The Gershwins' Porgy and Bess, konzertante Aufführung, Volksoper Wien, 14.2.2019

  • Es dauerte „nur“ 53 Jahre, um DIE amerikanische Oper wieder am Spielplan der Volksoper zu sehen – und der Direktion kann dafür gar nicht zu viel gedankt werden! Packende drei Stunden Musiktheater (ja, das ist auch bei einer konzertanten Aufführung möglich!), ein hervorragend disponiertes Volksopernorchester und ein ebenso perfekt vorbereiteter Chor und Zusatzchor der Volksoper (Einstudierung Thomas Böttcher) trugen unter dem Dirigat von Joseph R. Olefirowicz zu einem fulminanten Erfolg bei.

    George Gershwin hatte seinerzeit bestimmt, dass nur farbige Sänger für szenische Produktionen engagiert werden dürfen (mit ganz wenigen Ausnahmen wie den Detective), daher wird diese Oper in Europa meistens konzertant (wenn überhaupt) aufgeführt. Einige Häuser haben sich über die Wünsche Gershwins hinweggesetzt und sich dementsprechend großen Ärger eingehandelt.




    „Porgy and Bess“ wird oft als Jazz-Oper beschrieben, manchmal als „Folk-Opera“. Obwohl Gershwin die beiden meiner Meinung nach ur-amerikanischen Musikstile, den Südstaaten-Blues und den Jazz, einfließen ließ, sind die stimmlichen Anforderungen doch für ausgebildete Stimmen ausgelegt (als Ausnahme kann man eventuell den Sporting Life sehen) – und immer wiederkehrende Leitmotive rücken dieses Stück auch eher in die Richtung der Oper als die des Musicals, als dass es auch manchmal beschrieben wird. „Schuld“ daran ist wahrscheinlich die Verfilmung Ende der 1950er-Jahre, für die Andrè Previn die Oper neu arrangiert hatte und Rezitative gestrichen wurden. Fun Fact – der Sänger des Porgys beim Soundtrack war Robert McFerrin, Vater des bekannten Jazzers Bobby McFerrin, der ja auch schon die Wiener Philharmoniker dirigiert hat.


    Im Vergleich zur Premiere dieser Produktion musste dieses Mal Bongiwe Nakani passen, da sie ein ärztliches Auftrittsverbot erhalten hatte. Kurzfristig sprang für die Rolle der Maria Bonita Hyman ein, die sich gerade in Berlin aufgehalten hatte und so die Vorstellung rettete. Hyman sang eher zurückhaltend, konnte aber das Publikum durch einen sehr pointierten Gesang für sich gewinnen und erhielt auch Szenenapplaus.


    Morris Robinson war der unumschränkte und umjubelte Star des Abends. Große Zustimmung nach „I‘ve got plenty of nothing‘“ war ihm sicher. Nicht nur durch seinen fundierten Bass beeindruckte er, nein, auch schauspielerisch überzeugte er. Überhaupt muss angemerkt werden, dass durch das ständige Kommen und Gehen der Sänger eine Dynamik entstand, die der einer szenischen Aufführung schon sehr nahekam. Die Beleuchtung (Wolfgang Könnyü) war auch perfekt auf das Geschehen eingestimmt.

    Als Bess hinterließ Melba Ramos einen ausgezeichneten Eindruck – eine ganz kleine Unsicherheit sei ihr nachgesehen. Lester Lynch stellte den brutalen Crown sowohl schauspielerisch als auch stimmlich großartig dar – leider gibt es ja auch heutzutage noch Frauen, die solchen Typen verfallen…


     
    Melba Ramos, Lester Lynch, Morris Robinson


    Sporting Life – das ist nach meinem Dafürhalten die einzige Figur, die man nicht unbedingt mit einem ausgebildeten Opernsänger besetzen muss. Dieser drogen-dealende Dandy hat eine gewisse Leichtigkeit, die den anderen Figuren des Stückes abgeht. Der zweite Welthit dieser Oper, „It ain’t necessarely so“, verlangt mehr Rhythmusgefühl und stellt den Sänger auch vor die Aufgabe, ein wenig „scatten“ zu müssen. Dies ist naturgemäß leichter für Darsteller, die mehr aus dem Bereich des Musicals oder des Jazz kommen. Ein hervorragendes Beispiel dafür war Cab Calloway, der ja nicht nur bei der Erstaufführung von „Porgy and Bess“ in Wien gesungen hat, sondern auch die Rolle des Sporting Life für den Soundtrack der Oper eingespielt hat. Nun, Ray M.Wade Jr. schlug sich gut und war sehr bühnenpräsent. Ich würde seinen Tenor als Mittelding zwischen heldisch und Charaktertenor bezeichnen.



    Ray M. Wade jr.


    Marcel Prawy bezeichnete einst Korngolds „Glück, das mir verblieb“ als letzten Opernschlager – da widerspreche ich, alleine diese Oper enthält drei Stücke, die sich zu Standards des Jazz oder Rocks entwickelten. Von Louis Armstrong und Ella Fitzgerald bis zu Miles Davis – kaum eine Jazzgröße konnte an diesen Themen und Melodien vorbeigehen. Neben den bereits genannten Stücken beziehe ich mich selbstverständlich auf „Summertime“ – da gibt es eine großartige Einspielung von Chet Baker, und Ende der 1960er-Jahre nahm auch Janis Joplin das Lied auf, eine absolute Jahrhunderteinspielung des Rock…


    An diesem Abend eröffnete Rebecca Nelsen als erste Solokünstlerin mit diesem Stück – für meinen Geschmack hätte sie den ersten „Durchgang“ (Summertime wird ja noch von der Clara zwei Mal wiederholt und schlussendlich auch noch einmal von Bess) etwas lyrischer anlegen können, das ist allerdings der einzige Einwand, den ich vorbringen kann. Den Ehemann der Clare, Jake, wurde von Ben Connor sehr überzeugend gesungen. Auch seine Bühnenpräsenz überstieg die Größe seiner Rolle. Ich bin gespannt auf seine Entwicklung!

    Julia Koci, die beim Schlussapplaus vom Publikum ebenfalls bejubelt wurde, überzeugte als Serena, Morten F. Larsen als schmieriger Advokat. Eine Luxusbesetzung als Annie war Iseyar Khayrullova, die anderen Protagonisten des Abends seine pauschal gelobt.

    Wie ich erfahren habe, wird es leider nur bei dieser Serie bleiben – zumindest für die nächste Saison wird dieses wirklich wichtige Stück der Musikliteratur nicht am Spielplan aufscheinen. Es bleibt zu hoffen, dass man nicht wieder mehr als 50 Jahre darauf warten muss diese Oper in Wien wieder zu erleben.


    Insgesamt dauerte die Vorstellung inklusive einer Pause knapp 3 Stunden – und diese waren wirklich kurzweilig. Gesungen wurde übrigens in der Originalsprache mit deutschen Übertiteln – und die Übersetzung war sehr gut – auch da gebührt den Verantwortlichen ein Kompliment!


    Für die weiteren Vorstellungen – 18., 22. und 25 Februar gibt es noch Restkarten. Wer in oder um Wien herum weilt, der sollte zuschlagen. Eine spannende Produktion wartet!

    Hear Me Roar!

  • Lieber Dreamhunter,


    mein Neid ist dir sicher, ich habe Porgy and Bess vor langer, langer Zeit, nämlich 1984 anlässlich der Musikfestspiele hier in Dresden konzertant gesehen. Zwar gab es „Porgy and Bess“ zweimal in der Semperoper während der sogenannten Sommerbespielung (2009 und 2016),aber dafür sind mir die Kartenpreise zu hoch gewesen. Dafür kann ich folgende DVD sehr empfehlen:


  • Eine konzertante Aufführung kann ich mir nicht so richtig vorstellen, auch wenn uns Dreamhunter einen schönen und plastischen Bericht geschrieben hat. Danke. :) "Porgy and Bess" ist eines der packendsten Bühnenstücke, das ich kenne. Es schreit regelrecht nach Szene. Bei Wikipedia lese ich:


    "Für die deutsche Erstaufführung 1970 an der Komischen Oper Berlin schufen Horst Seeger und Götz Friedrich eine neue Übersetzung. Diese Produktion wurde viel beachtet. Friedrich inszenierte das Werk nicht nur hier, sondern auch 1988 im Berliner Theater des Westens und 1997 auf der Seebühne der Bregenzer Festspiele – die letzteren beiden in der Originalsprache."


    Mir war gar nicht mehr bewusst, dass diese Berliner Produktion, die ich in späteren Jahren noch selbst gesehen habe, die deutsche Erstaufführung gewesen ist. Manfred Krug gab den verschlagenen Sporting Life. Wenn ich mich nicht täusche, ist er der einzige weiße Solist gewesen. Das war wohl mit den Erben so abgemacht. Viele Jahre später dann war ich bei der Wiederaufnahme der zweiten wesentlich pralleren Inszenierung von Friedrich im Berliner Theater des Westens dabei. Selten hat mich eine Aufführung so hingerissen wie diese.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • die deutsche Erstaufführung gewesen ist. Manfred Krug gab den verschlagenen Sporting Life. Wenn ich mich nicht täusche, ist er der einzige weiße Solist gewesen.

    Wenn ich mich nicht täusche, kann das gar nicht so gewesen sein, weil schließlich das Ensemble der Komischen Oper auftrat. (Wie hätte diese Aufführung auch anders gehen sollen?) Fritz Hübner alternierte mit Cullen Maiden als Porggy, laut der Sängerübersicht im Jahrbuch der Komischen Oper Berlin von 1972 wirkten u.a. ferner mit: Eva-Maria Baum als Erdbeerverkäuferin, Lydia Dertil als Lilly, Christa Noack als Serena, Gisela Pohl als Anny, Hanna Schmoock als Lilly, Gudrun Wichert als Clara, Rudolf Asmus als Frazier, Vladimir Bauer als Crown, Erich Blasberg als Undertaker, Ronald Dutro als Jake, Werner Enders als Peter, Frank Folker als Coroner, Horst-Dieter Kaschel als Frazier, Uwe Kreyssig als Dedektiv, John Moulson als Robbins, Günter Neumann als Robbins, Hans-Otto Rogge als Jim, Siegfried Vogel als Crown, Alfred Wroblewski als Undertaker...


    Also: Hier täuschst du dich!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Da ich keine Programme mehr aufhebe und meinen gesamten alten Bestand - bis auf ganz wenige Ausnahmen - entsorgt habe, hat mich meine Erinnerung also getäuscht. Zumindest wurde in meinen Vorstellungen das Titelpaar von farbigen Sängern gegeben. Das weiß ich wirklich noch ganz genau.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Da man damals noch kein Problem damit hatte, weiße Menschen farbig zu schminken, wirst du dich zurecht daran erinnern, dass auf der Bühne lauter Farbige zu sehen waren, auch wenn dies ein Werk der Maske war.


    Das man für das Titelpaar wirklich farbige Interpreten engagiert hatte, weiß ich.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Da ich keine Programme mehr aufhebe und meinen gesamten alten Bestand - bis auf ganz wenige Ausnahmen - entsorgt habe, hat mich meine Erinnerung also getäuscht. Zumindest wurde in meinen Vorstellungen des Titelpaar von farbigen Sängern gegeben.

    Ja, lieber Rüdiger, ist mir auch schon passiert. Ich hatte Daphne mit Danae verwechselt. Als Vertreter der RT-Gegner wurde ich mit Häme überschüttet. Macht nichts, Fehler sind menschlich.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Als Vertreter der RT-Gegner wurde ich mit Häme überschüttet. Macht nichts, Fehler sind menschlich.

    Ja, Fehler sind menschlich und Fehler machen wir alle, aber keiner macht (zumindest hier) so viele Fehler wie du, indem er ungeprüft so viele Dinge in die Welt posaunt, die sich als faktisch nachweislich falsch erweisen - immer und immer wieder! Diese zu berichtigen, ist ganz wichtig, wenn dieses Forum ernst genommen werden will. Dass du dich dann als Opfer stilisierst, anstatt mal vorher selbstkritisch zu überprüfen, ob das denn stimmt, was du schreibst, ist in jedem Falle die weit bequemere Variante für dich. Dabei haben diese faktischen Fehler, die dir immer wieder unterlaufen und die zu korrigieren leider nötig ist, gar nichts damit zu tun, ob du RT-Gegner bist oder nicht. Das gehört dann einfach zu deiner bequemen Selbststilisierung dazu.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Dass du dich dann als Opfer stilisierst, anstatt mal vorher selbstkritisch zu überprüfen, ob das denn stimmt, was du schreibst, ist in jedem Falle die weit bequemere Variante für dich.

    Das ganze hat durchaus mehr Methode als man im Allgemeinen glaubt. Die alternativen Fakten, die vielen "Argumentationen" der Freunde der echten Werke zugrunde gelegt werden, sind so vielfältig, dass man kaum nur Bequemlichkeit als Motiv vermuten darf. Da wird die eigene Meinung aufgeblasen, indem man sie als Mehrheitsmeinung deklariert, ohne das je belegt zu haben, da werden, um andere Inszenierungen zu diskreditieren, auf einmal Inszenierungen mit dem Etikett "traditionell" oder "werkgerecht" behaftet, obwohl sie den selbst aufgestellten Ansprüchen an eine solche Inszenierung gar nicht genügen, da wird mit penetranter Regelmäßigkeit behauptet, die Gegenseite hätte nie Begründungen oder Argumente geliefert, obwohl das Gegenteil der Fall ist und und und...

    Nein, mit Schussligkeit und Bequemlichkeit ist dieses Ausmaß an alternativen Fakten, kaum zu erklären. Es wird ganz bewusst eingesetzt, frei nach dem Motto: Wer am lautesten schreit, hat Recht! Warum kommt mir in letzter Zeit, wenn ich in diesem Forum lese, nur immer der unselige Begriff des "postfaktischen Zeitalters" in den Sinn?