Richard Wagner als Liedkomponist

  • Anmerkung:

    Im Rückblick auf das, was ich da zu den gesanglichen Interpretationen der Lieder „Der Engel“ und „Stehe still!“ durch Marie-Nicole Lemieux und Günther Groissböck verfasst habe, denke ich:
    Ich sollte dergleichen lassen, es jedenfalls nicht in gleicher Weise fortsetzen. Ohnehin habe ich mich ja nur deshalb darauf eingelassen, weil operus mich um ein Urteil über Groissböcks Interpretation der „Wesendonck“-Lieder bat (ohne sich allerdings, nachdem sie in zwei Fällen ja nun vorliegt, dazu irgendwie zu äußern).
    Meiner Grundüberzeugung folgend, dass man sein Urteil über eine Sache dem Anderen gegenüber gefälligst zu begründen habe, gerate ich im Falle von Liedgesang in eine derart kleinkariert-pingelige Erbsenzählerei, dass ich mir hier wie eine Wiederkehr von Beckmesser seligen Angedenkens vorkomme.
    Mir geht die souverän-lockere Hand in der sprachlichen Formulierung ab, wie sie aus einem wirklich kompetenten Urteilsvermögen in der Sache hervorgeht.
    Hier, im Tamino-Forum, gibt es einige, die darüber verfügen. Ich gehöre nicht dazu, und deshalb sollte ich mir Urteile über gesangliche Interpretation und die sie ausführenden Stimmen nicht anmaßen, dies vielmehr den Fachleuten überlassen.
    Den nun noch zur Besprechung anstehenden drei Liedern werde ich jeweils einen Link zu der Aufnahme der Lieder mit Marie-Nicole Lemieux beigeben und ihn mit einem kurzen Kommentar versehen, der beinhaltet, was mir an ihrer gesanglichen Interpretation des Liedes bemerkenswert erscheint.

  • Lieber Helmut Hofmann, wie dem auch sei.....

    ....hier nochmals die beiden Lieder in der Interpretation mit Bariton die mir auch sehr gut gefallen, was nicht am Anfang meines hörens der Fall war als ich mir die CD 2014 zulegte.



    Höre es dir einfach an, und wenn es dir gefällt OK, wenn nicht ist auch OK!


    Also wie ich schon beim anhören von Groissböck in einem anderen Thread bemerkte, gefällt mir seine Interpretation auch nicht, da ist für mich einfach kein Fluss drin, das stöpselt sich so zusammen!


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Mir geht die souverän-lockere Hand in der sprachlichen Formulierung ab, wie sie aus einem wirklich kompetenten Urteilsvermögen in der Sache hervorgeht.
    Hier, im Tamino-Forum, gibt es einige, die darüber verfügen. Ich gehöre nicht dazu, und deshalb sollte ich mir Urteile über gesangliche Interpretation und die sie ausführenden Stimmen nicht anmaßen, dies vielmehr den Fachleuten überlassen.

    Lieber Helmut Hofmann,

    wann darf man sich zu den Fachleuten zählen?

    Auch wer schon oft wegen Liederabenden durch Nacht und Nebel gefahren ist und sich Nächte um die Ohren geschlagen hat, um solche zu hören, kann nicht in den Besitz eines bestempelten Zertifikats gelangen, dass er nun anerkannter »Liedfachmann« ist. Also ist man darauf angewiesen, sich diesen Titel selbst zu verleihen.

    Wir hatten einmal im Thread »Beethoven - Liedmusik im Geiste der Klassik« im Beitrag 29 einen kurzen Gedankenaustausch über Peter Schreiers Liedvortrag »Bitten«, wenn einem das einfach gefällt, dann ist man »Liedfachmann«, auch wenn man es nicht beschreiben kann; schließlich gibt es die vielgebrauchte Redewendung, dass etwas unbeschreiblich schön ist oder war ...

  • Ach, was für eine Freude hast Du mir da gemacht, lieber hart, mit diesen Worten!

    An diesen kleinen Gedankenaustausch erinnere ich mich gut. Er ist mir ganz gegenwärtig als beglückendes Einvernehmen in der Erfahrung großen Liedgesangs.

    Schön, dass es so etwas gibt, - hier im Forum.

  • Vielen Dank, lieber Fiesco, für diesen Hinweis auf die Aufnahme der beiden Lieder mit Roman Trekel als Interpret. Ich kannte sie nicht, und es wurde zu einer interessanten Erfahrung, sie zu hören.
    Natürlich, diese Bariton-Stimme ist geschmeidiger als die Bass-Stimme von Groissböck, kann den melodischen Bewegungen leichter und in der gebotenen Gebundenheit folgen, so dass sich nicht dieser Eindruck einstellt, den Du bei diesem in höchst treffender Weise als „Sich-zusammen-Stöpseln" bezeichnet hast.
    Zwar meine ich nach wie vor, dass nur eine Frauenstimme (ein Sopran, wie vorgesehen, allenfalls auch ein Mezzosopran oder ein heller Alt) diese Lieder so gesanglich realisieren kann, wie Wagner sie im Kopf hatte, als er die Noten dazu niederschrieb.
    Aber wenn sich eine Männerstimme dranwagen sollte, dann ist es Roman Trekel doch recht gut gelungen. Weniger bei „Der Engel“, - da kann er, stimmlich bedingt, das bogenförmige Davon-Schweben der melodischen Linie nicht voll angemessen realisieren.
    Aber die Melodik von „Stehe still“ ist ja stärker deklamatorisch angelegt, und da kommen alle seine gesanglich-interpretatorischen Fähigkeiten voll zum Tragen.
    Stark beeindruckt hat mich die Art und Weise, wie er das Zusammensinken der melodischen Linie bei den Worten „Wesen in Wesen sich wiederfindet, / Und alles Hoffens Ende sich kündet, / Die Lippe verstummt in staunendem Schweigen, / Keinen Wunsch mehr will das Innre zeugen“ gesanglich gestaltet hat.
    Ein liedgesanglich anrührendes Erlebnis wurde das für mich!

  • Zitat von Helmut Hofmann

    Aber wenn sich eine Männerstimme dranwagen sollte, dann ist es Roman Trekel doch recht gut gelungen.

    Lieber Helmut Hofmann, danke fürs anhören, natürlich ist das nicht alles so wie mit einer Frauenstimme, aber immerhin ist es allemal des anhörenswert wert!


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • „Im Treibhaus“

    Hochgewölbte Blätterkronen,
    Baldachine von Smaragd,
    Kinder ihr aus fernen Zonen,
    Saget mir, warum ihr klagt?

    Schweigend neiget ihr die Zweige,
    Malet Zeichen in die Luft,
    Und der Leiden stummer Zeuge
    Steiget aufwärts, süßer Duft.

    Weit in sehnendem Verlangen
    Breitet ihr die Arme aus
    Und umschlinget wahnbefangen
    Öder Leere nicht'gen Graus.

    Wohl, ich weiß es, arme Pflanze;
    Ein Geschicke teilen wir,
    Ob umstrahlt von Licht und Glanze,
    Unsre Heimat ist nicht hier!

    Und wie froh die Sonne scheidet
    Von des Tages leerem Schein,
    Hüllet der, der wahrhaft leidet,
    Sich in Schweigens Dunkel ein.

    Stille wird's, ein säuselnd Weben
    Füllet bang den dunklen Raum:
    Schwere Tropfen seh´ ich schweben
    An der Blätter grünem Saum.

    Das lyrische Ich, in einem Treibhaus einhergehend, findet sich in den aus „fernen Zonen“ kommenden, hier aber in Gefangenschaft gehaltenen Pflanzengewächsen wieder. Unter den wie „Baldachine von Smaragd“ erscheinenden hohen Blätterkronen meint es eine stille Klage zu vernehmen. Die weit sich ausbreitenden Äste umfangen für es in Wirklichkeit „öder Leere nichtigen Graus“. Diese Pflanzengeschöpfe sind wesenhaft heimatlos, und das haben sie, so erfährt dies das lyrische Ich, mit ihm selbst gemein. Und wie diese hüllt es sich als tief leidendes Wesen in das Dunkel des Schweigens ein. Das Bild von den „schweren Tropfen“ am Saum der grünen Blätter evoziert jenes von den insgeheim vergossenen menschlichen Tränen.

    Es ist das Grundleiden der „Tristan“-Existenz, dem Wagner in dieser lyrischen Metaphorik begegnete, und so hat er denn hier, in diesem Lied, das musikalische Material zum Vorspiel und zur Eingangs-Szene des dritten Aufzug dieser seiner Oper geboren und dort dann in reicher Weise weiter entwickelt und entfaltet. Dieses Lied und das letzte mit dem Titel „Träume“ hat er ausdrücklich als „Studien zu Tristan und Isolde“ bezeichnet (WWV, 451f.). In den fünf Takten, die dem Einsatz der melodischen Linie vorausgehen, entfaltet sich das zentrale melodisch-harmonische Motiv, das sich als klangliche Verkörperung des Geistes erweist, der nicht nur die Musik dieses Liedes und deren Aussage prägt, gleichsam ihren Quellgrund bildet, sondern auch die Leitidee der Oper verkörpert. Es ist der des Entschwebens aus dem schmerzlichen Leid in die als existenzielle Erfüllung erfahrene Verklärung.

    Zweimal steigen auf der Grundlage eines Sechsachteltakts im Diskant über einem in eine D-Oktave übergehenden G-Dur-Akkord Achtel m Sekundschritt an, münden in einen verminderten E-Akkord im Wert eines punktierten Viertels, und eine Viertel-Terz folgt in einem weiteren Sekundschritt nach. Daran schließt sich ein in d-Moll einsetzender, sich in einem Neunachteltakt vollziehender und klanglich höchst ausdrucksstarker chromatischer Sekundanstieg an der sich über das große Intervall einer Duodezime erstreckt und in einem bitonalen A-Dur-Akkord in hoher Diskantlage endet. Dieser chromatische Sekundanstieg stellt gleichsam das klangliche Herz des Liedes dar, denn er erklingt in teilweise variierter Gestalt einschließlich des Nachspiels noch weitere vier Mal, und dies immer an von der lyrischen Aussage her gewichtiger Stelle.

    Die melodische Linie auf den ersten beiden Versen der ersten und der zweiten Strophe, die beim ersten Vers identisch ist, beim zweiten in der zweiten Strophe aber eine neue Gestalt annimmt, wird vom Klavier mit einer exakten Wiederholung dieser Figuren des Vorspiels begleitet, wobei der Takt wieder von sechs zu neun Achteln übergeht, so dass die melodische Bewegung auf dem zweiten Vers mitsamt dem chromatischen Terzanstieg, in den die gebettet ist, in zeitlich gestreckter Form erklingt und im Rahmen des dem Lied zugrundeliegenden Sechsachteltakts auf diese Weise ein gesteigertes musikalisches Gewicht erhält. Diese beiden Verspaare beinhalten das Wesen dieser pflanzlichen Treibhaus-Geschöpfe, und die Liedmusik evoziert mit ihren klanglichen Mitteln all die seelischen und gedanklichen Regungen, die sich beim lyrischen Ich in der Begegnung mit ihnen einstellen.

    Es ist die einer schmerzhaft und leidvoll erfahrenen Entfremdung in der existenziellen Heimatlosigkeit. In der melodischen Linie drückt sich das dergestalt aus, dass sie beim ersten Vers zunächst einen auf eine ansteigende Tonrepetitionen folgenden mehrfachen Sekundfall beschreibt, der sich beim zweiten Vers der ersten Strophe zunächst noch einmal wiederholt, dann aber – bei den Worten „von Smaragd“ – in einen Aufstieg in hohe Lage in Gestalt einer Kombination aus Quart- und Sekundsprung übergeht, die nach der vorangehend dissonanten Chromatik in Dur-Harmonik mündet. In der zweiten Strophe erfährt dieser melodische Aufstiegs-Gestus eine Steigerung, indem auf dem Wort „Zweige“ nun ein Quartfall in hoher Lage liegt, der einen Anstieg in Achtel- und Sechzehntel-Sekundschritten einleitet, der die melodische Linie in noch höhere Lage führt, was überdies auch noch mit einer ausdrucksstarken Rückung dieses Mal nicht vom d-Moll in die Dominante A-Dur, sondern nach B-Dur verbunden ist.

    In dieser in hohe Lage drängenden Melodik und in dem damit einhergehenden Sich-Befreien aus der dissonant-schmerzlichen Chromatik zu klarem und reinem A-Dur und B-Dur, wie sich das in der Liedmusik auf den ersten Verspaaren der der ersten beiden Strophen ereignet, vollzieht sich – so kann man das jedenfalls empfinden – in gleichsam programmatischer und auf seinen Aussage-Kern verdichteter Weise das, was in der nachfolgenden Liedmusik gleichsam ausgeführt und konkretisiert wird: Die Erfahrung einer innerlichen Befreiung aus den Zwängen der Entfremdung und Heimatlosigkeit in Gestalt einer Identifikation mit der eigenen existenziellen Bestimmung. Es ist wahrlich große Tristan-Musik, was man in diesem Lied vernimmt.

    Die orchestral geführte und arios ausgestaltete Melodik bildet mit dem Klaviersatz eine gleichsam symbiotische Einheit, und deshalb wäre es unsinnig, nun mit der Lupe der detaillierten liedanalytischen Betrachtung an sie heranzugehen, um ihr Wesen zu erfassen. Ihr spezifischer und darin genuin wagnerischer Charakter wird maßgeblich durch die Intention geprägt, einerseits die lyrische Aussage zu reflektieren, zugleich aber auch in der Entfaltung den Geist zu wahren, in dem sie angetreten ist. Das soll beispielhaft im Blick auf repräsentative Passagen aufgezeigt werden.

    Wie sie ihren – der Idee der „unendlichen Melodik verpflichteten – Geist wahrt, das zeigt sich zum Beispiel darin, dass sie immer wieder deklamatorische Figuren aufgreift und weiterentwickelt. So setzt sie bei den Worten „Kinder ihr aus fernen Zonen“ mit ähnlichen repetierenden Schritten ein wie beim ersten Vers, geht aber dann bei „Zonen“ in einen verminderten Sekundanstieg über, um anschließend, bei den Worten des letzten Verses ( „Saget mir, warum ihr klagt?“) zum Gestus der Repetition zurückzukehren. Das aber dient dazu, der ausdrucksstarken und mit einer harmonischen Rückung von g-Moll nach A-Dur verbundenen Kombination aus vermindertem Sekundsprung und –fall auf dem Wort „klagt“ umso stärkeren Nachdruck zu verleihen, auf dass die lyrischen Aussage in ihrer ganzen Tiefe erfasst wird.

    Ihren ganz eigenen – und einen so stark einnehmenden – Charakter lässt die Melodik auch in der zweiten Strophe vernehmen, dort nämlich, wo sie, weil die lyrische Aussage dies fordert, von der Wiederholung der Figuren der ersten Strophe ablässt und zu neuen übergeht. Das ist bei den Worten „Und der Leiden stummer Zeuge / Steiget aufwärts, süßer Duft“ der Fall. Auf insistierend anmutende Weise geht sie in den deklamatorischen Gestus der permanenten Entfaltung in Tonrepetitionen über, die in der tonalen Ebene in kleinen Sekunden ansteigen und wieder fallen, wobei das Klavier dies im Diskant mit wellenartigen, Anstieg und Fall mitvollziehenden Achtelfiguren begleitet und die Harmonik eine ausdrucksstarke Rückung von c-Moll nach ges-Moll vollzieht. Dabei handelt es sich ebenfalls um ein zentrales melodisches Motiv der Liedmusik. Diese in Moll fallende Wellenbewegung erklang bereits einmal in der ersten Strophe bei den Worten „Kinder ihr aus fernen Zonen, saget mir, warum ihr klagt“, und man vernimmt sie noch einmal in der letzten Strophe im kurzen Zwischenspiel und als Begleitung der melodischen Linie auf den Worten „schwere Tropfen“.

    Dann aber ereignet sich, den Worten „süßer Duft“ geschuldet, etwas klanglich in Bann Schlagendes: Die melodische Linie lässt, während das Klavier mit seinen Achtelfiguren die Fallbewegung weiter fortsetzt, von ihren Tonrepetitionen ab und geht zu einem Anstieg in kleinen Sekundschritten über, der bei „Duft“ auf einem hohen „Fis“ in eine lange Dehnung übergeht, bei der sich eine geradezu fesselnde, weil überraschende und klanglich lieblich wirkende harmonische Rückung nach H-Dur ereignet.

    Wie sehr die Liedmusik in ihrer zentralen Aussage von der melodisch-harmonischen Figur der ersten drei Takte des Vorspiels inspiriert ist und in ihrem klanglichen Charakter geprägt wird, lässt die dritte Strophe auf eindringliche Weise vernehmen. Bevor die melodische Linie auf den Worten „Weit in sehnendem Verlangen / Breitet ihr die Arme aus“ einsetzt, lässt das Klavier diese Figur bereits in ihren typischen harmonischen Rückungen erklingen, und die in ihr einsetzende melodische Linie vollzieht die ihr immanente Melodik in strukturell identischer Weise zweimal nach, bevor sie bei den Worten des zweiten Verses zu einem Anstieg übergeht, der bei „Arme aus“ nach einem verminderten Sekundsprung in einem Quintfall endet. Moll-Harmonik herrscht vor (e-Moll, a-Moll), denn das Klavier lässt permanent die Grundfigur in leichten Variationen erklingen, und diesen Gestus behält es auch für das eintaktige Zwischenspiel und für die Begleitung der melodischen Linie auf den beiden letzten Versen der Strophe fast bis zum Ende bei. Diese verharrt bei den Worten „Und umschlinget wahnbefangen“ zunächst in Gestalt von Tonrepetitionen in tiefer Lage, wobei das Wort „befangen“ durch einen eingelagerten verminderten Terzfall einen deutlichen Akzent erhält.

    Bei den Worten „öder Leere nicht'gen Graus“ ereignet sich aber Bemerkenswertes. Das Klavier beendet die Wiederholung des Grundmotivs und geht zu seiner Fortsetzung im vierten Takt des Vorspiels über: Dem chromatischen Terzanstieg in hohe Lage. Und die melodische Linie kann angesichts seiner klanglichen Macht gar nicht anders, als ihm in seinem Aufstieg zu folgen und dem Wort „Graus“ dadurch den ihm angemessenen Akzent zu verleihen, dass es nach einem Terzfall in einen Quintsprung übergeht, bei dem die Harmonik eine ausdrucksstarke Rückung von d-Moll hin zu einem verminderten, und pianissimo angeschlagenen verminderten G-Akkord vollzieht.

    In der vierten Strophe gesteht das lyrische Ich, in der Identifikation mit den Treibhaus-Gewächsen, seine existenzielle Heimatlosigkeit. Wagner wird diesem so gewichtigen lyrischen Sachverhalt in der Weise gerecht – und das zeigt, wie eminent liedmusikalisch er hier und in allen Wesendonck-Kompositionen denkt -, dass er die melodische Linie stärker als in den anderen Strophen exponiert, klanglich in den Vordergrund rückt. Denn das Klavier beschränkt sich hier fast ausschließlich darauf, sie mit zum Teil lang gehaltenen Akkorden zu begleiten. Nur die am Ende in einen verminderten Sekundfall übergehende Aufstiegsbewegung, die sie bei den Worten „Ob umstrahlt von Licht und Glanze“ beschreibt, vollzieht es in Gestalt von Oktaven im Diskant mit. Aber einmal, bei der wie ein Stocken angelegten, weil permanent von Achtelpausen unterbrochenen Sekundfall-Bewegung auf den Worten „Ein Geschicke teilen wir“ hält es sich sogar einen Takt lang völlig zurück und verleiht ihr durch sein Schweigen das Gewicht, das dem für die lyrische Aussage so zentralen Vers zukommt. Ohnehin drückt sich der eminent rhetorische Charakter der Melodik dieser Strophe darin aus, dass ihre immer wieder neu ansetzenden Fallbewegungen von Achtel- und Sechzehntelpausen voneinander abgehoben werden, so dass sich gar keine gebundene Linie bilden kann. Nur bei den Worten „Ob umstrahlt von Licht und Glanze“ ist das, dem lyrischen Bild geschuldet, ausnahmsweise der Fall.

    Auch harmonisch hebt sich diese Strophe von den vorangehenden ab. Das Tongeschlecht Dur herrscht fast vollständig vor, in Gestalt von – allerdings wieder ausdrucksstarken – Rückungen aus dem anfänglichen D-Dur nach Es-Dur, E-Dur und As-Dur. Nur zweimal klingt, den affektiven Gehalt zum Ausdruck bringend, Moll-Harmonik auf: Bei dem melodischen Quintfall auf „Heimat“ und am Ende des – wieder von einer Sechzehntelpause unterbrochenen – zweifachen Sekundfalls auf den Worten „ist nicht hier“, den das Klavier mit einem lang gehaltenen g-Moll-Akkord kommentiert. Dieses Sich-Abheben im Bereich von Melodik und Harmonik, ja dieses Mal sogar im Klaviersatz, ereignet sich noch ein zweites Mal, und bezeichnenderweise ist es wieder die lyrische Aussage, die dafür verantwortlich ist. Bei der letzten Strophe ist das der Fall. Wieder ist die Melodik in kleine Zeilen untergliedert, wieder dominiert Dur-Harmonik, und hier nimmt auch der Klaviersatz eine besondere Gestalt an: Die melodische Linie entfaltet sich bei den ersten beiden durchgehend auf der Grundlage von Tremoli im Diskant und lang gehaltenen Oktaven im Bass. Die Harmonik beschreibt hier drei Mal eine Rückung von D-Dur nach E-Dur.

    Es ist die musikalische Evokation des lyrischen Bildes vom „säuselnden Weben“ im stillen dunklen Raum, die Wagner hier auf beeindruckende Weise generiert. Auf den Worten „stille wird´s“ beschreibt die melodische Linie einen Quintfall mit Tonrepetition in tiefer Lage. Eine ganztaktige Pause folgt für sie nach. Bei „ein säuselnd´ Weben“ steigt sie nach einer neuerlichen Tonrepetition aus dieser tiefen Lage in einem kleinen Sekund- und einem Terzschritt in untere Mittellage auf. Erneut tritt eine Pause für sie einen, dieses Mal im Wert eine halben Takts, und auf den Worten „füllet bang den dunklen Raum“ vollzieht sie dann die gleiche Anstiegsbewegung aus der tiefen Lage noch einmal, setzt sie nun aber mit zwei Sekundschritten fort, um bei dem Wort „Raum“ auf einem „B“ in mittlerer Lage zu enden. Dieser letzte Sekundschritt ist mit einer Rückung von Es-Dur nach B-Dur verbunden. Das aber ist nicht das einzige klanglich bemerkenswerte Ereignis. In der nachfolgenden fast eintaktigen Pause lässt das Klavier ein drittes Mal die wellenartig fallende Schlüsselfigur erklingen – pianissimo und gedehnt (Neunachteltakt!) - , und weil deren Wesen im Tongeschlecht Moll gründet, ereignet sich in ihrem Fortgang beim Einsatz der melodischen Linie auf den Worten „Schwere Tropfen seh´ ich schweben“ eine harmonische Rückung von B-Dur nach as-Moll.

    Es ist das lyrische Bild, das die Assoziation von Tränen auszulösen vermag, - das stille Leiden der Treibhaus-Pflanzen bekundend, das auch das Leiden des lyrischen Ichs ist. Und so geht denn die melodische Linie nach dem anfänglich lang gedehnten kleinen Sekundfall auf „schwere“ bei dem Wort „Tropfen“ zu einem Sturz über eine Quarte in die tiefe Lage eines „Cis“ über, verbunden mit der ausdrucksstarken harmonischen Rückung vom anfänglichen as-Moll nach ges-Moll. Und in ihrer weiteren Entfaltung wirkt sie so, als fehle ihr die Kraft, sich aus dieser Tiefe noch einmal zu erheben. Bei den Worten „seh´ ich schweben“ gelingt ihr nur ein Sekundanstieg von diesem tiefen „Cis“, wobei die Harmonik von ges-Moll nach des-Moll rückt. Die Worte „an der Blätter grünem“ werden ausschließlich auf einem tiefen „Es“, also nach einem weiteren Anstieg um nur eine Sekunde, deklamiert. Aber Signifikantes hat sich ereignet. Das Klavier lässt von seinen Fallfiguren ab und begleitet mit bitonalen Sekunden im Diskant und lang gehaltenen Terzen im Bass. Und die Harmonik, - sie rückt von dem dissonanten des-Moll nach Es-Dur. Und das ist nicht das einzig Erstaunliche am Ende der Melodik dieses Liedes: Zu dem Wort „Saum“ hin beschreibt die melodische Linie einen Anstieg um eine verminderte Sekunde, und die lange Dehnung, in die sie bei diesem letzten Wort verfällt ist in einer wahrlich wundervollen Rückung von Es-Dur zur Tonart „E“ verbunden, und dies auch noch in deren Dominantsept-Variante.

    Was ist hier geschehen?
    Diese harmonisch geradezu kühne Rückung in helles E-Dur und das nachfolgende siebentaktige Nachspiel, in dem nach einer zweitaktigen Fortsetzung der bitonalen Begleitungsfiguren das ganze Vorspiel mitsamt seinem chromatischen und nun in höhere tonale Lage entschwebenden Terzenanstieg noch einmal aufklingt, wollen wohl sagen:
    Dieses lyrische Ich hat in der Begegnung mit den ihm wesensverwandten Treibhausgewächsen zu einem Einverständnis mit seiner wesenhaft zum Leiden verdammten eigenen Existenz gefunden, - und damit zu dem Weg einer Befreiung daraus.

  • „Im Treibhaus“ in der gesanglichen Interpretation durch Marie-Nicole Lemieux, begleitet von Daniel Blumenthal



    Die Anweisung „langsam und schwer“, die Wagner für den Vortrag dieses Liedes fordert, ist wohl so zu verstehen, dass die melodische Linie zwar in gebundener, aber nicht allzu stark fließender Weise wiedergegeben werden, vielmehr dem einzelnen deklamatorischen Schritt das ihm gebührende Gewicht verliehen werden soll, auf dass sich daraus die musikalische Aussage konstituieren kann. Das hat seinen guten Sinn, reflektiert die Melodik doch in der Art und Weise ihrer Anlage den Ansprache-Gestus der lyrischen Sprache und darin wiederum die Gedanken und Emotionen, die sich im lyrischen Ich bei der Begegnung mit den „Treibhaus“-Gewächsen einstellen. Die Berücksichtigung dieser Vortragsanweisung darf jedoch nicht dazu führen, dass ein anderes Wesensmerkmal der Melodik dieses Liedes unberücksichtigt bleibt: Ihre Tendenz zum Entschweben in hohe tonale Lage, worin Wagner das immer wieder sich ereignende Sich-Hineinsteigern des lyrischen Ichs in eben jene gedanklichen und emotionalen Regungen zum Ausdruck bringt. Das klanglich so eindrückliche über den chromatischen Terzenanstieg in hohem A-Dur sich verlierende und darin Tristan-Geist atmende Vorspiel gibt dies ja gleichsam vor.

    Diesem Dualismus, wie er sich aus der spezifischen Eigenart dieser Liedkomposition für ihren Vortrag ergibt, bewältigt Marie-Nicole Lemieux auf vollkommene Weise, und das macht ihre gesangliche Interpretation dieses – zweifellos großartigen - Liedes so überzeugend. Gleich bei der ersten, die Worte „Hochgewölbte Blätterkronen, Baldachine von Smaragd“ beinhaltenden Melodiezeile kann man das vernehmen und auf eindrückliche Weise erleben. Die melodische Linie ist hier ja zweiteilig angelegt, nicht nur in ihrer Struktur, sondern auch in ihrem Metrum. Im ersten Teil ein auf der Grundlage eines Sechsachteltakts in ruhigen Schritten über das Intervall einer Quarte erfolgender Anstieg der melodischen Linie in mittlerer Lage mit nachfolgendem Zurücksinken in die um eine Terz abgesenkte Ausgangslage; im zweiten Teil ein, nun auf der Grundlage eines Neunachteltakts erfolgender erst wellenartiger, dann bei „Smaragd“ über zwei Sprünge erfolgender Aufstieg in hohe Lage. Diesen Umschlag im Vortrags-Gestus, der gleichwohl nicht unter Preisgabe der Gewichtigkeit der deklamatorischen Schritte erfolgen darf, gestaltet sie auf eine den Anforderungen voll gerecht werdende Art und Weise. Christine Brewer – um einen Vergleich anzustellen - gelingt das nicht ganz so gut: Sie differenziert weniger, reduziert das deklamatorische Gewicht bei den Sprungbewegungen auf „Smaragd“ nicht in gleicher Weise.

    Nun soll keine in dieser detaillierten Weise angelegte Betrachtung des ganzen Liedvortrags folgen. Nur ein paar Hinweise auf für diesen repräsentative Passagen. Der für die Melodik so charakteristische und die musikalische Aussage konstituierende Dualismus zwischen schmerzlicher, in Chromatik gebetteter Fallbewegung und wie von feinem innerem Jubel beflügeltem Anstieg in Dur-Harmonisierung wird von Lemieux in allen seinen Varianten in der jeweils angemessenen Weise gesanglich wiedergegeben. So zum Beispiel bei den Worten „und der Leiden stummer Zeuge, steiget aufwärts süßer Duft“: Fall in ges-Moll, Anstieg in H-Dur mündend. Deklamatorisch gewichtig, darin Ansprache-Gestus reflektierend, wird das fallend angelegte melodische Auf und Ab auf den Worten „Wohl, ich weiß es, arme Pflanze: Ein Geschicke teilen wir“ wiedergegeben, und dann folgt der emphatische , mit einer ausdrucksstarken harmonischen Rückung von E-Dur nach As-Dur einhergehende Aufschwung der melodischen Linie bei den Worten „ob umstrahlt von Licht und Glanze“.
    Hier steigert Lemieux ihren Vortrag in ein expressives Forte, nimmt ihre Stimme aber danach bei den mit einem Diminuendo versehenen und in g-Moll gebetteten Terz- und Quintfall auf den Worten „unsre Heimat“ („ist nicht hier“) in die hier gebotene Innerlichkeit zurück.

    Stark beeindruckt hat mich die Art und Weise, wie sie das Zerbrechen der melodischen Linie über dem Bass-Tremolo bei den Worten „Stille wird´s“ – „ein säuselnd Weben“ – füllet bang den dunklen Raum“ gesanglich wiedergibt. Sie nimmt ihre Stimme fast bis hin zur Tonlosigkeit zurück und widersteht – darin ganz den kompositorischen Intentionen Wagners entsprechend - der Versuchung, anlässlich der Aufstiegsbewegung, die die melodische Linie bei den Worten „Weben“ und „dunklen Raum“ beschreibt, diesen deklamatorischen Gestus zu verlassen.
    Für mich ist das ein Indiz dafür, wie tief sie in ihrem Verständnis in die so hochkomplexe strukturelle und harmonische Wesensart der Melodik dieses Liedes eingedrungen ist.

  • Zu den biographischen Hintergründen der Komposition von „Im Treibhaus“


    Bei diesen kleinen Ergänzungen zu den liedanalytischen Betrachtungen muss es, bedingt durch die nicht ihrer Entstehung entsprechenden Reihenfolge der Lieder, im zeitlichen Ablauf des Geschehens im Hause Wesendonck ein wenig sprunghaft hin und her gehen. Auch die Komposition „Im Treibhaus“ – es ist, am 1. Mai 1858 entstanden, die chronologisch letzte – verdankt ihre Entstehung einer – durch Wagner selbst verursachten – Irritation zwischen ihm und Mathilde und dem Willen, sich ihrer Liebe erneut zu versichern. Kurioserweise entstand der Ärger durch einen Streit über Goethe. Bei dem Abendessen am 6. April, zu dem auch der von Wagner als Rivale betrachtete De Sanctis eingeladen war, kam man auf Goethes „Faust“ zu sprechen. Mathilde sah in Faust die bedeutendste literarische Figur, die Goethe geschaffen habe, und weil De Sanctis ihr darin begeistert zustimmte, widersprach ihr Wagner heftig und erregte sich dabei derart, dass er schließlich aus dem Zimmer stürmte und sich hinüber zu seinem „Asyl“ begab.

    Allein in der Nacht packten ihn schwere Gewissensbisse, und er verfasste einen langen Brief an Mathilde, den er als „Morgenbeichte“ bezeichnete. Darin ging es um sein Verhalten, seine Auffassungen über Goethe und dessen „Faust“ und die Versicherung seiner großen Liebe zu ihr. „Sei so gut und vergib mir kein kindisches Wesen von gestern“ heißt es darin. Er sei in einen „schrecklichen Hass auf alle Sanctis der Welt verfallen“, aber „Nicht den de Sanctis hasse ich, sondern mich, daß ich mein armes Herz immer wieder in solcher Schwäche überraschte.“ Aber was Goethe anbelange, so beruhe die Tatsache, dass dieser „für die philisterhafte Accomodation hergerichtet werden“ könne, „auf einem falschen Verständnis seines Werkes“. Und typisch für seine Grundauffassung – siehe „Holländer“, siehe „Tristan“ - , dass das Seelenheil, die Erlösung aus den seelischen Verstrickungen allein durch die Liebe möglich sei, sind die Worte: „Da wäre es denn nun aber besser, Faust lernte wirklich, was zu lernen ist, und zwar bei der ersten, so schönen Gelegenheit, der Liebe Gretchens“, und: „So heißt dieser Faust für mich eigentlich die versäumte Gelegenheit; und diese Gelegenheit war keine geringere, als die einzige des Heils und der Erlösung.“

    Der Brief endete in den Worten „Nimm meine ganze Seele zum Morgengruße“. Er sollte an Mathilde gehen, geriet aber durch ein Ungeschick des Boten in die Hände von Minna. Sie meinte darin einen Beleg für eine gerade zuvor stattgefundene „wilde Liebesnacht“ – so an ihre Freundin Mathilde Schiffner - in der Hand zu haben und verlor so sehr die Fassung, dass sie Mathilde wütend zur Rede stellte, - ohne ihr freilich den Brief auszuhändigen. Wagner sah nur noch eine Lösung: Er behauptete, Minna sei krank und müsse zur Kur. Das geschah auch, sie wurde auf seine Veranlassung hin in die Nervenklinik nach Brestenberg eingeliefert, wo er sie mehrfach besuchte und dazwischen mit vielen Briefen zu beruhigen versuchte.

    Dieses „Problem“ hatte er zwar erst einmal bewältigt, blieb noch das andere: Die Liebe Mathildes zurückzugewinnen, - immer den angeblichen Rivalen De Sanctis im Hinterkopf. Aber dabei ging es ja eigentlich – typisch für diese singuläre musikhistorische Person Richard Wagner – um mehr: Seine Arbeit am „Tristan“. Den ersten Akt hat er vollendet, der zweite ist gerade begonnen und muss fortgeführt werden. Und dazu braucht er Mathilde, - als inspiratorischen Quellgrund und motivierenden Faktor der Komposition. Also schreibt er an sie:
    „Mir geht es passabel! Wie geht es der eifrigen Schülerin des de Sanctis?“ Und fügt hinzu: „Ich will mich so allmählich wieder für die Arbeit stimmen. Mit winkt der 2te Akt“. (…) Sehen wir uns heute?“
    Am selben Tag schickt er ihr seinen ursprünglichen Entwurf für den „Tristan“, in dem er Parsifal auf Tristan treffen lässt mit den Worten: „Wo find ich dich, du heiliger Gral, dich sucht voller Sehnsucht mein Herze“.
    Und dem fügt er hinzu: „Du liebes irrendes Kind! Sieh, das wollte ich eben aufschreiben, als ich Deine schönen edlen Verse fand.“
    Es sind die von ihr mit dem Titel „Im Treibhaus“ versehenen. Wagner setzt sie in Musik und bezeichnet sie als „Studie zu >Tristan und Isolde<“.

  • Bei dem Abendessen am 6. April, zu dem auch der von Wagner als Rivale betrachtete De Sanctis eingeladen war, kam man auf Goethes „Faust“ zu sprechen. Mathilde sah in Faust die bedeutendste literarische Figur, die Goethe geschaffen habe, und weil De Sanctis ihr darin begeistert zustimmte, widersprach ihr Wagner heftig und erregte sich dabei derart, dass er schließlich aus dem Zimmer stürmte und sich hinüber zu seinem „Asyl“ begab.

    Man kann ja heute niemanden mehr befragen, wie sich das tatsächlich abspielte, Walter Hansen ließ es in seiner Wagner-Biographie so abdrucken:


    »Er traf Mathilde allein an und brach ein Streitgespräch über Goethes ›Faust‹ vom Zaun, mit dem er seinen Zorn über de Sanctis auf hohem Niveau sublimierte. Mathilde kam kaum zu Wort. Er redete sich das Gift aus dem Leibe, verwechselte gelegentlich schon mal Mephistopheles mit de Sanctis und zog sich wieder ins ›Asyl‹ zurück«.

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  • Zit.:„Man kann ja heute niemanden mehr befragen, wie sich das tatsächlich abspielte…“


    Ja, leider ist das so, lieber hart! Ich wäre so gerne dabei gewesen, als heimlicher Zuhörer und Beobachter dieses Gesprächs, das in einem Eklat endete. Denn dieses Ereignis verrät, so wie wir es heute aus den schriftlichen Quellen rekonstruieren können, sehr viel über den Menschen Richard Wagner und seine Grundhaltung und Grundauffassungen als Künstler und Komponist.
    Es ging ja um mehr als eine simple Eifersucht auf einen gutaussehenden Neapolitaner, Professor für Ästhetik und italienische Literatur am Polytechnikum Zürich, es ging um Wagners Menschenbild, wie es ihn gerade in der Arbeit an seiner Oper „Tristan und Isolde“ beschäftigte.
    Wenn man in diesem Brief „Morgenbeichte“ nachliest, werden die tiefer reichenden Dimensionen dieses Streits mit Mathilde an jenem Abend sehr deutlich. Er störte sich an der Stilisierung der zutiefst innerlich zerrissenen literarischen Figur „Faust“ zum Inbegriff edlen und heroischen Menschentums, wie Mathilde sie vornahm und vertrat. Das löste den Streit zwischen beiden aus. Zum Wutausbruch kam es erst dadurch, dass de Sanctis ihr darin ausdrücklich zustimmte. Und eigentlich hatte Wagner in der Sache ja auch recht!

    Das Bild, das er von „Faust“ hatte, geht recht deutlich aus der brieflichen „Morgenbeichte“ hervor, - einschließlich seiner tieferen Beziehungen zu dem Menschenbild, wie es im „Tristan“ künstlerische Gestalt annimmt. Fausts Verzweiflung an der Welt – ihm selbst allzu sehr vertraut – beruhe, so meint er auf mangelnder Kenntnis der realen Welt. Dieser sei „eben nur ein phantastischer Gelehrter, und die eigentliche Welt hat er noch gar nicht durchwühlt; dann ist er eben nur krüppelhaft unterentwickelt, und man mag es gut heißen, daß er in die Lehre der Welt geschickt wird.“
    Lernen über die Welt hätte er etwas aus seiner Liebe zu Gretchen können, nämlich dass es in ihr wahre Erlösung nur durch die Liebe geben könne. Aber Goethe habe, und das macht er diesem tatsächlich zum Vorwurf, diesen „Faust“ die ganze Geschichte mit Gretchen spurlos vergessen lassen, - was natürlich nicht zutrifft.
    Und die Quintessenz seines Bildes von „Faust“, bezogen auf das Menschenbild, das er als literarische Gestalt verkörpert, fasst er schließlich in den Worten zusammen:
    „So heißt dieser Faust für mich eigentlich die versäumte Gelegenheit; und diese Gelegenheit war keine geringere als die einzige des Heiles und der Erlösung.“

    Und da ist sie, die Beziehung zu „Tristan und Isolde“, - der eigentliche, wahre Kern dieser Auseinandersetzung zwischen ihm und Mathilde. Und so muss man dann auch die Worte lesen, die er in dieser „Morgenbeichte“ den Äußerungen über Goethe und seinen „Faust“ anfügt:
    „Sehe ich Dein Auge, dann kann ich doch nicht mehr reden; dann wird doch alles nichtig, was ich sagen könnte! Sieh dann ist mir alles so unbestreitbar wahr, dann bin ich meiner so sicher, wenn dieses wunderbare, heilige Auge auf mir ruht, und ich mich hineinversenke“, - wie Tristan in die Augen Isoldes, möchte man hinzufügen.
    Und er fährt fort:
    „Dann gibt es eben kein Objekt und kein Subjekt mehr. Da ist Alles Eines und Einig, tiefe unermessliche Harmonie! Oh da ist Ruhe und in der Ruhe höchstes, vollendetes Leben (…) nur Innen, im Innern, nur in der Tiefe wohnt das Heil.“

  • „Schmerzen“

    Sonne, weinest jeden Abend
    Dir die schönen Augen rot,
    Wenn im Meeresspiegel badend
    Dich erreicht der frühe Tod;

    Doch erstehst in alter Pracht,
    Glorie der düstren Welt,
    Du am Morgen, neu erwacht,
    Wie ein stolzer Siegesheld!

    Ach, wie sollte ich da klagen,
    Wie, mein Herz, so schwer dich sehn,
    Muß die Sonne selbst verzagen,
    Muß die Sonne untergehn?

    Und gebieret Tod nur Leben,
    Geben Schmerzen Wonnen nur:
    O, wie dank´ ich, daß gegeben
    Solche Schmerzen mir Natur!

    War es im vorangehenden Gedicht die Pflanzenwelt des „Treibhauses“, die das lyrische Ich zur reflexiven Auseinandersetzung mit seinem Schicksal des existenziell bedingten Leidens anregte, so ist es hier das Bild von der auf- und untergehenden Sonne. Dieses wird als täglich sich ereignende Folge von Tod und Wiederauferstehung als „stolzer Siegesheld“ erfahren und interpretiert. Und typisch für die stark ausgeprägte Gedanklichkeit der Lyrik Mathilde Wesendoncks ist nun, dass sich für das lyrische Ich daraus die Gewissheit herleiten lässt, dass, wenn der Tod Leben gebiert, Schmerzen auch Wonne gebären können. Und in der Logik dieser These sieht sich das Ich sogar am Ende dazu verpflichtet, der Natur dafür zu danken, dass sie ihm „solche Schmerzen gegeben“ hat.

    Die Nähe zu Wagners Tristan-Ideologie ist unverkennbar, und so wundert es gar nicht, dass dieser zu diesen Versen zum Zwecke einer Umsetzung in Liedmusik gegriffen hat. Und er hat dabei sogar einen ausdrücklichen Bezug zu seiner Tristan-Musik hergestellt. Der die Liedmusik im dreitaktigen Vorspiel eröffnende und sie in ihrer Entfaltung auf maßgebliche Weise prägende große Septim-Akkord auf der Basis der Töne „Es“ und „D“ erklingt in identischer Weise am Anfang des Vorspiels zum zweiten Aufzug von „Tristan und Isolde“, und er steht darin für den „verfluchten Tag“, der in schroff-schmerzlichem Kontrast zur ersehnten und herbei geflehten „wunderreichen Nacht“ steht. Ein rhythmisierter Fall von Achtel- und Sechzehntel-Oktaven geht aus diesem forte angeschlagenen und relativ lang gehaltenen (punktierte Viertel) Eröffnungsakkord hervor, der von seinem Tiefpunkt auf der tonalen Ebene eines „D“ an wieder in einen Anstieg übergeht und in einen G-Dur-Akkord mündet, der als Dominante für den sich anschließenden Einsatz der melodischen Linie fungiert. Denn dieser erfolgt in c-Moll-Harmonik, der Grundtonart dieses Liedes, dem ein Viervierteltakt zugrunde liegt und das „langsam und breit“ vorgetragen werden soll.

    Die Figur, die die Oktaven des Vorspiels beschreiben, erweist sich als Vorgabe für die Linie, die die Melodik auf den Eingangsworten „Sonne, weinest jeden Abend / Dir die schönen Augen rot“ beschreibt. Es ist ein ruhiger, auf einem hohen „D“ ansetzender, sich in Sekundenschritten ereignender und durch die eingelagerten Sechzehntel rhythmisierter melodischer Fall, der nach seinem kurzen Wiederanstieg bei den Worten „schönen Augen aus“ erst einen leicht gedehnten Quintfall und danach einen stark gedehnten über eine Sekunde vollzieht und auf diese Weise die Abwärtsbewegung endgültig werden lässt. Dieser melodischen Figur, die zunächst vom Klavier im Diskant mitvollzogen wird, bevor dieses dann die doppelte Fallbewegung am Ende mit lang gehaltenen Akkorden begleitet, kommt eine zentrale Rolle in der Liedmusik auf diese Wesendonck-Verse zu: Sie kehrt auf den für die lyrische Aussage so wichtigen Worten der dritten Strophe „Ach, wie sollte ich da klagen, / Wie, mein Herz, so schwer dich sehn“ in identischer Gestalt wieder, stellt in ihrer Struktur und ihrer Harmonisierung in c-Moll mit Zwischenrückung nach f-Moll und Endrückung nach G-Dur eine melodisch-harmonische Entfaltung des einleitenden Septimakkords dar und verkörpert auf diese Weise den Geist des Liedes, der sich lyrisch-sprachlich in dem als Titel fungierenden Wort „Schmerzen“ verdichtet und konkretisiert.

    Bei den Worten „Wenn im Meeresspiegel badend“ beschreibt die melodische Linie zunächst einen Anstieg in Sekundschritten, geht aber schon bei „badend“ in einen Terzfall über, der die Abwärtsbewegung einleitet, die der Kombination aus Sextsprung und doppeltem Sekundfall vorausgeht, die sich auf den Worten „der frühe Tod“ ereignet. In ihnen drückt sich das spezifische Verständnis von Sonnenuntergang aus, wie es gleichsam die Grundlage der lyrischen Aussage des Gedichts darstellt. Die Melodik greift dies mit diesem Übergang von dem ruhigen Anstieg und Fall zu sprunghaften Bewegungen auf. Und auch die Harmonik reagiert darauf: War die melodische Linie beim dritten Vers noch in As-Dur mit kurzer Zwischenrückung nach Des- Dur harmonisiert, so tritt nun ein g-Moll an die Stelle des Tongeschlechts Dur, dies allerdings unter kurzer Einbeziehung der Dominante D-Dur. Das Klavier, das durchweg mit lang gehaltenen Akkorden begleitete, von denen einer bei dem Wort „Meeresspiegel“ sogar arpeggiert ist, geht am Ende, eben bei den Worten „der frühe Tod“ zu einem Fall von Achtel-Akkorden über, die den Klaviersatz einleiten, in dem die Melodik der zweiten Strophe begleitet wird.

    Die Liedmusik greift hier das im Zentrum stehende Bild von der prachtvoll aufgehenden und die „düstre Welt“ glorienhaft bestrahlende Morgensonne auf. Und weil Mathilde Wesendonck, wie so oft in ihren Versen in die lyrisch-metaphorische Manier Wagners verfällt und aus der Sonne einen „stolzen Siegeshelden“ macht, kann dieser gar nicht anders, als der Liedmusik einen hohen Grad an Expressivität zu verleihen und sie bei den Worten „stolzer Siegesheld“ in den schmetternden Ton ausbrechen zu lassen, dem man in seiner Opernmusik immer wieder in sattsamer Weise begegnet Und deshalb ist es ganz konsequent, weil von der liedkompositorischen Intention her geradezu erforderlich, dass das Klavier die melodische Linie in dieser Strophe fast bis zum Schluss in Bass und Diskant mit Achtelakkord-Repetitionen in Gestalt von Vierergruppen begleitet.

    Erst bei dem ihm so wichtigen Bild vom „Siegeshelden“ werden daraus fanfarenhaft in hohe Lage aufsteigende und sich vom Forte ins Fortissimo steigernde achtstimmige Akkorde im Wert von halben Noten, und die Harmonik, die zuvor in dieser Strophe mehrfach das Tongeschlecht wechselte und Rückungen von g-Moll und f-Moll nach As.-Dur und c-Moll beschrieb, geht nun mit einem Mal zu der geradezu klassischen Rückung von dem als Dominante fungierenden F-Dur zur Tonika B-Dur über. Und als wäre des Siegesfanfaren-Tons noch nicht genug, lässt das Klavier in der mehr als eintaktigen Pause vor der dritten Strophe den schmetternden akkordischen Aufstieg noch einmal erklingen, - nun zwar nur noch dreistimmig, aber immer noch fortissimo und in der Harmonik der Tonika.

    Auch die melodische Linie ist in ihrer Entfaltung ganz von diesem Geist der „Glorie“ und des heldenhaften „Sieges“ geprägt. Bei den Worten „Doch erstehst in alter Pracht“ beschreibt sie einen aus einer Tonrepetition in unterer Mittellage hervorgehenden Anstieg in Sekundschritten, der sie zu einem „Es“ in oberer Mittellage führt. Das Klavier begleitet das mit repetierenden f-Moll-Akkorden, dies allerdings in einem Crescendo. Nach einer Achtelpause geht die melodische Linie dann aber zu dem Wort „Glorie“ hin mit einem Quartsprung zu einem „As“ in hoher Lage über, hält diesen Ton auf der ersten Silbe dieses Wortes lange und beschreibt bei den beiden nachfolgenden Silben in einen regerechten Sturz über eine Quarte und eine Terz, der sich bei den Worten „der düstren Welt“ fortsetzt, nun allerdings in Sekundschritten und am Ende in c-Moll-Harmonik übergehend. Das ist klanglich äußerst wirkungsvoll, denn die so expressiv-lange melodische Dehnung auf „Glorie“ ereignet sich mitsamt den ersten Schritten des nachfolgenden Falls in strahlendem As-Dur.

    Auf den Worten „Ach, wie sollte ich da klagen, / Wie, mein Herz, so schwer dich sehn“ kehrt die melodische Linie mitsamt dem zugehörigen Klaviersatz in nur ganz leicht variierter, der Deklamation des lyrischen Textes geschuldeter Gestalt wieder. Beim zweiten Verspaar der dritten Strophe fordert der affektive Gehalt des Bildes von der verzagenden Sonne eine von der der ersten Strophe abweichende Melodik. Eingeleitet mit einem aus einer Tonrepetition hervorgehenden Septsprung in hohe Lage geht die melodische Linie bei den Worten „Muß die Sonne selbst verzagen“ in einen Fall in Sekundschritten über, der vom Klavier im Diskant mitvollzogen wird und in b-Moll harmonisiert ist. Und sie setzt diese abwärts gerichtete Bewegung beim letzten Vers („Muß die Sonne untergehn?“) fort, allerdings in einer expressiv gesteigerten Form, insofern sie zunächst erst noch einmal einen Sekundanstieg beschreibt, dann aber bei „Sonne“ in einen Quintfall übergeht, dem nach einem Terzsprung ein doppelter Sekundfall nachfolgt. Die Harmonik vollzieht hier eine ausdrucksstarke Rückung von f-Moll über C-Dur nach Des-Dur.

    In der letzten Strophe ist das lyrische Ich beim Kern seiner Aussage angelangt, die ihm – und damit Mathilde Wesendonck – zur existenziell sinnstiftenden These geworden ist: Wie Tod Leben gebiert, so vermögen auch Schmerzen Wonne hervorzubringen. Lyrisch-sprachlich wird das hier als Konditional – also eingeleitet mit einem „wenn“ – vorgebracht, denn es dient als Begründung für die Kulmination des poetischen Gehalt dieses Gedichts, wie sie sich im „Dank an die Natur“ in den beiden letzten Versen ereignet. Und in wie engem Kontakt mit der lyrischen Sprache Wagner seine Melodik anlegt, dass zeigt sich darin, dass er, den konditionalen Gestus der ersten beiden Verse reflektierend, die melodische Linie sich zweimal in der Weise entfalten lässt, dass aus anfänglichen deklamatorischen Tonrepetitionen sprunghafte und in der Expressivität sich steigernde Bewegungen hervorgehen.

    Sie wirken, auch weil das Klavier sie im Diskant mit immer wieder neu ansetzenden Fallbewegungen von Oktaven begleitet und die Harmonik erst eine Rückung von Des-Dur nach Ges-Dur, dann aber – beim zweiten Vers – eine von Des-Dur in die Dominantsept-Version der Tonarten „Es“ und am Ende „C“ beschreibt, wie ein hinführendes Sich-Öffnen der Liedmusik für das, was sie in den beiden letzten Versen zu sagen hat. Die Anweisung „(mit großer Steigerung)- sehr breit“ für den Vortrag der in einem dreifachen Sekundfall in hoher Lage endenden melodischen Linie auf den Worten „Wonnen nur“ macht ausdrücklich auf diese Funktion aufmerksam, und der expressive, fortissimo ausgeführte und in einem als Dominante fungierenden C-Dur harmonisierte Aufstieg von achtstimmigen Sechzehntel-Akkorden in hohe Diskantlage bringt sie auf markante Weise klanglich zum Ausdruck.

    Die Liedmusik auf den beiden letzten Versen präsentiert sich wie ein emphatischer, dankerfüllter Lobpreis des „Lebens in Schmerzen“. Auf den Worten „O, wie“ liegt ein lang gedehnter und in f-Moll harmonisierter Sekundfall in hoher Lage. Danach geht die melodische Linie bei den Worten „dank´ ich, daß gegeben“ in einen kontinuierlichen, in Des-Dur gebetteten und sie in tiefe Lage führenden Sekundfall über. Aber bei dem Wort „solche“ vollzieht sie einen ausdrucksstarken und nun in f-Moll harmonisierten Oktavsprung, dem bei „Schmerzen“ ein ebenso expressiver, weil nun in As-Dur erfolgender Sextfall nachfolgt. Und mit einem in eine lange Dehnung auf dem Grundton „As“ mündenden Sekundfall klingt sie aus.

    Sechseinhalb Takte Nachspiel folgen nach. Nach einem Anstieg von As-Dur-Sechzehntel-Akkorden in hohe Diskantlage lässt das Klavier die beiden melodischen Fallbewegungen auf den beiden letzten Versen in modifizierter Gestalt mit Oktaven im Diskant noch einmal erklingen, wobei die Harmonik Rückungen von Ges-Dur über Ces-Dur bis nach Fes-Dur beschreibt. Mit teilweise arpeggierten, fortissimo ausgeführten C-Dur- und G-Dur-Akkorden und einem schlichten dreistimmigen Piano-Akkord in C-Dur am Ende klingt die Liedmusik aus.

  • Zu den biographischen Hintergründen der Komposition von „Schmerzen“

    In der Reihe der Kompositionen auf Wesendonck-Gedichte entstand diese als dritte, und zwar am 17. Dezember 1857. Am 18. September hatte Wagner den Text zu „Tristan und Isolde“ abgeschlossen und vergrub sich in die Komposition der Musik dazu. Beide, er und Mathilde, waren ganz und gar in die Tristan-Welt eingetaucht, wobei sie diese ganz offensichtlich als Parallelwelt zu ihrer realen erlebte, und dies so stark, dass es zu einer regelrechten Identifikation zwischen beiden kam.
    Im Dezember ließ Wagner sie schriftlich wissen: „Das große Ausbruchsduett zwischen Tristan und Isolde ist über alle Maßen schön ausgefallen. Soeben in großer Freude darüber“. Wie weit die Identifikation damit bei ihr ging, ist wohl daran zu erkennen, dass sie beim Vorlesen des Textes im Freundeskreis einen Weinkrampf bekam und nur mit Mühe wieder beruhigt werden konnte.
    Vielleicht waren es ja diese Worte, die Wagner meinte, einsetzend mit:
    „Bist du mein?
    Hab ich dich wieder?“
    Und endend in jenen emphatischen:
    „O sink´ hernieder
    Nacht der Liebe,
    gib Vergessen,
    daß ich lebe;
    nimm mich auf
    in deinen Schoß,
    löse von der Welt mich los!“

    Otto Wesendonck hielt sich damals aus geschäftlichen Gründen in Amerika auf, so dass gemeinsamen Unternehmungen von dieser Seite aus nichts im Wege stand. So besuchten beide etwa in aller Öffentlichkeit ein Konzert von Clara Schumann. Zwei Tage davor trug Wagner ihr die Vertonung ihres Gedichts mit dem Titel „Schmerzen“ vor.

  • „Schmerzen“ in der gesanglichen Interpretation durch Marie-Nicole Lemieux, begleitet von Daniel Blumenthal



    Der positive Eindruck, den Marie-Nicole Lemieux bislang mit ihrer gesanglichen Interpretation der ersten drei Wesendonck-Lieder hinterließ, setzt sich bei diesem fort. Auch hier vermag sie die Melodik in ihrer spezifischen Gestalt auf ganz und gar adäquate Weise wiederzugeben und dabei die stimmlichen und deklamatorischen Akzente zu setzen, die zum Zustandekommen von deren musikalischer Aussage von Bedeutung sind.

    Gleich am Anfang, bei der in der Liedmusik eine zentrale Rolle spielenden melodischen Figur auf den Worten „Sonne, weinest jeden Abend dir die schönen Augen rot“ wird vernehmlich, wie tief sie interpretatorisch zu deren klanglichem Wesen vorgedrungen ist. Es ist ja ein ruhiger, auf einem hohen „D“ ansetzender, sich in Sekundenschritten ereignender und durch die eingelagerten Sechzehntel rhythmisierter melodischer Fall, der nach seinem kurzen Wiederanstieg bei den Worten „schönen Augen aus“ erst einen leicht gedehnten Quintfall und danach einen stark gedehnten Fall über eine Sekunde vollzieht und auf diese Weise die Abwärtsbewegung endgültig werden lässt. Darin hat Wagner das lyrische Bild eingefangen, aus dem sich die zentrale lyrische Aussage entwickelt, wie sie in den Schlussworten des lyrischen Ichs sprachliche Gestalt annimmt. Dem Fall der melodischen Linie wohnt die Anmutung von gleichsam elementarer Schmerzlichkeit inne, die ganz wesentlich dadurch zustande kommt, dass ihre Moll-Harmonisierung nach dem kurzen Sich-Aufbäumen bei dem doppelten, in tiefe Lage führenden zweifachen Sekundfall in eine harmonische Rückung von G-Dur nach As-Dur umschlägt.

    Lemieux vermag das auf höchst eindrückliche Weise gesanglich zum Ausdruck zu bringen, indem sie auf den gedehnten Sekundfall in oberer Mittellage einen deutlichen Akzent legt, den nachfolgenden Fall flüssig, wie in lakonischem Gestus gestaltet, dann aber, bei dieser so bedeutsamen, in tiefe As-Dur-Harmonik mündenden melodischen Fallbewegung am Ende zu gewichtiger, jeden Schritt betonender Deklamation zurückkehrt. Und diesen von starker Binnendifferenzierung geprägten Vortrags-Gestus setzt sie bei der Melodik auf den nachfolgenden Worten „Wenn im Meeresspiegel badend dich erreicht der frühe Tod“ fort, indem sie die Anstiegsbewegung, in die die melodische Linie hier zweimal übergeht, nicht sonderlich betont, wohl aber dem jeweils nachfolgenden Fall deklamatorischen Nachdruck verleiht. Denn es läuft ja alles auf den doppelten und in eine Dehnung mündenden, und mit harmonischer Rückung von D-Dur nach g-Moll einhergehenden Sekundfall auf den Worten „frühe Tod“ hinaus. Und dieses der Melodik innewohnende, die lyrische Aussage verkörpernde klangliche Wesen bringt sie voll und ganz zum Ausdruck.

    Bezeichnend für ihren – wie mir scheint – reflektiert-interpretatorischen Umgang mit der Liedmusik ist die Tatsache, dass sie zwar den bei „Glorie“ in hohe Lage ausgreifenden melodischen Bogen auf den Worten „doch erstehst in alter Pracht, Glorie der düstren Welt“ mit großer, die Stimme bis ins Forte anhebenden Emphase gestaltet, das Crescendo aber – darin den Notentext beachtend - bei den Worten „wie ein stolzer Siegesheld“ nicht weiter fortsetzt, sondern es dem Klavier überlässt, im Nachspiel in einen Fortissimo-Siegestaumel auszubrechen. Hier drückt sich ja ein lyrisches Ich aus, das danach bei den Worten „Ach, wie sollte ich da klagen…“ aus seiner dem lyrischen Text zugrundeliegenden monologischen Introvertiertheit heraus zu einer melodischen, in tiefe Lage sich absenkenden und in Moll (c-Moll, f-Moll) harmonisierten Fallbewegung übergeht.

    Erst bei den Schlussworten, eingeleitet durch einen mit einer Dehnung in hoher Lage einsetzenden melodischen Fall auf den Worten „O, wie dank´ ich, daß gegeben…“, geht sie stimmlich zum Fortissimo über. Und das mit gutem Recht, denn Wagner leitet diese melodische Figur, weil sie die zentrale lyrische Aussage beinhaltet, mit einem fanfarenhaft anmutenden Aufstieg von Sechzehntel-Akkorden ein, die in einen fortissimo anzuschlagenden f-Moll-Akkord münden, der die Dehnung in hoher Lage auf dem Ausruf „O“ mit einem starken Akzent versieht und das stimmliche Fortissimo regelrecht reklamiert. Danach aber, bei der zweimal sich ereignenden melodischen Fallbewegung auf diesen beiden Schlussversen, ist ein ins Piano führendes Diminuendo vorgeben, dem ein leichtes, durch den Übergang in Dur-Harmonisierung der melodischen Linie auf „Schmerzen mir Natur“ bedingtes Crescendo nachfolgt.
    Und das alles ist bei Marie-Nicole Lemieux sehr wohl zu vernehmen.

  • „Träume“

    Sag, welch wunderbare Träume
    Halten meinen Sinn umfangen,
    Daß sie nicht wie leere Schäume
    Sind in ödes Nichts vergangen?

    Träume, die in jeder Stunde,
    Jedem Tage schöner blühn,
    Und mit ihrer Himmelskunde
    Selig durchs Gemüte ziehn?

    Träume, die wie hehre Strahlen
    In die Seele sich versenken,
    Dort ein ewig Bild zu malen:
    Allvergessen, Eingedenken!

    Träume, wie wenn Frühlingssonne
    Aus dem Schnee die Blüten küßt,
    Daß zu nie geahnter Wonne
    Sie der neue Tag begrüßt,

    Daß sie wachsen, daß sie blühen,
    Träumend spenden ihren Duft,
    Sanft an deiner Brust verglühen,
    Und dann sinken in die Gruft.

    Die um das Thema „Träume“ kreisenden Fragen der ersten beiden Strophen sind nicht an ein allgemein-imaginäres „Du“ gerichtet, sondern, wie sich in der letzten Strophe enthüllt, an eines, dem das lyrische Ich in Liebe zugetan und verbunden ist. Beschworen wird in diesen Versen also nicht nur der Traum schlechthin, als Ausgeburt der Nacht in ihrer Kontraposition zum Tag, sondern die lyrischen Bilder sind solche der traumhaft in die reale Welt ragenden Liebeserfüllung. Und sie werden als Inbegriff der existenziellen Sinnerfüllung erfahren, denn sie stellen keine „leeren Schäume“ dar, die „ins Nichts vergehen“, sondern haben Bestand in der Tageswelt und können diese sogar mit dem „Duft“, den sie spenden, bereichern. Das Bild, das sie zu malen vermögen, ist das des „Allvergessens“ und des „Eingedenkens“, - des Vergessens all der Widerwärtigkeiten und Leidens der Tageswelt und der Vergegenwärtigung der unermesslichen und ewig gültigen Werthaftigkeit der Liebe.

    Diese Verse sind in ihrem Gehalt Bestandteil der „Tristan“-Ideologie, und wenn Wagner mit Blick auf die Wesendonck-Lieder von „Studien zu Tristan und Isolde“ spricht, so stellt sich das im Fall des Liedes „Träume“ dergestalt dar, dass es in seiner typischen Vorhalt-Harmonik und den es prägenden melodischen Figuren eine Art Antizipation des Liebesduetts im zweiten Akt der Oper darstellt. Von daher ist es eigentlich nicht verwunderlich, dass es unter den fünf Liedern die einzige Komposition ist, die Wagner orchestriert hat, und zwar in einer Fassung für Kammerorchester, in der die Violine die melodische Linie der Singstimme übernimmt. Das hatte einen ganz konkreten Grund: Es sollte ein Geburtstagsständchen für Mathilde von Wesendonck sein. Und es wurde am 23. Dezember 1857 auch tatsächlich aufgeführt, - derweilen ihr Ehemann auf Geschäftsreise war.

    Mit einem langen, sechzehn Takte umfassenden Vorspiel setzt die Liedmusik ein. Sie zeigt damit, dass sie, obwohl tatsächlich für Singstimme mit Klavierbegleitung komponiert, im Grunde orchestral gedacht und konzipiert ist, und dies deshalb, weil in dem, was sie zu sagen hat, die Harmonik ihr genuines Ausdrucksmittel darstellt. Es erweist sich schon hier, in diesem Vorspiel, das eigentlich mehr als sechzehn Takte umfasst, weil es sich in seiner Struktur über die ganze erste Strophe – und darüber hinaus - fortsetzt und sich die melodische Linie auftaktig in es einfügt, als klanglich überaus wirkungsmächtig. Dies deshalb, weil in ihm zwei harmonische Prinzipien in geradezu exzessiver und kühner Weise zum Einsatz kommen: Die chromatische Rückung und der Vorhalt. Es sind die Faktoren, die der Tristan-Musik ihr spezifisches klangliches Gepräge geben und im sogenannten „Tristan-Akkord“ regelrechte Berühmtheit erlangt haben.

    Ein Dreivierteltakt liegt der Liedmusik zugrunde, und die soll „sehr mäßig bewegt, aber nie schleppend“ vorgetragen werden. Repetierende Achtel-Akkorde entfalten sich, und das Prinzip, in dem sie das tun, ist das einer sich kontinuierlich steigernden, eben aus der chromatischen Rückung sich generierenden Expressivität, wozu eine aus dem anfänglichen Pianissimo sich langsam, aber äußerst behutsam steigernde Dynamik als Ausdrucksfaktor hinzutritt. „Un poco crescendo“ lautet die Anweisung, der Piano-Bereich wird nicht verlassen, und am Ende, wenn die Harmonik nach ihren kühnen, weil die Verminderung in all ihren Varianten geradezu auskostenden Rückungen zu dem As-Dur zurückkehrt, in dem sie einsetzte, geht sie gar in ein Diminuendo über, und die akkordischen Repetitionen pendeln nur noch zwischen dieser Tonart und ihrer Dominante Es-Dur hin und her, als wollten sie der melodischen Linie Raum für ihren Einsatz schaffen.

    Sie präsentiert sich von den ersten Takten ihres Einsatzes an bis hin zu ihrem Ende als integraler Bestandteil des orchestralen Grundkonzepts dieser Liedkomposition. Das heißt aber nicht, dass sie kein Eigensein entwickelte, gleichsam nichts zu sagen hätte. Ganz im Gegenteil. Das Faszinierende, ja Großartige an diesem Lied – wie ja doch bei allen diesen Wesendonck-Vertonungen – ist, dass die melodische Linie trotz ihres Eingebunden-Seins in das wesenhaft orchestrale Konzept gleichwohl ihre Autonomie zu wahren und darin eine genuine musikalische Aussage zu generieren vermag. Und das liegt daran, dass sie sich, obgleich sie sich dabei am Prinzip der ariosen Gebundenheit der deklamatorischen Schritte orientiert, in enger Anbindung an den lyrischen Text in seiner sprachlichen Struktur und seiner Semantik und Metaphorik entfaltet. Richard Wagner hat hier tatsächlich einen hochgradig überzeugenden und geradezu Geschichte machenden Auftritt als veritabler Liedkomponist.

    Dies soll in der gebotenen Kürze anhand exemplarischer Passagen der Liedkomposition aufgezeigt werden. Schon die erste Strophe liefert dazu reichlich Material. Der lyrische Text ist ja als Frage angelegt. Und Wagners Melodik reflektiert dies in ihrer Struktur und ihrer Harmonisierung auf beeindruckende Weise. Die lyrischen Schlüssel-Worte sind „Träume“ und das vom Reim her zugehörige „Schäume“. Die melodische Linie ist nun so gestaltet, dass sie in eben diesen beiden Worten kulminiert, dies in der Weise, dass die vorgelagerten deklamatorischen Bewegungen wie eine Hinführung dazu anmuten. Bei „Sag, welch wunderbare Träume“ beschreibt die melodische Linie eine Bogenbewegung in mittlerer Lage mit Dehnung auf „sag´“ und der Silbe „-bare“ und geht dann bei „Träume“ in einen lang gedehnten, den Takt überschreitenden Sekundfall über, wobei die Harmonik, die zuvor eine Rückung von As-Dur nach f-Moll vollzog, nun nach c-Moll, in die Dominante zu jenem f-Moll also, rückt, wodurch dieses Wort neben der Dehnung auch durch die Harmonik eine Hervorhebung erfährt.

    Auch auf den nachfolgenden Versen liegt je eine durch eine Pause von der vorangehenden abgesetzte Melodiezeile, die bei Versen zwei und drei strukturell ähnlich wie die erste Zeile angelegt ist, das heißt mit einer Sprungbewegung einsetzt und am Ende in einen gedehnten Sekundfall mündet. In der Harmonisierung weichen sie jedoch stark voneinander ab. Die melodische Linie auf den Worten „Halten meinen Sinn umfangen“ setzt in einem B-Dur ein, das eine Rückung über Ges-Dur nach dem nun wieder als Dominante fungierenden C-Dur beschreibt. Denn bei „Daß sie nicht wie leere Schäume“ setzt die melodische Linie nun in f-Moll-Harmonisierung ein, das über ein Des- und G-Dur am Ende, also bei dem gedehnten Fall auf „Schäume“, in As-Dur übergeht. Der wieder die Taktgrenze überschreitende Sekundfall ist bei „Schäume“ allerdings nun ein verminderter, womit dieses Wort von „Träume“ durch eine gleichsam negative affektive Konnotation von „Träume“ abgehoben wird. Auf den Worten „Sind in ödes Nichts vergangen“ geht die melodische Linie aus einer Tonrepetition mit zwei Sekundfallschritten in tiefe Lage über, aus der sie sich am Ende mit einem Terzsprung wieder erhebt. Die Harmonik rückt dabei von f-Moll nach B-Dur.

    Dadurch, dass Wagner die melodische Linie drei Mal eine strukturell ähnliche Bewegung beschreiben lässt, die die einzelnen Zeilen dabei zwar durch eine längere Pause (zweimal drei Viertel, einmal ein Viertel) voneinander abhebt und unterschiedlich harmonisiert, verleiht er der Frage des lyrischen Ichs große Nachdrücklichkeit. Und dies bleibt auch in der als melodisches Ausklingen angelegten letzten Zeile der Fall, denn bei dem Wort „vergangen“ erhebt sich die melodische Linie wieder aus ihrer tiefen Lage, und nicht nur die Rückung in ein als Subdominante fungierendes B-Dur liefert einen wichtigen Beitrag zu der Eindringlichkeit des Fragens, auch das Klavier tut es: Es lässt nämlich an dieser Stelle seine Achtel-Akkordrepetitionen im Diskant einen Aufstieg beschreiben. Die durch die langen Pausen gefährdete innere Bindung der Melodik wird dadurch aufrecht erhalten, dass die Zeilen eins bis drei nicht nur alle mit einer Sprungbewegung einsetzen, sondern auch harmonisch durch das die Pausen überbrückende Prinzip Dominante-Tonika miteinander verbunden sind.

    Auch wenn die zweite Strophe formal noch in den sprachlichen Frage-Gestus einbezogen ist, mit ihr setzt die Beschwörung der Macht und des existenziellen Potentials der Träume ein, die sich in der dritten und vierten Strophe, die alle mit diesem Leitwort „Träume“ eingeleitet werden, fortsetzt. Wagner greift dies liedmusikalisch in der Weise auf, dass er auf dieses Wort immer den gleichen klanglich herausragenden, allerdings unterschiedlich harmonisierten lang gedehnten taktübergreifenden Sekundfall setzt und es damit gleichsam wie ein evokatives Element zum Auslöser einer sich in die Emphase steigernden Liedmusik macht. So steigert sich die melodische Linie bei den Worten der zweiten Strophe in einem sich langsam in die Höhe schraubenden Auf und Ab aus tiefer in immer höhere Lage, um dann bei „mit ihrer Himmelskunde“ den Höhepunkt auf einem hohen „F“ zu erreichen, danach zwar in einen Fall überzugehen, dies aber nur, um dann bei dem durch einen gedehnten Sekundfall mit einem Akzent versehenen Wort „selig“ zu einem neuerlichen Anstieg übergehen, der bei den Worten „Gemüte ziehn“ in einen ausdrucksstark gedehnten Quartfall mit nachfolgendem Sekundsprung mit Dehnung mündet.

    Bei dem Sich-Hochsteigern der Melodik setzt Wagner wieder – wie das ja typisch für ihn ist – die Harmonik als die eigentlich tragende musikalische Ausdruckskomponente ein. Auf dem anfänglichen „Träume“ liegt eine Dominant-Sept-Harmonik in der Tonart „B“, - darin die musikalische Auslöser-Funktion dieses Schlüsselwortes bekundend. Danach beschreibt die Harmonik eine permanent sich fortschreibende Rückung von f-Moll über Es-Dur und As-Dur nach einem die affektive Komponente des Wortes „selig“ aufgreifenden b-Moll und endet dann bei den Schlussworten „Gemüte ziehn“ in einer für Wagners Harmonik in ihrer Kühnheit höchst bezeichnenden Rückung von Es-Dur nach C-Dur. Das Klavier begleitet die lange melodische Dehnung auf dem Wort „ziehn“ mit einer sechsfachen Repetition von sechsstimmigen C-Dur-Achtelakkorden, das allerdings pianissimo und darin den Begleitungs-Gestus beibehaltend, den es die ganze Strophe über praktizierte und auch in den nachfolgenden Strophen beibehalten wird, - mit allerdings einigen bemerkenswerten Abweichungen davon.

    Sie ereignen sich schon in der dritten Strophe. Dort ist der einleitende gedehnte Sekundfall auf „Träume“ anfänglich in eine verminderte Des-Harmonik gebettet, die am Ende der Dehnung in ein als Dominante fungierendes C-Dur übergeht, - darin wiederum einen harmonisch bedingten evokativen Impuls auslösend, der in die nachfolgende Melodik ein hohes Ausdruckspotential einbringt. Kompositorischer Tristan-Geist ist im am Werk. Und so geht denn die melodische Linie „belebt“, forte und – nach dem vorangehenden C7 – tatsächlich in F-Dur-Harmonisierung bei den Worten „die wie hehre Strahlen / In die Seele sich versenken“ mit einem zweifachen Sekundschritt-Anstieg in hoher Lage zu einem lebhaften Auf und Ab über, das sich in der tonalen Ebene erst absenkt, dann aber sich im gleichen deklamatorischen Gestus wieder zu einem Anstieg aufmacht, um am Ende, bei den Worten „Dort ein ewig Bild zu malen“ eine leicht rhythmisierte Bewegung zu beschreiben, die in dem für diese Liedmusik geradezu prototypischen lang gedehnten Sekundfall auf dem Wort „malen“ endet. Hier, bei der Melodik auf den ersten drei Versen der dritten Strophe, lässt das Klavier von seinen Akkordrepetitionen ab und folgt der melodischen Linie, deren innere Belebtheit unterstreichend, mit bitonalen Achteln und Einzeltönen in Diskant und Bass in ihren Bewegungen.

    Auf den Schlussworten dieser Strophe „Allvergessen, Eingedenken“ liegt erst ein mit harmonischer Rückung von f-Moll nach G-Dur versehener und mit einem Ritenuto einhergehender melodischer Sekundfall in tiefer Lage, dem folgt aber auf „Eingedenken“ ein expressiver, aus einem verminderten Sekundfall in hoher Lage hervorgehender und mit der Anweisung „steigernd“ versehener Sturz der melodischen Linie über das große Intervall einer Septe nach, der in Dominantsept-Version der Tonart „B“ harmonisiert ist und auf diese Weise ein liedmusikalisches Portal für die letzte lange Sekundfall-Dehnung auf dem Wort „Träume“ darstellt. Sie ist zwar, wie zu erwarten, in der Tonart „Es“ harmonisiert, diese fungiert aber, und das ist gar nicht zu erwarten, ebenfalls als Dominante, und das, dieses Hintereinander zweier harmonischer Dominanten, verleiht der Melodik der vierten Strophe ein gesteigertes Ausdruckspotential.

    In ähnlicher Weise wie in der dritten Strophe beschreibt die melodische Linie, mit der Anweisung „bewegt“ versehen, eine wellenartig in die Höhe drängende Aufwärtsbewegung, die bei dem Wort „nie“ erstmals in einem hohen „F“ aufgipfelt, nach einem doppelt Sekundfall auf „geahnter“ zu dem Wort „Wonne“ mit einem verminderten Quartsprung noch höher steigt, um dann noch innerhalb dieses Wortes in einen gedehnten Sekundfall überzugehen und bei den Worten „sie der neue Tag“ diesen Weg diesen Weg weiter nach unten hin fortzusetzen, dabei freilich dem Wort „Tag“ mit einen in eine kleine Dehnung mündenden Sekundsprung einen Akzent verleihend. Das Klavier begleitet hier wieder mit seinen Achtelakkord-Repetitionen.

    So ähnlich die Melodik in ihrem Gestus des sich nach oben Steigerns der der dritten Strophe ist, sie entfaltet darin gleichwohl eine noch höhere Expressivität. Und das ist wieder durch die Harmonik bedingt. Den Steigerungseffekt, den die Aufeinanderfolge zweier Dominantsept-Tonalitäten („B 7“ und „Es 7“ mit sich bringt, setzt Wagner nämlich fort, indem er die melodische Linie auf den Worten „Wie wenn Frühlingssonne…“ in der Dominantsept-Version der Tonart „As“ harmonisiert und die Harmonik danach nach Des-Dur und Ges-Dur rücken lässt. Und als wäre das der klanglichen Raffinesse noch nicht genug, lässt er die Harmonik am Ende der Strophe, also bei der melodischen Kombination aus Terzsprung und Legatosekundfall auf dem Wort „begrüßt“ eine kühne Rückung von der Dominantversion der Tonart „Ges“ nach Es-Dur beschreiben.

    In wie enger Bindung an den lyrischen Text Wagner vorgeht, das zeigt sich am Übergang von der vierten zur fünften und letzten Strophe. Die wird nämlich, die Syntax der vierten Strophe fortsetzend, mit einem „daß“ eingeleitet, und so setzt die melodische Linie ihre Fallbewegung auf der Silbe „-grüßt“ auf den Worten „daß sie“ ohne Unterbrechung fort und geht danach zu ihrem für dieses Lied so typischen Gestus des Sich-Hineinsteigerns in ein Auf und Ab in wachsenden Intervallen über. Bei „wachsen“ kehrt sie nach einem Sextsprung auf ihre Ausgangslage zurück, setzt aber bei den Worten „daß sie brühen“ sofort zu einer neuen Aufwärtsbewegung an, die sie über einen Quart- und zwei Terzsprünge über das Intervall einer ganzen Oktave in hohe Lage führt, wo sie bei „blühen“ einen ausdruckstarken gedehnten Fall über erst eine große und dann eine kleine Sekunde beschreibt. Die Harmonik vollzieht dabei eine Rückung von As-Dur zu „Es“ als Dominante, und im Klavierbass steigen Einzeltöne aus tiefer Lage aufwärts, die im Diskant zu zwei- und dreistimmigen Akkorden werden, was darauf hindeutet, dass nun eine bedeutsame melodische Aussage folgen wird.

    Es ist die auf den Worten „träumend spenden ihren Duft“. „Immer mehr nachlassend“ lautet hier die Anweisung für den Vortrag einer klanglich einschmeichelnden melodischen Linie, die nach einem gedehnten Quartfall in einen ebenfalls anfänglich gedehnten Sekundanstieg übergeht, der zu einer langen Dehnung in hoher Lage auf dem Wort „Duft“ führt. Sie ist in C-Dur mit Rückung nach F-Dur harmonisiert und wird vom Klavier mit lang gehaltenen ansteigenden Akkorden begleitet, die „weich“ ausgeführt werden sollen.

    Bei den beiden letzten Versen entfaltet die Liedmusik reine, wahrlich in Bann schlagende Tristan-Klänge. In dem in As-Dur ansetzenden chromatischen Anstieg der melodischen Linie in einer vom Klavier in Gestalt von bitonalen Akkorden im Diskant mitvollzogenen Folge von langen und kurzen deklamatorischen Schritten auf den Worten „Sanft an deiner Brust verglühen“ klingt der Geist des „Liebesduetts“ im zweiten Akt auf. Dem Bild vom „Verglühen“ an der Brust des Geliebten wird hier auf hochgradig emphatische Weise Ausdruck verliehen. Und in seinem klanglichen Effekt gesteigert wird das noch dadurch, dass die melodische Linie nach diesem kontinuierlich vorwärtsdrängenden Anstieg bei den nachfolgenden Worten „Und dann sinken in die Gruft“ in ein Stocken gerät, das wie ein Zusammenbrechen anmutet. Auf den Worten „und dann“ liegt ein in b-Moll harmonisierter Quartsprung. Eine Viertelpause folgt nach. Bei „sinken“ beschreibt die melodische Linie einen doppelt verminderten und in c-Moll gebetteten Septfall, an den sich erneut eine Pause anschließt. Erst bei den Worten „in die Gruft“ geht die melodische Linie zu einem ruhigen, in tiefer Lage ansetzenden und nach einer vorangehenden harmonischen Verminderung in reines Es-Dur gebetteten Sekundanstieg über.

    Die lange Dehnung auf dem Wort Gruft“, in die er mündet, ist freilich nicht, wie man erwarten würde, in der Grundtonart As-Dur harmonisiert, sondern in der Dominantsept-Version der Tonart „Des“. Der Harmoniker Wagner ist am Werk, und er lässt nach diesem In-die-Gruft-Sinken der melodischen Linie das Vorspiel noch einmal aufklingen, unter Ausklammerung der ersten drei Takte des chromatischen Anstiegs allerdings.
    Für den wesenhaft orchestral denkenden Liedmusiker kann nur auf diese Weise der Geist und der emotionale Gehalt der „Träume“ in musikalisch adäquater Weise erfasst und zum Ausdruck gebracht werden.
    Aber auch dieses Nachspiel lässt er, wie die melodische Linie, auf eindrucksvolle Weise erlöschen: In die kontinuierlichen Akkord-Repetitionen tritt über ein Decrescendo ein Pianissimo, sie werden durch Viertelpausen unterbrochen und am Ende klingt nur noch ein spärlicher, wie verloren wirkender vierstimmiger As-Dur-Akkord auf.

  • „Träume“ in der gesanglichen Interpretation durch Marie-Nicole Lemieux, begleitet von Daniel Blumenthal




    Das an der Melodik dieses Liedes so Faszinierende, ja regelrecht in Bann Schlagende, ihr großer Reichtum an Ausdrucksformen, die Tristan-Geist atmende Binnenspannung zwischen in weit ausgreifender Phrasierung erfolgender ruhig-arioser Entfaltung und lebhafter, seelische Erregung zum Ausdruck bringender deklamatorischer Kurzschrittigkeit der melodischen Linie, - all das ist im Vortrag von Marie-Nicole Lemieux zu vernehmen, weil dieser den hierfür erforderlichen Grad an Binnendifferenzierung im Einsatz der Stimme aufweist.

    Die in ruhiger, bogenförmiger und am Ende in eine Dehnung mündender Form sich bewegende melodische Linie auf den Worten „Sag´, welch wunderbare Träume halten meinen Sinn umfangen“ gibt sie piano und mit zurückgenommener Stimme genau in der Weise wieder, dass man erfährt: Hier spricht ein lyrisches Ich auf still-monologische Weise mit sich selber. Diesen deklamatorischen Gestus behält sie bei den nachfolgenden Versen bei, steigert dabei aber bei den beiden bogenförmigen Aufgipfelungen der melodischen Linie behutsam die Expressivität des Ausdrucks, um sie dann bei deren Absinken in tiefe Lage auf den Worten „sind in ödes Nichts vergangen“ wieder stark zurückzunehmen.

    Den mit dem lang gedehnten Sekundfall auf „Träume“ eingeleiteten vor- und aufwärtsdrängenden Gestus der Melodik der zweiten Strophe bringt sie so zum Ausdruck, wie Wagner dies ausweislich des Notentextes haben wollte: In einem „Poco crescendo“, das vernehmlich werden lässt, dass sich hier ein aus Innerlichkeit kommender und nicht wirklich diese transzendierender Ausbruch in Expressivität ereignet, so dass sich der Quartfall mit nachfolgendem, in eine Dehnung mündende Sekundanstieg der melodischen Linie bei den Worten „Gemüte ziehn“ im Pianissimo ereignet.

    Diese Hinweise sollten als Belege genügen für das, was mit dem Begriff „stimmliche Binnendifferenzierung“ in der gesanglichen Interpretation des Liedes gemeint ist. Sie ist tatsächlich so hochgradig, dass die als Schlüssel für dem musikalische Aussage fungierenden melodischen Dehnungen auf dem Wort „Träume“ eine im jeweiligen Vortrag jeweils stark voneinander abweichende Gestalt aufweisen. Von dem gleichsam sanften, die in der Harmonisierung sich ausdrückenden Auftaktfunktion berücksichtigenden Vortrag des gedehnten Sekundfalls am Anfang der zweiten Strophe, über den expressiveren, in verminderter Des-Harmonik stehenden Terzfall am Beginn der dritten bis hin zu jenem eher mit einer Anmutung von Beglückung versehenen, in der Dominantsept-Version der Tonart „Es“ harmonisierten Sekundfall in hoher Lage, mit dem die vierte Strophe einsetzt.

    Für mich legt die Binnendifferenzierung auch in diesem Einzelfall Zeugnis ab von einem tief reichenden Verständnis der musikalischen Aussage des Liedes und der Fähigkeit, dieses in adäquater Weise gesanglich zu realisieren.

  • Die „Wesendonck-Lieder“. Abschließende Betrachtung

    Die „Fünf Gedichte für eine Frauenstimme“ stellen ganz ohne Frage den Gipfel und Höhepunkt von Wagners zwar kleinem, aber musikgeschichtlich durchaus bedeutendem, weil liedsprachlich zukunftweisendem Klavierlied-Opus dar. Wie alle seine Liedkompositionen entsprangen sie einem konkreten Anlass, in diesem Falle war es freilich einer, der im Unterschied etwa zu den „Sieben Kompositionen zu Goethes Faust“ oder den französischsprachigen Liedern ungleich komplexer war, weil er in seinen existenziellen Dimensionen tiefer reichte und überdies auch noch eine Einbindung in den zentralen Bereich seines kompositorischen Schaffens aufwies.
    Das historisch betrachtet ganz und gar Singuläre an diesen Liedern ist, dass sie nicht nur aus der Liebe zu einer Frau hervorgingen – so etwas kennt man von anderen Liedkomponisten auch - , das, was sie in ihrer Genese zu etwas Einzigartigem macht, ist die Tatsache, dass diese Liebe ihrerseits wiederum zum gleichsam gelebten Fundament und kreativen Quell einer Liebe wird, die als Stoff einer Oper eine künstlerisch-kompositorische Schöpfung darstellt, bei der es sich, weil sie sich als musikhistorischer Aufbruch in die Moderne darstellt, um ein Jahrhundertwerk handelt: „Tristan und Isolde“ eben.

    Und das lässt diese „Wesendonck-Lieder“, wie sie gemeinhin betitelt sind, zu solch wahrhaft einzigartigen liedkompositorischen Werken werden: Die Liebhaber von Kunstlied-Musik machen im Akt ihrer Rezeption die ansonsten nicht mehr vorkommende Erfahrung der Begegnung mit Opernmusik, und noch dazu einer, die wahrlich tief ergreifend ist Denn so ist es ja: In allen Liedern klingt sie auf, von strukturell identischen Bewegungen in ihrer Entfaltung über sich als konstitutiv erweisenden harmonischen Grundfiguren bis zum Erklingen des sie wesenhaft prägenden Geists. Denn diese Lieder sind gleichsam parallel zum kompositorischen Schaffensakt der Oper entstanden, werden von Wagner sogar in zwei Fällen als „Studien“ dazu deklariert. Und selbst in dem einzigen Lied, das vor dem ersten Oktober 1857, dem Beginn der Arbeit am „Tristan“, entstanden ist, dem mit dem Titel „Der Engel“, komponiert am 30. September dieses Jahres, klingt Opernmusik auf. Es ist zwar die vom „Rheingold“, aber sie fügt sich ein in die Musik der nachfolgenden Lieder, weil sie gleichsam als Antizipation des Tristan-Geists auftritt, der diese allesamt beflügelt.

    Am stärksten meint man ihn tatsächlich in den Liedern mit dem Titel „Im Treibhaus“ und „Träume“ zu vernehmen. Das, was sich dann in der Oper in all seiner Größe und klanglichen Faszination voll entfaltet und diese zu einer die musikalische Moderne eröffnenden Komposition werden lässt, ist hier wie in einer Keimzelle auf gleichsam verdichtete Weise zu vernehmen: Die innere seelische Unruhe zum Ausdruck bringende Vielfalt in der rhythmischen Entfaltung der Musik, das lang sich hinziehende Auskosten musikalischer Figuren, die Hervorhebung unbetonter Taktteile und, ganz wesentlich, die Preisgabe eines harmonischen Zentrums zugunsten eines im Quintenzirkel geradezu hemmungslosen harmonischen Schweifens unter Bevorzugung exzessiver Chromatik.

    Wagner hat einmal das Wesen seiner Tristan-Musik als Ausdruck eines „zwischen äußerstem Wonneverlangen und allerentschiedenster Todessehnsucht wechselnden Gefühlslebens“ bezeichnet. Die Auswahl der zur Vertonung herangezogenen lyrischen Texte Mathilde Wesendoncks lässt dies auf eindrückliche Weise vernehmen. Und selbst das, was ich als den Wesenskerns der Tristan-Musik bezeichnen würde, den Einsatz des harmonischen Vorhalts als die musikalische Aussage konstituierendes kompositorisches Mittel, ist in ihnen vernehmlich und erfahrbar. Es stellt sich als das musikalisch-kompositorische Ausleben einer Sehnsucht nach Liebeserfüllung dar, das deshalb in exzessiv klanglich-chromatischer Schmerzlichkeit erfolgt, weil ihm das Wissen um die letztendliche Unerfüllbarkeit zugrunde liegt. Wie heißt es doch bei Mathilde Wesendonck:“ Und gebieret Tod nur Leben, / Geben Schmerzen Wonnen nur:/ O, wie dank´ ich, daß gegeben / Solche Schmerzen mir Natur!“.

    Wenn Wagner am 29. Oktober 1859 an Mathilde schreibt:
    „Meine feinste und tiefste Kunst möchte ich jetzt die Kunst des Übergangs nennen, denn mein ganzes Kunstgewebe besteht aus solchen Übergängen“, dann hat er mit diesen Worten den Geist seiner Tristan-Musik und damit auch den seiner, sie nicht nur in chronologischer Parallelität, sondern als schöpferische Quelle begleitenden „Wesendonck-Lieder“ auf den Punkt getroffen.

    Ich kannte sie zwar schon lange, begegnete ihnen erstmals in der als LP bei EMI erschienenen Interpretation durch Jessye Norman (Lieder von Franz Schubert, Richard Wagner und Francis Poulenc, mit Erwin Gage am Klavier) und liebte sie.
    Aber ihr so wundervolles, einzigartiges Wesen habe ich erst heute, in dieser hier dokumentierten liedanalytischen Betrachtung begriffen.

  • Lieber Helmut Hofmann, meinen allerherzlichsten Dank für diese deine Darstellung der Wesendonck-Lieder, ich höre sie jetzt doch auch mit anderen Ohren!

    Auch hat es mich sehr gefreut das ich dir Marie-Nicole Lemieux näher gebracht habe und es dir auch noch gefallen hat!


    Es grüßt dich ganz herzlich

    Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Wenn Du sagst, lieber Fiesco, dass Du - wie es mir ja auch geht - die Wesendonck-Lieder nun "mit anderen Ohren" hörst, so freut mich das sehr, denn ich erfahre das als eine Bestätigung dafür, dass das, was ich hier tue, nicht nur für mich, sondern auch für andere von Nutzen ist und damit einen Sinn hat.

    Man braucht solche Erfahrungen halt doch immer mal wieder, damit die Motivation aufrechterhalten bleibt für eine Betätigung, die, bei aller Freude, die sie einem selbst bereitet, auch mit viel Mühe und Arbeit verbunden ist.


    Vielen Dank noch einmal für den Hinweis auf Marie-Nicole Lemieux. Ich kannte - typisch für mich - diese Sängerin gar nicht, und das Hören ihrer gesanglichen Interpretation der Wesendonck-Lieder wurde zu einem höchst erfreulichen Erlebnis und zu einer Bereicherung für mich.