöser Abfolge einerseits, und Einzel- oder kurzen Gruppentönen, die Ruf- oder Lautcharakter haben (nicht im Ggs. zu "leise" !) und als kurzes rhytmisches Ereignis "mitgeteilt" werden. Es ist nie liedhaft oder gar Ohrwurm- noch nicht mal fanfarenmässig. Mitsingen kann man gut, aber nur in kurzen Phrasen. Für heute war`s das.
MlG
D.