TSCHAIKOWSKY: Produkt einer Italienreise - Capriccio italien

  • Das war eines der ersten 10 oder so Klassik-Stücke, das ich gehört habe und ich mochte es damals mit ca. 14-15 eine Zeitlang sehr gern. Ich habe gar nichts grundsätzlich gegen Potpourris; die Fledermaus-Ouvertüre oder auch etliche von Suppé, die man grob so einordnen könnte, mag ich sehr. Selbst einige der Lisztschen ungarischen Rhapsodien und der Opernparaphrasen, die im Grunde virtuose Potpourris sind kann ich ertragen. Aber das Stück dauert eine geschlagene Viertelstunde! Es ist einfach viel zu lang, gut halb so lang wäre es vermutlich ein unterhaltsames brillantes Stück geworden, so geht es mir bald nur noch auf die Nerven.

    (Der Schlager ist grauenhaft, den hatte ich bisher aber kaum je gehört, ich kannte das Capriccio definitiv vorher!)

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Beim Studium dieses Threads fällt mir auf, das Tschaikowskys Werk an einem hohen Anspruch gemessen wird. Nur bin ich mir nicht sicher, ob der Komponist dies beabsichtigt hatte. Er wollte ein effektvolles Orchesterstück komponieren und dem Publikum gefallen. Die Orchestration finde ich meisterhaft und er bietet ein grosses Orchester auf.

    Diese Bemerkung gefällt mir sehr gut, lieber moderato. Und ich bin nemorino dankbar, dass er dieses Thema aufgegriffen hat, mit dem viele von uns eigene Erinnerungen und Erfahrungen verbinden. Noch als halbes Kind lernte ich das Stück in einer Aufnahme des Leipziger Rundfunk-Sinfonieorchesters unter der Leitung von Gerhart Wiesenhütter, der ein interessanter Dirigent mit einer bewegten Lebensgeschichte gewesen ist, kennen. Es wies mir den Weg zu Tschaikowski. So sah die LP aus:


    Bildergebnis für Capriccio italien Gerhart Wiesenhütter


    Ich erinnere mich aber auch, dass meine Freunde und ich das Werk später mit Verachtung straften nachdem wir die Sinfonien und einige Opern kennengelernt hatten. Das war natürlich töricht. Derlei Vorurteile halten sich aber bis heute. In der Tat war sich Tschaikowski über die Qualität seiner Schöpfung selbst nicht im klaren. Er schrieb: "Welchen Wert dieses Werk hat, weiß ich nicht, ich bin aber überzeugt, dass es gut klingt." Das tut es für mich. Nehmen wir es als das, was es ist. Als ein musikalisches Capriccio. Nemorino hat das bereits im Eröffnungsbeitrag deutlich gemacht. Mehr will es nicht sein. Der Komponist hatte ja schon vor 1880, dem Entstehungsjahr des Capriccio, Italien besucht. Seine Reiseschilderungen sind überbordend. Was man verstehen kann, wenn einer wie er um diese Zeit aus dem verklemmten Russland nach Italien kam. So empfinde ich auch die Musik, bei der es mit dem Schöpfer genau so durchgeht wie in den Reiseschilderungen.


    Den Begriff Capriccio gibt es bekanntlich auch in der Malerei. Ein Werk von Giovanni Paolo Pannini ist ein "Capriccio in Rom". Wenn ich es betrachte, muss ich immer an Tschaikowski denken. Auf dem Bild stürzt auch alles auf einen ein:


    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Mariss Jansons macht seine Sache sehr gut, finde ich:



    Er ist bemüht, jede Süßlichkeit zu vermeiden. Trotzdem kann ich mich mit diesem Stück nicht anfreunden. Wenn man an Goethe denkt, die Italienbegeisterung, welche sich in Mignons Lied ausspricht... Das war eine Begeisterung für die Antike, die alten Mythen. Oder an Liszts "Annees...": Da ist es die bildende Kunst - Rafael, Michelangelo, die Literatur der Renaissance: Petrarca. Was ist daraus bei Tschaikowsky geworden? Das ist das Italien von dolce vita und dem Tingeltangel-Tourismus, wie es ihn heute noch gibt: eine eingängige Schlagermelodie reiht sich an die nächste. Das ist natürlich nicht schlecht komponiert. Aber als Italien-Bild ist mir das einfach nicht sympathisch - fürchterlich oberflächlich. Karajan werde ich morgen auch noch hören! Es muss einfach sein! :P


    Schöne Grüße

    Holger

  • Als ich mir das Capriccio italien nach langem wieder anhörte und ich das genaue Programm nicht (mehr) kannte, empfand ich es gerade zu Beginn eigentlich gar nicht typisch italienisch. Vielmehr ist es doch die spezifische Sicht eines Russen auf Italien. Gerade die Anfangsfanfare könnte m. E. auch ohne Italien-Bezug sein (auch wenn der ja offenbar vorhanden ist). Natürlich hat Tschaikowski Italien anders erlebt als Goethe. Zunächst einmal war er eben kein Deutscher, wo die Italienreisen eine völlig andere Tradition hatten; außerdem war das bei Tschaikowski ein Jahrhundert später. La dolce vita ist eben auch eine wichtige Seite von Italien, mag man dies persönlich etwas geringschätzen oder nicht. Wem an einer "seriöseren" Beschäftigung Tschaikowski mit Italien und der italienischen Kultur gelegen ist, der sollte sich für mein Dafürhalten an Francesca da Rimini nach Dante Alighieri halten, ein ungleich ambitionierteres und ernsteres Stück – und für mich eine der packendsten Tondichtungen überhaupt.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber nemorino,


    genau wie Du bin ich überrascht, welche Resonanz (mit 33 Beiträgen in kürzester zeit) dieser Thread zu BIANCA hat. Und auch was alles als noch zur Sprache kam .. wie Listz-Les Preludes, wo ich nun wirklich null Zusammenhäng erkennen möchte.

    Ich hatte ja schon im Tschaikowsky 5-Thread von "Bianca" geschrieben ... das hattest Du warscheinlich gar nicht verstanden, weil Du offenbar den saublöden Schlager bis zu diesem Thread gar nicht kanntest.


    Ehrlich gesagt hatte mich für Jahre der Schlager auch abgehalten Capriccio Italien zu hören. Heute sehe ich das wieder anders und ich höre diese Gute-Laune-Musik wider ganz gerne. Der Grund sind die TOP-Aufnahmen, die ich davon habe:


    *** Auf jeden Fall kann ich Dir nur zustimmen das Karajan (DG, 1966) auf jeden Fall dazu gehört. Ganz tolle Int ohne den Schmalzfaktor zu sehr zu betonen !


    *** Mindestens genau so gut sind die Swetlanow - Aufnahmen.

    Die von Josef nachvollziehbar goutierte ältere von Melodiya habe ich als erste Aufnahme meiner Doppel-LP (Melodiya/Eurodisc) kennengelernt (genau wie bei Johannes Roehl, noch bevor ich den sch... "Schlarer" hörte).

    Auf CD habe ich die Swetlanow-Aufnahme (WARNER, 1992), die genau so gut mit gleichem Interpretationsansatz ist und exakt 15:00 dauert. Was soll Swetlanow auch später noch anders machen, als diese bewährte Aufnahme mit Biss und Verve ? Die russischen Blechbläser des Staatlichen SO der UDSSR sind astrein !



    *** Noch nicht erwähnt wurde der ausgezeichnete Tschaikowsky-Dirigent Antal Dorati.

    :angel: Die abgebildete Doppel-CD mit den wichtigsten Sinfonischen Dichtungen und sinf.Kurzwerken ist der Hammer an überzeugender Tschaikowsky-Interpretationen mit den Detroit SO und als positives Bonbon auch der ausgezeichneten Decca Klangtechnik.

    Die Spieldauer von Dorati = 14:47


    Capriccio Italien in einer Aufnahme, die jegliche Bedenken zu dem Stück wegwischen sollte:

    Decca, 1974 - 1978, ADD



    Weitere Aufnahmen mit Ormandy, Ozawa u.a habe ich erinnerungsmässig jetzt nicht präsent ... werde ich aber ggf mal nachhören.

    *** Ormandy (SONY) ist auch als Tschaikowsky-Dirigent nicht zu verachten - im Gegenteil. Seine Tschaikowsky-CD-Box mit weitestgehend allen Orchesterwerken ist eine Wucht --- Besonders das KK Nr.1 mit Joselson; Nr. 2 und 3 mit Graffmann zählen für mich zu eines der besten Aufnahmen.

    Da er aber bei Capricco Italien = 16: 42 braucht, wird mir sein Ansatz wohl weniger liegen.


    ----------------------------------------------------------------


    ^^ Noch eines möchte hier erwähnen, was ich im Gegensatz zu Capriccio Italien bei Tschaikowsky für wirklichen Kitsch halte:

    Die Rokkoko-Variationen ... ein Stück , dass ich mir einfach noch nie wirklich antun konnte ohne "Zahnschmerzen" zu bekommen. =O Schüttel ...

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Swetlanow und Dorati


    Für weitere Tschaikowky-Orchesterwerke incl.Capriccio Italien (ausserhalb der Sinfonien) scheint mir auch dieser Thread interessant zu sein:

    Tschaikowsky: Orchesterwerke – Was sind eure Empfehlungen?


    *** Ich habe gerade mal wieder Capriccio Italien und gleich dahinter den fetzigen Slawischen Marsch mit Swetlanow gehört - in seiner Aufnahme (WARNER, 1992).

    :thumbup: Besser und mit mehr als diese beiden in dioesem Thread genannten Aufnahmen mit Swetlanow und Dorati kann es kaum gehen. Da stimmt vom Orchesterklang bis zur Tempowahl alles !


    Ich finde im Netz nur diese Warner-Doppel-CD für eine Abb nicht.



    *** Antal Dorati hat neben der überzeugenden Doppel-CD in Beitrag 35 noch einmal Capriccio Italien (zusammen mit der Referenzaufnahmen der Ouvertüre 1812 und Beethovens Wellingtons Sieg) mit dem London SO vorgelegt.

    Diese Aufnahme versprüht, genau wie Swetlanow, noch mehr russisches Feeling als die mit dem Detroit SO. Wie fetzig er er dann den Schluss mit einem Paukenwirbel abschliesst, lässt jeden Gedanken das da irgendwo Kitsch vorhanden wäre verblassen - :angel: Whow !

    Kaum zu glauben, aber wenn man diesen Presto-Prestissimo-Schluss mit Karajan vergleicht, dann wirkt dieser Schluss trotz Karajan´s tollem Gesamtansatz fast Müde und zu langsam; der Finalpaukenwirbel geht bei Karajan im Orchesterklklang zu sehr unter.

    Spieldauer Dorati / LSO = 14:44


    Diese CD gehört für einen Tschakowsky-Fan zum absoluten MUSS:


    Mercury, 1959 - 1961, ADD


    :love: Hammerklangqualität, die nie und nimmer diese Aufnahmedaten vermuten lässt.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Zitat von teleton

    wie Listz-Les Preludes, wo ich nun wirklich null Zusammenhäng erkennen möchte.

    Lieber Wolfgang, Lists "Les Préludes" brachte ich ins Spiel, weil Holger in Beitrag 14 in Bezug auf Capriccio italien sagte, dass das vielleicht Tschaikowskys Italien-Erlebnisse wiederspiegele, er bleibe da lieber bei Franz Liszt. Deshalb habe ich Franz Liszts "Les Préludes" quasi als Versuchsballon eingebracht, um zu schauen, was daraus würde. Da es ja hier um ein, wie ich finde, prominentes Beispiel der Programmmusik geht, passte doch Liszt hier ganz gut hinein, oder? Und es hat die Diskussion ja auch weitergeführt.

    Ich hatte übrigens bei meinen o. a. Hörbeispielen des "Capriccio Italien" (Beitrag Nr. 2) eines vergessen, weil ich es nur auf LP habe. Und zwar stammt die aus einer Reihe von LPs, isngesmat 14 Alben, wenn ich mich recht entsinne, die Ende 1983 bei Bertelsmann subskribiert wurde und mit dieser LP eröffnet wurde. Sie enthält neben dem Capriccio auch noch die Ouvertüre solennelle, den Slawischen Marsch und die Ouvertüre F-dur. Dabei wurde das Capriccio von Jewgenij Swetlanow dirigiert, ein mitreißendes Stück, das ich zur Zeit leider nicht hören kann, weil ich in meiner Anlgae keinen Plattenspieler mehr habe. Aber ich kann mich entsinnen, dass es eine großartige Interpretation war.


    Zitat von teleton

    der Finalpaukenwirbel geht bei Karajan im Orchesterklklang zu sehr unter.

    Das war sowieso eine Crux bei Karajans meisten Aufnahmen. ich erinnere mich noch gut an den legendären jahrzehntelangen Solopaukisten der Berliner Philharmoniker, Werner Thärichen. Aus meinen zahlreichen Video-DVD's mit den Beethovenaufnahmen geht gut hervor, mit welcher Verve Thärichen stets agierte, und wie vergleichsweise wenig davon rüberkam, jedenfalls bei vielen Tuttis, ganz im Gegensatz etwa zu den heutigen Solopaukisten, die, vor allem im historisch informierten Instrumentarium, vorwiegend mit Holzschlegeln mit kleinen Köpfen auf die Pauke hauen wie unser beider Freund Setfan Rapp von der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, nicht wahr?


    Liebe Grüße


    Willi:)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Als ich mir das Capriccio italien nach langem wieder anhörte und ich das genaue Programm nicht (mehr) kannte, empfand ich es gerade zu Beginn eigentlich gar nicht typisch italienisch. Vielmehr ist es doch die spezifische Sicht eines Russen auf Italien. Gerade die Anfangsfanfare könnte m. E. auch ohne Italien-Bezug sein (auch wenn der ja offenbar vorhanden ist). Natürlich hat Tschaikowski Italien anders erlebt als Goethe. Zunächst einmal war er eben kein Deutscher, wo die Italienreisen eine völlig andere Tradition hatten; außerdem war das bei Tschaikowski ein Jahrhundert später. La dolce vita ist eben auch eine wichtige Seite von Italien, mag man dies persönlich etwas geringschätzen oder nicht. Wem an einer "seriöseren" Beschäftigung Tschaikowski mit Italien und der italienischen Kultur gelegen ist, der sollte sich für mein Dafürhalten an Francesca da Rimini nach Dante Alighieri halten, ein ungleich ambitionierteres und ernsteres Stück – und für mich eine der packendsten Tondichtungen überhaupt.

    Lieber Joseph,


    Dein Beitrag motiviert mich dazu, noch etwas zu präzisieren, was mich an dem Stück stört. Beim Kennenlernen ist es mir so gegangen wie Wolfgang (teleton), dass ich erschreckt hören musste: Oh Gott, das ist ja dieser Bianca-Schlager! :D Es ist ja kein Zufall, dass Tschaikowsky hier für sein Portrait von Italien Schlagermelodien auswählt - wovon sich der erste Teil abhebt, das ist eigentlich "seriöse" symphonische Musik. "La dolce vita" ist auch nicht das Problem an sich für mich, sondern wie es präsentiert wird. Franz Liszt hat Die drei Zigeuner von Nikolaus Lenau vertont. In dieser Zigeunerromantik faszinieren die Zigeuner auch wegen dolce vita - sie sind Müßiggänger. Nur verbindet sich das mit einer sehr subversiven, gesellschaftskritischen Perspektive. Davon ist bei Tschaikowsky keine Spur. Das Schlagermäßige ist Ausdruck eines Populismus - das ist ein Stück, das nur noch unterhalten will in einem Sinne, dass das gefällige Musik ohne Ambition sein möchte, Musik "für alle". Zigeunermusik im Kontext der Romantik ist auch unterhaltsam - nur lässt sie sich anders als Tschaikowskys Capriccio nicht auf diesen Aspekt reduzieren. Genau da liegt das Problem, das ich mit dieser Musik habe: Die populistische "Gefallsüchtigkeit" einer solchen Musik kann ihre Wirkung erzielen, wenn sie eben gefällt. Oder sie kann genau deshalb abstoßend wirken, weil die allzu billige Gefälligkeit auf die Nerven geht. Vielleicht gerade deshalb, weil Tschaikowsky den ersten Teil so "seriös" komponiert, wirkt dann das "Schlagermäßige", was dann folgt, um so stärker, um nicht zu sagen, peinlicher. Im 19. Jhd. war man noch naiv was wirkungsrhetorische Mittel angeht wie das Tschingdarassabum und Klingeling, was man bedenkenlos verwendete. Aus dem Abstand der Zeit heraus kann man das finde ich nur ertragen, wenn es eine gewisse artifizielle Filterung gibt. Bei Tschaikowsky in diesen Passagen, wo das Schlagermäßige dominiert, gibt es aber das Gegenteil. Die Musik weidet sich genießerisch in der Schlager-Trivialität. Was Tschaikowsky hier letztlich präsentiert, ist nicht Italien, sondern ein Italien-Klischee, bzw. die Musik ist sehr dazu angetan, eine solche Klischeebildung zu befördern. ^^


    Schöne Grüße

    Holger

  • Oh Gott, das ist ja dieser Bianca-Schlager! :D

    Nein, lieber Holger, der ist es eben nicht! Hör Dir das Lied Bella ragazza dalle trecce bionde mal mit Carlo Buti an, dann kann man schon zu anderen Eindrücke kommen:



    Die populistische "Gefallsüchtigkeit" einer solchen Musik kann ihre Wirkung erzielen, wenn sie eben gefällt. Oder sie kann genau deshalb abstoßend wirken, weil die allzu billige Gefälligkeit auf die Nerven geht. Vielleicht gerade deshalb, weil Tschaikowsky den ersten Teil so "seriös" komponiert, wirkt dann das "Schlagermäßige", was dann folgt, um so stärker, um nicht zu sagen, peinlicher. Im 19. Jhd. war man noch naiv was wirkungsrhetorische Mittel angeht wie das Tschingdarassabum und Klingeling, was man bedenkenlos verwendete. Aus dem Abstand der Zeit heraus kann man das finde ich nur ertragen, wenn es eine gewisse artifizielle Filterung gibt. Bei Tschaikowsky in diesen Passagen, wo das Schlagermäßige dominiert, gibt es aber das Gegenteil. Die Musik weidet sich genießerisch in der Schlager-Trivialität. ^^


    "Bianca" ist ein westdeutscher Schlager von Freddy Beck aus den 1970er Jahren, der auf dasselbe italienische Volkslied zurückgreift wie Tschaikowski. So kann man es nämlich auch ausdrücken. Ich kenne die Geschichte dieses Liedes nicht sehr genau. Es wäre aber interessant, nachzuforschen. Das wäre doch etwas für Dich. Mir ist auch im Moment nur die Interpretation durch Buti bekannt. * Anlass für ein Tschaikowski-Bashing und einen Populismus-Vierwurf sehe ich nicht. :no:


    * PS.

    Eben finde ich doch noch eine weitere sehr authentische und freie Interpretation - nämlich mit Tito Schipa von 1921:


    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich hatte ja schon im Tschaikowsky 5-Thread von "Bianca" geschrieben ... das hattest Du warscheinlich gar nicht verstanden, weil Du offenbar den saublöden Schlager bis zu diesem Thread gar nicht kanntest.

    Lieber Wolfgang,


    genau so war es! Wobei ich nicht ausschließen will, daß ich den Schlager irgendwann einmal gehört *), aber ganz bestimmt nicht mit Tschaikowskys Capriccio in Verbindung gebracht habe. Letzteres gefällt mir zwar sehr gut, aber ich höre das natürlich auch längst nicht jede Woche.

    Als Du neulich im Zusammenhang mit der Fünften von "Bianca" schriebst, war ich total überfordert. Fragen wollte ich nicht (weil ich im Ernst dachte, es hätte sich eine Bildungslücke bei mir aufgetan:untertauch:! Aber ich habe tatsächlich in zwei Konzertführern nachgesehen, ob mir da etwas entgangen ist:D, und natürlich nichts gefunden!). Selbst gestern, als hier der Begriff "Bianca" auftauchte, habe ich nicht an Deinen Eintrag von neulich gedacht! Nun ja, jetzt hat sich dies Sache aufgeklärt, und meine Bildungslücke ist geschlossen:).

    Schlager waren mir seit meiner Pubertät ein Greuel, ich bin mit ihnen nur auf Tanzmusiken oder bei Betriebs- oder Familienfesten in Berührung gekommen. Doch, manchmal habe ich in den 70ern Dieter Thomas Hecks "Hitparade" eingeschaltet, aber nur, um bei Cindy & Bert, Peter Orloff, Chris Roberts, Jürgen Markus, Bernd Clüver oder Mouth & McNeal zu staunen, mit was alles man die Leute, vornehmlich junge, in Ekstase versetzen kann.


    Noch nicht erwähnt wurde der ausgezeichnete Tschaikowsky-Dirigent Antal Dorati.

    Ich glaube, das ist ein weiterer Tip von Dir, der mich zum Kauf einer CD verleitet. Dorati fehlt bei mir mit dem Stück, aber er ist seit frühen Tagen einer meiner Lieblingsdirigenten. Vor allem als Dirigent von Dvoraks "Neue Welt"-Sinfonie ist er mir lieb und teuer. Seine Aufnahme von 1959 mit dem Concertgebouw-Orchester (Philips) rangiert in meiner "Hitliste" dieses Werks ganz, ganz oben. Sie ist nicht nur klanglich großartig gelungen, sondern auch atmosphärisch finde ich Doratis Dirigat überragend. Ich ziehe sie selbst Fricsay, Szell, Kubelik und Klemperer noch ein wenig vor, um nur ein paar markante zu nennen.

    Welche würdest Du vorziehen, die aus Minneapolis oder Detroit? Denn alle beide will ich sie nicht anschaffen. Ormandy ist bei Tschaikowsky auch immer eine "sichere Bank" (ich habe vor allem die Ballettsuiten in bester Erinnerung), aber man kann beim besten Willen nicht alles haben, vor allem nicht alles unterbringen!


    Ich bin jedenfalls noch immer überrascht, welch eine Kontroverse ich hier mit einem so harmlosen Stück wie dem Capriccio ausgelöst habe. Das hätte ich mir wirklich nicht vorstellen können. Ich dachte noch, wahrscheinlich bleibt's mal wieder bei zwei oder drei Antworten ….. So kann man sich irren. Auch ich halte es ja nicht für ein überragendes Meisterwerk, aber es ist ein wunderschönes Stück Musik, das immer wieder freundliche Stimmungen in mir auslösen kann. Ganz offensichtlich ist bei manch anderem Musikfreund das glatte Gegenteil der Fall.


    *) Wie ich soeben in Wikipedia gelesen habe, kam diese Schnulze 1973 in Umlauf. Das Capriccio kannte ich aber mindestens schon seit 1960, da gab's für mich keinen Zusammenhang.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

    Einmal editiert, zuletzt von nemorino ()

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  • Die Interpetation von Carlo Buti gefällt mir ausnehmend, obwohl ich das Chorecho am Phrasenende nicht so gut finde wie das Echo durch das Glockenspiel in Tschaikwskys Orchestersatz. Erklären kann ich das nicht, das ist nur meine persönliche Vorliebe.

    Die Fassung von Tito Schipa dagegen gefällt mir nicht so gut, was aber nur sekundär mit dem schlechten Ton zusammenhängt. Auch das ist nur mein persönlicher Eindruck. Dagegen ist Bianca so unterirdisch, dass sie schon bald "in der Nähe des Erdkerns" schwebt.:D:D

    Fazit: die Melodie an sich finde ich wunderbar, in der Qualität der Interpretation tun sich gegantische Unterschiede auf. Wenn ich Carlo Buti höre, finde ich, dass Peter Tschaikowsky bei seiner Italienreise sehr gut hingehört hat.

    ...Come, sing a song of joy--- nein, lieber nicht------ !!


    Liebe Grüße


    Willi:)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Wenn man an Goethe denkt, die Italienbegeisterung, welche sich in Mignons Lied ausspricht... Das war eine Begeisterung für die Antike, die alten Mythen. Oder an Liszts "Annees...": Da ist es die bildende Kunst - Rafael, Michelangelo, die Literatur der Renaissance: Petrarca. Was ist daraus bei Tschaikowsky geworden? Das ist das Italien von dolce vita und dem Tingeltangel-Tourismus


    Franz Liszt hat Die drei Zigeuner von Nikolaus Lenau vertont. In dieser Zigeunerromantik faszinieren die Zigeuner auch wegen dolce vita - sie sind Müßiggänger. Nur verbindet sich das mit einer sehr subversiven, gesellschaftskritischen Perspektive. Davon ist bei Tschaikowsky keine Spur. Das Schlagermäßige ist Ausdruck eines Populismus - das ist ein Stück, das nur noch unterhalten will in einem Sinne, dass das gefällige Musik ohne Ambition sein möchte, Musik "für alle".

    Lieber Holger,


    selbstverständlich ist Tschaikowskys Capriccio meilenweit von der Ambitionen eines Franz Liszt entfernt. Er wollte ja, wie ich bereits eingangs zitiert habe, eine eingängiges, brillantes Stück mit italienischem Flair komponieren - nicht weniger, aber auch nicht mehr. Gesellschaftskritik hat ihm ganz sicher ferngelegen. An Michelangelo, Rafael, da Vinci wird er auch nicht gedacht haben. Und die spezifisch deutsche Italienbegeisterung und -sehnsucht, die ja bis auf (oder gar vor) Goethe zurückreicht, wird ihn wenig oder gar nicht beeinflußt haben.

    Wie Du ganz richtig festgestellt hast: Ihm ging es um ein Stück, das unterhalten will, um gefällige Musik ohne jede Ambition. Doch ich finde, genau das hat er auf meisterhafte Weise zustande gebracht. Niemand wird wohl in Capriccio italien ein sinfonisches Meisterwerk sehen, das will es gar nicht sein, aber es ist (ganz abgesehen von allen Verhunzungen durch Schlagerindustrie und Werbung) ein eingängiges, anspruchsloses Stück Musik zum Entspannen und Genießen. Letzteres gelingt aber nur, wenn man keinerlei Assoziationen zu irgendwelchen Biancas oder Freddy Brecks herstellt.

    Ich bin nach wie vor gespannt auf Deine Eindrücke der Karajan-Version.


    LG Nemorino

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  • Fazit: die Melodie an sich finde ich wunderbar, in der Qualität der Interpretation tun sich gegantische Unterschiede auf.

    Lieber Willi,


    auch ich finde die Melodie, trotz oder gerade wegen ihrer Eingängigkeit, wunderschön. Und obwohl sie sich in Tschaikowskys Capriccio lediglich als Adaption wiederfindet, gefällt mir seine Bearbeitung ausnehmend gut, besser, als die weiter oben vorgestellten Versionen der italienischen Volksweise, die Tschaikowsky zum Vorbild diente. Ich habe eben beide angehört, zuerst Carlo Buti, gleich im Anschluß Tito Schipa, wobei letzterer wohl mit Abstand der bessere Sänger ist. Aber mich kann weder die eine noch die andere überzeugen, weniger wegen der dürftigen Tonqualität, sondern das Ganze klingt mir zu sehr nach einer Einlage bei einem bunten Volksfest auf einem italienischen Marktplatz in der Emilia Romagna, woran vor allem die Choreinwürfe schuld sind. Ich weiß, genau dort hat Tschaikowsky die Melodie aufgeschnappt, aber - er hat sie meisterhaft in ein sinfonisches Gewand gekleidet. Und das eben gefällt mir.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Nein, lieber Holger, der ist es eben nicht! Hör Dir das Lied Bella ragazza dalle trecce bionde mal mit Carlo Buti an, dann kann man schon zu anderen Eindrücke kommen:

    Lieber Rüdiger,


    ich weiß nicht, wann ich das Capriccio italien zum ersten Mal im Radio gehört habe - mit 18, 20 oder 22? Wenn zu dieser Zeit oder davor dieser Schlager "grassierte", dann hat man ihn quasi automatisch wiedererkannt. Man erkennt erst einmal das wieder, was man kennt. Die Geschichte dieses Liedes und seine Bedeutung in Italien waren mir als Radiohörer damals schlicht nicht existent. Nun kann man natürlich hinterher fragen: Wird das Tschaikowsky gerecht? Hier ist letztlich dann doch entscheidend, dass es das Werk selbst ja darauf anlegt, eine griffige Idiomatik vorzuführen, die der Hörer in Russland und sonst überall auf der Welt als "typisch italienisch" identifizieren kann. Der Charakter eines "Schlagers" ist die Wiederkennbarkeit einer einfachen Typik - und genau auf dieses Schlagermäßige hat es Tschaikowskys Komposition angelegt. Dazu kommt noch die typische romantische Sentimentalisierung, etwas als "volkstümlich" erscheinen zu lassen, wo es nicht um die Abbildung einer Realität geht, sondern eben den "Schein" des Volkstümlichen. Wenn man sich anhört, was Tito Schipa macht, kann man eigentlich auf die Idee kommen, dass die Präsentation dieses vermeintlichen "Volksliedes" bei Tschaikowsky die Transformation in einen Schlager mit Wiedererkennungswert bereits vollzieht: Denn das Moment der freien Improvisation fällt weg. Natürlich ist Carlo Buti musikalisch unendlich viel besser als Freddy Breck, aber auch das ist ein sentimental gesungener Schlager - freilich in einem ganz anderen Stil.


    Aufschlussreich ist deshalb, was Dirigenten wie Bernard Haitink und Herbert v. Karajan daraus machen. Bei beiden spürt man deutlich das Bemühen, das Schlagerhafte nicht als schlagerhaft erscheinen zu lassen. Haitink dirigiert die nicht kitschträchtigen lebhaften Passagen mit Verve, beim italienischen Liedchen dagegen vermeidet er jeden Enthusiasmus und präsentiert das sehr objektivierend nüchtern als musikalische "Darstellung" von etwas. Bei Karajan - der fast 2 Minuten länger braucht als Haitink - klingt Tschaikowskys Capriccio am Anfang mehr nach Wagner als nach Tschaikowsky. Er eliminiert einfach die Idiomatik (schon die Fanfare im Karajan-typischen Legato ist so unidiomatisch wie nurwas) eines populären Reißers und macht daraus eine kulinarische Orchesterästhetik, reduziert das Kitschthema auf den ästhetischen Sinnesreiz. Wenn man Karajans - künstlerisch natürlich grandiose - Leistung hört, meint man fast, das ist Musik, die zum Hummer und Kavier genossen wird. Da wird das Triviale artifiziell - aber es bringt letztlich nichts. Ästhetisch bleibt das oberflächlich, geht nicht über die Präsentation einer Reiz-Genussqualität hinaus.


    "Bianca" ist ein westdeutscher Schlager von Freddy Beck aus den 1970er Jahren, der auf dasselbe italienische Volkslied zurückgreift wie Tschaikowski. So kann man es nämlich auch ausdrücken. Ich kenne die Geschichte dieses Liedes nicht sehr genau. Es wäre aber interessant, nachzuforschen.

    Bei Freddy Breck werden gleich zu Beginn Tschaikowskys Fanfaren "zitiert", d.h. dieser Schlager gibt sich selbst als Schlager-Variante von Tschaikowsky zu erkennen. Der Sänger rechnet also damit, dass die Hörer das Tschaikowsky-Stück kennen:


    Das wäre doch etwas für Dich. Mir ist auch im Moment nur die Interpretation durch Buti bekannt. * Anlass für ein Tschaikowski-Bashing und einen Populismus-Vierwurf sehe ich nicht. :no:

    "Tschaikowsky-Bashing" ist, wenn Adorno behauptet, Tschaikowsky habe selbst existenzielle Tragik durch Schlager-Melodien portraitiert. Das ist einfach falsch. Hier geht es aber doch um ganz konkrete ästhetische Kritik, die nicht Tschaikowsky überhaupt, sondern ein sehr besonderes Werk von ihm betrifft. Ich bin bekanntlich ein großer Liszt-Verehrer, finde aber z.B. seine Rhapsodie espagnole grenzwertig. Dieses Werk von ihm mag ich einfach nicht so besonders, auch wenn es virtuos-effektvoll ist. Das Eine schließt also das Andere nicht aus.


    Schöne Grüße

    Holger

  • Adornos berüchtigte Verrisse großer Komponisten sind ja ungewollte Empfehlungsschreiben für dieselben, was schon im Falle von Sibelius zutraf. Glücklicherweise tangiert das Publikum dergleichen nicht im Geringsten. Nietzsche würde sich wohl auch ärgern, wüsste er, wie häufig der Parsifal gespielt wird, zu Ostern schon ritualisiert. Von daher kann man Adornos Tschaikowski-Kritik ganz milde belächeln, während man sich das Capriccio italien auflegt, das gar nicht mehr sein will, als es eben ist: ein leichtes, beschwingtes Werk mit italienischem Flair. Muss ja nicht immer staatstragend sein. ;)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Hat Nietzsche den "Parsifal" überhaupt live erlebt? Den "Ring" 1876 in Bayreuth schon, das weiß ich. Aber den "Parsifal" 1882 oder später in Bayreuth auch?

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Nietzsche würde sich wohl auch ärgern, wüsste er, wie häufig der Parsifal gespielt wird, zu Ostern schon ritualisiert.

    Nietzsche hat sich an der Pseudo-Religiosität des Parsifal gestört, aber die Musik als grandios empfunden! Sein Urteil war also zweigeteilt! ;)

  • RE: Antal Dorati

    Welche würdest Du vorziehen, die aus Minneapolis oder Detroit?

    *** Wenn es um Capriccio Italien geht, dann ist die Mercury-CD in Beitrag 36 - dort wird Capriccio Italien vom Minneapolis Symphony Orchestra gespielt..

    :angel: Die Aufnahme ist, wie gesagt, der Hammer !!! (Auch wegen der Ouvertüre 1912 und Beethovens Wellingtons Sieg ... das würde ich fast als Bildungslücke ansehen, wenn man diese CD nicht kennt.)

    Das ist nebenbei eine Lautsprechertest-CD par excellance ... auch wenn die Aufnahmen von 1959-1962 sind !

    :hello: :?: Wer kennt die CD und wird mir diesbezüglich zustimmen ???


    *** Die Decca-Doppel-CD aus Beitrag 35 ist auch eine Bank, aber hier wiederum für die anderen Sinfonischen Dichtungen und sinf.Kurzstücke noch mehr von Bedeutung.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

    Einmal editiert, zuletzt von teleton ()

  • Wenn es um Capriccio Italien geht, dann ist die Mercury-CD in Beitrag 36 - dort wird Capriccio Italien vom London Symphony Orchestra gespielt..

    Die Aufnahme ist, wie gesagt, der Hammer !!!

    Lieber Wolfgang,


    ich hatte es befürchtet, daß Du diese Aufnahme vorrangig empfiehlst. Befürchtet deswegen, weil auf dieser CD neben dem Capriccio ausgerechnet zwei Stücke sind, die für mich kaum erträglich sind, die Ouvertüre "1812" und Beethovens unsäglicher "Wellington"! Da nützt es mir auch nichts, wenn diese Stücke als Lautsprechertests bestens geeignet sind||.

    Trotzdem habe ich die CD auf meine Warteliste gesetzt. Aber eine Frage dazu habe ich noch: Wird das Capriccio wirklich vom London Symphony Orchestra gespielt? Auf der Rückseite der CD heißt es nämlich "London Symphony Orchestra (Beethoven)". Demnach kommt es nur bei Wellingtons Sieg zum Einsatz. Ich frage deshalb, weil das LSO nach meiner Erfahrung in einer anderen Klasse spielt als das Orchester aus Minneapolis.


    Schönen Abend nach Bonn,

    Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Lieber nemorino,


    Ich habe von der Mercury-CD noch die Originalausgabe mit dem Cover, das auf der Originals-CD abgebildet ist ... siehe YT - Abb. unten.

    Dort ist schwerer erkennbar, welches Orchester spielt. Aber Du hast Recht, denn bei Capriccio Italien spielt das Minneapolis SO. <3Aber wie .... in einer Klasse, die dem LSO in keinster Weise nachsteht.


    Wir müssten solche Dinge telefonisch klären können ... ich würde Dir die CD dann zukommen lassen.


    Auf YT ist diese Dorati - Hammeraufnahme auch anhörbar:

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Bei Freddy Breck werden gleich zu Beginn Tschaikowskys Fanfaren "zitiert", d.h. dieser Schlager gibt sich selbst als Schlager-Variante von Tschaikowsky zu erkennen. Der Sänger rechnet also damit, dass die Hörer das Tschaikowsky-Stück kennen:

    Lieber Holger, das überzeugt mich dann doch. Danke für die ausführliche Antwort. :)

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Holger, das überzeugt mich dann doch. Danke für die ausführliche Antwort. :)

    Gern geschehen, lieber Rüdiger! :) Ich muss sagen, die Aufnahme von Antal Dorati, die Wolfgang eingestellt hat, ist die erste, wodurch ich mich mit diesem Stück ein wenig anfreunden kann! Er dirigiert das idiomatisch, aber ohne jegliche Effekthascherei und vordergründige Knalleffekte. Das ist ein "ungarischer" Tschaikowsky, rhythmisch durchpulst, sehr subtil und völlig unsentimental: mit einem Wort: "modern". So kann man "Bianca" aus dem Kopf kriegen... :D


    Schöne Grüße

    Holger

  • Wir müssten solche Dinge telefonisch klären können ... ich würde Dir die CD dann zukommen lassen.

    Lieber Wolfgang,


    eine gute Idee, da werden wir mal überlegen, wie wir das anstellen. Aber Du mußt mir auf keinen Fall die CD schicken, sie ist ja nicht teuer.


    LG und schönes Wochenende,

    Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • So kann man "Bianca" aus dem Kopf kriegen...

    Lieber Holger,


    …. da liegt eben der feine Unterschied zwischen Dir und mir: Du kanntest offenbar diese schreckliche "Bianca" vor dem Capriccio, während ich Tschaikowskys Italien-Huldigung schon viele Jahre vorher kennengelernt habe, als der Schlager noch gar nicht "verbrochen" war! Und weil ich sozusagen nie Radio gehört habe (und auch heute nicht höre), kannte ich die Vergewaltigung des Stücks gar nicht. Deshalb brauchte ich es erst gar nicht aus dem Kopf zu kriegen.

    Freddy Breck war mir schon ein abschreckendes Beispiel mit seiner "Nabucco"-Verhunzung: die habe ich mal auf einer Betriebsfeier einen ganzen Abend über mich ergehen lassen müssen:huh:! Ich denke, das ist noch vor der BIANCA erschienen?


    Auch Dir ein schönes, sonniges Wochenende

    Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

    Einmal editiert, zuletzt von nemorino ()

  • In den 70-ern gab es viele sogenannte "Adaptionen" von Opernmelodien. Freddy Breck als Sänger war dain besonders tonangebend. Mir fällt da z.B. noch eine Suppe-Melodie ein unter dem Titel "Rote Rosen", der bereits genannte Nabucco-Chor lief als "Überall auf der Welt...". Trotzdem wurde Breck (geb 1942 in Sonneberg, gest. 2008 in Rottach-Egern) mit Ehrungen überhäuft, zB. 35 Goldene Schallplatten, 5 Platinplatten, Goldener Löwe u.a.


    Selbst Beethovens vertonter Schiller, die Ode an die Freude, wurde als Schlager gesungen. Rossinis Wilhelm Tell Ouvertüre mußte als "Papa Tell, Papa Tell war ein großer Held.." herhalten. Es war einfach furchtbar, und es gibt sicher noch viel mehr solcher Titel. Die Interpreten verdienten sich eine goldene Nase.


    Herzlichst La Roche


    Den Threadtitel kenne ich seit meinem ersten Jugendkonzert (1956?). Da spielte man u.a. das "Capriccio italien", und ich war begeistert und höre es auch jetzt noch gern, nur nicht jeden Tag!

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Du kanntest offenbar diese schreckliche "Bianca" vor dem Capriccio, während ich Tschaikowskys Italien-Huldigung schon viele Jahre vorher kennengelernt habe, als der Schlager noch gar nicht "verbrochen" war!

    Ich denke, ehrlich gesagt, lieber nemorino, dass fast niemand der jüngeren Generation (unter 40) diesen Schlager von 1973 heute überhaupt noch kennt. Von daher dürfte diese Assoziation, die Ältere damit haben, schwerlich anhalten. Ich muss gestehen, dass mir weder Bianca noch Freddy Breck zuvor überhaupt ein Begriff waren (offenbar hält sich der dadurch entstandene "Schaden" in Grenzen). :pfeif:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich muss gestehen, dass mir weder Bianca noch Freddy Breck zuvor überhaupt ein Begriff waren (offenbar hält sich der dadurch entstandene "Schaden" in Grenzen).

    Lieber Joseph II.,


    …. mir ging es ja fast ebenso; "Bianca" sagte mir in dem Zusammenhang gar nichts, Freddy Breck hörte ich erstmals bewußt, wie schon gesagt, auf einem Betriebsausflug, mit der "Gefangenenchor-Verunstaltung". Auf meine Frage hieß es, das ist doch der Freddy Breck! Man lernt nie aus, doch der "Schaden" hielt sich in Grenzen ….

    Es stimmt, eine Zeitlang waren Schlager mit klassischem Hintergrund "en vogue", vor allem in den 70ern, worauf La Roche zu Recht hingewiesen hat. Das ist leider nicht zu verhindern, so wenig wie die Verwendung populärer Klassik in der Werbung.

    In einer Opernaufführung von "La Gioconda" (oder war es bei einem Konzert?) stieß beim berühmten "Tanz der Stunden" eine Besucherin ihren Begleiter an: "Das ist doch von Koppenrath & Wiese!" Ich selber habe das nicht erlebt, ein Bekannter erzählte es mir ganz entsetzt nach einem Opernbesuch.


    Aber auch klassische Werke entgehen ja nicht der Abnutzung. Während bis weit in das 20. Jahrhundert hinein selbst ein Angehöriger der sog. "Oberklasse" als eifriger Konzertgänger eine berühmte Sinfonie wie z.B. Beethovens "Pastorale" höchstens ein Dutzendmal in seinem Leben zu Gehör bekam, kann man heute dank der Technik jedes Stück, ob klassisch oder nicht, zu jeder Tages- und Nachtzeit sich zu Gemüte führen. Berufsmusiker wurden schon früher mit solchen Werken an den Rand der Verzweiflung gebracht. So meinte einmal der Schweizer Komponist Arthur Honegger, nachdem er Beethovens Fünfte mehr als zweihundertmal gehört habe, sei sie für ihn nur noch Geräusch^^.

    Wie grundlegend anders wirkte diese Sinfonie auf einen unbefangenen Konzertgänger, der sie zum allerersten Mal zu Gehör bekam! Der (heute kaum noch bekannte) französische Komponist Jean-Francois Lesueur erzählte seinem Schüler Berlioz, daß er, als er nach der Pariser Erstaufführung auf der Straße seinen Hut aufsetzen wollte, seinen Kopf nicht finden konnte!


    Ich erinnere mich noch gut: Als Mauricio Kagel im Beethoven-Jahr 1970 den ernst zu meinenden Vorschlag machte, man möge doch Beethovens Musik eine Zeitlang gar nicht mehr aufführen, damit sie danach, von allzu großer Strapazierung befreit, aufs Neue ihre Qualitäten dem Konzertgänger nahebringen könnte, gab es in manchen Kreisen einen Sturm der Entrüstung. So etwas läßt sich natürlich nicht realisieren, aber eine gewisse Erholungspause täte manchen verschlissenen Werken vielleicht wirklich gut, nicht nur solchen von Beethoven.

    Damals warf man Kagel vor, ein Kulturzerstörer und Revoluzzer zu sein! Er hatte ja zu diesem Jubiläum auch den Film "Ludwig van" verbrochen, in dem er einige Klangverfremdungen in Beethovens Werken vorgenommen hatte, was von vielen Klassikhörern als Schändung abendländischen Kulturgutes empfunden wurde. Heutzutage sieht man so etwas viel lockerer. Ich habe damals Kagels Anliegen auch nicht verstanden, dafür waren viele klassische Werke für mich noch Neuland, aber heute bringe ich dafür schon eher Verständnis auf.


    Um bei Beethoven zu bleiben: Er ist einer meiner liebsten Komponisten, aber es kam eine Zeit, da konnte ich das 5. Klavierkonzert einfach nicht mehr hören! Nachdem ich es in meinen klassischen Anfängen rauf und runter, in verschiedenen Ausführungen, gehört hatte, mußte ich mir selber eine lange Abstinenzzeit verordnen. Merkwürdigerweise ist es mir so nie beim 4. Klavierkonzert gegangen; ich weiß nicht, warum, aber da gab es eigentlich (bei mir) nie Abnutzungserscheinungen.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Müsste man den Schlager kennen, wenn man über 50 ist.

    Ich zumindest kenne ihn nicht ? ? ?


    Aber Tschaikowskis Capriccio kenne ich. Ich habe es zum ersten Mal in einer Aufführung der Berliner Philharmoniker gehört. Unter Sir Thomas Beecham. Lange her, aber unvergessen,


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

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