Von den drei Söhnen von Johann Strauss Vater (1804-1849) steht der jüngste, Eduard Strauss (1835-1916), heutzutage im Vergleich zu seinen Brüdern Johann Strauss Sohn (1825-1899) und Josef Strauss (1827-1870) im Schatten. Ist dies bloß ein subjektiver Eindruck?
Nicht ganz. Schaut man sich die Programme der Neujahrskonzerte der Wiener Philharmoniker an, so fällt auf, dass Eduard Strauss dort vergleichsweise wenig vertreten ist. Seine Walzer werden so gut wie nie gespielt, am ehesten stehen ein paar seiner Polkas auf dem Programm, darunter Mit Extrapost, Mit Vergnügen und Außer Rand und Band, oder die Helenen-Quadrille. In manchen Jahren fehlte er sogar gänzlich auf dem Programm des Neujahrskonzerts – was auf Josef Strauss nicht zutreffen dürfte.
Woran liegt das also? Nun ist Eduard Strauss' Œuvre so klein nicht, ganz im Gegenteil: Es umfasst nicht weniger als 300 Opusnummern. Allerdings: Josef Strauss kam in seinem kurzen Leben auf fast ebenso viele, Johann Strauss Sohn sogar auf knapp 500.
Werfen wir einen kurzen Blick auf seinen Vita:
Er wollte ursprünglich Diplomat werden, wurde von seinem Bruder Johann aber umgestimmt (wie auch Josef). 1855 debütierte er als Harfenist, 1861 als Dirigent. Das Wiener Publikum befand ihn anfangs zumindest den Brüdern für nicht ebenbürtig. Und doch stellte er sich unbeirrt in den Dienst des Familienunternehmens. Der vorzeitige Tod Josefs (1870) und die Hinwendung Johanns zur Operettenkomposition, welche seinen 1871 dessen Rücktritt als k. u. k. Hofballmusikdirektor zur Folge hatte, beflügelte Eduards eigene Karriere, denn er folgte im selben Jahre in diesem prestigeträchtigen Amt nach und behielt es nicht weniger als 30 Jahre, ehe er sich 1901 ins Privatleben zurückzog.
In seiner langen Amtszeit baute er die Strauss-Kapelle zu einem erstklassigen Kulturträger für Wien und Österreich aus und leitete mit seinen neu eingeführten sonntäglichen Nachmittagskonzerten in der Wintersaison einen unverzichtbaren Beitrag zum Musikleben der Hauptstadt der Habsburgermonarchie. Dabei dirigierte er nicht nur Strauss'sche Kompositionen, sondern auch die volle Bandbreite des klassisch-romantischen Repertoires von Mozart bis Wagner.
Ab 1878 erfolgten weitläufige Sommertourneen durch das Deutsche Reich sowie Gastspiele in England (1885, 1890) und Amerika (1900/01). Insgesamt trat er in nicht weniger als 840 (!) Städten auf.
Eduard Strauss war seit 1863 mit Maria Klenkhart (1840-1921) verheiratet, mit der er zwei Söhne hatte: Johann Strauss (Enkel) (1866-1939) und Josef Eduard Strauss (1868-1940).
Er starb am 28. Dezember 1916 an den Folgen einer Herzattacke im Alter von 81 Jahren als letzter der Strauss-Brüder, 46 Jahre nach Josef und 17 Jahre nach Johann, und wurde in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.
Kuriosum am Rande: Als einziges Familienmitglied schrieb er sich selbst mit ß statt ss, wobei auf seinem Grabstein die letztere Schreibweise verwendet wurde.
Nur ein Bruchteil seiner Werke befindet sich im heutigen Repertoire, das Gros harrt nach immer seiner Wiederentdeckung. Diskographisch ist Eduard Strauss weit schlechter abgedeckt als seine Brüder. Verdienstvoll sind die Bemühungen des Labels Chandos in der Serie "Vienna Première" zu nennen, die ihn besonders berücksichtige. Auch Marco Polo besorgte jüngst etliche Weltersteinspielungen dieses Komponisten.