MJASKOWSKI Nikolai - Die Sinfonien

  • Sinfonie Nr 1 in c-moll op 3


    Es gibt schon einen älteren Thread über den Komponisten Nikolay Mjasowski (1881-1950) aber da er 27 !! Sinfonien geschrieben hat ist ein eigener Thread sicher angebracht. Im "allgemeinen Thread" finden wir den Lebenslauf, auch hinweise auf Sinfonien und Konzerte etx, aber alles eher allgemein gehalten, sodaß eine Duplizierung eigentlich nicht vorliegt.
    Nikolai Mjaskowski - Russlands vergessener Komponist
    Mit fiel heute im Rahmen meiner Bestandserfassung und Eingliederung aller ungehörten CDs eine 3 CD Box mit allen Klaviersonaten in die Hände, worauf ich im Forum recherchierte. Dort wurde eine Box mit allen Sinfonien Mjaskowskis gezeigt. Und ich beschloss spontan sie zu bestellen - Leider bereits gestrichen. Wie schade !! Ich hatte einst soviel auf Vorrat gekauft und so sah ich in meinen ungeordneten ungehörten CDs nach - und siehe da, da prangte sie in all ihrer Schönheit, ungehört und originalversiegelt und auf Grund ihrer Größe unübersehbar.
    Damit war der Grundstein für diesen Thread gelegt. Derzeit gibt es leider nur einige Einzel-CDs dieser Aufnahmen und wenig anderes - Eigentlich unverständlich


    Ich habe heute die Sinfonie Nr 1 in c-moll op 3 aus dem Jahre 1908/rev 1921 gehört, wobei ich die Jahreszahlen dem anderen Thread entnahm, das Booklet gibt keinerlei informationen. Das Werk ist 3 sätzig und durchgehend tonal.


    1. Lento ma non troppo - Allegro
    2. Larghetto
    3. Allegro assai e molto risoluto


    Nach den ersten düster anmutenden Klängen war ich auf das Schlimmste gefasst - aber es kam alles ganz anders.
    Schon nach kurzer Zeit klärte die Stimmung auf, die Musik blieb zwar vorerst noch tendenziell dunkel, aber dann ertönte eine beinahe schneidende Fanfare und erzeugte eine geradezu unerbittliche Feierlichkeit.Ich habe lange um diesen Ausdruck gerungen, aber ich glaube er ist treffend, auch wenn diese Passage hier nur kurz ist, so tritt diese Stimmung mehrfach in der Sinfonie auf und beruhigt sich dann wieder. Ruhig und friedlich - ja das ist der nächste Abschnitt des ersten Satzes, aber allmählich kommt Unnruhe ins Geschehen, die Stimmung wechselt andauernd, allerdings sehr fließend und nicht abrupt, der erste Satz endet mit Pauken und Fanfaren. Mjaskowski weiß wie man das Publikum beeindruckt
    Der zweite Satz beginnt geradezu verträumt lyrisch, die Musik ist hier nicht besonders prägnant, aber durchaus eingängig. Manchmal kommt sie geradezu zum erliegen, aber man gibt sich gerne der stellenweise hypnotischen Wirkung hin. Der Satz benötigt gegen Ende in etwa 2 Minunte um allmählich zu versinken oder zu verlöschen, ins Nichts zu entgleiten. Überraschend temperamentvoll startete der dritte Satz. und das bleibt er im allgemeinen auch, teilweise plappernd, teilweise agitierend, forsch voranstrebend, aber immer positiv- und melodisch ansprechend. ein kurzes bombastisches Finale beschliesst die Sinfonie


    Damit jene , die die Box nicht besitzen (soweit ich sehe gibt es derzeit keine verfügbare aufnahme der ersten Sinfonie Mjaskowskis
    verlinke ich hier auf den youtube clip. Es ist die Svetlanov Aufnahme - dieselbe wie in der Box, allerdings klingt sie über youtube weniger eindringlich und eindrucksvoll


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Erfreulich, dass es jetzt einen spezifischen Thread zu den Symphonien Miaskowskis gibt. Ich habe in den letzten Monaten die eine oder andere gehört. Teils aus der Svetlanov Box, teils aber auch Einzelaufnahmen, die mir vor langer Zeit ein Tamino-Mitglied einmal zukommen liess, u.a. mit dem Dirigenten Kondrashin. Ich werde gelegentlich darüber berichten.

  • Ich denke, man geht nicht zu weit, wenn man behauptet, Mjaskowski wäre ohne Jewgeni Swetlanows Einsatz heute noch weit weniger präsent. Er hat damals im wahrsten Sinne des Wortes keine Kosten gescheut und die Vollendung des Zyklus nach dem Zusammenbruch der UdSSR quasi selbst finanziert (zumindest meine ich dergleichen gelesen zu haben). Die große Box der 27 Symphonien ist nicht mehr ganz so simpel erhältlich, wird aber bei Amazon noch gelistet:



    Daneben scheint neben Melodija auch Alto die Einspielungen einzeln aufgelegt zu haben, wobei zumindest jpc nur einige der Aufnahmen anbietet:




    Bewusst habe ich vor Jahren nur eine einzige Symphonie von Mjaskowski angehört - und ich weiß nicht einmal mehr, welche. Es war jedenfalls diejenige, die gemeinhin als die bekannteste gilt, vermutlich die Sechste.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Es war jedenfalls diejenige, die gemeinhin als die bekannteste gilt, vermutlich die Sechste.


    Lieber Joseph, ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Du die Sechste meinst. Ihr Popularität - wenn das überhaupt das passende Wort ist in diesem Zusammenhang - dürfte nicht zuletzt auf der rasanten Verarbeitung der französischen Revolutionsmusik liegen. Im letzten, dem vierten Satz gibt es auch einen Chor, auf den ich hier nicht näher eingehen will, um Alfred nicht vorzugreifen. Swetlanow, dessen Bedeutung für Mjaskowski Du gewiss gebührend herausgestellt hast, lässt ihn weg. Kondraschin - um ein Gegenbeispiel zu nennen - setzt ihn ein. Seinen Namen hat weiter oben lutgra bereits ins Spiel gebracht. Nävi und Bodstein wählen übrigens auch die Choir-Variante. Ich bin gespannt, ob im weiteren Verlauf dieses Threads, den ich auch sehr begrüße, geklärt wird, was es damit auf sich hat. Ich bin für den Chor.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Hallo Josef,


    die von Dir abgebildete Swetlanow - GA aller Sinfonien (16CD auf WARNER) ist ja die Einzige die eigentlich in Frage kommt.
    Ich habe diese nicht, sondern es haben sich über die Jahre mehrere Einzelaufnahmen daraus; auch vom Label OLYMPIA bei mir gesammelt … alle 27 Sinfonien habe ich nicht komplett. Wann soll man diese 16CD´s hören ( ;) um dann doch der Ernüchterung Platz zu machen), bei dem was noch alles ansteht und geplant ist ?
    Habe die Sinfonien Nr. 2 +13; 4 +11; 5 +12; 22 + 26; 24 + 27, 25.

    Die Sechste muss ich mir dann laut Rheingold wohl noch zulegen.



    :huh: Mit solchen Werkreihen von Komponisten mit so vielen Sinfonien tue ich mich in der Regel schwer … wo anfangen ?
    Die letzten Sinfonien und ein paar aus der Mitte habe ich gehört … ja, alle ganz interessant, aber den richtigen Durchbruch (mit "Hammer - Eindruck") haben sie bei mir nicht gehabt !
    Hatte auch mal Yablonsky-CD´s (NAXOS) von ein paar Myaskowsky-Sinfonien, die mich aber noch weniger beeindruckten …


    :?: Welche Sinfonien hällst (haltet Ihr) für die Hörenswerten ?

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ein schwerer Brocken - ich bin wie erschlagen.
    Zunächst wusste ich mit dieser Musik wenig bis nichts anzufangen, Die Sinfonie beginnt irgendwie ungeordnet, chaotisch, Nach einiger zeit klärt sich das Bild und es wechseln aggressive Stellen mit jenen absoluter düsterer Ruhe, "Beinahe Stille " mit leisem grollendem Klangteppich. Irgendwie kam es mir vor wie ein drohender Ozeanm der plötzlich im Sturm aufbrüllt. Aber ich wollte es nicht in dieser Form schreiben, denn wer weiß was sich der Komponist wirklich dabei gedacht hat - oder was eine mir derzeit nicht bekannte Quelle über das Werk schreibt ?
    Da Warner kein Booklet mit auch nur den wichtigsten Dazten, wie entstehngszeitraum etc. zur Verfügung stellt machte ich mich in meiner Verzweiflung auf die Suche im Internet. Vorerst schien nichts zu existieren, Dann aber suchte ich bei WIKIPEDIA nicht unter dem Komponisten sondern nach dem Werk - und siehe ich wurde fündig.
    Ich war sehr stolz als meine Eindruck des Wechsels von Unruhe und Ruhe bestätigt wurde. Auch der Vergleich mit dem Stürmischen und beunruhigenden Ozen ist gar nicht so verkehrt, wenn man die Menschliche Seele als Ozean gelten lässt. Denn der Komponist soll sich in der Form geäussert haben, daß seine frühen Sinfonien Ausdruck einer tiefen Depression seien. Wie treffend
    Es ist schon mal gut wenn man Deutungen direkt vom Komponisten bekommt. Mit einer weiteren Äusserung zu dieser Sinfonie - ebenfalls von Mjaskowski kann ich allerdings nichts anfangen.Er meinte, das Stück sei "Zuckerwasser mit Seufzern von Rachmaninow und Tschaikowski“.
    Das lässt für die weiteren Werke nichts Gutes vermuten, denn wenn das hier Zuckerwasser gewesen sein soll - wie schmeckt dann das andere ?
    Nach Salzsäure ? - Wie dem auch sei, in der Geschichte des Werke ist vermerkt, daß die 2. Sinfonie noch vor der 1. uraufgeführt wurde, und zwar am 28. Juni 1913, in Pawlowsk unter der Leitung von A. P. Aslanow.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • :?: Welche Sinfonien hällst (haltet Ihr) für die Hörenswerten ?


    Hallo Wolfgang,


    da muss ich zum jetzigen Zeitpunkt leider passen. Ich hörte, wie gesagt, nur die Sechste vor ein paar Jahren. Von der scheint es zudem eine Chorfassung zu geben, die Swetlanow nicht eingespielt hat. Ich bin in Sachen Mjaskowski also derzeit außer Stande, mich hierzu seriös zu äußern. Mir ging es ähnlich wie Dir: Mein damaliger Höreindruck führte nicht unbedingt dazu, mir weitere seiner Symphonien anhören zu wollen - was sicherlich voreilig war, weil man nicht nach einer Symphonie die 26 anderen erahnen kann.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Mein damaliger Höreindruck führte nicht unbedingt dazu, mir weitere seiner Symphonien anhören zu wollen


    Das ist nur allzu verständlich. Aber wenn ich diese Sichtweise - die im Grunde auf 90% aller klassischen Musik des 20. Jahrhunderts bei mir zutrifft hier im Forum praktizierte, dann wäre der Teufel los. Ich habe daher innerlich eine Trennung zwischen "gefallen" und "interessieren" gemacht, wobei ich hier - bei aller Toleranz "sperrigen" Werken gegenüber- ein gewisses Mindestmaß an Substanz erwarte - andernfalls ignoriere ich dann in der Tat sogenannte "Kunstwerke" Die finden sich vorzugsweise ab Mitte des 20. Jahrhunderts, teilweise auch schon früher.
    Kommen wir zurück zu Mjaskowsky: Man könnte es sich jetzt einfach machen und etliche Werke überspringen, eines herauspicken (es wäre vermutlich in der Tat die Sechste) und alles weitere ebenfalls ignorieren, Das wäre dann aber genau jener Ansatz, den wir in der Geschichte der Musik immer wieder finden - und den ich hier so gut es mir möglich ist - bekämpfe, nämlich ein "Meisterwerk" eines Komponisten herauszustellen und alles weitere zu vergessen.
    Warum hört man Musik, die einem nicht gefällt ?
    Im konkreten Beispiel weil sie einen interessiert, weil sie eine gewisse Sprödigkeit aufweist - und weil solche Werke - das ist zumindest meine Erfahrung - mit der Zeir immer vertrauter und eingängiger klingen- es ist in letzter Hinsicht eine Frage der musikalischen Sozialisation. Meine Mutter behauptete beispielsweise des öfteren, der Aufenthalt im Forum und der Kontakt mit "diesen Leuten" (sie stellte sich anfangs einen Haufen von Computerfreaks und Internetfuzzies vor) habe einen negativen Einfluß auf meinen einst guten musikalischen Geschmack gehabt. Ich selbst hatte eher den Eindruck, von foreninternen "modernen" Tendenzen nicht beschädigt worden zu sein - aber irgendwie scheint es doch der Fall zu sein, sonst würde ich mir Werke wie jene von Mjaskiwski weder in die Sammlung holen - noch anhören.
    Es ist auch ein wenig vom verkappten Historiker in mir, der das Interesse dieser Sinfonien (und weiterer Komponisten dieses Zeitraums) erweckt hat.
    Sie sind einerseits von den politischen und wirtschaftlichen Umständen von Mjasowskis Umfeld geprägt, andererseits auch von privaten Umständen und Schicksalsschlägen. Ich sehe hier eine Tendenz die erst etwa kurz vor 1900 einsetzt, daß Komponisten negative Erlebnisse - welcher Art auch immer - in ihrer Kompositionen einfliessen lassen. Im Falle Mozarts könnte ich mir so etwas nicht vorstellen....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • "Der eherne Reiter" von 1833 ist eines der großen Gedichte von Puschkin. Der Titel bezieht sich auf das berühmte Reitdenkmal, das Zar Peter den Großen darstellt, eines der berühmtesten Symbole von St. Petersburg. Es wurde 1782 von Katharina II. errichtet und ist ein Werk des französischen Bildhauers Etienne Falconet, das auf einem 1600 Tonnen schweren Granitsockel in Form einer Welle aufgestellt wurde und an seinen Kampf um die Ostsee als Tor von Russland nach Europa erinnert. Peter der Große gründete bei dieser Gelegenheit St. Petersburg, aber es kostete unzählige Menschen das Leben, die an den schlechten Bedingungen starben, die während der Arbeiten zu Krankheiten und Überschwemmungen führten.

    Puschkin nimmt als Thema die Flut, unter der die Stadt 1824 litt. Der junge Jewgeni und seine Freundin wurden damals getrennt. Der Junge schafft es, sich zu retten, aber die Insel, auf der seine Geliebte lebte, wurde vom Wasser verwüstet, und alle Bewohner kamen ums Leben. Jewgeni, wütend vor Bitterkeit, verflucht Zar Peter für sein Leiden und sein Unglück als er an der riesigen Reiterstatue vorbeikommt. Vom Wahnsinn befallen, glaubt er, dass sich die Bronzestatue von ihrem Sockel löst und ihn verfolgt. Siehe dazu Das knifflige Coverbildratespiel  #5.935

    Eine Vertonung von Puschkins "Der eherne Reiter" ist die Symphony Nr.10 von Nikolai Myaskovsky (Николай Мясковский), die man bei YT hören kann. Mjaskowski benutzte dieses Gedicht und vor allem die Illustrationen des Malers Alexander Nikolajewitsch Benois als Vorlage für die Sinfonie. Man könnte sie daher auch als sinfonische Dichtung bezeichnen. Mjaskowski schrieb für ein sehr großes Sinfonieorchester mit einer erweiterten Bläsergruppe, großer Schlagzeugbesetzung und fünfsaitigen Kontrabässen, die damals noch nicht üblich waren. Er beschrieb die Musik als „erfüllt von dem ohrenbetäubenden Getöse von vier Trompeten, acht Hörnern u. ä. m.“ und sagte, sie habe einen „so massiven, monolithischen Charakter, als sei sie aus Eisen“.


    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo