Salome, Deutsche Oper, Berlin am 2. März 2019

  • Ich muß einräumen, daß ich mit meinem Kurzbericht etwas spät dran bin, weil die letzte Vorstellung der Salome in dieser Spielzeit an der DOB schon eine Woche zurückliegt. Hier im Klassikforum war die Inszenierung rege diskutiert worden, einen Bericht von der Premiere habe ich in der Rubrik "Gestern in der Oper" aber nicht gefunden.


    In die DOB war ich diesmal gegangen, um die Quellen der Salome-Zitate im dritten Akt der Toten Stadt von E.W. Korngold zu hören.


    Die Premiere am 24. Jan. 2016 hatte ich mit einer geschenkten Karte eher zufällig besucht. Unter Alain Altinoglu sangen damals Burkhard Ulrich (Herodes), Jeanne-Michélle Charbonnet (Herodias), Catherine Naglestad (Titelpartie), Michael Volle (Jochanaan) u. Thomas Blondelle (Narraboth).

    Im Januar 2017 habe ich die Inszenierung wieder gesehen und vor einer Woche nun zum dritten Mal. Der Regisseur Claus Guth hat die Ungeheuer, die die Patchworkfamilie gebiert, durch einen Herrenausstatter schweben lassen und den Schleiertanz als Ausdruck der Sehnsucht einer Heranwachsenden nach funktionierenden Familienverhältnissen gefaßt. Mir erschien das schlüssig und überzeugend und ich erinnere mich, bei der Premiere "Bravo" gerufen zu haben, um den "Buhs" für Guth etwas entgegenzusetzen.

    Vor acht Tagen sang Allison Oakes die Prinzessin von Judäa, Gabriele Schnaut ihre Mutter und Michael Volle war wieder als Jochanaan zu hören. Während die Damen blaß blieben, haben mir die Herren ausnehmend gut gefallen. Besonders gilt das für den vom Narraboth zum Tetrarchen avancierten Thomas Blondelle, der einen packenden Herodes gesungen hat, dem am Ende laut applaudiert wurde. Mit dem Herodes verhält es sich ähnlich wie mit Beckmesser oder Mime: Es sind keine angenehmen Leute, die da porträtiert werden, aber ihnen gilt doch das Interesse des Publikums, und den Sängern gelingt es oft, Anteilnahme und Sympathie des Publikums für sich zu gewinnen - so auch am 2. März Blondelle.


    Die Originale der Korngold-Zitate? Habe ich gehört. Und ich bewundere beide Meister: Strauss und Korngold.

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Lieber Hans

    vielen Dank für deinen Bericht. Salome ist von Strauß meine bevorzugte Oper . Besonders mag ich die Szene des Jochanaan und ich kann mir vorstellen, daß Michael Volle beeindruckend in der Rolle war.

    Einmal editiert, zuletzt von rodolfo39 ()

  • Lieber Hans

    Ich danke Dir ebenfalls für Deinen interessant geschriebenen Bericht.

    Auch wenn, wie ich schon sagte, dies nicht unbedingt "meine Musik" ist, freue ich mich für Dich, daß Du einen schönen Opernabend hattest.

    Und wenn ich mich recht erinnere, habe ich wohl einen gewissen Anstoß gegeben, daß Du Dich nach etwas Unschlüssigkeit, doch noch zu dem

    Besuch entschlossen hast. Das freut mich natürlich besonders.

    Und wie ich in einem anderen Thread heute berichtete - ich freue mich erneut heute abend auf "meine Musik" und das sind bei mir vorzugsweise

    die ital. Opern, insbesondere von Verdi und Puccini.


    Herzliche Grüße und einen schönen Sonntag wünscht

    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

    Einmal editiert, zuletzt von chrissy ()

  • Der Regisseur Claus Guth hat die Ungeheuer, die die Patchworkfamilie gebiert, durch einen Herrenausstatter schweben lassen und den Schleiertanz als Ausdruck der Sehnsucht einer Heranwachsenden nach funktionierenden Familienverhältnissen gefaßt. Mir erschien das schlüssig und überzeugend

    Lieber Hans,


    ich habe aufgrund Deiner o.g. Meinung heute etliche Biographien und Schriften zur Salome gelesen. Die Fülle an Litearatur ist selbst in meinem bescheidenen Reservoir beachtlich. Besonders auffallend natürlich die Grundlagenbeziehungen zu Oscar Wilde in div. Opernführern.


    So konnte ich z.B. lesen: "Wilde... schürzte den dramatischen Knoten der Handlung gegenüber der in den Evangelien überlieferten Geschichte vom Märtyrertod Johannes des Täufers, indem Salome nicht mehr auf Anstiftung Herodias, sondern zu ihrer eigenen Lust den Kopf des Täufers fordert. Durch diesen Eingriff gewann die Tragödie an psychologischer Konsequenz: aus exotischer Staffage (Schleiertanz) wurde kalt berechnendes Machtspiel. Salome avancierte zum Prototyp der femme fatale in seiner Ausprägung als Kindweib." Zitat aus "Der große Opernführer" von Roesler und Hohl 2000.


    Nirgendwo kann ich die von Dir angeführte Wortwahl " Patchworkfamilie", "Herrenausstatter" und die "Sehnsucht nach funktionierenden Familienverhältnissen" herleiten. Das klingt nach gemütlichen Familienstreiereien, aber nicht nach einer Oper, die zu massiven Protesten und einer Welle moralischer Entrüstung führte. Einzig die Bezeichnung Salomes als "Ungeheuer" durch ihren Stiefvater paßt. Ich wäre sicher einer derjenigen gewesen, die bei dieser Verunstaltung einer meiner Lieblingsopern mit lautstarken Buhrufen seinen Unwillen zum Ausdruck gebracht hätte. Ich glaube nicht, daß ein persönliches Erleben daran etwas geändert hätte, das ganze Konzept scheint mir so zuwider zu sein, daß selbst hervorragende Sänger meinen Eindruck nicht zu verändern gemocht hätten (Gabriele Schnaut habe ich als hervorragende Elektra und Isolde erleben dürfen, das ist allerdings schon ca. 20 Jahre her).


    Aber es muß Dir ja gefallen, nicht mir. Deshalb beglückwünsche ich Dich zu einem für Dich gelungenen Theaterabend (schließlich bist Du der Bravorufer gewesen!)


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Ich muß noch ergänzen, daß Oakes und Blondelle schon bei meinem zweiten Besuch im Januar 2017 Salome bzw. Herodes gesungen haben. Vorhin fiel mir der Besetzungszettel wieder in die Hände.

    Nirgendwo kann ich die von Dir angeführte Wortwahl " Patchworkfamilie", "Herrenausstatter" und die "Sehnsucht nach funktionierenden Familienverhältnissen" herleiten. Das klingt nach gemütlichen Familienstreitereien, aber nicht nach einer Oper, die zu massiven Protesten und einer Welle moralischer Entrüstung führte.

    Lieber La Roche, ich finde ja, daß Familie immer toxisch ist und weiß, daß Streitigkeiten innerhalb dieser Zwangsgemeinschaft nicht selten tödlich ausgehen. Es grüßt Hans

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Und wenn ich mich recht erinnere, habe ich wohl einen gewissen Anstoß gegeben, daß Du Dich nach etwas Unschlüssigkeit, doch noch zu dem

    Besuch entschlossen hast.

    Lieber chrissy, genau so war es. Ich war unschlüssig, und Du hast mir den kleinen Stoß verpaßt, den ich noch brauchte, um mich auf den Weg zu machen. Es grüßt Hans

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Lieber La Roche, ich finde ja, daß Familie immer toxisch ist und weiß, daß Streitigkeiten innerhalb dieser Zwangsgemeinschaft nicht selten tödlich ausgehen.

    Irgendwas mache ich falsch. Bei mir ist noch kein toxischer Todesfall in der Familie bekannt. Vielleicht deshalb, weil man bei uns immer freiwillig geheiratet hat?


    In der Oper sterben ja auch selten Verheiratete. Ich überlege gerade, in welcher tragischen Oper ein Ehepaar oder ein Partner tragisch endet. Othello, Romeo, Butterfly (Scheinehe?), Tabarro wären Beispiele, aber die meisten "Todesopfer" in der Oper haben keinen Trauschein. Habe darüber bisher noch gar nicht nachgedacht. Eigentlich interessant!?


    Aber ansonsten verstehe ich Deine Bemerkung durchaus als humoristisch.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

    Einmal editiert, zuletzt von La Roche ()

  • Lieber La Roche, da ziehe ich eine Deiner Lieblingsopern an: Elektra. Die Tantaliden sind schon eine recht giftige Brut.

    Aber Du hast natürlich recht mit Deiner Vermutung, daß meine toxische Bemerkung mit einem Augenzwinkern verbunden war. Es grüßt Hans

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Die Tantaliden sind schon eine recht giftige Brut.

    Habe mir gerade den Stammbaum des Tantalos angeschaut. Gewaltig!! Da kann ich nicht mithalten mit dem Stammbaum meiner Familie, weswegen uns höchstwahrscheinlich die Kenntnis toxischer oder andere Todesursachen (z.B. Erschlagen mit dem Beil) erspart geblieben sind. Mein reproduzierbarer Stammbaum endet vor etwa 100 Jahren, und ich bin ehrlich gesagt nicht daran interessiert, ihn weiter zurück zu verfolgen bzw. verfolgen zu lassen. Wer weiß, was da noch herauskommen könnte!?


    Wesentlich interessanter ist da für mich die Chemie des Elementes mit der Ordnungszahl 73 - Tantal.


    Herzlichst La Roche

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    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Eine interessante Diskussion, einer für die RT-Salome, einer dagegen, aber das läuft alles in sehr gesittenem Rahmen ab. Gut so, man kann ja verschiedener Meinung sein, muss sich aber nicht angiften. Sollte in diesem Forum Schule machen. Die Salome gehört zu meinen Lieblingsopern, musikalisch und dramaturgisch. Ich habe mir diese Oper in der Staatsoper angetan, weil ich nach der Sanierung des Hauses noch nicht da war. Hätte sie eine Pause gehabt, wäre ich gegangen. Auf die Inszenierung an der DOB habe ich von vornherein verzichtet. Ist an Absurdität wahrscheinlich nur von der Staatsoper zu überbieten. Dagegen gab es früher eine wunderbare Salome an der DOB von Peter Weigl, die ich auf DVD habe. Mit der kann ich mich begnügen. Und nur als Hörfassung habe ich die Aufnahme mit Karajan, da kann man sich die Bilder hinzudenken.

    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

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  • Dagegen gab es früher eine wunderbare Salome an der DOB von Peter Weigl, die ich auf DVD habe. Mit der kann ich mich begnügen.

    Die Zuschauer an der DOB mussten sich allerdings auch sehr bald mit der DVD dieser "wunderbaren" Salome-Produktion begnügen - die Inszenierung selbst erlebte genau 6 Aufführungen in der Premieren-Serie. Danach wurde sie nie wieder gespielt.

  • Die Zuschauer an der DOB mussten sich allerdings auch sehr bald mit der DVD dieser "wunderbaren" Salome-Produktion begnügen - die Inszenierung selbst erlebte genau 6 Aufführungen in der Premieren-Serie. Danach wurde sie nie wieder gespielt.

    Ein sehr wertvoller Beitrag. Endlich mal erfährt man etwas.:no:


    Herzlichst La Roche

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    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Ein sehr wertvoller Beitrag.

    Nun ja, der eine hält das eine für wertvoll, der andere etwas anderes... Ich persönlich, das kannst du natürlich gerne anders sehen, finde es zumindest einen sehr interessanten Aspekt, dass die hier vom User "timmiju" gelobte Inszenierung gerade die Premierenserie und keine einzige Aufführung mehr erlebt hat, die vom selben User - natürlich mal wieder, ohne sie gesehen zu haben - als "absurd" bezeichnete Inszenierung hingegen bis dato schon ihre vierte oder fünfte Serie erlebt...

  • Melomane: Also ich bin wirklich kein Purist und stelle mich auch offen gegenüber Inszenierungen, die etwas von der Tradition abweichen, aber dennoch ernsthaft bleiben und den Sinn des Stückes nicht kariikieren. Aber Salome in einem Herrenausstatter ist für mich absurd. Vielleicht gibt es Details, die gelungen sind, aber nach dem Libretto wird Salome am Schluss von den Soldaten des Herodes erschlagen und lebt nicht weiter. Hier überlebt sie offenbar. Und der Schleiertanz ist wohl auch sehr speziell. So etwas lehne ich ab. Es gibt in Berlin 3 Opernhäuser und da werden zahllose neue Inszenierungen und Repertoirestücke täglich gezeigt. Da ich viel ins Konzert gehe, überlege ich mir meine Opernbesuche sehr gut. Deshalb bitte ich mir es nicht zu verübeln, wenn ich diese Salome zurzeit nicht sehen möchte. Ich kenne die Weigl-Inszenierung übrigens nicht nur von der DVD, sondern war auch in einer der genannten sechs Aufführungen dabei. Warum sie abgesetzt wurde, erschließt sich mir nicht, aber im DOB-Shop wird die DVD wenigstens angeboten. Wenn die jetzige nun schon lange läuft, ist das doch kein Beweis, dass sie mir gefallen muss, da gibt es viele Stücke, die ich nennen könnte, die jahrelang gespielt werden, obwohl sie reines Regietheater sind, aber eben "zeitgemäß " sein sollen. Wenn es keine andere Salome gibt, dann müssen die Leute eben die vorhandene sich ansehn. Besser wird sie dadurch nicht.

    :hello:

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