Götterdämmerung (Wagner), Hamburgische Staatsoper, 25.11.2018

  • Insgesamt gesehen ist die Ring-Inszenierung von Claus Guth doch nicht so schlecht, wie ich sie in Erinnerung hatte, allerdings zieht der 3. Aufzug Walküre den Eindruck schon sehr nach unten. Siegfried und Götterdämmerung sind für sich genommen gut akzeptabel, zumal im Vergleich mit aktuellen anderen Bühnenaufführungen (z.B. dem Münchner Othello, sofern man von den veröffentlichten Bildern ausgeht). Die Götterdämmerung beginnt mit einem Zweietagenbauwerk, auf dem sich die Nornen ihr Seil zuwerfen, darunter liegen die Küche und das Schlafzimmer von Siegfried und Brünnhilde (Siegfried kocht aus Liebe zu Brünnhilde Kaffee und deckt den Frühstückstisch). Dieses Doppelbauwerk fährt nach Siegfrieds Abschied von Brünnhilde in den Keller und macht einer Drehbühne Platz, auf der sich ein recht großes Bauwerk in einer Art Bauhausstil mit zum Teil offenen Wänden befindet.


    Dieser Bau kann für vielerlei Szenen dienen, vowiegend allerdings für die Gibichungenburg, später findet sich hier auch Brünnhildes Wohnung wieder, in der sie Waltraute empfängt und von Siegfried in der Gestalt Gunthers überwältigt wird. Im Obergeschoss sieht man indessen mehrfach Szenen aus Walhall mit Wotan, Fricka, Freia, Froh, Donner und den Walküren, die sich dort verängstigt drängen (eine Komparsenszene, die Waltrautes Gesang umsetzt). Im dritten Aufzug ist die Bühne zunächst leer mit einer Wasserflimmerprojektion im Hintergrund und vorn einigen eingelassenen Wasserbecken (Auftritt der Rheintöchter). Später fährt das Drehbauwerk wieder nach vorn, in dem dann der Mord an Siegfried stattfindet.


    Durch Drehen des Hauses können die Szenen sehr schnell wechseln und gibt den Sängern die Möglichkeit, relativ rasch den Auftrittsort (von hinten) aufzusuchen bzw. das Haus zu durchwandern. Bei Brünnhildes Schlussgesang fährt die Drehbühne wieder nach hinten, das Bauwerk geht in Flammen auf (diskret mittels Beleuchtung und Vernebelung). Vorn erscheinen die Rheintöchter, denen Brünnhilde den Ring übergibt; dann schlitzt sie sich, nach vorn an die Rampe tretend, mit Nothung die Adern auf. Die Bühne fährt wieder hoch und gibt das Eingangsbild frei. Dort steht Siegfried mit dem Rücken zum Publikum vor einem hellen Fenster; Brünnhilde bricht langsam zusammen, mit dem geliebten Siegfried im Tode vereint.


    „Was für eine Liebesgeschichte“, bemerkte meine Frau. Der großartige Andreas Schager (Siegfried) trug natürlich viel zu diesem Eindruck bei; nicht nur gesanglich, sondern auch darstellerisch nahm man ihm den liebenden Helden vollkommen ab. Wenn Schager im Siegfried noch das Rabaukenhafte, unbekümmert Jugendliche dieser Figur betonte, nahm man ihm hier den Liebenden zwanglos ab. Nun ist er natürlich auch von der Optik her gegenüber manchen anderen Siegfrieddarstellern im Vorteil. Diesen Vorteil hat auch Lise Lindstrom als Brünnhilde. Die Götterdämmerungsbrünnhilde lag ihr sehr viel besser auf den Stimmbändern, denn weniger die Mittellage, als vielmehr der höhere Tonbereich wurde stärker gefordert, und die Durchschlagskraft im Forte hat sie ja. Es ist nun nicht so, dass mich ihre Stimme umgehauen hätte, aber sie passte sich gut in das Ensemble ein, so dass ich ihre Leistung als gut bis sehr gut, gemessen an den hohen Anforderungen an diese Partie, bezeichnen würde.


    Die 1. Norn wurde von Claudia Mahnke mit in meinen Ohren zu ausgeprägtem Vibrato gesungen, ganz anders und schöner anzuhören war die zweite Norn (Katja Pieweck, 3. Norn: Hellen Kwon). Claudia Mahnke sang auch die Waltraute, vielleicht etwas besser als vor drei Jahren in Bayreuth von mir gehört, aber nicht wirklich bravourös (wie einstmals Julia Juon). In Bayreuth ebenfalls als Gutrune von mir gehört, trat heute Allison Oakes mit dieser Partie auf, schönstimmig und auch darstellerisch überzeugend. Als ihr Bruder Gunther überzeugte auch Vladimir Baykov.


    Wer hat heute den schwarzen, gefährlich klingenden Bass für Hagen (wie zuletzt in Hamburg gehört John Tomlinson)? Stephen Milling klang so nicht. Er war eher ein volltönender und schönstimmiger Hagen, dem man gern zuhörte, aber ohne das Böse dieser Figur wirklich zu verspüren. Als sein Vater Alberich hatte wieder Werner Van Mechelen einen Kurzauftritt. Ganz wunderbar klangen die Rheintöchter (Katharina Konradi, Ida Aldrian, Ann-Beth-Solvang). Es gab wieder großen Jubel für Andreas Schager, aber auch Lise Lindstrom und Stephen Milling wurden entsprechend bedacht. Der Jubel galt auch dem Dirigenten des Abends, Kent Nagano; bei seinem Zweiten Solovorhang mischten sich jedoch einige Buhrufe, offenbar für das Orchester, in den Beifall. Warum? Mir schienen die Bläser ab und an etwas ungenau, die wahren Orchesterfreaks würden das sicher besser oder auch anders beurteilen wollen. Insgesamt war es aber eine doch herausragende Aufführung in dem ausverkauften Saal der Hamburgischen Staatsoper.

    Oper lebt von den Stimmen, Stimmenbeurteilung bleibt subjektiv

  • Dank für den Bericht! Ich lese immer mit großem Interesse die Berichte der Taminos über Opernaufführungen, die sie besucht haben.

    Andreas Schager habe ich hier in Berlin als Siegfried in den beiden letzten Ring-Opern gehört und war ebenfalls sehr angetan.

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*