Freitag, 05. 04. 2019 Opernhaus Zürich
Tannhäuser
Handlung in drei Aufzügen von Richard Wagner (1813-1883)
Dichtung vom Komponisten
Die Zürcher Aufführung folgt der Fassung der Wiener Aufführung vom 22. November 1875
Musikalische Leitung Axel Kober
Inszenierung Harry Kupfer
Bühnenbild Hans Schavernoch
Kostüme Yan Tax
Lichtgestaltung Jürgen Hoffmann
Video-Design Timo Schlüssel
Choreinstudierung Ernst Raffelsberger
Choreografie Philipp Egli
Tannhäuser Stephen Gould
Elisabeth Lise Davidsen
Venus Tanja Ariane Baumgartner
Hermann, Landgraf von Thüringen Mika Kares
Wolfram von Eschenbach Michael Nagy
Walther von der Vogelweide Iain Milne
Biterolf Ruben Drole
Heinrich der Schreiber Martin Zysset
Reinmar von Zweter Stanislav Vorobyov
Ein junger Hirt Sen Guo
Tänzer Vida Peña
Statistenverein am Opernhaus Zürich
Dauer 4 Std. 25 Min. inkl. Pausen nach dem 1. Akt nach ca. 1 Std. 10 Min. und nach dem 2. Akt nach ca. 2 Std. 40 Min.
Es war die letzte von insgesamt 4 Aufführungen dieser Wiederaufnahme
Vorab: Von meinen bisher besuchten Tannhäuser-Aufführungen (3x Stuttgart, 1x Bayreuth, 2x Zürich) war dies die lauteste. Tannhäuser im Dauerforte sozusagen. Das war anstrengend und ermüdend für die Ohren. Vom Titelhelden Stephen Gould ist man das ja gewohnt, doch warum auch Venus, warum Elisabeth? Als einziger Hauptakteur sang Wolfram seine Partie gefühlvoll und melodisch.
Doch zu den Details:
Sehr gute Leistung aus dem Orchestergraben, wo Axel Kober die Philharmonia Zürich präzise leitete. Den Blechbläsern gilt besonderes Lob, auch die Holzbläser waren bei ihren Soli (Oboe, Klarinette, Bassklarinette) bestens disponiert. Nicht selten jedoch deckt das Blech die anderen Orchesterstimmen zu, im 2. Akt gelegentlich auch die sehr stimmstarken Sängerinnen und Sänger auf der Bühne. Die Tempi waren zügig, was die Dynamik der Oper wirkungsvoll unterstrich. So kamen Ouvertüre und Vorspiel zum dritten Akt wirkungsvoll zur Geltung und weckten jeweils die Neugier auf das Kommende.
Stephen Gould sang die Titelrolle, er gilt derzeit als der meistgefragte Wagner-Heldentenor weltweit. Mit der anspruchsvollen Partie hatte er weder vom Volumen noch von der Kondition her keinerlei Probleme. Obwohl US-Amerikaner, ließ seine Textdeutlichkeit keine Wünsche offen. Gänsehaut erzeugten die Phrasen: "Allmächt'ger, dir sei Preis! Hehr sind die Wunder deiner Gnade" nach der Verwandlung im ersten Akt und "Erbarm dich mein!" nach dem Bruch im zweiten.
Dennoch: Oft wäre weniger mehr gewesen. Den ersten beiden Venus-Preisungen (begleitet von imaginärer Harfe im Orchester, auf der Bühne dagegen mit E-Gitarre) "Dir töne Lob! Die Wunder sei'n gepriesen, die deine Macht mir Glücklichem erschuf!" und später "Dank deiner Huld! Gepriesen sei dein Lieben! Beglückt für immer, wer bei dir geweilt!" fehlte jegliche Empathie, die Lautstärke stand im krassen Gegensatz zur übermittelten Botschaft. Auch im Sängerwettstreit des zweiten Akts dominierte pure Stimmprotzerei. Nicht verwunderlich, dass Gould auch die Romerzählung ohne die geringste Ermüdungserscheinung über die Rampe brachte. Mit 57 Jahren, wohlgemerkt.
Die junge Norwegerin Lise Davidsen debütierte in der Rolle der Elisabeth. Die Oper Zürich diente quasi als Testlauf für den Grünen Hügel in Bayreuth, auf welchem sie dieses Jahr ebenfalls als Elisabeth nominiert ist. Bis dahin ist noch einiges an Feinschliff vonnöten. Sie hat eine große, für Wagnerpartien prädestinierte Stimme und ist auf bestem Weg, eine Hochdramatische zu werden.
Ob es an ihrer Nervosität lag, dass sie sowohl die Hallenarie als auch das Gebet im dritten Akt viel zu laut gesungen hat? Die hohen Töne waren äußerst schrill und schmerzhaft anzuhören. Der Beginn des Gebets war kein Flehen, sondern eine zornige Anklage gegen die heilige Jungfrau. Das passte nicht zur Rolle, da war keine Empfindsamkeit hörbar. Zugute kann ihr gehalten werden, wie sich ihre Stimme im Finale des zweiten Akts fest und klar über alle Männerstimmen erhebt. Ihr "Zurück! Nicht ihr seid seine Richter!“ war ein ordentliches Pfund! Und ihre leider seltenen Piani gelangen ihr auch eindrucksvoll. Hier besteht das Prinzip Hoffnung. Ihr erwarteter Bayreuth-Auftritt bleibt also spannend.
Als einem der wenigen gelang es Michael Nagy, seiner Partie des Wolfram von Eschenbach etwas Minniges in den Gesang zu bringen. Er ist seit Jahren eine feste Größe, wenn es um die Besetzung dieser Partie geht. Den Auftakt zum Wettstreit und den dritten Akt gestaltete er souverän, dem Abendstern hat er gebührend Referenz erwiesen.
Für die ansehnliche Mezzosopranistin Tanja Ariane Baumgartner war die Venus sowohl ihr Rollen- als auch ihr Hausdebüt am Opernhaus Zürich. Sie sang ihre Rolle mit kraftvoll ausladender Stimme und langem Atem, doch Erotik und Verführung konnte sie damit wenig vermitteln. Dafür mussten die roten Lichtorgien herhalten, die den Tanz der unterschiedlichsten Gestalten von Prostituierten bis hin zu Kardinälen auf dem Venusberg begleiteten. Auch an der Aussprachedeutlichkeit gibt es bei der Sängerin noch Spielraum nach oben.
Mika Kares gab den Landgrafen. Sein Bassgesang blieb in Diktion und Phrasierung nichts schuldig. Doch fehlte ihm etwas an Tiefe und Schwere, um der Rolle vollends gerecht zu werden. Zugegeben, ich bin da schon etwas verwöhnt.
Die Minnesänger boten eine insgesamt ordentliche Leistung: Iain Milne als Walther von der Vogelweide brachte stimmschön das Lied vom Bronnen zu Gehör. Ruben Drole als Biterolf etwas rauh und grobklotzig, Martin Zysset als Heinrich der Schreiber und Stanislav Vorobyov als Reinmar von Zweter boten solide Ensembleleistungen.
Sen Guo sang den jungen Hirten etwas befremdend als Krankenschwester verkleidet mit jugendlich klarem Sopran. Sie wurde mit dem Englischhorn von Risa Soejima als zweiter Krankenschwester auf der Bühne traumhaft schön begleitet.
Eine Klasse für sich der exzellent singende Chor und Zusatzchor, sowie der SoprAlti der Oper Zürich unter der Einstudierung von Ernst Raffelsberger. Sehr gelungen der Auftritt der SoprAlti während des dritten Akts im Foyer des oberen Rangs durch die hierfür geöffneten Türen. Das gab dem Geschehen etwas Überirdisches.
Zu guter Letzt Harry Kupfers Inszenierung: Vor acht Jahren aus der Taufe gehoben, sorgt sie immer noch für kontroversen Gesprächsstoff. Minnesänger mit E-Gitarren auf dem Golfplatz, da gab es schon bessere Einfälle. Das wirkte lächerlich. Auch das TV-Studio als Kulisse für den Sängerwettstreit im zweiten Akt war grenzwertig. Einzig mit der Bahnhofshalle im dritten Akt konnte Bühnenbildner Hans Schavernoch einigermaßen überzeugen. Ist es doch der Ort für die Pilgerheimkehr, für das vergebliche Warten Elisabeths auf Tannhäuser und schließlich das Defilee der Geistlichen mit dem Papst, dessen Stab sich zur Erlösung Tannhäusers wieder mit frischem Grün geschmückt hat. Das ist gut gemacht und der letzte Eindruck war versöhnend.