Parsifal - Deutsche Oper Berlin, 14.04.2019

  • Die Wiederaufnahme der Stölzl-Produktion am 14.04.2019 stand zunächst unter keinem guten Stern, da neben Kundry und Amfortas auch der Dirigent umbesetzt worden war. Mir hat das Dirigat von John Fiore durchaus gefallen. Allerdings war er mehrfach als Feuerwehrmann gefragt, weil Einsätze nicht geklappt haben oder Tempi falsch waren. Meiner Meinung nach hat Fiore klare Zeichen gegeben. Dennoch lag der Chor bei "Zum letzten Liebesmahle" im Kollektiv-Schlaf und ist dem Publikum den ganzen Satz schuldig geblieben. Erstaunlich, dass nicht ein einziger Sänger eingesetzt hat. Dass es ein grandioser Opernabend war, lag in erster Linie am Gurnemanz von Günther Groissböck. Er hat gestern meine ohnehin schon hohen Erwartungen weit übertroffen. Seine mustergültige Textbehandlung war wie Liedgesang. Dazu hat er die Partie relativ mühelos gesungen. Stellenweise hat er mich an Kurt Moll erinnert, auch wenn er bei Robert Holl studiert hat. Für mich ist Günther Groissböck nun DER Gurnemanz unserer Tage. Ein weiterer Leuchtturm der Aufführung war Brandon Jovanovich in der Titelpartie. Wie schon als Lohengrin war Jovanovich nicht der dumme Junge, sondern ein selbstbewusster Charakter auf Augenhöhe mit Gurnemanz. Genauso hat er die Partie auch gesungen: mit hohem stimmlichem Einsatz und Tönen, die man selten so serviert bekommt. Als Amfortas war Markus Marquardt aus Dresden eingesprungen. Es gibt sicher noblere Stimmen, aber sein Vortrag ging mit seiner Stimmkraft und mit seiner Bühnenpräsenz unter die Haut. Das war große Klasse! Ebenfalls auf allerhöchstem Niveau war der Klingsor von Derek Welton aus dem Ensemble, der im kommenden Jahr den Wotan in der Rheingold-Premiere singen wird. Heike Wessels hatte es gegen diese überragende Herren-Riege etwas schwer, machte ihre Sache aber ordentlich. Aufgefallen ist mir die Power in ihrer Stimme. Bei den hohen Tönen hatte sie etwas zu kämpfen. Wer Karten für eine der beiden anderen Vorstellungen hat, darf sich freuen, dann allerdings mit Pankratova (Kundry), Hausmann (Amfortas) und dem GMD (Runnicles) am Pult.

  • Wer Karten für eine der beiden anderen Vorstellungen hat, darf sich freuen

    Ich habe eine Karte für Karfreitag und weiß nooch nicht so recht, ob ich mich freuen soll, weil ich bislang um diese Inszenierung einen Bogen gemacht und heute auch das gelesen habe:


    https://onlinemerker.com/berli…-parsifal-wiederaufnahme/


    In der Einschätzung der positiven Leistungen der Sänger der Titelpartie und des Gurnemanz seid ihr euch einig und zumindest auf diese freue ich mich, deswegen habe ich mir auch eine Karte zugelegt.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Lieber Kapellmeister, wie immer Dank für Deine zuverlässigen Berichte aus der DOB!

    Auch ich habe eine Karte für Karfreitag und freue mich auf den Abend. In der Inszenierung war ich schon mehrfach und bin mit ihr nicht zufrieden, aber ich gehe der Sänger und des Orchesters wegen. Wahscheinlich schlüpfe ich auch Gründonnerstag in den Rienzi eben dort.

    Es grüßt Hans

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Danke, dann wünsche ich auch Dir viel Freude am Freitag. Ich bin am Donnerstag in den Meistersingern und am Freitag im Konzert der Staatskapelle mit Anna Netrebko. Ostern gehört dann der Familie.

  • Parsifal in der DOB - Karfreitag, 19.4.2019


    Es bietet sich an, hier fortzusetzen, da die Abende zu einer Serie gehören.


    "Das war ja mal ein Klingsor!" sagte meine Schwester nach dem zweiten Akt zu mir. Und sie hatte recht. Derek Welton, der am Vorabend im Rienzi den Kardinal Orvieto gab, singt im Parsifal den Ketzer, Sünder, Abgewiesenen kraftvoll, männlich (!), jugendlich. Nach seinen vorzüglichen Leistungen als Rheingold-Wotan und Schließer in der Heliane freue ich mich inzwischen immer, wenn er auf dem Besetzungszettel in der Deutschen Oper steht.


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    Die Inszenierung von Ph. Stölzl hatte im Herbst 2012 Premiere. Das ist zu lange her, als daß sich darüber noch zusammenhängend berichten ließe. Mich verblüffen immer wieder die vielen Inkonsistenzen, die losen Fäden, die der Regisseur hängen läßt und die Fehlgriffe bei der Personenregie. Das Konzept, den Parsifal als bebildertes Passionsspiel aufzuführen, geht einfach nicht auf. Weil Stölzl die Dialektik von Zauber und Wunder verborgen bleibt, läßt er Parsifal Klingsor hinterrücks umbringen, wo doch ein Zeichen genügte, die Phantasmagorie von Klingsors Zaubergarten in Trauer und Trümmer sinken zu lassen. Weil der Regisseur sich für das feine verbale Gewebe, das Gurnemanz wie eine Spinne absondert und in dessen Netz alle in dieser Oper hängen, nicht interessiert, findet er keine szenische Lösung und läßt den Erzähler phasenweise isoliert singen - mehr Liederabend als Musiktheater.

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    Dabei gibt es Momente, die zeigen, daß Stölzl sein Handwerk eigentlich versteht: Das Verhältnis von Titurel zu Amfortas, den Abscheu des Vaters gegen seinen ungenügenden Sohn, das erbarmungslose: "Du büß' im Dienste deine Schuld!", die Unmöglichkeit, diesen Generationenriß zu heilen, beeindruckt mich jedesmal in dieser Inszenierung. Dazu trägt auch Andrew Harris als etatmäßiger Titurel bei, der vorzüglich und verständlich singt.

    Dem Lob, das im Eröffnungsbeitrag Günther Groissböck ausgesprochen wird, kann ich mich nur anschließen. Mit guter Idiomatik und höhensicher singt Groissböck den Gurnemanz. Das ließ sich gestern von Brandon Jovanovich nicht ohne Einschränkung sagen. Die Strapazen des zweiten Akts sind ihm im dritten deutlich anzumerken. Bei der Blumenklage: "du weinest - sieh es lacht die Aue" bleibt die Stimme weg. Am 14. April hatte er vielleicht einen besseren Tag erwischt.
    Klaus Florian Vogt, den ich in dieser Inszenierung auch schon gehört habe, meistert alle Klippen der Partie zuverlässig. Er ist der beste Parsifal dieses Jahrzehnts.


    Daß Elena Pankratova eine souveräne Kundry singen würde, war zu erwarten und hat sich bestätigt. Lockung und Verführung habe ich in ihrer Stimme aber nicht gehört.


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    Die Arme bleibt im dritten Akt ja ungetauft. Da sie sich vor dem Karfreitagszauber gerade nicht an der Quelle, in der Parsifal steht, befindet, weil der Regisseur sie auf die andere Seite der Bühne beordert hat, muß P. statt ihrer die sicher nicht ungetauften Gralsritter erneut taufen und sie zu Wiedertäufern machen. Ich weiß nicht, ob intendiert - komisch jedenfalls ist es.

    Mathias Hausman sang gestern abend den Amfortas. Gerade im ersten Akt hat er - wie oben erwähnt - mich beeindruckt.


    Es war schön, in der Pause einen Tamino zu treffen. Auch wenn es nicht zu einem Gespräch gereicht hat, das ergibt sich sicher in einer der nächsten Opernpausen.


    Unsere kleine Operngesellschaft verpaßte die U2 Richtung Osten, so daß wir mit einem Herren aus Barcelona, der ebenfalls wartete, plauderten. Er war am Mittwoch in Detmold in der Martha gewesen, am Gründonnerstag in den Meistersingern in der Berliner Staatsoper, hatte nun den Parsifal gehört und sich für den Ostersonnabend den Freischütz in Leipzig vorgenommen.

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Lieber Hans Heukenkamp,


    sei bedankt für deinen schönen Bericht, dem ich mich im Großen und Ganzen anschließen kann, auch wenn ich einiges doch ein bissl anders gehört habe bzw. anders bewerte.


    "Das war ja mal ein Klingsor!" sagte meine Schwester nach dem zweiten Akt zu mir. Und sie hatte recht. Derek Welton, der am Vorabend im Rienzi den Kardinal Orvieto gab, singt im Parsifal den Ketzer, Sünder, Abgewiesenen kraftvoll, männlich (!), jugendlich.

    Ganz ehrlich: Welton war gestern Abend für mich die zweitgrößte Enttäuschung unter den Solisten. Ich fand ihn solide, aber irgendwie doch auch sehr blass, nichts Urtümliches, nichts Markantes, nichts Charakteristisches, zu gepflegt und "zivilisiert" dieser Rolle. An Karl-Heinz Styczek und Ekkehard Wlaschiha darf ich da nicht denken, die haben mich in dieser Rolle mit ihrer Urkraft und auch ihrem Mut zur Hässlichkeit weit mehr beeindruckt als Welton gestern Abend.

    Die Inszenierung von Ph. Stölzl hatte im Herbst 2012 Premiere. Das ist zu lange her, als daß sich darüber noch zusammenhängend berichten ließe. Mich verblüffen immer wieder die vielen Inkonsistenzen, die losen Fäden, die der Regisseur hängen läßt und die Fehlgriffe bei der Personenregie. Das Konzept, den Parsifal als bebildertes Passionsspiel aufzuführen, geht einfach nicht auf. Weil Stölzl die Dialektik von Zauber und Wunder verborgen bleibt, läßt er Parsifal Klingsor hinterrücks umbringen, wo doch ein Zeichen genügte, die Phantasmagorie von Klingsors Zaubergarten in Trauer und Trümmer sinken zu lassen. Weil der Regisseur sich für das feine verbale Gewebe, das Gurnemanz wie eine Spinne absondert und in dessen Netz alle in dieser Oper hängen, nicht interessiert, findet er keine szenische Lösung und läßt den Erzähler phasenweise isoliert singen - mehr Liederabend als Musiktheater.

    Ich habe die Inszenierung gestern das erste Mal gesehen und stimme allem zu, was du gesagt hast. Und dennoch: Ich finde aktuell alle seit der Jahrtausendwende entstandenen Wagner-Neuinszenierungen am Haus misslungen - und von allen diesen misslungenen Inszenierungen ("Rienzi", "Holländer", "Tannhäuser", "Lohengrin", "Tristan") scheint mir dieser "Parsifal" noch die erträglichste Inszenierung zu sein. Die Gestaltung des Bühnenraumes ist durchaus eindrucksvoll, der große Bogen zumindest in den ersten beiden Akten eigentlich da, trotz einiger Abstrusitäten, auf die du zu Recht hingewiesen hast. (Noch ein Beispiel dazu von mir: Bei den Worten Klingsors am Ende des 2. Aktes geht Parsifal hinter Klingsor, ermordet ihn bei dessen letztem Ton mit dem Schwert, greift nach dem Speer und singt "Mit diesem Zeichen bann' ich deinen Zauber" - darauf muss man erst einmal kommen...) Problematisch finde ich den 3. Akt, wo ja nun gar nichts mehr von dem passiert, was Wagner an Regieanweisungen gerade im ersten Bild (wo ich auch nur drei Leute auf der Bühne sehen möchte und nicht nur eine ganze Statistentruppe) explizit vorgegeben und auch auskomponiert hat (die Fußwaschung Parsifals durch Kundry, die Salbung Parsifals durch Gurnemanz, die Taufe Kundrys durch Parsifal usw.). Allerdings war diese Kasper-Truppe so weit rechts, dass man sie auch gut übersehen konnte, wenn man nach links zu den gerade singenden Solisten (Gurnemanz, Parsifal) blickte. Aber: Einige Momente fand ich durchaus eindrücklich gelungen, etwa die Selbsttötung des Amfortas mit dem von Parsifal zurückgebrachten heiligen Speer und manches andere auch. Und ich habe nicht so viel regiepraktisches Unvermögen erleben müssen wie in "Tannhäuser" und "Lohengrin", musste kein permanentes Wascherplätschern und dadurch Übertönen der leisen Stellen wie im "Holländer" ertragen und auch kein völlig Wagners Intentionen zuwiderlaufendes Grundkonzept wie beim "Rienzi" mit Nazis rauf und runter (und einem extrem unsympathischen Titelhelden) vom gleichen Regisseur. In den "Rienzi" würde ich kein zweites Mal gehen, in den "Parsifal" gehe ich nächstes Jahr nochmal rein, primär natürlich wegen der Sänger - man wird ja so bescheiden...

    Dazu trägt auch Andrew Harris als etatmäßiger Titurel bei, der vorzüglich und verständlich singt.

    Harris hat hat mich als Titurel sehr beeindruckt, hatte eigentlich die imponierendste Bassstimme des Abends. (Eine persönliche Entdeckung für mich und die zweitgrößte positive Überraschung des Abends.)

    Dem Lob, das im Eröffnungsbeitrag Günther Groissböck ausgesprochen wird, kann ich mich nur anschließen. Mit guter Idiomatik und höhensicher singt Groissböck den Gurnemanz.

    Diesen Gurnemanz habe ich etwas differenzierter wahrgenommen: Am Beginn des 1. Aktes befürchtete ich noch Schlimmes, die Stimme klang angestrengt, die Töne wurde mit Überdruck herausgepresst (sodass aus "Morgen" "Morgenäh" wurde). Das gab sich dann aber rasch und er sang wirklich einen sehr guten ersten Akt mit einer frei strömenden Mittellage und gut sitzenden Höhen, bei denen er auch gut und richtig zupackte, die Töne saßen. Sein größtes Plus ist freilich seine Textgestaltung. Er kann die Rolle und die Erzählungen so plastisch erlebbar machen, wie das Siegfried Vogel konnte und René Pape kann und sonst in dieser Güte nicht sooo viele konnten. Seine Beschätigung mit dem Lied trägt dabei sicherlich Früchte. Klanglich hat er mich im 1. Akt noch nicht restlos überzeugt, insbesondere Tiefe flatterte manchmal klanglich regelrecht davon. Es klang auch mitunter mehr nach Ochs als nach Gurnemanz, nicht balsamisch und edel genug. An Moll oder mitunter auch Salminen durfte man diesbezüglich nicht denken!

    Dann kam der dritte Akt und Groisböck gehörte zu den großen Rollenvertretern, die sich im 3. Aufzug im Vergleich zum 1. Aufzug noch einmal gewaltig steigern konnten (der scheint generell etwas besser zu liegen, denn Vogel, Adam, Moll oder Salminen konnten sich im 3. Akt auch häufig noch einmal steigern, bei Pape ist es tendenziell eher umgekehrt) und den Gurnemanz in diesem Schlussakt wirklich toll sang. Der Klang strömte jetzt freier, die Mittellage und nun auch die Tiefe waren eine Wohltat, die Höhen wurden ähnlich souverän gemeistert wie schon im 1. Akt - mit einer Ausnahme: Ausgerechnet die Stelle, die der Höhepunkt des ganzes Bildes werden sollte, "O Gnade, höchstes Heil", geriet leider nicht sehr eindrucksvoll, hier fehlte es sowohl an Volumen als auch an Klang. (Der "König" geriet dann wenig später viel besser, auch der Karfreitagszauber).

    Fazit: Es war eine sehr gute Gesamtleistung und äußerst lohnend zu erleben (gerade auch wegen der vorbildlichen sprachlichen Komponente, die bei dieser langen, beinahe epischen Rolle noch wichtiger ist als bei anderen), aber einen kommenden Wotan und vor allem Wanderer habe ich gestern Abend nicht gehört (Von ihm nicht und schon gar nicht von Welton, der mich sonst deutlich mehr überzeugt hatte als gestern Abend.)

    Das ließ sich gestern von Brandon Jovanovich nicht ohne Einschränkung sagen. Die Strapazen des zweiten Akts sind ihm im dritten deutlich anzumerken. Bei der Blumenklage: "du weinest - sieh es lacht die Aue" bleibt die Stimme weg. Am 14. April hatte er vielleicht einen besseren Tag erwischt.

    Ja, nachdem ich vorher über diesen Sänger nur Lobeshymnen gehört hatte, war dies bei meiner ersten Live-Begegnung mit ihm eine echte Enttäuschung für mich. Der erste Akt war klanglich und sprachlich nicht besonders hinreißend und so ging es im zweiten Akt erst einmal weiter. Die ersten Töne, die wirklich positiv aufhorchen ließen, waren "Amfortas" - um anschließend diesen positiven Eindruck beim ersten, tieferen "Die Wunde!" sofort wieder zunichte zu machen. Die Stimme klang in der Mittellage unruhig und klanglich uneinheitlich, in der Tiefe war sie kaum vorhanden und bei einigen folgenden hohen Stellen übernahm er sich völlig, da brach die Stimme beinahe weg, klang jedenfalls angestrengt und unschön.

    Wesentlich besser geriet ihm dann der lyrischere dritte Akt, zumal er auch Mut zum Höhenpiano an den richtigen Stellen hatte. Die Schluss-Szene "Nur eine Waffe taugt" war sogar sehr gut - wenn man bereit ist, die kaum mehr als angetippten, "markierten" tiefen Töne, die ihm einfach nicht zur Verfügung standen, zu übergehen.

    Insgesamt keine bravouröse Leistung! Offenbar liegt ihm die Rolle zu tief, aber auch in der Höhe konnte er an diesem Abend eben auch nicht durchgängig punkten.

    Daß Elena Pankratova eine souveräne Kundry singen würde, war zu erwarten und hat sich bestätigt. Lockung und Verführung habe ich in ihrer Stimme aber nicht gehört.

    Das hatte ich nach ihrer desaströsen Senta im Februar 2017 in Dresden so nicht erwartet und war daher eher positiv überrascht. Die tiefere Rolle der Kundry liegt ihr deutlich besser in der Stimme als die Senta, das dunkle Timbre überzeugte mich hier sehr, die sprachlichen Defizite hielten sich auch noch in Grenzen. Das "lachte" war höchst eindrucksvoll, die kurz darauf folgenden hohen Stellen "lachen, lachen" bereiteten ihr hingegen hörbare Mühe, aber kein Vergleich zu ihrer elebten Senta, wo sie eigentlich schon im Holländer-Duett massive Probleme hatte und nahe am Stimmtod war. Meine Lieblingssängerin wird das sicher nicht mehr, aber als Kundry konnte ich mit ihr an diesem Abend gut leben, zumal sie in dieser Inszenierung ja keine Lockerin und Verführerin sein muss, was ihr natürlich entgegen kam.

    Mathias Hausman sang gestern abend den Amfortas. Gerade im ersten Akt hat er - wie oben erwähnt - mich beeindruckt.

    Für war das die größte positive Überraschung des Abends und zwar in beiden Akten! Wie dieser Sänger mit einem kaum wahrnehmbaren geringen Kraftaufwand seiner sicher nicht riesigen Stimme eine Fülle von Wohlklang in allen Lagen entlockt und noch dazu edel phrasierend, textverständlich und dennoch auch emotional diese Rollle erfüllt, war für mich das Highlight des ganzen Abends. Er blieb der Partie nichts schuldig, im Gegenteil, auch die exponierten Stellen kamen alle wie selbstverständlich. Bravo, Herr Hausmann!

    Es war schön, in der Pause einen Tamino zu treffen. Auch wenn es nicht zu einem Gespräch gereicht hat, das ergibt sich sicher in einer der nächsten Opernpausen.

    Naja, du hattest doch schon einige Gesprächspartner um dich versammelt, da will man doch nicht stören. ;):hello:


    Noch ein Wort zur Orchesterleistung: Leider gab es doch einige Schmisse und Patzer in allen drei Akten (wenn auch eher abnehmend) zu konstatieren, teilweise wirklich böse Böcke - und trotzdem war ich insgesamt recht zufrieden, weil mich die Gesamtinterpretation überzeugte, die flüssig und durchaus angenehm zügig (nicht hetzend aber eben auch nicht statisch) war. Insofern konnte ich damit besser leben als mit einer Interpretation, die mich nicht überzeugt, obwohl sie fehlerfrei vorgetragen wird. Ein paar Patzer weniger, insbesondere im 1. Akt, hätten es dennoch gerne sein dürfen.


    Du siehst, lieber Hans Heukenkamp: So weit sind wir in unserer Einschätzung des gestern erlebten Opernabends nicht entfernt. :hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Lieber Stimmenliebhaber,

    den schließenden Konsonanten so stimmhaft zu singen, wie Groissböck es anfangs tat, habe ich bei anderen Sängern, z.B. Falk Struckmann, auch schon gehört und hatte es für ein technisches Hilfsmittel gehalten, um die kommende Silbe zu binden.

    Du bist mit Deinen Wertungen der Stimmen viel differenzierter, als ich das kann, und ich habe Deine Bemerkungen mit großem Interesse gelesen.

    Was das Dirigat angeht: Mit schien der erste Satz etwas schleppend, aber ich sah dann, daß er nicht besonders lange gedauert hatte. Da hat mir die eigene Stimmung wohl die objektive Wertung unmöglich gemacht.

    Interessant ist, wieviel man von Erfahrungen aus vergangenen Vorstellungen doch mit in die Bewertung der aktuellen einfließen läßt. So wie Du es mit Pankratovas Senta gemacht hast, geht es mir mit Groisböcks König Heinrich, der mir immer sehr gut gefällt und der seinem Gurnemanz zu einem Bonus bei mir verhilft.

    Es grüßt Hans

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Interessant ist, wieviel man von Erfahrungen aus vergangenen Vorstellungen doch mit in die Bewertung der aktuellen einfließen läßt. So wie Du es mit Pankratovas Senta gemacht hast, geht es mir mit Groisböcks König Heinrich, der mir immer sehr gut gefällt und der seinem Gurnemanz zu einem Bonus bei mir verhilft.

    Lieber Hans Heukenkamp,


    den aktuellen DOB-Lohengrin habe ich mir ja auch nur 1x angesehen, das war 2015 mit Hateros und Vogt - und Groissböck sprang damals für Pesendorfer als König Heinrich ein und war in der Tat sehr überzeugend. Das gilt ebenso sein im selben Jahr live erlebter Ochs in Salzburg. Seinen Daland im Februar 2018 in Hamburg fand ich dann jedoch weit weniger überragend. Daher wollte ich ihn als Gurnemanz eigentlich meiden, aber ich hatte noch ne Abo-Umtausch-Karte übrig, die ich noch in dieser Spielzeit verbraten musste und dann habe ich mich doch für den Parsifal entschieden und es nicht bereut. Auch hat Groissböck diesen "Bonus" als Gurnemanz gar nicht nötig, ich wüsste in der Tat nicht, welchen Gurnemanz ich gestern lieber erlebt hätte. Papes beste Zeiten sind lange vorbei und meine anderen Lieblings-Gurnemänze (Vogel, Moll, Salminen) singen nicht mehr - nun ja, Salminen singt inzwischen wieder oder doch immer noch, aber das hat natürlich auch nichts mehr mit dem Leistungsvermögen zu tun, dass er in seinen besten Zeiten hatte. Insofern freue ich mich, Groissböck im Mai 2020 nochmals in dieser besonderen Rolle zu erleben, wenn alles läuft wie geplant. Der gestrige Abend bot erfreulicherweise keinen Grund dafür, meine schon gebuchte Karte für's nächste Jahr zurückzugeben. ;) :hello:


    P.S.: Nach dem "-gen" in "Morgen" kommt ja keine Silbe mehr...^^

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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