In den letzten Tagen fielen im Thread Adrian Aeschbacher etliche Namen von Pianisten, die einstmals im Fokus der Musikfreunde und Plattensammler standen, inzwischen aber mehr oder weniger dem "Zahn der Zeit" zum Opfer zu fallen bedroht sind. An sie möchte ich hier erinnern und - wenn möglich - auch erhältliche oder vergriffene Aufnahmen (auf CD oder LP) vorstellen. Eigene Threads für diese zu Unrecht vernachlässigten Künstler zu eröffnen, scheint wenig sinnvoll, mangels ausreichendem Interesse.
Beginnen möchte ich heute mit zwei Pianisten, deren Namen gestern im Aeschbacher-Forum gefallen sind, Jakob Gimpel und Conrad Hansen. Beide Künstler haben im Nachkriegsdeutschland eine nicht unbedeutende Rolle gespielt, sie haben Konzerte in diversen Städten gegeben, und es gab auch Tonaufnahmen.
Jakob Gimpel
wurde am 16. April 1906 in Lemberg (heute: Lwow, Ukraine) geboren. Nach erstem Unterricht bei seinem Vater Adolph lernte er Klavierspiel bei Eduard Steuermann und ließ sich von Alban Berg in Musiktheorie ausbilden. Sein Debüt als Konzertpianist gab er 1923 in Wien, zusammen mit dem Concertgebouw-Orchester Amsterdam und dem Dirigenten Pierre Monteux. Auf dem Programm stand das 2. Klavierkonzert von Serge Rachmaninoff.
Wegen seiner jüdischen Herkunft wurde ihm der Aufenthalt in Europa immer schwerer gemacht, und so ging er 1937 zuerst nach Palästina, wo er Bronislav Huberman bei der Gründung des Palestine Symphony Orchestra (heute: Israel Philharmonic Orchestra) unterstützte. 1938 übersiedelte er in die USA und nahm seinen ständigen Wohnsitz in Los Angeles. Er konzertierte als Solist wie auch zusammen mit so bedeutenden Künstlern wie Erica Morini, Nathan Milstein und mit seinem Bruder, dem Geiger Bronislav Gimpel.
Schon wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrte Jakob Gimpel nach Europa zurück und gab ab 1954 in zahlreichen westdeutschen Städten aufsehenerregende Konzerte mit namhaften Orchestern und Dirigenten. Aus dieser Zeit stammen auch seine - zumindest in Deutschland - wohl bekanntesten Schallplattenaufnahmen:
BRAHMS: Klavierkonzert Nr. 1 d-moll, op. 15
mit den Berliner Philharmonikern, Dirigent: Rudolf Kempe (Aufnahme: ELECTROLA, ca. 1953, mono),
und, in gleicher Besetzung:
BEETHOVEN: Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur, op. 73
Mit Beginn des Stereo-Zeitaltern gerieten diese Aufnahmen zwangsläufig in den Hintergrund, aber künstlerisch können sie sich noch heute neben berühmteren Versionen behaupten.
Erwähnen möchte ich schließlich noch folgende LPs, die m.W. nie auf CD überspielt wurden:
CHOPIN: Klaviersonate Nr. 2, op. 35 u.a.
und:
Bei diesen handelt es sich um Club-Sonderauflagen, die mir nicht vorliegen. Ob es sich bei dem Beethoven-Konzert Nr. 4 um eine echte Stereo-Produktion handelt, kann ich nicht bestätigen.
In allen Fällen sind es LPs, die aber antiquarisch, u.a. bei Amazon, noch erhältlich sind.
Jakob Gimpel war polnischer Staatsbürger und starb am 12. März 1989 in Los Angeles, CA.
Nun komme ich zu seinem deutschen Kollegen
Conrad Hansen
Er kam am 24. November 1906 in Lippstadt zur Welt. Bereits mit 10 Jahren trat er erstmals öffentlich als Klavierspieler auf. 1922 wurde er von Edwin Fischer als Klavierschüler übernommen, der ihm seinen weiteren Weg ebnete. Bereits 1927 debütierte er mit den Berliner Philharmonikern unter Wilhelm Furtwängler und trat in der Folge mit so bedeutenden Dirigenten wie Eugen Jochum, Willem Mengelberg und Herbert von Karajan auf. Auch der Komponist und Dirigent Richard Strauss begleitete ihn bei einigen Auftritten.
Hansen machte sich auch einen Namen als Klavierlehrer. Von 1934 bis 1945 war er Dozent am Städtischen Konservatorium von Berlin. Ab 1946 war er an der Musikakademie Detmold tätig, zu deren Gründern er zählte. 1960 wechselte er an die Musikhochschule Hamburg, als Nachfolger von Eduard Erdmann. Er war ein international gefragter Klavierpädagoge und unterrichtete in dieser Eigenschaft auch an der Lübecker Musikhochschule. Conrad Hansen wirkte bis ins hohe Alter und starb am 22. Juni 2002 in Hamburg.
Nach dem 2. Weltkrieg machte er auch wieder Tonaufnahmen, zuerst für TELEFUNKEN, später für die Deutsche Grammophon und ab 1962 auch für das neue Label Eurodisc. Leider sind nur relativ wenige Aufnahmen von ihm erhältlich. Einige möchte ich jetzt nennen:
auch auf CD überspielt:
Beethoven: Klavierkonzert Nr. 4 G-dur, Op. 58 (mit den Berliner Philharmonikern, Dirigent: Wilhelm Furtwängler (Aufnahme: Berlin, 1943).
Dann gibt es unter dem Titel "Hamburger Köpfe" noch dieses 2 CD-Album, das von der ZEIT-Redaktion gesponsert wurde:
Sie enthält von BEETHOVEN das Konzert Nr. 5 Es-Dur, sowie die Sonaten Nr. 5 c-moll, op. 10/1 & Nr. 32 c-moll, op. 111 (CD 1)
und von BRAHMS das Klavierquartett Nr. 1 g-moll, op. 25 & die Sonate Nr. 3 f-moll, op. 5 (CD 2).
Die übrigen Mitwirkenden sowie die Aufnahmedaten konnte ich leider nicht eruieren. Bei Amazon ist das Album z.Zt. gebraucht zu einem erschwinglichen Preis im Angebot.
Ansonsten ist es momentan um Aufnahmen von Conrad Hansen schlecht bestellt.
Es war mir ein Anliegen, diese beiden Künstler, die einmal eine bedeutende Rolle, nicht nur im deutschen Musikleben gespielt haben, hier kurz vorzustellen. Bei entsprechender Resonanz werden weitere folgen.
LG Nemorino