Rienzi
Auf dem Weg in die Deutsche Oper vertreibe ich mir in der U2 die Zeit damit, Vermutungen darüber anzustellen, welcher Fahrgast wohl ebenfalls die abendliche Vorstellung besuchen wird. Meist liege ich richtig, aber es ist auch nicht besonders schwer, den Mann mit Schlips und die Dame in Pumps als Opernbesucher zu identifizieren.
Die Inszenierung von Philipp Stölzl war am Gründonnerstag rdentlich besucht. Sie bedient sich ohne Scheu beim Großen Diktator und beim Untergang und ist auch neun Jahre nach der Premiere sehenswert, auch wenn sich Stölzls und Wagners Rienzi-Figuren nicht zur Deckung bringen lassen.
Elisabeth Teige war sängerisch sicher das Ereignis des Abends. Sie sang kraftvoll und verständlich, außerdem höhensicher. Mir schien, daß demgegenüber die Mittellage ein wenig abfällt. Nie hat sie aber Schwierigkeiten, sich gegen das Orchester zu behaupten. Im fünften Akt hört man dann mehr Senta, als Irene. Mich erfreut ja im Rienzi immer wieder, wieviel schon von den späteren Opern - bis hin zu den Meistersingern - in diesem Frühwerk zu hören, oder wenigstens zu ahnen ist.
Torsten Kerl sang kräftesparend, was akzeptabel ist. Aber stimmlich war er kein Tribun. Er scheint früh forcieren zu müssen. Dann wird die Stimme eng und das Vibrato deutlich. Ich habe auf dem Rückweg in die Aufnahme, die die DOB mit ihm veröffentlicht hat, reingehört, und auch dort ist diese Tendenz schon festzustellen.
Als Darsteller, dem von der Regie allerhand abverlangt wird, ist er überzeugend: Seine Volksreden, seine unkontrollierbar zuckende linke Hand im Bunker, sein Geblendetsein, als er zum vorletzen Mal aus den Katakomben aufsteigt, um sich an die Römer zu wenden - der untergehende Tribun ist eine schauspielerische Meisterleistung des Sängers.
Großartig die Chöre. Wenn beim Friedensfest 83 Sängerinnen und Sänger auf der Bühne stehen und singen, ist es eine Freude, den Schalldruck im ersten Rang zu spüren.