Dieses eher selten gespielte Werk wird für mich immer mit der am 15.1.1980 an der Hamburgischen Staatsoper von Birgit Nilsson gesungenen Färbersfrau verbunden sein (Barak: Thomas Stewart, Kaiser: James King, Kaiserin: Eva Marton, Amme: Ruth Hesse; Leitung: von Dohnanyi). Diese Ausnahmesängerin lohnte den Besuch der Vorstellung. Um was es ging in dieser Oper, musste ich heute vor der Aufführung noch einmal nachlesen: Um eine vom Geistwesen zum Menschen gewandelte Frau (Kaiserin), die kinderlos bleibt, wofür allerdings ihr Mann, der Kaiser, mit Versteinerung bestraft werden soll. Um das zu verhindern, versucht sie mit Hilfe ihrer zauberisch begabten Amme einer armen, sich ihrem redlichem Mann (Barak) verweigernden Färbersfrau den Schatten (resp. deren Gebärfähigkeit) abzuschwatzen. Die Färbersfrau geht darauf ein; die Kaiserin verzichtet aber schließlich (geläutert durch Liebe und Empathie), wird endgültig menschlich und gewinnt ihren Mann zurück.
Das durch eine Wendeltreppe verbundene zweigeschossige, ca. 18 m hohe Bühnenbild von Harald Thor (oben Reich des Kaisers, unten Baraks Färberei) konnte eindrucksvoll nach unten (bw. oben) gefahren werden; die Inszenierung Andreas Kriegenburg), vor allem die Personenführung fand ich schlüssig und überzeugend, der Schluss wirkte allerdings leicht kitschig ausgewalzt, was wohl zwecks Brechung des Pathos beabsichtigt gewesen war.
Wie wurde gesungen; Lise Lindstrom, die mir schon als Brünnhilde stimmlich nicht zugesagt hatte, hielt natürlich den Vergleich mit Frau Nilsson nicht stand. Das wäre auch bei keiner anderen Sängerin zu erwarten gewesen. Es fehlte ihr aber auch für diese Rolle der Färbersfrau der Klang in der Mittellage, über den ihre Konkurrentin Emily Magee als Kaiserin zweifelsfrei verfügte. Magees besonders im dritten Aufzug geforderte Stimme erwies sich auch als runder, weniger scharf und damit klangschöner. Ohne Zweifel hat Frau Lindstrom ein strahlendes Forte, mit dem sie immer sicher über dem Orchester lag; das reicht für die sängerische Gestaltung der Rolle aber nicht ganz aus. Darstellerisch erfüllte sie ihren Part dagegen optimal. Letztlich standen für die drei Frauenpartien drei schallstarke Damen zur Verfügung, neben den bereits genannten auch die nur manchmal mit etwas zu starkem Vibrato singende Linda Watson als Amme. Die Männer zeigten sich etwas weniger strahlkräftig, sangen dafür aber schöner, das gilt vor allem für Wolfgang Koch als Barak, der mit seiner Stimme das Melodische der Partie deutlich in den Vordergrund rückte. Auch Eric Cutler als Kaiser lag mit seinem durchaus klangschönen Tenor im Forte über dem Orchester. Von den Nebenpartien möchte ich vor allem Bogdan Baciu als Geisterbote hervorheben, weiterhin ergänzten Gabriele Rossmanith als Hüter der Schwelle des Tempels bzw. als Falke sowie Dongwon Kang als Jünglingserscheinung das insgesamt ausgezeichnete Ensemble. Kent Nagano leitete das Philharmonische Staatsorchester und erhielt für die Orchesterleistung ebenso wie die Sängerinnen und Sänger der fünf Hauptpartien jubelnden, aber nicht zu langen Beifall. Das Haus war allerdings höchstens halb gefüllt, was bei einem so schwierigen Libretto und einer Nettospielzeit von 3 Stunden und 10 Minuten am 2. Weihnachtstag eigentlich auch nicht weiter verwundert (die nächste Aufführung ist schon deutlich besser gebucht).