Notre Dame brennt

  • Objekte des Massentourismus sind die meisten innerstädtischen Kunstdenkmäler heute, sie es zur Unkenntlichkeit reastaurierte wie die Wartburg (die allerdings außerhalb Eisnachs) oder gut erhaltene wie die historische Innenstadt von Florenz. Und dieser Massentourismus nagt an den Kunstwerken. Viele Fresken mögen die Feuchtigkeitsausdünstungen der Unmengen von Glotzneugierigen nicht (klever Museusee haben Hygrostaten istalliert und kapen ab einem bestimmten Grad an Luftfeuchtigkeit den Zutritt, wie etwa der Adlerturm in Trient). Die Ghiberti-Türen im Florentiner Baptistrium sind schon seit Ewigkeit in der Dom-Opera, da der Autoverkehr sie frisch gereinigte Bronzen umgehend wieder schwärzt. Das Arno-Hochwasser in den 1960ern hat einig Giotto-Fresken in Mitleidenschaft gezogen. Sowas führt zu Restauratorendebatten, ob man ein Erhalt des Status Quo betreiben soll oder tatsächlich wiederherstellen. Das sind dann interne Fachdebatten. Ob unsere Wahrnehmung alter Kunstwerke immer so richtig ist, sei dahingestellt. Da in Kirchen immer schon viele Kerzen abgefackelt wurden ist eine Veränderung der Kunstwerke durch entsprechende Ablagerungen unausweichlich. Restauriert, resp. reinigt man die Bilder geht ein Aufschrei durch die Liebhaberschaft (etwa die Restaurierung der Sixtinischen Kapelle oder die Fresken Andrea Orcagnas).


    Mich hat's immer verdrossen, wenn man in einer kleinen Gruppe von Kunsthistorikern oder Kunstliebhabern vom Marketingerzeugten Massenandrang beläästigt wurde, Menschen, die sich nicht die Bohne für das interessieren, vor das man sie führt. Bestes Beispiel: Botticellis Gburt der Venus. Mitte der 1980er Jahre aufwendig restauriert uind in den Uffizien ausgestellt. Daneben ein Fernseher mit den Erklärungen zu Bild und Restaurierung. Mit sowas hält man in der Tat den Platz vorm Gemälde frei. Denn der Fernseher war umlagert, das Original nicht. Mehr solcher grünen Elefanten bitte neben gute Kunstwerke.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Objekte des Massentourismus sind die meisten innerstädtischen Kunstdenkmäler heute, sie es zur Unkenntlichkeit reastaurierte wie die Wartburg (die allerdings außerhalb Eisnachs) oder gut erhaltene wie die historische Innenstadt von Florenz. Und dieser Massentourismus nagt an den Kunstwerken. Viele Fresken mögen die Feuchtigkeitsausdünstungen der Unmengen von Glotzneugierigen nicht (klever Museusee haben Hygrostaten istalliert und kapen ab einem bestimmten Grad an Luftfeuchtigkeit den Zutritt, wie etwa der Adlerturm in Trient). Die Ghiberti-Türen im Florentiner Baptistrium sind schon seit Ewigkeit in der Dom-Opera, da der Autoverkehr sie frisch gereinigte Bronzen umgehend wieder schwärzt. Das Arno-Hochwasser in den 1960ern hat einig Giotto-Fresken in Mitleidenschaft gezogen. Sowas führt zu Restauratorendebatten, ob man ein Erhalt des Status Quo betreiben soll oder tatsächlich wiederherstellen. Das sind dann interne Fachdebatten. Ob unsere Wahrnehmung alter Kunstwerke immer so richtig ist, sei dahingestellt. Da in Kirchen immer schon viele Kerzen abgefackelt wurden ist eine Veränderung der Kunstwerke durch entsprechende Ablagerungen unausweichlich. Restauriert, resp. reinigt man die Bilder geht ein Aufschrei durch die Liebhaberschaft (etwa die Restaurierung der Sixtinischen Kapelle oder die Fresken Andrea Orcagnas).


    Mich hat's immer verdrossen, wenn man in einer kleinen Gruppe von Kunsthistorikern oder Kunstliebhabern vom Marketingerzeugten Massenandrang beläästigt wurde, Menschen, die sich nicht die Bohne für das interessieren, vor das man sie führt. Bestes Beispiel: Botticellis Gburt der Venus. Mitte der 1980er Jahre aufwendig restauriert uind in den Uffizien ausgestellt. Daneben ein Fernseher mit den Erklärungen zu Bild und Restaurierung. Mit sowas hält man in der Tat den Platz vorm Gemälde frei. Denn der Fernseher war umlagert, das Original nicht. Mehr solcher grünen Elefanten bitte neben gute Kunstwerke.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Lieber Thomas, deine Bemerkung zu Botticellis Gemälde belustigt mich gerade etwas. Vor ein paar Tagen stand ich vor ihm - und kann mich an keinen Bildschirm daneben erinnern. Ich glaube dir gern, dass da einer installiert ist, aber bei mir war dann der Effekt genau anders: Beachtung fand lediglich das Gemälde, und das nicht zu knapp. Wir hatten im Vorfeld übrigens dafür gesorgt, ganz früh eingelassen zu werden, sodass ich den Raum wirklich fast für mich allein hatte.


    Ich verstehe Alfreds Bedenken hinsichtlich des kulturellen Verlustes, der jetzt zu beklagen ist, durchaus, ohne (kunst)historisch beschlagen zu sein. Reproduktion ist für mich etwas anderes und per se Defizitäreres als die ebenfalls ja problematischen Aspekte von Erhaltung und Restaurierung. Dennoch natürlich (!) kein Grund, der gegen einen Wiederaufbau spricht.

  • Lieber Leiermann, ich sprach von der Mitte der 1980er, als das Bild frisch restauriert worden war.


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  • Die Sprachlosigkeit, die mit diesem äußerst betrüblichen und wohl vermeidbaren Ereignis einhergeht, lässt den Brexit wie einen Treppenwitz der Geschichte erscheinen. Es führt mal wieder die Vergänglichkeit vor Augen. Unser geschätzter Rheingold zitiert Erda, selten passte das Zitat besser: "Alles, was ist, endet." Dass es nun so enden musste, ist bitter.


    Man sollte aber nicht vergessen, dass Notre-Dame de Paris, wie wir es bis gestern kannten, auch gerade ein Produkt des Historismus des 19. Jahrhunderts war. Sprich: Auch da war schon nicht mehr alles original. So übrigens in vielen, um nicht zu sagen beinahe allen gotischen Kathedralen. Man denke etwa auch an die Zerstörungen am Speyerer Kaiserdom durch den Pfälzischen Erbfolgekrieg und den schwierigen Wiederaufbau, der erst im 19. Jahrhundert dem mittelalterlichen Original wieder angenähert wurde.


    Positiv stimmt mich die sich bereits jetzt abzeichnende große Solidarität angesichts der Kosten für den Wiederaufbau. Ich hege die Hoffnung, dass man bei einem solchen nationalen Heiligtum wie Notre-Dame de Paris (in Frankreich eigentlich nur vergleichbar mit der Kathedrale von Reims als Krönungskirche und Saint-Denis als Grablege) alle Hebel in Bewegung setzen wird, die größtmögliche Authentizität wieder zu erreichen. Der öffentliche Druck ist da. Von daher sind so halbgare Restaurationen, wie nach dem Zweiten Weltkrieg häufig geschehen, kaum vorstellbar (die fragwürdige der schon genannten Wiener Staatsoper ist da eines meiner Lieblingsbeispiele).


    Man kann zwar nicht wirklich von Glück im Unglück sprechen, aber scheinen doch die wichtigen und unersetzbaren Reliquien allesamt gerettet worden zu sein und soll, soviel ich hörte, auch die Orgel weitestgehend mit dem Schrecken davongekommen sein.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Aber in dem Bewusstsein, daß es eben nur eine Kopie ist und kein mittelalterliches Kunstwerk, nicht wirklich "erstrangiges" mehr.

    Die Dresdener sind stolz auf ihre "Kopien". Der Besucherandrang ist enorm, auch der Verlust als "Weltkulturerbe" wegen einer verkerhrs- und umwelttechnisch notwendigen Elbbrücke hat nicht davon abhalten können, Dresden wegen seiner Kunstwerke von der Semperoper über den Zwinger, das Schloß mit dem Fürstenzug, der Hofkirche bis zur Frauenkirche, der Brühlschen Terrasse und dem Albertinum, die Museen mit dem Grünen Gewölbe uva. zu besuchen. Alles und noch viel mehr waren Opfer der sinnlosen Zerstörung in einer einzigen Nacht und wurde wieder aufgebaut.

    Ich glaube, daß keinem beim Besuch von Dresden der Gedanke kommt, daß es sich nicht um wirklich "erstrangiges" handeln würde. Genauso sehe ich das mit Notre Dame. Sie gehört wieder aufgebaut, im sichtbaren und der Öffentlichkeit zugängigen Teil möglichst originalgetreu, aber nicht durch Modernismen äußerlich verschandelt.

    Bei der Finanzierung kann sicher eine weltweite Spendenaktion hilfreich sein. Wie ich eben gelesen habe sind schon über 350 Mio Euro Spendengelder zugesagt.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

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  • Die Rosetten haben überlebt, auch von den Kunstschätzen des Innenraumes wurde einiges gerettet. Von dem Gesamteindruck dürfte nach Wiederaufbau nicht allzuviel verlorengehen. Ich bin sehr erleichtert.

  • Auf einigen aktuellen Bildern sind sogar noch Teile des Gewölbes im Langhaus zu sehen, die offenbar erhalten geblieben sind, das hätte ich nicht zu hoffen gewagt. Allerdings habe ich auch gelesen, dass sich der Stein mit Löschwasser vollgesogen habe und nun das Gewicht, dass auf den Pfeiler laste, erheblich angestiegen sei. Ob das hält, werde man erst in einigen Tagen sehen.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • In diesem Fall ist die Wiederherstellung nach dem Brandschaden ja kein freiwillig gewähltes Ereignis, sondern eines durch äußere, nicht abwendbare Einflüsse notwendig gewordenes. Aus diesem Grund ist die Frage durchaus interessant, und fast schon philosophisch, inwieweit die Authentizität nach der Wiederherstellung noch gegeben ist. Klar, es werden neue Baustoffe zum Einsatz kommen wo die alten nicht mehr zu retten sind und eventuell machen es die aktuellen Bauvorschriften auch erforderlich, dass zur Absicherung der Statik die eine oder andere moderne Verstrebung eingezogen werden muss (selbstredend nicht für den Besucher sichtbar). Auch die Patina ist an den instandgesetzten Stellen nicht mehr vorhanden.


    Inwieweit beeinträchtigt das nun den kulturellen Wert des Gebäudes?


    Die Beseitigung eines solchen Schadens durch eine „Naturkatastrophe“ muss doch eigentlich erlaubt sein (?). Sonst würden uns sämtliche Baudenkmäler früher oder später verloren gehen, als „Kopie“ im eigentlichen Wortsinn würde ich das zumindest nicht bezeichnen….

    ________________________________________________________________________________________


    Gruß
    Nicolas

  • Der gestern eingestürzte Vierungsturm war z. B. eine Neukonstruktion aus dem 19. Jahrhundert, konkret während der umfangreichen Restaurierung zwischen 1844 und 1864. Soweit ich das überblicke, hat man den ursprünglichen nicht 1:1 nachgebaut, sondern in größerer Form. Da fragt sich dann natürlich einmal wieder, was überhaupt der wiederherzustellende Originalzustand ist.


    Hier schön zu sehen der Zustand von um 1860, also noch ohne neuen Vierungsturm:


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    – Luís de Camões

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  • Ich habe eben in den Nachrichten (ARD Tagesschau) gehört, dass von größeren Unternehmen bereits Spenden-Zusagen in Höhe von 600 Millionen Euro vorliegen.


    Ich weiß nicht, ob ein hungerndes Kind in Afrika oder dem Jemen so wirklich Verständnis dafür hätte, dass 600 Mio für eine abgebrannte Kirche gespendet werden, aber für seine nächste Mahlzeit kein Geld da ist. Und mehr ist es in meinen Augen auch nicht - eine abgebrannte Kirche.


    Diese symbolträchtige Glorifizierung eines Gebäudes findet nur in den Köpfen der Leute (in Euren Köpfen) statt, und die kann ich so nicht nachvollziehen.

    Es wird immer weitergehn, Musik als Träger von Ideen.

    Kraftwerk

  • ...das hinterließ bei mir auch einen etwas schalen Beigeschmack, sowohl was Höhe, als auch was die schnelle Bereitschaft zu spenden angeht. Aber es soll ja nicht zu politisch werden, aus wahrscheinlich guten Grund...

    ________________________________________________________________________________________


    Gruß
    Nicolas

  • Die Frage lässt sich grundsätzlich immer stellen. Sogar beim Schaffen von Kunst. Man kann indes vereinfacht festhalten, dass das Kind in Afrika -um bei dem symbolträchtigen Bild zu bleiben- nicht deshalb keine Mahlzeit hat, weil hier ein Opernhaus gebaut oder eine Kirche restauriert wird. Es hätte dies Mahlzeit auch ohne diese Ausgaben nicht. Und daran sind nicht die Afrikaner schuld. Sondern durchaus die Konsumgesellschaften. Aber dieses Fass möchte ich hier nicht aufmachen.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

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  • Man sollte Menschenleben und Kulturschätze nicht auf diese Weise gegeneinander stellen. Das eine sollte das andere nicht ausschließen. Darf man um die verlorenen Kunstschätze aus Bagdad trauern oder die Zerstörung antiker syrischer Baudenkmäler bedauern, wenn gleichzeitig ein Krieg tobt und Menschen sterben? Ich meine, man darf um beides trauern. Die kulturellen Denkmäler sind ein Teil der Menschheitsgeschichte und insofern auch äußerst wertvoll. In einer konkreten Situation, z.B. schicken wir die Feuerwehrleute in den Tod, um die Kathedrale zu retten, wird man wohl gegen die Kathedrale entscheiden. Zum Glück gibt es dieses moralische Dilemma nicht all zu oft.

  • Kulturelle Symbole braucht der Mensch nun einmal - mindestens genauso viel wie das Essen. Nimmt man ihm die Symbole, dann isst er vielleicht, aber endet in der Depression und wird zum Alkoholiker oder Terroristen wegen einer fundamentalen Identitätskrise. Dass man nun alle bedeutenden Kulturwerke der Welt verrotten lassen soll und das Geld dafür für Hilfslieferungen ausgeben, ist einfach kein sinnvoller Vorschlag. Kultur ist nicht verrechenbar. Warum hat wohl die Anthropologie den Menschen als Kulturwesen definiert? Essen tun auch die Tiere. Man kann sogar umgekehrt fragen, ob es nicht eine Entwürdigung ist, wenn man Menschen in der sogenannten 3. Welt nur unter dem Aspekt von Not und Hunger sieht und nicht z.B. die Erhaltung ihrer Kulturgüter für wichtig hält. Auch Afrikaner haben natürlich ihre Symbole. Was wäre, wenn die Pyramiden beschädigt würden? Da würde auch jedes Geld der Welt locker gemacht. Übrigens ist es die barbarische Politik der islamistischen Fundamentalisten, Kulturdenkmäler wie die Buddha-Statuen in Afghanistan zu zerstören (das waren bezeichnend keine Afghanen, sondern "Ausländer"), um Muslimen ihre kulturelle nationale Identität zu nehmen: Sie sollen nichts für Wert schätzen außer dem Koran.


    Schöne Grüße

    Holger

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  • Ich weiß nicht, ob ein hungerndes Kind in Afrika oder dem Jemen so wirklich Verständnis dafür hätte, dass 600 Mio für eine abgebrannte Kirche gespendet werden, aber für seine nächste Mahlzeit kein Geld da ist. Und mehr ist es in meinen Augen auch nicht - eine abgebrannte Kirche.

    Dasselbe Kind hätte sicherlich genauso wenig Verständnis dafür, dass Du Hunderte von CDs hortest, anstatt das Geld für die Armen zu spenden. MIt diesem Totschlag-Argument kann man alles in Frage stellen. Und auch wenn für DICH das nur eine Kirche ist, solltest Du vielleicht doch zur Kenntnis nehmen, dass andere Menschen darin ein kulturelles, historisches, identitätsstiftendes, einzigartiges Monument sehen, das ihnen emotional viel bedeutet, Heimat vermittelt, spiritueller Zufluchtsort ist etc. etc.

    Wenn Dein Blick wirklich so verengt ist, dass Du in einem Weltkulturerbe der Menschheit "nur" eine abgebrannte Kirche siehst, die andere lediglich "in ihren Köpfen" glorifizieren, dann ist das für mich eine erschütternd kleingeistige, banausenhafte, uninformierte Einstellung, die ich Dir angesichts Deiner weitgefächerten musikalischen Interessen nicht zugetraut hätte und die ich sehr enttäuschend finde.

  • Wiederaufbau in jedem Fall, daß steht ausser Frage. Es wäre aber schön, wenn die Spendenbereitschaft für humanitäre Zwecke ebenso großzügig und spontan erfolgen würde. Zumindest von privater Seite kennt man das da in der Form nicht....

    ________________________________________________________________________________________


    Gruß
    Nicolas

  • Ich habe eben in den Nachrichten (ARD Tagesschau) gehört, dass von größeren Unternehmen bereits Spenden-Zusagen in Höhe von 600 Millionen Euro vorliegen.


    Ich weiß nicht, ob ein hungerndes Kind in Afrika oder dem Jemen so wirklich Verständnis dafür hätte, dass 600 Mio für eine abgebrannte Kirche gespendet werden, aber für seine nächste Mahlzeit kein Geld da ist. Und mehr ist es in meinen Augen auch nicht - eine abgebrannte Kirche.


    Diese symbolträchtige Glorifizierung eines Gebäudes findet nur in den Köpfen der Leute (in Euren Köpfen) statt, und die kann ich so nicht nachvollziehen.

    Oh, lieber rolo, hier muss ich widersprechen. Wenn die Menschheit es wollte, müsste kein Kind im kriegsgeschüttelten Jemen hungern - ob da nun 600 Millionen Euro für den Kirchenwiederaufbau im fernen Paris gespendet werden oder nicht. Zum Beispiel könnte die saumäßig reiche Kriegspartei Saudi-Arabien Geld in rauhen Mengen zur Verfügung stellen, damit jemenitische Kinder nicht hungern müssen. Oder die Kriegsparteien im Jemen selbst könnten mal ihre lächerlichen Kriegsgründe beiseite schieben und ihrer eigenen hungernden Kinder, der Kinder Jemens, gedenken und im Namen der Menschlichkeit von ihren kleinkarierten Scheißkriegsgründen (Entschuldigung, das musste jetzt mal genau so gesagt werden) ablassen. Wir Europäer sollen uns deswegen den Wiederaufbau eines unserer zentralen kulturgeschichtlichen Baudenkmäler verkneifen? Ich halte es für unlogisch überhaupt einen Zusammenhang herzustellen zwischen dem Pariser Brand und den Folgen des Jemenkrieges für die dortige Zivilbevölkerung. Um es nochmal zu sagen: Es gibt in unmittelbarer geographischer Nähe zum Jemen jede Menge Staaten, die an ihren Petro-Dollars geradezu ersticken - warum werden diese Herrschaften denn nicht moralisiert?


    Und nun zu deinem "Es ist ja nur eine Kirche": Es ist nicht nur irgendeine Kirche. Dieser Bau ist von zentraler Bedeutung für die Geschichte Frankreichs und die Geschichte des abendländischen Christentums. Ich entnehme deinen Worten eine gewisse Distanz zu eben diesem Christentum. Da geht es mir nicht anders, lieber rolo. Wiewohl ich immer noch Katholik bin, habe ich, außer anlässlich von Hochzeiten, Taufen oder Trauerfeiern, zu denen ich geladen war, seit über dreißig Jahren keinen Gottesdienst mehr besucht. Es ist weg. Es ist einfach weg. Ich empfinde da nichts mehr. Ich kann nicht glauben an das, was die christlichen Kirchen uns zu glauben gelehrt haben. Und dennoch bleiben über 1500 Jahre, in denen das Christentum diesen unseren Kontinent geprägt hat wie nichts sonst (die ersten drei bis vier Jahrhunderte des Untergrundchristentums lass ich jetzt mal weg, daher sage 1500 Jahre). Du hörst doch gerne Bruckner, rolo! Wenn du Bruckner hörst, hörst jedes Mal auch einen ordentlichen Schuss guter alt-österreichischer Katholizität mit. Oder anders gesagt: Ohne (in diesem Fall katholisches) Christentum gäbe es deine geliebten Bruckner-Symphonien nicht.

    Wir Europäer sollten - auch wenn wir uns dechristianisieren - unsere christliche Geschichte nicht wegwerfen, als wäre sie billiger Dreck.


    Nimm mir meine Worte nicht übel, lieber rolo. Aber du hast steil Position bezogen, da musste ich steil dagegenhalten.


    Grüße

    Garaguly

  • Nun, vielleicht bestimmt bin ich ein bisschen anders als die meisten hier, aber ich kann nun mal die Bestürzung und Betroffenheit, die hier allerorten um sich greift, nicht nachvollziehen geschweige denn teilen. Ob's nun der Notre Dame ist oder die Dorfkirche von Dösenbüttel - well, shit happens. Und das selbe würde ich auch sagen, wenn es die Elbphilharmonie abgefackelt hätte. Würde halt woanders die Musik gemacht.


    Was ich aber stört ist die Tatsache, dass angesichts einer abgebrannten Kirche die Bonzen ihre Geldbörsen aufreissen und das Geld nur so rausschleudern (oh, das war jetzt wieder böse von mir), während sie bei Afrika oder Jemen knausern und meinen 'is nich mein Problem'. Und wenn mein obiges Posting ein 'Totschlag-Argument' beinhaltete ... jo mei, dann soll es halt so sein. Es ist jedenfalls meine Meinung. Und ich halte jedes einzelne verhungerte Kind für schlimmer als hundert rauchende Kirchen-Ruinen. Das eine sind LEBEN, das andere nur materielle Werte, in die irgendwelche Spinner (böse böse böse) irgendeine obskure Symbolik hineindeuten.

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    Kraftwerk

  • Wiederaufbau in jedem Fall, daß steht ausser Frage. Es wäre aber schön, wenn die Spendenbereitschaft für humanitäre Zwecke ebenso großzügig und spontan erfolgen würde. Zumindest von privater Seite kennt man das da in der Form nicht....

    Ich erinnere mich da, lieber Nicolas, z.B. an Russland unmittelbar nach der Wende, wo spontan reichlich Spendenhilfe aus Deutschland nach St. Petersburg z.B. ging, was (man denke an die fürchterliche Belagerung Leningrads im 2. Weltkrieg) das Bild der Deutschen in der russischen Bevölkerung sehr positiv beeinflusste. Und auch für die Erdbebenopfer im Iran z.B. wurde spontan großzügig gespendet.


    Schöne Grüße

    Holger

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  • Ob's nun der Notre Dame ist oder die Dorfkirche von Dösenbüttel - well, shit happens. Und das selbe würde ich auch sagen, wenn es die Elbphilharmonie abgefackelt hätte. Würde halt woanders die Musik gemacht.

    Für die Dorfbewohner ist ihre Dorfkirche so wichtig wie für die Franzosen Nortre Dame. Wenn die Dorfkirche abbrennt, werden auch die Dorfbewohner alles dafür tun, sie wieder aufzubauen. So ist der Mensch. Und was der Mensch an Werten geschaffen hat, dem gegenüber ist er auch nicht gleichgültig und will sie erhalten.

    Und ich halte jedes einzelne verhungerte Kind für schlimmer als hundert rauchende Kirchen-Ruinen.

    Bezeichnend hungern meist genau da die Kinder, wo auch die Kirchen und Moscheen rauchen und Kulturgüter in Schutt und Asche gelegt werden - siehe Aleppo. Gegen beides muss man etwas tun.

    Das eine sind LEBEN, das andere nur materielle Werte, in die irgendwelche Spinner (böse böse böse) irgendeine obskure Symbolik hineindeuten.

    Mit dieser "obskuren Symbolik" beginnt aber die Menschheitsgeschichte, das ist ein Faktum.


    Schöne Grüße

    Holger

  • Was ich aber stört ist die Tatsache, dass angesichts einer abgebrannten Kirche die Bonzen ihre Geldbörsen aufreissen und das Geld nur so rausschleudern (oh, das war jetzt wieder böse von mir), während sie bei Afrika oder Jemen knausern und meinen 'is nich mein Problem'.

    Finde ich heuchlerisch. Einerseits sagst Du ja auch, egal welche Kirche brennt, "nicht mein Problem"...und wenn es nicht Dein Problem ist, sollen sich auch andere nicht so dranstellen. Na super.

    Und was ist mir Dir? Hortest Hunderte von CDs für -zig Euro, die Du verkaufen und deren Erlös Du stiften könntest....dann ist auf einmal Schluss mit der großen Empathie für Jemen und Afrika. Für die bist DU nämlich auch ein "Bonze".

    Ich will damit nur sagen, dass gemäß Deiner Definition DU keinen Deut besser bist als die Bonzen. Und die große Empathie einerseits, dann aber die Gefühlskälte, Ignoranz und Indifferenz andererseits finde ich auch wenig stimmig.

    Nur um das klarzustellen: selbstverständlich ist ein Menschenleben mehr wert als ein Bauwerk. Selbstverständlich müssen die Kriege und Hungersnöte gelöst werden. Selbstverständlich gibt es da noch größere Katastrophen als Notre Dame.

    Darf aber wegen all dem Leid in der Welt niemandem mehr irgend etwas bedeuten?

    Darf Dir deswegen, bei all dem Leid in der Welt, Bruckner nichts bedeuten?

    Allerdings haben die obigen Postings ja schon überzeugend dargelegt, dass es wenig bringt, das eine gegen das andere aufzurechnen.

    Vielleicht sollten wir auch Sport abschaffen, die Sportler verdienen eh allzuviel.

    Vielleicht sollten wir Klassik generell abschaffen, und die Subventionen spenden.

    Vielleicht sollten wir Rolo Betmans Computer verkaufen und den Erlös spenden.

    Vielleicht kann aber auch eine differenziertere Sichtweise auf all das eher sinnvoll sein.

  • Und was der Mensch an Werten geschaffen hat, dem gegenüber ist er auch nicht gleichgültig und will sie erhalten.

    Es sei denn, aber das nur nebenbei, dass "andere" Menschen die Werte geschaffen haben, dann sind sie möglicherweise zwar auch nicht gleichgültig, aber der Wille zur Erhaltung quasi negativ ausgeprägt ... :untertauch:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Nach dem totalen Schock von gestern Abend und Nacht kann man jetzt mit 24 Stunden Abstand wohl insgesamt vorsichtig konstatieren, dass trotz massiver Teilzerstörungen doch einige wichtige Substanz erhalten werden konnte und kann.

    Das ist sicherlich nur ein kleiner Trost, aber immerhin hätte es noch viel schlimmer kommen können, den mutigen und umsichtigen Pariser Feuerwehrleuten sei Dank!

    Mal sehen, was die Aufarbeitung des Unglücks in dern nächsten Tagen und Monaten ergibt.

    >>So it is written, and so it shall be done.<<

  • Mal sehen, was die Aufarbeitung des Unglücks in dern nächsten Tagen und Monaten ergibt.

    Natürlich gab es bereits gestern Abend auf einigen Plattformen ein paar Hellseher, die sofort wussten (oder vielmehr: wissen wollten), wer es angeblich verursacht habe. Selbst dieses Ereignis dient also Verschwörungstheoretikern für ihre kruden Thesen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Selbst dieses Ereignis dient also Verschwörungstheoretikern für ihre kruden Thesen.

    Du kannst gestrost davon ausgehen, dass der Brand von gestern künftig in jeder entsprechenden 08/15-Doku neben dem Kennedy-Attentat, der Mondlandung, 9/11 , Prinzessin Diana und so weiter auftauchen wird und auch etliche Bücher verkauft werden. Das ist aber immer so.

    >>So it is written, and so it shall be done.<<

  • Die Geldgeber verfügen über ein geschätztes Vermögen von 100 Milliarden Euro =100 000 000 000 Euro .

    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Ich erinnere mich da, lieber Nicolas, z.B. an Russland unmittelbar nach der Wende, wo spontan reichlich Spendenhilfe aus Deutschland nach St. Petersburg z.B. ging, was (man denke an die fürchterliche Belagerung Leningrads im 2. Weltkrieg) das Bild der Deutschen in der russischen Bevölkerung sehr positiv beeinflusste. Und auch für die Erdbebenopfer im Iran z.B. wurde spontan großzügig gespendet.


    Schöne Grüße

    Holger

    Lieber Holger,


    ja, das stimmt. Auslöser meiner "Verwunderung" war diese Nachricht:


    https://www.sueddeutsche.de/wi…re-dame-spenden-1.4411903


    "Die französischen Familien Pinault und Arnault wollen für den Wiederaufbau der Notre-Dame 100 und 200 Millionen Euro spenden."


    Spenden in dieser Höhe sprengen dann doch für meine Begriffe etwas den üblichen Rahmen. Um nicht missverstanden zu werden, ich begrüße diese beiden Spenden außerordentlich, da sie erheblich zur Wiederherstellung dieses Kulturerbes beitragen werden. Ich schließe mich auch den Vorrednern an, die argumentieren, dass Spenden die Missstände in der Welt nicht beseitigen können. Da wären ganz andere, grundlegende Veränderungen nötig welche aber niemand ernsthaft anpacken will. Sie können akute Not lindern und nicht zuletzt auch die von Dir angesprochene Wertschätzung vermitteln...

    ________________________________________________________________________________________


    Gruß
    Nicolas

  • Um nicht missverstanden zu werden, ich begrüße diese beiden Spenden außerordentlich, da sie erheblich zur Wiederherstellung dieses Kulturerbes beitragen werden.

    Ich will die Spenden i.H.v. 300 Millionen Euro nicht kleinreden - ich müsste dann z.B. nicht mehr arbeiten - aber wie ich heute mehrfach gehört habe, könnte es sich bei den wohl zu erwartenden Schäden eher um den sprichwörtlichen Tropfen auf dem heißen Stein handeln (Welch blödes Sprichwort in diesem Zusammenhang :wacko:).

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Noch mal ich. Ich denke, ich schalte jetzt mal einen Gang runter; als ich das letzte mal so drauf war wie vorhin, habe ich meinem Chef eine Email geschrieben, und der fand das irgendwie gar nicht gut. War auch der Grund, warum ich jetzt arbeitslos bin.


    Wenn so viele Menschen der o.a. Symbolik nachgehen und der Notre Dame so etwas Besonderes für sie ist, dann muss da wohl etwas dran sein, und es ist ungerecht, sie als 'irgendwelche Spinner' zu bezeichnen. Sollte ich hier jemanden damit beleidigt haben, bitte ich das zu entschuldigen.


    Aber diese Symbolik und das Hängen an Irgendwas ist mir absolut fremd; vielleicht fehlt mir da eine Antenne oder irgendein Sinn, der das für mich nachvollziehbar machen würde. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass etwas geschehen könnte, was mich runterzieht. Außer vielleicht dass Ihr meinen Computer verkauft ;). Aber im Ernst, es gibt nichts was mir so nahe steht, dass ich den Verlust bedauern würde.

    Und es geht mir eigentlich recht gut damit, hat es doch den Vorteil, dass mich so gut wie nichts runterziehen kann. Auf der anderen Seite weiß ich sehr wohl mich zu freuen, meist über recht profane Dinge, wenn Bayern gewinnt, wenn mir meine Katze auf den Schoß springt, wenn eine neue CD eintrifft (und @ Don_Gaiferos: es sind nicht Hunderte - es sind Tausende, die ich Bonze horte). Ich halte mein Leben auch ohne 'echte' Werte für lebenswert.


    Und eines noch zum Schluss : ich habe alle Postings ernst genommen, die sich auf mein Geschwafel bezogen, und auch wenn ich nicht immer Honig auf den Bauch bekam, ich nehme keinem etwas übel. Im Prinzip habt Ihr ja recht.

    Es wird immer weitergehn, Musik als Träger von Ideen.

    Kraftwerk

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