Liebe Taminos,
das von Dreamhunter angestoßene Thema hat sich zu einem höchst interessanten Lesestoff entwickelt. Es gibt einen Einblick, wie sich bei Einzelnen die Begeisterung für die Oper und klassische Musik unter verschiedenen Lebensumständen und unterschiedlicher Lebensplanung entwickelt hat.
Wir waren als Heimatvertriebene mit den Großeltern, zwei Brüdern und zwei Schwestern meines gefallenen Vaters zunächst in einem kleinen Dorf in Schleswig-Holstein, später ebenfalls in einem Dorf an der Mittelmosel, wo es in diesen Jahren und auch wegen der Abgelegenheit wenig kaum Kultur dieser Art gab. Der erste Baustein war, dass ich auf Empfehlung des Schulrats überhaupt auf ein Gymnasium kam, was ich nie im Leben erwartet und geplant
hätte. Auf dem Gymnasium in Bernkastel-Kues hatte ich dann – wie geschildert - das Schlüsselerlebnis „Freischütz“, mit einfachsten Mitteln dargeboten, und auch einen musikbegeisterten Schulfreund, der vom Elternhaus die besseren Voraussetzungen hatte. Wer weiß, ob ich sonst jemals diese starke Liebe zur Klassik gewonnen hätte?
Seit dem Erlebnis war ich mein Leben lang Opern - und später auch Freund sonstiger Klassik vom Barock bis weit in die Moderne, auch wenn sich aus den Lebensumständen die Notwendigkeit der Abstinenz ergab. Über viele Jahre der Jugend und auch des späteren Lebens beschränkte sich diese Liebe also weitgehend aufs Radio, zunächst Mittelwelle mit manchen Störungen, später das bessere UKW und etwas ab dem 30sten Lebens Jahr auch das Fernsehen, erst wesentlich später – ich war schon Ende 50 - kam die CD hinzu, als sie auch für den kleineren Geldbeutel erschwinglich wurde, und heute ist es die DVD, seitdem ich mir – und da war ich schon im Ruhestand – einen DVD-Recorder leisten konnte.
Die wenigen Besuche in einen Theater, die bei einem Leben von 82 Jahren eigentlich gering erscheinen, waren daher jedes Mal ein Festtag für mich und später auch für meine Frau.
Meine Lebensplanung war in erster Linie auf das Wohlergehen der Familie und die Vorsorge auf das spätere Alter gerichtet, da mussten eben andere Dinge zurückstehen, was aber nicht hieß, dass man nun ganz auf Oper und Konzerte verzichten musste (siehe oben). Hinzu kam, dass ich wegen der familiären Umstände meinen Traumberuf nicht erreichen, sondern einen Job annehmen musste, denn ich mir aber schon nach wenigen Jahren zu einem echten Beruf gemacht habe und den ich gerne noch weiter ausgeübt hätte. Doch die Tätigkeiten in diesem Beruf beschränkten sich nicht nur auf die täglich vorgeschriebenen Arbeitszeiten(als ich begann, waren es 48 Sunden in der Woche, in den ersten Jahren teilweise Schichtdienst und Bereitschaftsdienst, den man, wenn man außerhalb der Arbeitzeiten gerufen wurde, in der allgemeinen Arbeitszeit auch nicht ausgleichen konnte), sondern gingen auch sonst oft bis weit in den Feierabend und in die Wochenenden hinein, speziell, als ich eine Lehrtätigkeit in meinem Berufsfach angenommen hatte, für die man sich das Lehrmaterial selbst erstellen musste.
Ich habe eine Reihe Lehrhefte in verschiedenen Fachbereichen mit Übersichten und Musterbeispielen selbst entwickelt, die ich später zu einem Spottpreis (50 Pfennige je DIN A4-Seite) an eine Berufsgenossenschaft verkauft habe, die sie zu freundlicherweise zu schmalen Preisen für Auszubildende in größerer Auflage gedruckt hat. Kollegen haben mir diese Hefte später einmal als Geburtstagsgeschenk zu einem dicken Wälzer binden lassen (knapp 10 cm stark). Das war viel Feierabendarbeit. Beglückend war allerdings, wenn Auszubildende anriefen und sich dafür bedankten, dass sie ihnen über die Prüfung geholfen haben
Und auch in den letzten Berufsjahren in der Verwaltung war ich einer derjenigen, die sich freiwillig in Arbeitskreise gemeldet haben, die der Weiterentwicklung der Tätigkeiten im Beruf gewidmet waren, wodurch ich fast jeden Monat etwa eine Woche unterwegs war.
Es waren also nicht nur finanzielle, sondern auch zeitliche Probleme, deretwegen ich manche Angebote nicht wahrnehmen konnte.
Dass ich viele Opern, die ich auf der Bühne nur einmal erlebt habe, jetzt in mehreren Inszenierungen kenne, verdanke ich in erster Linie der DVD und inzwischen den Übertragungen aus der MET und dem Royal Opera House. Der DVD verdanke ich auch, dass ich von Monteverdi (L'Orfeo, L'incoronazione di Poppea, Il Ritorno d'Ulysse in patria) bis Schostakowitsch (Der Spieler und Lady Macbeth von Mzensk) viel des verfügbaren Repertoires kennengelernt habe. Und ich finde immer noch wieder etwas Neues. Seit 2 Jahren habe ich auch einen Beamer und eine große Leinwand, was die Freude noch vergrößert. Allerdings muss ich die Geräte jedes Mal neu aufbauen, weil ich nicht über den Platz verfüge, sie in einem Raum stehen zu lassen. Auch für einen größeren Fernseher (der 80 cm Bildschirm passt gerade noch) habe ich keinen Platz.
Es ist auch eine Frage der Einstellung, ob man sich auf wenige Werke beschränkt oder einen großen Umfang von Werken kennen lernt. Die Beschränkung hat sicher den Vorteil, dass man mit den Werken intensiver vertraut wird; bei mir herrscht aber immer noch der Wunsch, Neues kennen zu lernen.
Andererseits weiß ich allerdings nicht, ob – wenn ich z.B. 60 mal in dieselbe Oper gehe (auch bei verschiedenen Inszenierungen) - es dann nicht doch ein wenig zur Routine wird oder ob es jedes Mal immer noch ein Feiertag ist (Bei Crissy glaube ich das gerne, denn er ist jedes Mal, wie ich weiß, bei der „Bohème“ zu Tränen gerührt). Auch das ist natürlich eine Frage der persönlichen Einstellung.
Liebe Grüße
Gerhard