WAGNER, Richard: Die Märsche

  • Denkt man bei Wagner an Märsche, so fällt einem vermutlich zunächst der Festmarsch aus der Oper Tannhäuser ein. Um den soll es hier allerdings nicht gehen. Vielmehr sind die von Wagner eigens komponierten Märsche, drei an der Zahl, gemeint.


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    Wagner und Ludwig II. (Postkartenmotiv, um 1910)


    Dies wäre zunächst der Huldigungsmarsch Es-Dur WWV 97 von 1864. Dieser entstand anlässlich des 19. Geburtstages des bayerischen Königs Ludwig II. (25. August 1864), der kurz davor, am 10. März 1864, den Thron bestiegen hatte und sich als einer der wichtigsten Mäzene und Protektoren Wagners erweisen sollte. Die Uraufführung sollte eigentlich an Ludwigs tatsächlichem Geburtstag im Schloss Hohenschwangau stattfinden, musste aber aus verschiedenen Gründen vertagt werden, so dass sie erst am 5. Oktober 1864 vor den Fenstern der königlichen Wohnung in der Münchner Residenz stattfand.


    Das zweite Werk aus dieser Gattung ist der Kaisermarsch B-Dur WWV 104 von 1871. Kompositionsanlass war selbstredend die Gründung des Deutschen Reiches im selben Jahre. Der Marsch sollte bei den Berliner Siegesfeiern im Deutsch-Französischen Krieg erklingen. Auftraggeber war der Leipziger Verleger C. F. Peters, der sich eine Festouverture zur Wiederauferstehung von Kaiser und Reich wünschte; das Honorar betrug 1.500 Schweizer Franken. Neben Melodiezitaten aus Luthers Ein feste Burg ist unser Gott baute Wagner als Chorabschluss einen sogenannten Volksgesang ein. Die Uraufführung erfolgte am 14. April 1871 im Berliner Concerthaus an der Leipziger Straße unter Benjamin Bilse. Am 5. Mai des Jahres dirigierte Wagner den Kaisermarsch selbst in der Königlichen Hofoper in Berlin unter Anwesenheit Kaiser Wilhelms I.


    Der Text lautet wie folgt:


    Heil! Heil dem Kaiser! König Wilhelm!

    Aller Deutschen Hort und Freiheitswehr!

    Höchste der Kronen,

    Wie ziert Dein Haupt sie hehr!

    Ruhmreich gewonnen

    Soll Frieden Dir lohnen!

    Der neu ergrünten Eiche gleich

    Erstand durch Dich das Deutsche Reich.

    Heil seinen Ahnen!

    Seinen Fahnen!

    Die Dich führten, die wir trugen,

    Als mit Dir wir Frankreich schlugen!

    Feind zum Trutz,

    Freund zum Schutz!

    Allem Volk das Deutsche Reich

    Zu Heil und Nutz!


    Den Abschluss bildet der Große Festmarsch zur Eröffnung der hundertjährigen Gedenkfeier der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Nordamerika G-Dur WWV 110 von 1876. Hierfür erkoren die Amerikaner eine Komposition des berühmtesten lebenden Komponisten, so dass man sich an Wagner wandte. 5.000 US-Dollar sollte sie ihm einbringen. Wie bei den vorherigen Märschen beklagte Wagner künstlerisches Desinteresse. Die Uraufführung erfolgte auf der Weltausstellung 1876 in Philadelphia unter Leitung von Theodore Thomas (10. Mai 1876). Die europäische Erstaufführung folgte kurz darauf am 2. Juli 1876 mit dem Bayreuther Festspielorchester unter Leitung des Komponisten. Spätere Berühmtheit erlangte der Marsch als musikalische Untermalung des 60. Geburtstages von Loriot – mit Chor (hier ab 27 Minuten zu bestaunen).


    Die empfehlenswertesten Aufnahmen dieser Werke stellen nach wie vor die 1972 für EMI entstandenen Einspielungen des London Symphony Orchestra unter Marek Janowski dar. Die sehr ordentlichen Alternativeinspielungen des Hong Kong Philharmonic Orchestra unter Varujan Kojian für Naxos von 1983 können nicht ganz mithalten.


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ein wenig schizophren ist es doch, einerseits einen Kaisermarsch "zur Wiederauferstehung von Kaiser und Reich" und andererseits einen Marsch zur Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Nordamerika zu komponieren; aber auch für Wagner galt im Zweifel wohl, wes Brot er ißt, des Marsch er komponiert ;)

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Ein wenig schizophren ist es doch, einerseits einen Kaisermarsch "zur Wiederauferstehung von Kaiser und Reich" und andererseits einen Marsch zur Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Nordamerika zu komponieren; aber auch für Wagner galt im Zweifel wohl, wes Brot er ißt, des Marsch er komponiert ;)

    Als Wagner seinen "Tannhäuser" an der Berliner Hofoper unterbringen wollte, riet man ihm, einige Szenen daraus als Marschpotpourri zusammenzustellen, weil der Preußenkönig so gerne Märsche hören würde und eine solche Marsch-Zusammenstellung die Chancen zur Annahme des Stückes wesentlich erhöhen würde. Wagner fluchte und beklagte sich bitter in Briefen über diesen unmusikalischen König - und stellte das Marschpotpourri trotzdem her! :D

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"