WEILL, Kurt: ROYAL PALACE

  • Kurt Weill (1900-1950):


    ROYAL PALACE

    Oper in einem Akt - Libretto von Yvan Goll (Isaac Lang)

    Uraufführung am 2. März 1927 in der Staatsoper Unter den Linden in der Krolloper, Berlin



    DIE PERSONEN DER HANDLUNG


    Dejanira (Sopran)

    Der Ehemann (Bass)

    Der Geliebte von Gestern (Bariton)

    Der Verliebte von Morgen (Tenor)

    Der junge Fischer (Tenor)

    Der alte Fischer (Bass)

    Damenchor (hinter der Bühne)

    Statisterie: mehrere Fischer, ein Ober

    Ballett: rote Boys, Hoteldirektor, Portier, vier Schatten, Orpheus und alle Lebewesen, Wasserfrau


    Die Handlung ist in der Gegenwart. Aufführungsdauer etwa 50 Minuten.

    Während des Handlungsablaufs wird eine Filmszene gezeigt, die aus dem „Off“ und dem Orchesterraum von einem Sopransolo mit Chor untermalt ist.



    INHALTSANGABE DES EINZIGEN AKTES

    Ideale Landschaft an einem italienischen See mit der Terrasse des Hotels „Royal Palace“.


    Der reiche Ehemann lässt das Personal des Luxushotels vor seiner Frau Dejanira defilieren und bietet ihr nicht nur verschwenderisches Essen, sondern auch opulente Reisen an. Doch die so reich Beschenkte ist desinteressiert und liefert auch eine Begründung: Sie ist sowohl das Leben im Reichtum als auch des daraus resultierenden Müßiggangs überdrüssig.


    Doch da sind auch noch der „Geliebte von Gestern“ und der „Verliebte von Morgen“ werbend um sie: Der Erstgenannte schenkt ihr den „Himmel unsrer Nächte“ (einen Tanz von Sternen und Schatten), der zweite bietet ihr „die ewige Natur“ (ein surreales Spiel aus Landschaften und Lebewesen). Dejaniras Reaktion verdeutlicht, dass sie alle drei Männer für viel zu selbstsüchtig einstuft. Die wiederum können mit ihrer Aussage nichts anfangen und werfen ihr vor, die Liebe aller drei zu verraten. Dejenira bricht das Gespräch mit dem Argument, einfach nur müde zu sein, ab.


    Aufgeben ist für die drei Männer aber keine Option; sie werben weiter um sie mit Visionen, die fragend darauf abzielen, ob sie sich ein gemeinsames Leben mit ihnen vorstellen könnte. Der „Verliebte von Morgen“ sagt es am deutlichsten: Er will sie besitzen! Der Ehemann wirft sein Vermögen in die Waagschale und will ihr einen See kaufen. Direkt danach fragt er sie, welchen von ihnen sie am meisten liebt. Der „Geliebte von Gestern“ geht anders vor und bemüht eine rhetorische Metapher aus der Seemannssprache. Genervt wirft Dejanira allen dreien vor, dass sie von Frauen allgemein und von ihr im Besonderen keine Ahnung haben.


    Der folgende Auftritt eines jungen und eines alten Fischers ist zweigeteilt: Zunächst berichten beide Männer von der harten Arbeit als Seeleute, kommen dann aber mit einer beunruhigenden Nachricht aus unbekannter Quelle, dass nämlich eine Person hier in Kürze umkommen werde. Das lässt Dejaniras Verehrer so kalt, als hätten sie die beunruhigende Nachricht gar nicht gehört; sie himmeln die Schöne weiter an, aber Dejanira ändert ihre Meinung nicht, bleibt stur. Doch die Männer resignieren nicht, bleiben ebenso stur, kommen sogar mit immer neuen ausgefallenen Geschenken, um sie „herumzukriegen“: Der Ehemann will ihr alle europäischen Annehmlichkeiten bieten, was mit einer Filmsequenz unterstrichen wird (die von einem Sopran und einem Frauenchor hinter der Bühne und aus dem Orchestergraben musikalisch begleitet wird); der „Geliebte von Gestern“ bietet Dejanira seine sexuelle Potenz an und der „Verliebte von Morgen“ hält die Wunder der Natur, symbolisiert durch einen mythischen Tanz, für geeignet, sie für sich zu gewinnen.


    Alles prallt aber an Dejanira ab; sie erklärt, nur unabhängig sein zu wollen und versteigert sich zu der verklausulierten Aussage, dass der Tod ein Ausweg zur Unabhängigkeit sein könnte, denn die Männer nicht verstehen oder wollen es nicht. Plötzlich hört man aus dem „Off“ vom Frauenchor und den Fischern Dejaniras Namen singend rufen, worauf sie das Wasser des vor dem Hotel liegenden Sees beschwört, es möge ihren „tausendfachen Durst umschäumen“. Sie geht ins Wasser und wird dabei zu einer Wasserfrau, die im See versinkt. Während ihr Ehemann laut um Hilfe ruft, wird aus der Versinkenden eine Meerjungfrau…



    INFORMATIONEN ZUM WERK


    Die Verbindung für Weill zu Yvan Goll (recte Isaac Lang) wurde 1925 von Georg Kaiser hergestellt. Das erste gemeinsame Projekt war die parodistisch-collageartige Kantate „Der neue Orpheus“ von 1927, der hier vorgestellte Einakter blieb jedoch die einzige Bühnenarbeit der beiden Künstler. Die Komposition entstand von September 1925 bis Januar 1926 in Berlin. Die Verhandlungen mit den Verantwortlichen der Berliner Staatsoper führte Weill, nach eigenen Angaben, sehr erfolgreich.


    Die Uraufführung (die mit „Der neue Orpheus“ und „El retablo de Maese Pedro“ von Manuel de Falla komplettiert wurde) leitete Erich Kleiber, die Regie lag in den Händen von Franz Ludwig Hörth (der auch für die Filmsequenz verantwortlich war, die nicht erhalten geblieben ist), das Bühnenbild stammte von Panos Aravantinós und die choreographische Arbeit besorgte Max Terpis. Delia Reinhardt sang die Dejanira und Leo Schützendorf den Ehemann. Das Werk war kein Erfolg und kam auf nur sieben Aufführungen. Spekulativ wird argumentiert, dass die Regiearbeit zu sehr auf den vordergründigen Realismus festgelegt war.


    1929 wurde das Stück in Essen unter Rudolf Schulze-Dornburg aufgeführt - die einzige Folge-Inszenierung von Weills Einakter. Das betrübliche ist, dass im Zweiten Weltkrieg das gesamte Aufführungsmaterial verloren ging. Noch betrüblicher ist zu werten, dass die Nazis 1938 das Wiener Verlagshaus der Universal-Edition plünderten und viele Autographe Weills, darunter auch das von „Royal Place“, verschwinden ließen oder sogar vernichteten. Dass es heute die Möglichkeit von Aufführungen und Aufnahmen gibt, ist den Herren Gunther Schuller und Noam Scheriff zu verdanken, die einen gedruckten Klavierauszug der UE von 1926 für eine Neuorchestrierung nutzten. Diese Neufassung wurde 1971 durch Gary Bertini beim Holland-Festival konzertant aufgeführt und 1990 in Oberhausen unter Will Humburg gegeben.



    © Manfred Rückert für den Tamino-Opernführer 2019

    unter Hinzuziehung der Piper-Musik-Enzyklopädie, Mitteilungen der Kurt Weill Foundation, des MGG, den Verlagsinformationen der Universal-Edition und der Publikation „Der Fall W.“ in „Musik in der Emigration 1933-1945“

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    MUSIKWANDERER

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    Lieber Musikwanderer, bei jpc leider mit einer vierwöchigen Lieferzeit, beim Amazonas....



    ...geht das wesentlich schneller! ;)


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)