Beethoven: Sonaten op. 109, 110 und 111

  • Hallo Frank,


    Zitat

    Original von Frank Georg Bechyna
    Adorno war für mich gegen Ende seine r "Dienstzeit" doch immer mehr ein pragmatischer , sich anpassener philosophierender Politiker , der am Ende einen mannigfachen Trümmerhaufe hinterlassen hat gerade was den Umgang mit ehemaligen Weggefährten , Bewunderern , sog. Schülern anbelangt .



    Für mich ist W T Adornos Rolle und Bedeutung nur aus einem bestimmten und bestimmend wollenden Zeitgeist zu verstehen .
    Adornos Musiästhetik , seine Analysen der Musik sind für mich nur im Kontext mit seiner Persönlichkeitsstruktur verstehbar .


    zwar tue ich mich schwer mit Adornos Musik-Ästhetik, aber seine Äußerungen auf seine Persönlichkeitsstruktur zu reduzieren, geht gerade in diesem Fall daneben. Denn es war ihm wichtig die Ästhetik mit Aussagen über die Gesellschaft, ja mit Gesellschaftskritik zu verbinden. Darauf müsste man sich schon einlassen, wenn man ihn widerlegen will.


    Überhaupt ist es aber der Tod der Ästhetik, bloß biographisch individuell zu argumentieren.
    Aber gut, vielleicht ist die Ästhetik keine Wissenschaft, sondern ein Phantasma.


    Viele Grüße

  • Lieber Kontrapunkt :


    Den ersten Halbsatz von Dir teile ich uneingeschränkt . Die vielleicht verkürzende Formulierung "Persönlichkeitsstruktur" statt Persönlichkeitsstruktur und Lebenslauf mag mehr Klarkeit bringen .


    Aus "Gesellschaftskritik" eine überzeugende Musiästhetik ableiten zu wollen , ist mir doch gerade im Falle von T W Adorno zu wenig , zu dünn .


    Und wie ist Adorno etwa mit seinem ihn bewundernden Schüler Krahl umgegangen ( nicht nur mit diesem ) ?


    Hier wäre mindestens Selbsrteflexion sinnvoll seitens Adorno angebracht gewesen .


    Grüsse ,


    Frank


    PS.: Interessant , dass Du unter Deinem Text Husserl zitierst .


    Das reizt fast , einen "Philosophen - Thread" zu eröffnen . F.

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Hallo Frank,


    Zitat

    Original von Frank Georg Bechyna
    Aus "Gesellschaftskritik" eine überzeugende Musiästhetik ableiten zu wollen , ist mir doch gerade im Falle von T W Adorno zu wenig , zu dünn .


    mein Problem mit den meisten Texten von Adorno ist, dass sie recht schwammig bleiben. Man muss ihm alles aus der Nase ziehen und weiß oft nicht, was er überhaupt sagen will.
    Auch wenn dies wohl kaum Adornos Absicht war, so war es dadurch auch nicht so schwer, seine Texte als Steinbruch für beliebige Zitate zu nutzen.
    In der Regel wird völlig ignoriert, dass er davon ausging im "Monopol-" bzw. "Spätkapitalismus" zu leben - ein Befund, den ich nicht teile (gegen Monopole gibt's Kartell-Behörden und der Kapitalismus kann auch ewig so weiterlaufen; Krisen gehören halt dazu). Ein großer Teil der Adorno-Rezeption scheint mir ein einziges Missverständnis zu sein.


    Es mag sein, dass Adornos gesellschaftskritische Ästhetik so manchen Mangel enthält, "dünn" würde mir aber nicht dazu einfallen.
    Dass die Ästhetik tot sei, muss man feststellen, wenn sich alles, was Kunst-Produkte so in einem auslösen, als bloß privat, individuell, allenfalls über die Biographie nachvollziehen lässt. Dass und wie etwas auf mich wirkt, ist aber nicht reiner Zufall, sondern gesellschaftlich vermittelt.
    Dazu sagt Adorno sehr viel. Aber um ihn erstmal immanent zu verstehen, muss man wissen, was er mit "Spätkapitalismus" meint. Dann muss man überlegen, ob er recht damit hat, und wenn nicht, ob das etwa seine Aussagen affiziert.
    Dass sie von Adorno meist begründungslos apodiktisch hingeklotzt sind, verträgt sich wunderbar mit der postmodernen Beliebigkeit, die sich nach seinem Tod etabliert hat.
    Vielleicht verstehe ich ihn mal besser, wenn sein Verlag sich endlich zu reichhaltig kommentierten Ausgaben durchgerungen hat. Oder ich muss mehr von seinen Vorlesungen lesen. Da konzediert er nämlich netterweise seinem Publikum 'ne ganze Menge.


    Zitat

    Und wie ist Adorno etwa mit seinem ihn bewundernden Schüler Krahl umgegangen ( nicht nur mit diesem ) ?


    Hier wäre mindestens Selbsrteflexion sinnvoll seitens Adorno angebracht gewesen .


    Das schmälert aber nicht seine Theorie. Wie sagt doch Max Scheler so schön? "Haben Sie schon mal einen Wegweiser gesehen, der den Weg selber geht, den er zeigt?" (aus dem Gedächtnis zitiert)


    Viele Grüße

  • Lieber Kontrapunkt :



    Lassen wir einmal den beliebigen Satz Max Schelertd beiseite , der sich ja nur m. E. auf Adornos Meinungen und Überzeugungen ( ? ) bezieht .


    Die heute bekannten verschiedenen Kapiatlismusformen , die im allgemeinen zu Adornos Zeiten kaum denkbar waren ( z. B. russiche Oligarchen mit politisch gewollten Milliardenvermögen in London oder der rot - chinesischen Forn ) haben die Welt in einigen Jahren mehr und bleibender verändert als dies vielen lieb sein mag . Kapitalismus hat es immer gegeben ; die Welt wäre ohne seine Spielformen nicht denkbar . Die Kapitalismuskritik ist sehr eng verwoben mit dem Feindbild USA und dem willigen Anhängsel Grossbritannien und Nordirland .


    Eine Kapiatlismuskritik in Richtung Russland oder der VR China , die dringend analytisch begründet , nötig wäre , ist bislang ausgeblieben , weil diese Riesenreiche wie auch Indien zunächst in eitler Selbsgefälligkeit als "Absatzmärkte" und nicht als real existierende reine Finanz- ud Wirtschaftsmachtstrukturen wahrgenommen worden sind und leider auch so naiv behandelt worden sind und teilweise noch werden .



    Wir haben nicht zu ersten Mal in der Weltgeschichte die Situation , dass machtähnliche Strukturen sich wahrscheinlich letztlich bekämpfen und vernichten werden .


    Gesellschaftskritik in der Bundesrepublik Deutschland gibt es im öffentlich - rechtlichen Rundfunk und Fernsehen wie weiten Teilen der Presse schon lange nicht mehr .


    Auch die Justiz ist breitflächig macht- und parteipolitisch unterwandert worden ( ggl. die z. T. bizarren Ergebnisse von von Richterwahlausschüssen etwa für das BundesVerfassungsgericht ) .


    Frage : Brauchen wir nicht endlich eine neue Form einer breit angelegten und in die Tiefe gehende Gesellschaftskritik , die über das heute übliche "talken in Shows" weit hinausgeht .


    In diesem Zusammenhang sehe ich leider auch , dass nicht nur bei Adorno eine grosse Monographie ebenso fehlt wie eine "Kritische Gesamtedition seiner Werke" mit einem Apparat der Quellen- und Arbeitsmaterialien .


    Diese Absolutheitsansprüche der damaligen "Gesellschaftskritiker" sehe ich auch aus heutiger Sicht noch skeptischer als zu meinen Studienzeiten und meinen Kontakten zu sehr unterschiedlichen studentischen Gruppen wie der nicht geringen Schar der willigen Dozenten und Assistenten .


    Frage : Was ist denn konkret übriggeblieben ?


    Dies beinhaltet auch Fragen der Musikästhetik der Zeit während dem Dritten Reich und die Zeit davor mit ihren schnellen Entwicklungstendenzen . Und die nie wirklich gewollte vollständige Aufarbeitung dessen , was gewesen ist .


    Beethoven wurde so missbraucht wie Schumanns Violinkonzert .


    Vor dem Hintergrund der Überlegungen , wie Beethovens letzte drei Sonaten aufzufassen , zu interpretieren sind , gewinnt Walter T's Beitragreihe eine ganz aktuelle Bedeutung !



    Grüsse ,



    Frank



    PS. Wahrscheinlich scheut der Suhrkamp - Verlag die enormen Kosten für ein "Adorno - Projekt" . Und wäre es nicht an der Zeit auch ein "Krahl - Projekt" , eine "Rudi - Dutschke - Projekt" ( idealerweise durch eine Axel-Springer-Stiftung ) zu initiieren ? F.

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Hallo Frank,


    Zitat

    Original von Frank Georg Bechyna
    Lassen wir einmal den beliebigen Satz Max Schelertd beiseite , der sich ja nur m. E. auf Adornos Meinungen und Überzeugungen ( ? ) bezieht .


    Das obige Zitat von Scheler ist dessen schlagfertige Antwort auf den Einwand, seine Neigung zum Amüsement vertrage sich schlecht mit der von ihm aufgestellten materialen Werte-Ethik. Er hielt abendliche Vorlesungen im Frack ab, um sich danach sogleich ins Nachtleben stürzen zu können. Auch wenn Schelers Ethik-Konzept falsch ist, so ist jener Einwand doch nicht richtig.
    Wenn jemand seinen Überzeugungen entgegen lebt, sind die Überzeugungen deshalb noch nicht verkehrt. Man verfällt bloß seiner eigenen Kritik.


    Den Kapitalismus und seine Kritik müssen wir hier nicht ausdiskutieren. Ich wollte nur sagen, dass man bei Adornos Theorie seine Gesellschaftskritik nicht ausklammern kann. Das scheint mir dann zu passieren, wenn unverbindlich Zitate von ihm in den Raum geworfen werden. Ich meine nicht, dass das hier geschehen ist. Aber es ist eine häufig anzutreffende Unsitte.


    Nebenbei habe ich meinen Frust über Adornos Texte zum Ausdruck gebracht. So habe ich noch nicht begriffen, welche politischen Hoffnungen Adorno genau an den Fortschritt in der Musik, an den aktuellen Materialstand knüpft, wie es mir bei ihm immer wieder vage anzuklingen bzw. bereits vorausgesetzt scheint.
    Und dass etwa Schumann und Beethoven im 3. Reich instrumentalisiert wurden, muss solche Hoffnungen doch wohl relativieren.


    Zurück zum Thread-Thema:


    Zitat

    Original von Walter.T
    Ein anderes Motiv sind das Sternenlicht, das Zurückschauen und der Abgesang. Durch den bewussten Einsatz der Stilmittel gelingt es Beethoven bisweilen, sich im Verlaufe der Musik über die Musik zu erheben, sie von außen zu sehen und zu steuern, und in die Musik ein Sternenlicht zurückzugeben.


    Das verstehe ich noch nicht. Ich meine auch, dass Beethoven ein neues Bewusstsein von Musik hat. Aber mir fallen da andere Beispiele ein als op. 111.
    Wenn er in der Sonate op. 101 oder neunten Sinfonie gegen Ende nochmal frühere Sätze zitiert, so sind diese Zitate nicht in den musikalischen Fluss integriert, sondern sie wirken grob hineinmontiert oder wie eine Collage. Bereits komponierte Musik wird als vorgefundenes Material wieder aufgegriffen.
    Einen ähnlichen collageartigen Eindruck machen Stellen, wo eine Melodie abgebrochen wird, um etwas anderem Raum zu geben.
    Vielleicht zeigt der Variationen-Satz aus op. 111 auch einen neuen Umgang mit Musik, wenn die Auflösung des Variationsthemas noch nie so weit getrieben worden ist.


    Aber das sind nur Vermutungen, wie gemeint sein könnte, dass Beethoven "sich im Verlaufe der Musik über die Musik erhebt".


    Viele Grüße

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  • Lieber Kontrapunkt :



    Kaum jemand aus der Reihe der Philosophen wird in Sachen Klassiche Musik so häufig zitiert wie Adorno . Man könnte auch seinen Antipoden Heidegger i Sachen Phiolosophie mit etwas Nachdruck heranziehen , was mir aber nicht sinnvoll hier erscheint .


    Adorno ist mir immer fremder geworden , je mehr er sich seinem späten Werk genähert hat und seine Meinungen über seine Schüler und Bewunderer bekannt geworden sind .


    Du scheinst ja Krahl noch persönlich als Student kennengelernt zu haben . Diese unvollendete Generation hat ja in ihrer Menge auch glänzende Anpasser rpdoduziert die im Bundestag oder in Wirtschaftsverbänden schnell gelandet sind .


    Ein überweites Thema . Wurde es eigentlich je aufgearbeitet ? Wollte dies eigentlich überhaupt jemand ?


    Zu Deinem zweiten Teil , der als Frage wie Anmerkung an Walter T. gerichtet ist , kann ich als Nichtautor kaum etwas Sinnvolles beitragen .


    Aus meiner Erinnerung heraus nach so vielen Jahren , wasr das Studenetenleben Ende der 1960er Jahre nicht einfach , ja zum Teil sehr problematisch . Je nachdem , wo man studiert hat . Und die ZVS Dortmund hat ohnehin eine ( gewollte ? ) Weichenstellung geleistet .


    Zurück zu Beethovens späten Sonaten , denne Du ja nun noch die Klaviersonate Opus 101 hinzufügst .


    Viele Grüsse ,


    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Hallo Frank,


    da unser Adorno-"Exkurs" weitesgehend OT ist, würde ich Dir gerne per PN antworten, aber Du kannst leider noch nicht wieder welche empfangen.


    Zitat

    Original von Frank Georg Bechyna
    Kaum jemand aus der Reihe der Philosophen wird in Sachen Klassiche Musik so häufig zitiert wie Adorno . Man könnte auch seinen Antipoden Heidegger i Sachen Phiolosophie mit etwas Nachdruck heranziehen , was mir aber nicht sinnvoll hier erscheint .


    Als Kompositionsschüler von Alban Berg kannte Adorno auch die praktische Seite. An Heidegger habe ich mich noch nicht 'rangetraut. Ich habe nur mal den "Kunstwerk"-Aufsatz aus den Holzwegen angefangen, der nicht so abgespaced zu sein scheint wie Sein und Zeit.


    Zitat

    Du scheinst ja Krahl noch persönlich als Student kennengelernt zu haben .


    Nein, ich bin Jahre nach seinem Tod geboren. Ich habe nur den Film "Angaben zur Person" (2006) gesehen, der eine Rede Krahls in einem Gerichtsprozess 1969 verwendet. Ich weiß aber auch nicht wie Du auf die Idee kommst, ich hätte Krahl gekannt.


    Zitat

    Diese unvollendete Generation hat ja in ihrer Menge auch glänzende Anpasser rpdoduziert die im Bundestag oder in Wirtschaftsverbänden schnell gelandet sind .


    Ein überweites Thema . Wurde es eigentlich je aufgearbeitet ? Wollte dies eigentlich überhaupt jemand ?


    Wenn Adorno recht hatte mit seinem Satz "es gibt kein richtiges Leben im falschen" (Minima Moralia, I, 18), so ist eine Anpassung auch seiner Schüler vielleicht nicht so verwunderlich. Spannend finde ich die Frage, warum Anpassung auch bei offenbar kritischen Geistern keine Seltenheit ist. Einzelnen moralisch etwas vorzurechnen, halte ich dagegen für wenig ergiebig.
    Der genannte Film von der Gruppe Slatan Dudow stellt jedenfalls die Positionen von Hans-Jürgen Krahl noch mal zur Diskussion, wobei allerdings sein persönliches Verhältnis zu Adorno wohl nicht zur Sprache kommt.


    Zitat

    Zu Deinem zweiten Teil , der als Frage wie Anmerkung an Walter T. gerichtet ist , kann ich als Nichtautor kaum etwas Sinnvolles beitragen .


    Ich habe ja mit eigenen Eindrücken versucht, die These, Beethoven "erhebe sich im Verlauf der Musik über die Musik" zu verstehen. Ich denke doch mal, dass Du auch schon einige Erfahrungen mit Beethoven hast. Hältst Du die These für plausibel?


    Viele Grüße

  • Lieber Kontrapunkt :



    Es ist aus meiner Kenntnis heraus so , dass heute kaum noch jemand Krahl kennt , der nicht mindestens zu seiner Zeit studiert hat . Dies kann auch in Frankkfurt am Main oder Heidelberg ( Heideggers Schaffenszenztrum bis zu dem Gutachen durch Jaspers nach dem Zweiten Weltkrieg ) gewesen sein als den Zentren der damaligen Studentenbewegungen .


    Eine Revolution war es sicherlich nicht . Alles aus meiner Sicht überdramatisiert . Ich war mehrere Jahre in Ausschüssen , Uni-Parlamenten usw. in Köln , Bochum und Essen als "Unabhängiger" , dass ich dazu aus eigener Nähe einiges sagen könnte . Dies gehört aber nicht direkt hierher .


    Wir können aber via Email ( bechyna_arzt@gmx.com ) sehr gerne uns näher austauschen .



    Ludwig van Beethoven , so interpretiere ich Walter T. , hat mit seinen letzten drei Sonaten weit über seine Zeit hinaus bis in die Moderne hinein gewirkt . Wobei meinerseits noch Fragen an Walter T.
    offen sind , was die Frage des direkten bzw. indirekten Einflusses des Beethovenschen Koponierens , besonders seiner Kompositionstechnik , auf die nachfolgenden Komponisten bis Debussy , Ravel , Berg , Schönberg , Boulez anbelangt .


    Daraus ergibt sich auch die Frage der Interpretationen und auch die Überlegung , ob und welchen Zugang es etwa durch Spezialisten für Werke von Berg usw. auf ihre Wiedergaben , Deutungen bei Beethoven gibt . Etwa Maurizio Pollini .


    Ist mit der "neuen Sachlichkeit" bei Chopin durch Pollini und Weissenberg ( beide spätestens um 1960 ) auch eine richtigere Interpretationsweise im Sinne der Mitteilungen von Glenn Gould zu Alexis Weissenberg ( Chopin wie Robert Schumann ) begonnen worden . Wie ist Pollinis Interpretationssicht bei Beethoven besonders unter WalterT.'s Gedanken zu hören ?


    Da Walter T. , wie er im Rahmen der möglichen "Düsseldorfer Terffen" von Taminoianer geschribeen hat , vielfältig beruflich unterwegs ist , wird er wohl nur dann dazu kommen , seine ja nicht abgeschloseenen Ausführungen zu Beethoven nur an diesen freien Tagen niederschrieben können .


    Um sien bisherige Sicht zu Beethovens Späterk ganz kennenzulernen müssen wir seine Ausführungen zu Thimas Mann ( auch in dessen Verhältnis zu Adorno und ggf. Heidegger u. a. ) abwarten .


    Viele Grüsse ,


    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Zitat

    Original von Walter.T
    Claudio Arrau (1903-1991). Stammte aus Chile, studierte ab 1913 in Berlin, emigrierte 1940-41 in die USA. Er kann daher sicher auch zu den deutschen Pianisten gezählt werden. Mit ihm ist ein erstes Resume möglich. Die deutschen Pianisten stehen voller Ehrfurcht vor Beethoven und wagen weit weniger ein subjektives Spiel als etwa Guller, Richter oder Grinberg. Darunter leidet besonders der 1. Satz, auch bei Arrau. Hier ist noch einmal alles erinnert, was von den anderen großen c-Moll-Stücken bekannt ist, der Pathétique-Sonate, Coriolon-Ouvertüre und 5. Sinfonie. Das Spiel gewinnt keine Individualität. Das gilt auch noch für das Arietta-Thema und die ersten Variationen.


    Erst mit der zweiten Hälfte des 2. Satzes findet Arrau zu einem eigenen Stil. Die ständig wiederholten Noten sind wie hingetupft, und es entsteht eine ganz eigentümliche Klang- und Lichtwelt, die so bei keiner anderen Aufnahme zu hören ist. Allein deswegen ist diese Interpretation unbedingt zu empfehlen.


    Viele Grüße,
    Walter


    auf welche Aufnahme beziehst Du Dich hier? (Vom op. 111 gibts auch einen italienischen Konzertmitschnitt beim Label Aura!)

    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke

  • Zitat

    Original von a.b.
    (Vom op. 111 gibts auch einen italienischen Konzertmitschnitt beim Label Aura!)


    Es gibt bei Aura übrigens auch eine CD mit drei Aufnahmen von op. 111 aus Lugano (Backhaus, Arrau & Badura-Skoda).


    Viele Grüße

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  • Ein weiteres Beispiel, wo Beethoven mir einen neuen, eigenartigen Blick auf die Musik zu werfen scheint, ist die Durchführung im 1. Satz der Sonate op. 110. Wenn ich die höre, muss ich lachen, weil sie so standardmäßig wie aus dem Lehrbuch klingt. Ein bisschen Modulation des Anfangs vom 1. Thema - das war's. Im Zusammenhang seines Werks, dass der Durchführung ein größeres Gewicht verleiht, wirkt sie irritierend.

  • Lieber a. b. :



    Ich bin zwar nicht persönlich angesprochen ; aber meine Vergleichsaufnahmen durch Claudio Arrau sind :


    (1) Arrau ( aus der GA bei Philips ; auch mit Opp. 101 - 111
    als 2-CD-Set erhätlich ) ,



    (2) Arrau ( bei AURA / Emitage ) u n d



    (3) Arrau ( APR 5633 ; Konzertmitschnitt aus New York vom
    20. Dezember 1975 ) .


    Dieser Konzertmitschnitt entspricht sehr den beiden Abenden , in denen ich Arrau selbst im Konzert erlebt habe .


    Einen schönen Voradvenbtsabend .



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Lieber 'ab',


    leider steht auf der Schallplatte nicht das Aufnahmedatum. Es handelt sich aber um eine Philips-Schallplatte. Es gibt bei Philips zwei Einspielungen von Arrau von 1965 und 1985. Aufgrund der guten Klangqualität vermute ich, dass es sich um die von 1985 handelt.


    Viele Grüße,


    Walter

  • Lieber Frank, lieber 'kontrapunkt',


    bei diesem Thema ist sicher die Gefahr groß, zu schnell den Zusammenhang zu den letzten 3 Beethoven-Sonaten zu verlieren. Daher habe ich mich bei Adorno ganz auf die Texte zu op. 111 konzentriert, die mir allerdings das Wesentliche zu zeigen scheinen, was er zu Beethoven sagen will. Und auch bei Thomas Mann will ich höchstens streifen, wenn er andere Komponisten anspricht wie Wagner, Schönberg, aber auch Schubert, Berlioz, Schumann oder Strawinsky.


    Was Adorno und Thomas Mann zu Beethoven zu sagen haben, muss sicher vor ihrem historischen Hintergrund verstanden werden. Das gilt ähnlich für die früheren Äußerungen etwa durch Wagner und Liszt, die französischen Beethoven-Bewunderer, oder dann später die Essays von Glenn Gould. Die letzten 3 Sonaten von Beethoven bieten die Möglichkeit, einen gewissen Überblick über die historische Entwicklung zu bekommen.


    Zurückschauen und Abgesang: Hier muss ich ein Missverständnis ausräumen. Damit ist hier nicht gemeint, dass Beethoven wie im letzten Satz der 9. Sinfonie noch einmal die Themen der vorangegangenen Sätze fast wörtlich zitiert. Damit ist hier auch nicht gemeint, dass sich in op. 111 aus dem Hauptthema des 1. Satzes sowohl das Nebenthema wie die Arietta-Melodie entwickeln lassen. (Auf diese Urlinie wies Schenker hin.) Claus Raab ging in diesem Sinn noch einen Schritt weiter: Er vertritt die These, dass die letzten 3 Sonaten eine Einheit bilden, deren gemeinsame Grundlage im 1. Satz von op. 109 gelegt wird.


    Sondern hier war gemeint: Als Beethoven in op. 111 im 1. Satz bei der Coda angekommen war, hat er vor seinem inneren Ohr die gesamte Entwicklung gehört, die bis dahin abgelaufen ist. Er hat innerlich zurückgeschaut und dann dem Satz in den letzten Takten eine neue Wendung gegeben, die gerade nicht das vorangegangene nur zitiert, oder nur dem Schema der Sonaten-Form folgt, sondern alles umwandelt.Wird dann nach den letzten Takten nochmals auf den nun komplett vollendeten Satz zurückgeschaut, sieht alles ganz anders aus als noch wenige Sekunden vorher.


    Was hier geschieht, lässt sich am besten mit Husserls Ausführungen zur Phänomenologie des Zeitbewußtsein beschreiben, wobei Beethoven nach meinem Eindruck sogar durch das bewusste Gestalten der vorgefundenen Sonatenform noch weiter geht, als es Husserl in seinem philosophischen Text nachempfunden hat.


    Das bereits in einem früheren Beitrag von Frank aufgeworfene Thema "Zeitbewusstsein bei Beethoven" ist äußerst komplex und ergiebig. Auch hier hat Claus Raab in seiner lesenswerten Broschüre "Beethovens Kunst der Sonate" sehr viel beigetragen. Er weist darauf hin, dass es keinen Interpreten gibt, der im 2. Satz von opus 111 Beethovens mehrfach wiederholte ausdrückliche Anweisung "L'istesso tempo" einhält. Alle Interpreten ziehen bei den Übergängen zur 1. und 2. Variation die Metronom-Zahl an, obwohl Beethoven nur den Takt änderte, so dass die meisten sogar gezwungen sind, bei der 3. Variation die Metronom-Zahl wieder zurückzunehmen. Erst im Zwischenstück zwischen der 4. und 5. Variation kommen sie wieder auf das Grundtempo des Themas zurück, um dann nochmals anzuziehen. (Z.B. Arrau 1965 32, 42, 60, 48, 37, 33, 36, Brendel 1971 38, 44, 58, 52, 40, 37, 37, ABM 1965 39, 48, 48, 54, 42, 44, 42 ) Es wäre wirklich interessant, die Sonate mal genau so gespielt zu hören, wie es Beethoven vorgeschrieben hat.


    Nicht ganz einfach ist die Frage von Frank zu beantworten, auf welchem Weg Beethovens Neuerungen zu den Komponisten des 20. Jahrhunderts geführt haben. Ich sehe mindestens zwei Linien: Vor allem Brahms hat immer "dichter" komponiert, die Bedeutung der Durchführung und "thematischen Arbeit" vergrößert, was zu Schönberg führte. Schumann hat das zweifellos bereits in den Anfängen erkannt und mit seinem letzten Beitrag über "Neue Bahnen" begrüßt. Ich kann nicht beurteilen, inwieweit er mit seinen eigenen Werken dazu beigetragen hat. Thomas Mann nennt als Beispiel die 3. Sinfonie von Schumann. --- Eine andere Richtung nahm die ungewöhnlichen rhythmischen Mittel der Sonaten auf: Schumann mit seiner Toccata, Chopin, Liszt, und bereiteten damit Debussy, Ravel und Prokofjew vor.


    Viele Grüße,
    Walter

  • Zitat

    Original von Walter.T
    Lieber 'ab',


    leider steht auf der Schallplatte nicht das Aufnahmedatum. Es handelt sich aber um eine Philips-Schallplatte. Es gibt bei Philips zwei Einspielungen von Arrau von 1965 und 1985. Aufgrund der guten Klangqualität vermute ich, dass es sich um die von 1985 handelt.


    Danke! Ich indes würde (ungehört) aufgrund einer guten Klangqualität eher auf die ältere tippen, denn bei der jüngeren müsste es sich um frühen Digitalklang handeln :pfeif:


    Ps. Bei der besagter Vergleichs-CD des op. 111 von Aura handelt es sich um Konzertmitschnitte aus Lugano: bei Arraus Version von 20.5.1963 (bei Backhaus von 18.5.1960 und bei Badura-Skoda vom 23.3.1987) AUR 113-2.


    [Sonst gibts Beethoven live von Arrau aus Ascona in Italien: das op.27/1 (17.9.1971: ERM 182-2, mit Liszts Sonate sowie Chopin) sowie die Appassionata (9.9.1959: AUR 157-2, mit Schumanns Fantasie in C, Debussy Pour le piano sowie einer Chopin Etüde) - mehr ist mir zumindest nie untergekommen. sonst gibts natürlich noch das Lugano-Konzert vom 20.5.1963 mit Ravels Gaspard de la nuit Brahms Händel-Variationen sowie Liszt. AUR 118-2]


    laut folgender Diskographie gibts vom op. 111 sechs Aufnahmen von Arrau:


    Sonate pour piano n°32 ut m op 111
    1
    21-23/5/1957 Londres - Studio 3 Abbey Road
    Durée 28'54
    Columbia LP 33CX1610
    EMI CZS 767379 2 (4)


    2
    Concert 20/05/1963 Lugano - Teatro Kurzaal
    Durée 27'14
    Ermitage CD ERM 128


    3
    23,28/10/1965 Amsterdam Concertgebouw
    Durée 28'49
    PHILIPS LP 6747 001
    PHILIPS 462 358


    4
    ?/?/1970 Paris
    Durée 27'38
    EMI DVD DVB 4928389
    Enregistrement de la télévision française à l'occasion de l'année Beethoven (1970) réalisé par Denise Billon - La fin du 2e mouvement (env 7'00) a été reprise dans la série "l'art du piano".


    5
    20/12/1975 New York - Theresa L. Kaufman Concert Hall, 92nd Street YM-YWHA, New York
    Durée 27'34
    APR CD 5633
    Enregistrement dédié à la mémoire de Mme Friede Rothe Sterling (1914-2003), agent artistique de Claudio Arrau pendant presque 50 ans.


    6
    ?/06/1985 La Chaux de Fonds - Musica Théâtre
    Durée 29'00
    PHILIPS CD 412 154-2


    :hello:

    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke

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  • Etwas ketzerisch:
    Für mich ist op.111 die am wenigstens interessante der letzten vier Sonaten. Zwar mag ich sie und sie ist natürlich immer noch ziemlich interressant, aber hier scheint mir hauptsächlich die bloße Tatsache, daß es eben die letzte, nicht die drittletzte oder so ist, Grundlage für die nicht immer besonders fundierte Rezeption, die diesen mystischen Schleier weitergesponnen hat...
    Gewiß ist der Variationensatz auf seine Art eine Tour de force, als Bewegungs-/Auflösungs- und vielleicht auch Zeitempfindungssstudie. Mir persönlich gefallen die kontrastreicheren Variationen wie in op.109 oder op.131 aber noch besser.


    Der c-moll-Furor des Kopfsatzes paßt nicht recht zum späten Beethoven. Interessant hier ist eine gewisse Verweigerungshaltung. Der Hörer erwartet ja eine ausführliche, vermutlich fugierte Durchführung, nachdem das Hauptthema genau solch eine Gestalt hat und derartiges angedeutet wird. Es kommt dann aber ein Fugato über eine vergrößerte Variante des Themas, die gegenüber dem Vorhergehenden eher statisch wirkt und vorbei ist, kaum daß es richtig angefangen hat, das war dann auch schon die Durchführung, die Titanenschlacht wird verweigert. Sehr eigenartig!


    Erstaunlich ist auch der strenge, beinah formalistische Charakter beider Sätze gegenüber den fantasieartig frei wirkenden Strukturen der vorhergehenden Werke...


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo, Johannes, hallo, miteinander!


    Es freut mich in gewisser Hinsicht, dass Johannes soeben den Thread auf eine etwas naivere Ebene hin bewegt hat, denn bei aller persönlichen Sympathie für die drei letzten Sonaten und einer kleineren Interpretationsauswahl kann ich den respektablen Ausführungen zur Deutungsgeschichte und zur philosophischen Fundierung der Werke in diesem Thread leider nichts Gleichwertiges entgegensetzen.


    Das heißt nicht, dass ich nicht gerne und interessiert mitgelesen habe.


    Könnte es nicht sein, dass Beethoven in diesen Werken ein geistiges wie strukturelles Fazit seines gesamten Musikkosmos gezogen hat - in einer (zweifellos komplexeren) Analogie zu den drei letzten Sinfonien Mozarts?


    Opus 109 öffnet sich am weitesten in die Welt der Romantik. Dies beginnt mit der Grundtonart, setzt sich in der formalen Anlage fort, die Variationen- und Kreisprinzip vereinigt und gipfelt in der Schönheit der Erfindung, an die die beiden letzten Sonaten meines Erachtens schlicht nicht heranreichen.


    Opus 110 verknüpft in einer (scheinbar) chaotischen Struktur Banalität, quasi naturalistische Subjektivität - man denke an die diversen grellen Taubheitsanspielungen - und ein gleichermaßen rückwärtsgewandtes wie höchst kunstvolles Formspiel.


    Opus 111 stellt den Abgesang eines Beethoven'schen Dualismus dar. Auf das quasi selbstzweckhafte Pathos des Kopfsatzes folgt die Verinnerlichung und zunehmende Auflösung des melodischen Prinzips.


    Also der Blick nach vorne, der Blick zurück und dann der zweifelnde Blick auf sich selbst?


    Besten Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Lieber a.b. :



    Ein weiterer Konzertmitschnitt mit u. a. Beethovesn "Appassionata" und Liszts h - Moll - Sonate ist bei ORFEO erschienen ( Mitschnitt von der Salzburger Festspielen ) .


    Ich habe die in jeder Hinsicht überzeugende 2008 zu meinem Geburtstag geschenkt bekommen .


    Seltsamerweise ist diese Interpretation nie näher besprochen worden .


    Eine dringende Kaufempfehlung ( nicht nur zur Weihnacht ) .


    Bei Deiner Auflistung ist interessant , wie konstant Arrau Beethovens Opus 111 über die vielen Jahre hinweg doch nicht nur zeitlich recht gleichmässig spielt .


    Zustimmen möchte ich Dir bezüglich Deiner Annahme , dass die ältere Philips - Aufnahme die klangtechnisch bessere sein dürfte . 1985 wurden sehr viel Aufnahmen parallel auf LP wie dem neuen Medium CD veröffentlicht .


    Bei der EMI hat Dr. Seletzky , London und Oxford , umfangreich und mit grösster Detailgenauigkeit nachgewiesen , wie fast extrem unterschiedlich die Übertargung des ursprünglichen Materiales von Bändern über Lp und dann auf CD eher als misslungen anzusehen ist . Bei den Callas - CDs gibt es noch enorme hörbare Unterschiede zwischen den verschiedenen Ländern , in denen CDs remastered worden sind .


    Bei Claudio Arrau ( Philipos - Aufnahmen ) sind nach nicht nbur meinem Höreindruck die LPs eindeutig qualitativ besser als die CDs ( besonders bei Beethoevn , Barhsm - etwa die Klavierkonzerte mit C M Giulini - oder Robert Schumann . Schumanns Interpretationen waren lange völlig vom Markt verschwunden . Wir haben damals ( etwa zwischen 1990 und 1995 ) uns intensivst bemüht , alle Aufnahmen durch Arrau von Robert Schumann und Johannes Brahms durch die damalige niederländische Philips wiederveröffentlichen zu lassen ; wer diesen Kampf miterlebt hat , der wird nachvollziehen können , warum sich die Philips von ihrer Klassikmusik-Abteilung doch besser getrennt hat . ) .


    Danke Dir für diese wichtige Zusammenstellung der Dir bekannten Arrau - Interpretationen , die wohl auch weltweit zugänglich sind .


    Viele Grüsse und einen besinnlichehn 3. Advenbtssonntag .



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Zitat

    Original von WolfgangZ
    Es freut mich in gewisser Hinsicht, dass Johannes soeben den Thread auf eine etwas naivere Ebene hin bewegt hat,


    Hmmm, doch bitte vielleicht lieber "grundlegend" (gegenüber spekulativ) als naiv. ;)


    Zitat


    Könnte es nicht sein, dass Beethoven in diesen Werken ein geistiges wie strukturelles Fazit seines gesamten Musikkosmos gezogen hat - in einer (zweifellos komplexeren) Analogie zu den drei letzten Sinfonien Mozarts?


    Könnte sein. Aber warum? Es waren ja weder seine letzten Werke noch als solche geplant (da zumindest die 9. und die Missa schon in Arbeit waren)
    (Aus einem ähnlichen Grund stellte sich die Frage natürlich auch bei Mozarts letzten Sinfonien)


    Zitat


    Opus 109 öffnet sich am weitesten in die Welt der Romantik. Dies beginnt mit der Grundtonart, setzt sich in der formalen Anlage fort, die Variationen- und Kreisprinzip vereinigt und gipfelt in der Schönheit der Erfindung, an die die beiden letzten Sonaten meines Erachtens schlicht nicht heranreichen.


    Mag sein, daß sie uns besonders "romantisch" vorkommt. Die Freiheiten sind ja auch kaum zu übersehen. Aber ist das nicht irgendwie zu "prophetisch" gedacht? Welches Werk eines "Frühromantikers" um 1822 wie Weber oder Schubert wäre op.109 irgendwie ähnlich? Keins, denn die bleiben ja bei der klassizistischen Viersätzigkeit. (Während op.90 tatsächlich nach Schubert klingt...) Und auch nach Beethoven gibt es da sehr wenig, was irgendwie so ähnlich wäre...oder? Ich teile Deinen Eindruck wenigstens teilweise, aber ich habe Schwierigkeiten, das am Stück (und seiner Beziehung zu denen anderer Komponisten) entsprechend festzumachen.


    Zitat


    Opus 110 verknüpft in einer (scheinbar) chaotischen Struktur Banalität, quasi naturalistische Subjektivität - man denke an die diversen grellen Taubheitsanspielungen - und ein gleichermaßen rückwärtsgewandtes wie höchst kunstvolles Formspiel.


    Welche Taubheitsanspielungen gibt es in op.110?
    Ich stimme aber zu, daß das die in vieler Hinsicht seltsamste von allen ist (m.E. aber nicht rückwärtsgewandt)...



    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Etwas ketzerisch:
    Für mich ist op.111 die am wenigstens interessante der letzten vier Sonaten.


    Erstaunlich ist auch der strenge, beinah formalistische Charakter beider Sätze gegenüber den fantasieartig frei wirkenden Strukturen der vorhergehenden Werke...


    Bei den Streichquartette ist es doch ähnlich: das op. 135 fällt doch auch aus den vorangehenden irgendwie heraus. Ich vermute, Beethoven hätte sich in diese Richtung weiter entwickelt.
    :hello:

    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke

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  • Hallo, Johannes!



    Rückwärtsgewandt in dem Sinne, den Du in Deinem vorletzten Posting ähnlich für opus 111 geltend machst: ein eigentlich banaler, klassizistischer Kopfsatz, das Spiel mit der barocken Fuge (das sich natürlich schon vor op. 110 findet) - das strukturell so Seltsame weist vielleicht eher nach vorne.


    Mit den "Taubheitsanspielungen" meine ich im dritten Satz, diesem wirklich skurrilen Komplex, nach der ersten Fuge und dem "Ermattet" ( Takt 132 bis 134) die Akkordwiederholungen, sowie das verzweifelte mehrmalige Anschlagen des a'' in Takt 5 des Adagios. (Diese Überlegung stammt - im Gegensatz zu meinem restlichen Deutungsversuch - leider nicht von mir, sondern von Paul Badura-Skoda).


    Besten Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Lieber Joahannes :



    Zunächst find eich sehr interessant , dass Du von den letzten v i e r
    Klaviersonaten Beethovens ausgehst , was den Gesamtzugang nicht vereinfacht .


    Folgen wir Beethovens eigenen Mitteilungen , dann können wir von einer Sonatentrias ausgehen ; also in etwa vergleichbar der Sonatentrias bei Franz Schubert ( D 958 - D 960 ) .


    Bezüglich eines Rückblickes auf sein Sonatenschaffen scheint mir keine Erklärungsproblematik vorzuliegen .


    Nehemn wir die "Diabelli - Variationen" hinzu , auf die nicht nur Artur Schnbael früh hingewiesen hat , dann Maria Yundina , die Walter T. auch schon erwähnt hat in diesem Thread , und dann die "Missa solemnis" und dann noch die späte Kammermusik , so bleibt die Frage nach meinem Wissensstand doch ungelöst , wie wir an Beethovens gesamtes Spätwerk herangehen sollen und können .



    Walter T. hat seine Überschrift in seinem heutigen Beitrag sicherlich sehr sorgfältig und mit grosser Auseiandersetzung auch des den zumindest Klaviersonaten Opp. 109 - 111 immanenten Zeitbewusstseins bei Ludwig van Beethoven gewidmet .


    Dieser Ansatz von Walter T. ist aus einer philosophischen wie auch , nach meiner Meinung , musikästhetischen herangehensweise erwachsen .


    Bei den verschiedenen Interterpretinnen und Interpreten dieser drei Sonaten muss man sich bewusst werden , ob ein nachschaffender Künstle r "nur" Opus 111 interpretiert hat oder alle drei Sonaten , ideallerweise an einem Tag , gespielt hat .


    Diese Problem stellt sich insbsondere deutlich hörbar bei den verschiedenen Interpretationen durhc Sviatoslav Richter . Die für mich bei ihm mit deutlichem Abstand überzeugenste Aufnahme ist die aus dem Gewandhaus in Leipzig . Hier erreicht Richzter eine sonst nicht annähernd erreichte Geschlossenheit .


    Da Du , keineswegs ketzerisch wie ich finde , Opus 109 in das Znetrum Deiner Geichtung der Beethoven - Sonate stellst , ergibt sich für mich zwangsläufig die Frage , ob Du bei Opus 109 und Opus 110 nicht möglicherwesie die Interpretationen durch Emil Gilels ( DGG ) als Idealinterpretation meinst .


    Der von Dir angesprochene "mystische Schleier" liegt meiner Meinung nach , wenn wir dies Charakterisierung verwenden wollen , dier über der Sonaten - Trias . Die gilt ohne Abstriche auch bei Franz Schubert .


    Die Tonart c - Moll , die immer mit Beethoven in Verbindung gebracht wird , dürfte nicht zufällig sein . Deine Hinweise auf die Zeitempfindungsstudie und möglicherweise auch Zeitempfindungstudie ist möglicherweise auch in einer "Verweigungshaltung" ( so Du ) des Endlichen in dieser Sonate durch Beethoven selbst aufzufassen .


    Dass Beethoven die von Dir angesprochene "Titanenschlacht" "verweigert" ist , aber dies ist Spekulation , auch sein innerer , viielicht nur durch den zweiten Satz zu lösende Beethovensche Sicht auf sein Sonatenwerk . Möglicherweise wollte Beethoven diese "Titanenschlecht" überhaupt nicht kompositorisch austragen ?!


    "Schöner" sind sicherlich die Sonaten Nrn. 30 und 31 , zumal in der Wiedergabe durch Emil Gilels ( DGG ) .


    Die Geschlossenheit in diesen drei letzten Sonaten höre ich ausser bei S. Richter ( Leipzig ; Konzertmitschnitt ) nur noch bei Solomon ( EMI ; Studio ) , Clauio Arrau ( APR ; 1975 , New York - Konzertmitschnitt - ) und dann durch die beiden französischen Interpreten Yves Nat ( EMI , Studio ) und Yvonne Lefébure . Ihnen nahe kommen Richard Goode ( Studio ) und auch Alda Ciccolini . Beide verweigern sich in ihren Interpretationen jeder "Teutonenschlacht" .


    Wir müssten hier , und ich folge hier absolut Walter T. , dass diese Überwindung der tradierten teutonischen ( deutschen ) Interpretationen , die vor allem mit den Namen Elly Ney und Wilhelm Backhaus in Zusammenhang gebracht werden , einen Neuzugang etwa durch Glenn Gould ( CBS ) oder Maurizio Pollini erst in deren Klarheit möglich gemacht haben und auch Nat hat einen neuen , anderen Interpretationsweg beschritten . Dazu zähle ich , ebenfalls in Anlehunung von Walter T. , auch Vladmir Sofronitzky . Wenn auch Sofronitzky aus meiner Hörwesie diese fantasieartigen Strukturen , die benennst , deutlicher als seine Kollegen hervorhabt .


    Dies Gesagte berücksichtigend können wir an Walter T. ( 06. Dezmebr 2008 in diesem Thread ) auf die "Dissoziation und Souveränität mit der Zeit" ( Walter T. ; Beitrags - Überschrift ) zwanglos anknüpfen und sollten diesen Kerngedanken doch noch einmal aufnehmen und näher in unserer Erörterungen einbeziehen .


    Am Rande sei darauf hingewiesen , dass ein inzwischen leider verstorbenen Klassikkenner in einer Auflsitung anhand grosser Musikbibliotheken wie in der in London mir schon Ende 2006 mitgeteilt hat , dass es wahrscheinlich insgesamt 200 verschiedene Interpretationen von Opus 111 geben soll .


    Viele Grüsse ,



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Lieber Wolfgang :



    Du teilst meine Meinung von der Sonatentrias in Opp. 109 - 111 durch Beethoven , wie dieser dies uns in Mitteilungen hinterlassen hat .


    Mit prägnanten Formulierungen hebst Du interessanterweise keine der Sonaten besonders heraus , wozu ich cum grano salis auch neige .


    Die Zweisätzigekeit stört mich überhaupt nicht in Opus 111 ; Beethoven hat schon füher zweisätzige Klaviersonaten komponiert , woraus in diesem Zusammenhnag Rudolf Buchbinder hingewiwesen hat ( 2001 ; Programmheft zu seinem damaligen Zyklus in Düsseldorf ) .


    Walter T. hat sich nun ausdrücklich in seinen Ausführungen auf Adornos Beschäftigung mit der c-Moll - Sonate befasst und Thomas Manns Diskussionen mit Adorno über dies Klaviersonate .


    Wenn Walter diese Problematik der Sonate Opus 111 auf Adorno und Thomas Mann reduziert dann höchstwahrscheinlich auf einem historischen Boden . Vielleicht einem Zeitgeist , einem interpretatorischen Zeitstil und musikästhetischem Empfinden . Diese wir meines Wissens weder von Adorno einemeher Philosophen des Pragmatismus bewusst umgangen wie auch von Thomas Mann , der meiner Meinung nach Adorno wie eine Schachfigur geringerne Wertes , einem Bauern vergleichbar , verwednet , um sich der Kompisition zu nähern , ohne sie aber in ihrer Komplexität , auf anderer Ebene als Adorno schärfer darzustllen , dem eher unbeteilgten Driiten näher bringen zu können . Dass Adorno mit Opus 109 und Opus 110 offensichtlich so mit leichter Feder schreibend , oder dies gerade vermeidend , nicht tut , ist kaum nachzuvollziehen .


    Zu Adornios und Thomas Manns Zeiten waren die drei letzten Schubertsonaten durch Schnabel wie Eduard Erdmann in ihren grossen Zyklen allgemein bekannt gewesen . Friedrich Wührer hatte sich ebenfalls Verdienste erworben und Sviatoslav Richter hatte sich schon vor 1950 mit Schubert wie mit Beethoven intensiv auseinandergesetzt gehabt ( B. Massin stellt dies umfangreich in ihrer monumentalen Schubertbiographie dar . ) .


    "Zurückschauen" im Sinne wie Walter T. dies in seinem 3. Absatz ( 13. Dezmebr 2008 ; dieser Thread ) hervorhebt , ist wie Beethovens Rückschau auf sein Klaviersonatenschaffen zu verstehen .


    Ich betone dies deswegen ausdrücklich , weil ich keinen direkten Zusammenhnag mit den "Diabelli - Variationen" sehen kann .


    Opus 109 bis Opus 111 sind auch keine "Retrospektive" , sondern ein vielleicht letztes Aufbäumen Beethovens ( daher die Tonart c - Moll im 1, Satz von Opus 111 ) , um dann im zweite Satz sich von allem Bisherigen zu lösen . Beethoven scheint zu einer bei ihm völlig ungewohnten inneren Ruhe , einem Hinschauen auf das Dahinter nach dem irdischen Leben gelangt zu sein . Die späte Elly Ney hat dies mit dieser grossen Ruhe in den 1950er Jahren zu spielen vermocht . Ihre wahrscheinlich wichtisgte Aufnahme . Und auch Wilhelm Backhaus hat dies so in seinem Mitschnitt aus New York um dieselbe Zeit zu deuten vermocht - ganz anders als in seiner wesentlich unspektakuläreren Gesamtaiufnahme bei der Decca - . Dass ausgerechne Elly Ney wie Wilhelm Backhaus diese subtile innere Einkehr , die transzendente Ruhe zu spilen vermochten , ist bei Ney in anderen Werken nie vorgekommen . Bei Wilhelm Backhaus in seinem ketzteh Konzert kurz vor seinem Tod in ergreifender Wesie in Schuberts "Warum?" . Backhaus wie Ney haben auf ihre ganz persönlcihe Art dieses Sonatenproblem gelöst . In den Momenten , in denen uns andere Interpreten nichts zu sagen haben oder interpretatorische Kapfesspuren um Beethoven hinterlassen ( wie selbst oder gerade S. Richter ; in: "Great Pianists of the Century" ; Philips ) .



    Das "Zeitbeisstsein" , das Walter T. in seinem 5. Absatz bei Beethoven noch einmal besonders hervorhebt , ist ein grundsätzliche s Problem in der Physik wie in der Psychologei und experimentallen wie Klinischen Psychopathologie ( hierzu : Christan Scharfetter : klinische Psychoapathologie . 5. Auflage , 2003 , m w N ; Thieme - Verlag .)


    Vieles hängt hier mit dem Zussammenahlt in einer Persönlichkeitsstruktur ebenso zusammen wie dem inneren , mindestens zeitweisen Persönlichkeitsfall etwa bei Schizophrenie oder manchen der organischen Psychosen . Der Krankheitsverlauf bei Robert Schumann lässt uns mit vielen dieser differentialdiagnostsichen , differentialtypologischen Fragen zurück wie in der letzte Lebensphase von Johannes Brahms , aber auch hier bei Ludwig van Beethoven .



    Walter T. bezieht sich in seinem 5. Absatz explizit bezüglich der Phänomenologie auf Husserl . Um hier aus methodischen Gründen Klarheit zu verschaffen , beknnt sich der Unterzeichnende bezüglich der Phänomenolgie ausdrücklich auf Karls Jaspers ( Allgemeine Psychopathologie ; 5. A. , Springer ; Heidelberg ) und Kurt Schneiders "Klinische Psychopathollogie" ; 12. A. , Thieme - Verlag , Stuttgart . ) Einserseits mit der ganzheitlichen und individualisierender Erfaasung des Menschen und andererseits der "augesncinlichen Abgrenzung prozesshafter Krankheitsbilder" ( P H Bresser , 1976 , 3 ; In: A Langelüdecke , Bresser P H : Gerichtliche Psychiatrie . 4. Aufl , 1976 ; de Gruyter , Berlin ) . Auf spekulative Erklärungen sollte man allerdings grundsätztlich verzichten ( so auch : H Bürger - Prinz und H. Giese : Psychopatholpgie der Sexualität ; p. 934 . ) .


    Walter Ts. Anregung , einmal Opus 111 genau so gespielt hören zu können , wie Beethoven dies in seinem Notentext vorgeschrieben hat , wirft die grundsätzliche Frage auf , ob gedeutete Interpretationen überhaupt zulässig sind .



    Der letzte Absatz von Walter T. zu der c - Moll - Soante Beethovesn gibt Erklärungsmodelle ab , die ich selbst bezüglich vieler schon früher Werke von Johannes Brahms , Robert Schumanns C - Dur - Toccata Opus 7 ( auf diese möchte ich an anderer Stelle später noch anhand ihrer wichtigen Interpretationen eingehen ) - einer Vorwegnahme von Prokovievs Toccata - , seiner auf den Höhepunkt einer symphonischen Schaffenskraft entstandenen "Rheinischen " Symphonie Nr. 3 , teile .


    Ein Verglrich der letzten drei Sonaten Beethovens und der von Schubert muss hier offenbleiben . Ebenmso dereer direkten Einflusses auf die Sonateb Schumanns , Chopin , von J. Brahms . Die Frage der "Fantasie" zu erörtern beginnend mit Moazrt , Beethoven oder Schubert und ihr e Fortführung in Schumanns Opus 17 oder Liszts h - Moll - Sonate ist sicherlich reizvoll wie die Diskussion aufzunehmen , ob die "Romantiker" nicht primär auf J S Bach oder D. Scarlatti zurückgehen .


    Allen einen beschaulichen 3. Adventssonntag !



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Zitat

    ob gedeutete Interpretationen überhaupt zulässig sind .


    Eine Interpretation ist immer "gedeutet" .
    Diese Tatsache ergibt sich schon aus dem Wort Interpretation:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Interpretation


    Ob eine Interpretation "richtig" oder "falsch" gedeutet ist, das könnte nur der Komponist selber entscheiden, aber meistens ist der Kerl ja schon tot.


    Mich persönlich interessieren alle möglichen Interpretationen, gäbe es nur "eine" richtige, die Welt der Musik wäre arm für mich.


    Verschiedene Deutungen werden und wurden zu verschiedenen Zeiten und von verschiedenen Interpreten verschieden ausgedrückt.


    Das macht für mich eine lebendige Musik überhaupt erst aus.


    Die Cellosonate C-Dur op. 102 Nr. 1 ist auch ein Kandidat für eine 2in4 Sätzen gehaltene Sonate.


    Alleine in den letzten 12 Monaten habe ich sie mindestens 15 mal aufgeführt.


    Und jedesmal anders.


    Da hilft mir kein Adorno und auch sonst nichts, denn es gibt auch noch Klangfarben, Rubati, die physische und psychische Tagesform etc.......


    Aber, und um das geht es mir, immer im Rahmen von dem, was Beethoven tatsächlich vorgeschrieben hat.


    Langer Rede kurzer Sinn:
    So interessant das alles ist, aber ich tendiere dazu, daß oft allzuviel in die Musik hineininterpretiert wird, daß die Analyse die Oberhand gewinnt über das Musizieren.


    Ohne Analyse geht es nicht, das ist klar.
    Aber es gibt auch den Punkt, wo die Ansalyse einem interessanten Musizieren oder einem Musikgenuß im Wege steht.


    In der Mitte liegt die Kraft, möchte ich einfach mal behaupten.
    Es ist schön, alles mögliche zu wissen, aber für einen Interpreten wird es immer notwendig sein, eine Balance zu finden zwischen Kopf und Bauch.


    Ansonsten empfehle ich eine Interpretation durch ein Yamaha- Synklavier, garantiert absolut deutungslos.



    :hello:


    Michael

  • Hallo, liebe Beethovenfreunde,


    zu den zahlreichen genannten Punkten ein paar kurze Anmerkungen:


    Verweigerte Titanenschlacht im 1. Satz von op. 111: Dies wirkt im Vergleich zu den früheren Werken von Beethoven sicher "eigenartig", - vor allem zu den Werken, die wie dieser Satz in c-Moll stehen - aber genau das hat Beethoven meiner Meinung nach gewollt und ist die Aussage in diesem Satz. Daher rührt die Schwierigkeit für manche Interpreten der deutschen Schule, die hier einen letzten Kampf und Untergang sahen.


    Sonaten-Trias: Beethoven hat während der Arbeit an op. 109 in einem Brief von einem "Werk von 3 Sonaten" gesprochen. Ob das als Lebensfazit gedacht war, kann nicht entschieden werden. Johannes hat sicher recht, dass es problematisch ist, im nachhinein "prophetisch" zu denken. Dennoch finde ich den Vergleich mit den 3 letzten Sinfonien von Mozart und den 3 letzten Sonaten von Schubert sehr gut, zu ergänzen wäre die "Kunst der Fuge".


    Taubheitsanspielung im 3. Satz von op. 110: Das mehrmalige Anschlagen des a'' kann auch Hinweis auf eine andere biographische Deutung sein: Hier ist Antonie Brentano gemeint, die vermutlich die unsterbliche Geliebte ist. Ihr sind in der Londoner Ausgabe op. 111 gewidmet, und dann in allen Ausgaben die Diabelli-Variationen. op. 109 ist ihrer Tochter Maximiliane gewidmet. op. 110 trägt keine Widmung.


    Freiheiten: Werden wie von Claus Raab die 3 Sonaten im Zusammenhang gesehen, dann bekommen auch alle Partien in op. 109 und 110 einen festen Platz in dieser Gesamtheit und wirken nicht mehr ganz so frei. Umgekehrt gibt es auch in op. 111 durchaus freie Passagen. Ich werde darauf anläßlich Glenn Gould zurückkommen, der in einem Essay zu diesen Sonaten vom "Zusammenspiel von unbewachter Spontaneität und objektiver Disziplin" sprach.


    Mystischer Schleier von op. 111: Das hat zweifellos mit dem Zeitgeist zu tun, aus dem heraus Adorno und Thomas Mann geschrieben haben. Frank hat das bereits angedeutet. Es gab zwar bereits früher Stimmen, die op. 110 favorisiert haben, so z.B. G.B. Shaw, aber bis weit in die 1950er wurde mit op. 111 etwas ganz Besonderes verbunden. Die wichtigsten Etappen, die dann zu einem Meinungsumschwung geführt haben, möchte ich noch ansprechen. Das Booklet von Uchida gibt einen ersten Eindruck, lässt aber auch Wichtiges weg.


    Interpretation und Analyse: Sicher muss es hier eine lebendige Spannung geben und niemand möchte Interpreten durch Musikautomaten ersetzen, die unmittelbar den Notentext zum Klingen bringen. Dennoch gibt es zu denken, wenn ausnahmslos alle Interpreten eine mehrfach niedergeschriebene Anweisung missachten. Das ist so, als würden alle Interpreten op. 111 in allen möglichen Tonarten spielen, nur nicht in c-Moll/C-Dur.


    Viele Grüße
    Walter

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  • Zitat

    Original von Walter.T



    Interpretation und Analyse: Sicher muss es hier eine lebendige Spannung geben und niemand möchte Interpreten durch Musikautomaten ersetzen, die unmittelbar den Notentext zum Klingen bringen. Dennoch gibt es zu denken, wenn ausnahmslos alle Interpreten eine mehrfach niedergeschriebene Anweisung missachten. Das ist so, als würden alle Interpreten op. 111 in allen möglichen Tonarten spielen, nur nicht in c-Moll/C-Dur.


    Lieber Walter,


    ich habe den Notentext nicht zur Hand, daher meine Frage an Dich: Um welche Anweisung geht es denn konkret, die Deiner Meinung nach nicht realisiert wird?


    Jetzt einmal ganz allgemein, ohne Kenntnis dieser Vorschrift: Mir scheint es ein wenig merkwürdig, dass Pianisten wie Schiff oder Uchida, die ja gemeinhin als sehr texttreue Interpreten gelten, einfach eine Anweisung ignorieren sollten.


    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Zitat

    Original von Caesar73


    ich habe den Notentext nicht zur Hand, daher meine Frage an Dich: Um welche Anweisung geht es denn konkret, die Deiner Meinung nach nicht realisiert wird?


    Jetzt einmal ganz allgemein, ohne Kenntnis dieser Vorschrift: Mir scheint es ein wenig merkwürdig, dass Pianisten wie Schiff oder Uchida, die ja gemeinhin als sehr texttreue Interpreten gelten, einfach eine Anweisung ignorieren sollten.


    Das "L'istesso tempo" bei den Variationen 2 (6/16) und 3 (12/32).
    Es ist freilich nicht unüblich, bei Variationen das Tempo leicht (oder stark) zu variieren. Aber vielleicht hat Beethoven gerade deshalb diese Vorschrift ausdrücklich gemacht...
    Ich vermute, daß viele Interpreten das Thema sehr langsam spielen, dann die rhythmische Belebung der Variationen möglichst deutlich machen wollen. Aber das ist natürlich gewissermaßen schon auskomponiert. (vgl. z.B. auch Mittelsatz der Appassionata).


    Später in der 4. Var. (2. Teil) könnte man das "leggiermente" allerdings als Lizenz zur Beschleunigung sehen. Und gerade nach der 4. könnte man verstehen, daß man langsamer wird (und daß das auch o.k. ist)...


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
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    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Lieber Walter :



    Ich teile die auf Ludwig van Beethoven selbst zurückgehende Meinung von Claud Raab , dass diese letzten drei Sonten Beethovens zusammengehören .


    Also wie auch von Franz Schubert gesichert überliefert bezüglich seiner drei letzten Klaviersonaten .



    Dass die letzte der Kalviersonaten Beethovens so überhäufig oft eingespielt worden ist , dies ist zeitbedingt gewesen , lag früher an den nicht ausreichenden technischen Möglichkeiten , und eben an dem von Dir von musikbegeisterter Seite wie Thomas Mann und der musikanaltyisch fast überfrachteten Philosophie des T W Adorno , die ich , um dies ausdrücklich zu wiederholen , nur durch einige seiner auch geistigen Nachfahren wie Joachim Kaiser in dieser eher künstlichen Höhe gehalten worden ist .


    Folgen wir den wenigen sicher überlieferten Mitteilungen Martin Heideggers , so ist jede Musikästhetik zu überwinden . Es ist unwichtig hierbei , ob Heidegger ein kenntnisreicher Mann in Sachen Musik gewesen ist . Er war eben einer der einflussreichsten Philosophen . Die Macht und die Folgen seiner Worte sind dann anders als bei musikalischen Normalverbrauchern nicht einfach verhallt . Heidegger wurde wahrgenommen .


    Die letzte Sonate , weder bei Beethoven noch bei Schubert , muss keineswegs etwas Endgültiges in sich haben . In beiden Fällen besteht ein kompositorisch zeitlicher wie struktureller Zusammenhang .


    Interessanter ist dann die hier von Dir erwähnte Frage des Inhaltes des Glenn - Gould - Essays und die damit natürlich verbundene Frage , warum er nicht den beethovenschen Notentext vollkommen wiedergegeben hat ! Dies halte ich mit Artur Schbael und einigen seiner wesentlichen ehemaligehn Schülern für nicht zulässig .


    Auch bei den Beethoven - Klavierkonzerten alle Kadenzen ohne weitere Begründung wegzulassen ( wie Benno Moiseiwitsch oder Sergey Rachmaninov ) halte ich für nicht zulässig . Wilhelm Kempff , der selbst auch komponierte , hat bis auf ein Klavierkonzert seine eigenen Kadenzen statt der von Beethoven vorgesehenen gespielt . Dies bringt einen Bruch in der Einheitlichkeit der beethovenschen Musik mit sich .



    Eine grundlegende Frage ergibt sich bezüglich der Klangwirkung . Es ergibt sich zwangsläufig die Frage , wie hat eine Sonate auf Beethovens eigenem Instrument geklungen ? Rudolf Bucbinder hat darauf in einem Interview 2001 in Düsseldorf geantwortet :" Noch viel , viel schwammiger . Aber die meisten Kollegen trauen sich ja nicht , das auszuspielen . Die Musiker nivellieren auch ! Die Sturmsonate zum Beispiel , die Rezitative . Da steht völlig eindeutig , , dass das rechte Pedal die ganze Zeit über gehalten werden muss . . Wer das nicht macht , der verharmlost die diese Musik." ( 2001 , 9 ) .



    Bei Mtronom- wie Tempoangaben stellt Rudolf Buchbinder einen von Dir schon angedachten Vergleich her zwischen der "Hammerklaviersonate" und Robert Schumanns g - Moll - Klaviersonate mit den Tempovorschriften " So schnell wie möglich , - schneller - noch schneller " . Während etwa Bryce Morrison 1998 in einem Booklet bedauert , dass Martha Argerich diese Tempovorgaben nicht exakt erfüllt , weist Buchbinder zu Recht darauf hin , dass diese Hinweise "eine Menge über Schumanns Absichten sagen" .


    Und Beethoven soll nach R. Buchbinder sehr viel freier und spontaner musiziert haben als dies etwa an der Metronmangabe zur "Hammerklaviersonate" festgemacht wird . Auch Wilhelm Kempff hat seine gewählten Tempi nicht sein Leben lang starr beibehalten . Die Tagesform , die Bedingungen der Konzertsäle , die Reaktionen des Publikums dürften wesentliche Einflussfaktoren gewesen sein ( und sie sie sind es noch heute , wie eine z. B. Klaviersonate Beethovens klingt . Glenn Gould hat dazu in dem bei Piper erschienen Buch "Denkanstösse" Grundsätzliches geschrieben .


    Dein Denkansatz über Adorno , Thomas Mann und die letzte Beethovenklaviersonate zu schreiben wirft viele Fragen auf . Auch die für mich wichtige Frage : W i e ist T. Mann mit Adorno selbst in seinem "Doktor Faustus" umgegangen ? Mann wird sich im Laufe der Zeit des Gedankenaustausches mit T W Adorno wichtige , zumindest die für ihn wesentlichen Eindrücke über sein Gegenüber notiert haben , um dies in dem Werk umzusetzen . Und : Wie ist Adorno mit Manns Werk verfahren ?


    Ich finde Deine Reduzierung auf Opus 111 absolut zulässig , auich wenn wir wie etwa C. Raab oder ich von einer Sonatentrias ausgehen .


    Matthias Kornemann ( 2001 ) hat bezüglich der 32 Klaviersonaten Beethovens sogar von seiner eigenen "Biographie" gesprochen . Dies mag man so formulieren können , aber ich denke nicht , dass Beethoven mit Beginn seiner ersten Klaviersonate nun in den folgenden Jahren sein erlebtes und gelebtes Leben in Noten zu schreiben vorhatte . Dieser Denkansatz geht mir zu weit , ist zu beliebig und verkennt die Realitäten in Beethovens Biographie .


    Diese von Dir herangezogene Konstellation zwischen Thomas Mann und Theodor W. Adorno ist auch ein Glücksfall , um sich mit einer bedeutenden Klaviersonate auseinanderzusetzen ( es hätten meiner Meinung nach die Sonaten Opp. 109 oder 110 ) ebenso sein können .


    Was den Ausschlag für die c - Moll - Sonate gegeben hat , war möglicherweise die Tatsache , dass Mann wie Adorno von dem Irrtum ausgingen , dass bei Ludwig van Beethoven eine krankhafte Identitätsstörung vorgelegen haben könnte ( 1911 von Eugen Bleuer erstmals beschrieben ; In: G. Aschaffenburg - Hrsg. - : Handbuch . Spez. Teil 4. , Deuticke , Wien ) . Dies könnte dann in Opus 111 den Niederschlag gefunden haben . Bei Beethoven , dessen biographischen Fakten bislang seltsam ausgespaart worden sind , lag zum Zeitpunkt der Komposition der Sonaten - Trias auch keine "dissoziative Identitätsstörung" im heutigen wissenschaftlichen Sinne nach meiner Meinung vor . Ein "induzieredner nosogener Druck als kulturgebendes Syndrom" fehlt ( C. Scharfetter 1999 und 2002 , 97 ) . Dies , es sei wegen der anhaltende Diskussion um Robert Schumanns Krankheiten oder wie es heute in ICD-10 der WHO leider heissst Störungen , könnte aber bei Robert Schumann vorgelegen haben , wenn wir uns die sorgfältigen Arbeiten der französischen Nervenärztin C. Pascal aufmerksam durchlesen .


    In dem kurzen Beitrag von Johannes Roehl kommt möglicherwesie die Frage des Zeiterlebens bei Beethoven in der c - Moll - Sonate zum Tragen .


    Um das mögliche Zeiterleben Beethovens könnte es in dem Gedankenaustauschen zwischen Mann und Adorno auch gegangen sein . Zeiterleben wird im Gespräch erfasst ( C. Scharfetter : Allgemeine Psychopathoplogie . 5. Aufl. , 2002 ) .


    Auch die grossen Zeit - Unterschiede in den vielen Interpretationen der Sonate in c - Moll Opus 111 habe mit dem intraindividuellen Zeiterleben zu tun .


    Die Grundfrage der Zeit , auf die Du mehrfach zu Recht hingewisen hast in Beiträgen , bleibt auch weiterhin Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion . Du selbst hattest schon früher auf die verschiedenen Aufsätze von Professor Supprian , damals Klinikum Hamburg - Eppendorf , hingewiesen .



    Viele Grüsse nach Bensheim und einen beschlaulichen 3.


    Adventssonntag !



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Liebe Freunde der Beethoven - Klaviersonaten :



    Ich habe eine CD bekommen mit einer Amatueraufnahme ( möglicherweise durch die Tochter von Elly Ney Eleonore van Hoogstraten ) für eine Konzert von Elly Ney mit der Klaviersonate c - Moll - Opus 111 am 26. Februar 1952 . Das Bandmeterial stammt aus dem Privatarchiv von Neys Tochter .


    Hier handelt es sich um Probeaufnahmen .


    In dem dünnen Textbüchlein finden wir einleitehnde Sätze zu Opus 111 . es geht daraus nicht hervor , ob Elly Ney selbst oder ihre Tochter diese verfasst hat .


    Interessant für die Interpretation durch Elly Ney sind sie schon .


    "Klaviersonate c - Moll op. 111 ( 1821 / 1822 ). Letzte Klaviersonate Beethovens . Hier spricht sich eine Einzelpersönlichkeit aus . Ihr unterbewusster Wesenszug ist der Ausdruck kämpferischen Wollens , aber mit Haltung . Beethoven rückt hier die Chraktere bis zum Alleräussersten oder Allerreinsten . Die Sonate ist zweisätzig , mit einer langsamen Einleitung . Sie ist rund fünf Jahre vor dem Tod ihres Schöpfers geschrieben . Für ihn wurde die Musikerkatastrophe ( Ertaubung ) zum Anlass , "nach innen" zu musizieren . Niemals hat ein Mensch seinem Schicksal einen prometheischeren Trotz entgegengestellt als der späte Beethoven . Diese Sonate op. 111 steht zwischen "Himmel und Erde" . In seiner Zweisätzigkeit verdeutlicht sie den Zwiespalt zwischen "Welt" und "Gott" , sich auflösend in eine höhere , überirdische Harmonie . Der zweite Satz führt von c - Moll nach C - Dur , mit Variationen bis in feinste transzendente Verästelungen von erhabener Stille . Die kämpferische Haltung des ersten Satzes erfährt nun ein zweckfreies Sinnen im Schlussatz" .


    ( Hingewiesen wird darauf , dass es sich um eine Aufnahme handelt , die keine "Schnitte" erfahren hat . Elly Ney wollte die "Live-Atmosphäre" auf jeden Fall erhalten . Zwischen den Sätzen 1 und 2 der Sonate hört man sogar ihre Stimme . )


    F r a g e : Ist diese Interpretationssicht Elly Neys nur als subjeltiv zu sehen oder können wir daraus ein eher Allgemeingültiges zur Interpretation ableiten ?



    Viele Grüsse ,



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Lieber 'observator',


    mit einem Griff in die Beethovensche Hexenküche möchte ich mich bedanken.


    Beethovens Sekretär Schindler klagte über die "Anwendung eines Übermaßes von Wissenschaftlichkeit über einen so einfachen Stoff als die 'Arietta'", dass sich "die Arithmetik in so auffallender Weise des Meister bemächtigt, daß der Raum, den künstlerische Reflexion freigelassen, von der mercantilischen Speculation ausgefüllt worden".


    Beethoven konnte bekanntlich nicht multiplizieren, und da wird sich jeder vorstellen können, wie sehr ihm Schindler helfen musste, um in der labyrinthischen Welt der Arrieta-Variationen durchzusteigen.


    Doch hatte sein Ein-mal-eins auf die Drei ganz bodenständige Quellen. In einem Brief am 30.4.1820, am Beginn der Arbeit an op. 109, sandte er an Peter Simrock seine Vertonung des Kätzchen-Liedes: "Unsa Kätz häd Kaz'ln g'habt, drai und sexi, naini; oans häd a Äugerl af, däs is schön, das maini." Ich würde mir wünschen, dass dieses kurze Lied bei Klavierabenden mit allen 3 Sonaten an den Anfang gestellt wird. Es ist voll übersprudelnder Lebensfreude, wodurch dann seine verfremdete Wiederkehr in op. 110 Satz 2 wie ein Schock wirkt. Aus dem Buch von Raab übernehme ich die Noten:



    Die Zahlen 3, 6 und 9 bestimmen die Arietta-Variationen. Das sind nicht nur die Taktarten 9/16, 6/16 und 12/32. Das Thema beginnt mit 3 punktierten 4tel-Noten je Takt. In der ersten Variation wird mit der rechten Hand ein Metrum von einander abwechselnden 3 8tel- und 3 16tel-Noten gespielt, mit der linken Hand 9 16tel-Noten, in der 2. Variation abwechselnd je 6 16tel- und 6 32tel-Noten, in der 3. Variation je 12 32tel- und 12 64tel-Noten.


    Wem das nicht schon genug "Arithmetik" ist, der schaue sich dann die 4. Variation an. Dort wird der Grundschlag wieder zurückgeführt, doch keineswegs abrupt und einlinig. Ich will gar nicht erst versuchen, dies in eigenen Worten wiederzugeben: "Doch so klar kommt das im Klang der Musik nicht zum Ausdruck. Denn die 32tel im Baß sind zwar rhythmisch ternär (triolisch), aber intervallisch binär gegliedert: es erklingt nur die Qinte C-G; und die 16tel-Unterteilung der Zählzeit (in der rechten Hand) erscheint synkopiert, indem die 'schwere', erste Unterteilung als Pause 'erklingt', und die Akkorde auf der zweiten und dritten unterbunden werden. Das heißt aber nichts anderes, als daß nur das Tempo, das Adagio wieder einigermaßen in Variation IV Fuß faßt, während Ryhthmus und Metrum noch vage changieren." (Claus Raab)


    Besonders auffallend sind sowohl vom Höreindruck wie vom Notenbild die Stellen, an denen die Sterne funkeln. Wie Lichtketten zeigen sich da Bänder von jeweils 27 32tel-Noten je Takt in der Sopran-Stimme.


    Viele Grüße in das weihnachtliche Wien,


    Walter

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