"Tannhäuser" Bayreuth 2019

  • Seit zwei Wochen findet er keine Zeit, die mittlerweile sogar auf youtube vorliegende Aufnahme anzusehen.

    Das ist insofern höchst erstaunlich, als die Premiere und die Ausstrahlung der Aufzeichnung erst eine Woche zurückliegen.

  • Eigentlich wird es mir zu langweilig, aber sonst hat Dr. Kaletha das Gefühl, er hätte "gesiegt".

    Das ist zum Schmunzeln! Typisch deutsch! Der Deutsche darf nur zur Olympiade, wenn er eine Siegchance hat! ^^

    In diesem Thread geht es um die Inszenierung von Tobias Kratzer, bzw. deren musikalischer Gestaltung. Seit zwei Wochen findet er keine Zeit, die mittlerweile sogar auf youtube vorliegende Aufnahme anzusehen.

    Ja, manchmal ist das so. Deswegen erwarte ich auch Beiträge, die wirklich informativ sind und einen zum denken anregen.

    Wenn ich an Oper interessiert bin, dann nehme ich mir (insbesondere in den Semesterferien!) die Zeit, diese Aufnahme anzuhören, bzw. anzusehen. Ist es Arbeit eine Oper anzusehen? Ich kenne die Texte und die Noten seit ich 16 bin.

    Manchmal gibt es leider im Leben wichtigere Dinge...

    Aber wieder landet er bei Beehthoven und Liszt, (Brecht fehlt noch)!) und nichts über die vorliegende Inszenierung, bzw. über die musikalische, sängerische Gestaltung.

    Den Zusammenhang sollte man vielleicht erkennen können.

    Dasselbe konnte man übrigens auch bei den Kosky-Meistersingern kontastieren:::

    Verzerrte Wahrnehmung. Die Kosky-Inszenierung hatten wir hier mit Wagner-Freunden in Münster zusammen gesehen und ich habe, weil mir dei Inszenierung so gut gefiel, sogar die DVD gekauft!


    Schöne Grüße

    Holger

  • Wenn mich etwas wirklich interessiert, schaue ich es , schaue ich es sofort an!


    Ach so, wenn Wagner-Freunde, die zusammen nach Düsseldorf fahren zum Ring, sich für Kosky nicht gleich nach der Premiere treffen, dann sind sie desinteressiert?

  • Bregenz ist leider durch eine Erkrankung meiner Frau buchstäblich ins Wasser gefallen. Ab 10. August fahren wir wie immer für 2 Wochen nach Bayreuth. Entgegen meiner Gewohnheit, mir, wenn ich keinen Rezensionsauftrag habe, Neuinszierungen erst im zweiten Aufführungsjahr anzusehen, werde ich mich bemühen, den so heftig diskutierten Tannhäuser doch schon in diesem Jahr anzusehen. Wenn es dazu kommt, werde ich eine Betrachtung einstellen.

    Herzlichst

    Operus (Hans)

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

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  • Feedback eines Zaungastes:


    Es gibt ein "Konkurrenzforum", das war bzgl. der aktuellen Tannhäuser-Inszenierung am Anfang echt schwach. Die halten sich dort ja für die Intellektuelleren. In vielen Dingen sind sie aber einfach etwas lahm.


    Wer also etwas zum Bayreuth-Tannhäuser lesen wollte, musste hierher kommen. Am Anfang hat sich das auch gelohnt. Später hat die "Konkurrenz" dann aufgeholt, d.h. inhaltlich aufgeschlossen. Man erfährt inzwischen auch dort etwas zur Inszenierung. Dennoch ging die erste Woche klar an Tamino.


    Aber inzwischen???

    "Dort" gab es in der Folge den üblichen Smalltalk. Kann man lesen, muss man nicht.

    Hier: Nur noch Gehässigkeiten. Es ist mir ein Rätsel, wie erwachsene, kulturbeflissene Menschen so tief sinken können. Schämt ihr euch gar nicht???



    Thomas

  • Darüber würde ich mich sehr freuen, lieber Hans. Beiträge zum Thema sind selten hier im Thread. Alles Gute für Deine liebe Frau und


    liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Der Ring in Düsseldorf war Monate später!

    Entschuldigung, aber das ist nun wirklich albern. Dann gehört Hans (Operus) auch zu den Desinteressierten:

    Entgegen meiner Gewohnheit, mir, wenn ich keinen Rezensionsauftrag habe, Neuinszierungen erst im zweiten Aufführungsjahr anzusehen,

    Schöne Grüße

    Holger

  • Der Tannhäuser ist jetzt auch mit Bild auf youtube zu sehen/hören. Für alle, die die Ausstrahlung auf 3Sat verpasst haben, wie ich.

    Ich habe es mir grade angeschaut und bin ziemlich begeistert. Ich kann nun nicht so intellektuell schreiben, wie einige andere hier und genau begründen warum ich die Inszenierung mochte oder könnte behaupten alle Anspielungen verstanden zu haben, aber ich fand die Inszenierung gelungen. Normalerweise gefällt mir die Kombination von Videoeinspielungen und Oper nicht so gut. Ich bin auch schon mal in der ersten Pause einer Vorstellung gegangen, weil mir die Videofilmchen, die im Hintergrund liefen und der Kameramann auf der Bühne, der zwischen den Sängern herumlief, so auf die Nerven gingen. Dadurch wird man gewissermaßen gezwungen auf eine bestimmte Stelle der Bühne zu schauen und ich möchte das nicht. Ich lasse meinen Blick lieber frei über die Personen auf der Bühne oder den Musikern im Orchestergraben wandern, wo er grade hinfällt und mein Interesse liegt.


    Ich kann nun leider nicht beurteilen, wie es für das Publikum in Bayreuth war, aber als Opernfilm hat das, finde ich, sehr gut funktioniert.


    Die Sänger und Sängerinnen fand ich alle sehr gut. Ok, das Vibrato von Elena Zhidkova war mir ein bisschen zu viel, aber ansonsten hat sie, wie alle anderen auch, schön geschauspielert.

  • Schön, liebe Boismortier, dass Du nach den sonderbaren Diskussionsgängen in diesem Thread nun wieder zu Tannhäuser und der Bayreuther Aufführung zurück führst.

    Was im Fernsehen von der Inszenierung gezeigt wurde, habe ich nicht gesehen und dazu kann ich deshalb auch nichts sagen. Vermutlich war den Live-Eindruck doch ganz etwas anderes! Vielleicht werde ich mir den Film irgendwann mal ansehen. Jetzt aber will ich mir den Eindruck von der Bühnenaufführung nicht zerstören.


    Beste Grüße

    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Nicht nachvollziehbar für mich ist der Einsatz eines französischen Camions in dieser Produktion. Viel passender wäre doch ein Wartburg aus „heimischer Fertigung“ gewesen. Die unvermeidliche Zweitaktfahne hätte dann den Umweltschützern reichlich Gesprächsstoff geboten.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Nicht nachvollziehbar für mich ist der Einsatz eines französischen Camions in dieser Produktion. Viel passender wäre doch ein Wartburg aus „heimischer Fertigung“ gewesen. Die unvermeidliche Zweitaktfahne hätte dann den Umweltschützern reichlich Gesprächsstoff geboten.

    Es hätte ein Barkas sein müssen.

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Trabbi und ein Klappfixzelt wären auch noch denkbar gewesen. :D:hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Alles richtig, was ihr über die Fahrzeugtypen schreibt. Aber alle haben nichts mit dem Tannhäuser zu tun.


    :no::no:


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

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  • Alles richtig, was ihr über die Fahrzeugtypen schreibt. Aber alle haben nichts mit dem Tannhäuser zu tun.

    … und deshalb wäre es besser gewesen, man hätte auf diesen unsinnigen, auf schiere Effekhascherei ausgerichteten Gag - denn darum handelt es sich meines Erachtens - völlig verzichtet.


    Irgendwie komme ich mir angesichts der vielen positiven Kritiken, die der Bayreuth-Tannhäuser gefunden hat, inzwischen wie ein aus der Welt gefallener und nichts mehr kapierender Oldie vor, wenn ich die Auffassung vertrete, dass durch die Verlegung der Venusberg-Komponente in die Zirkuswelt die Grundthematik von Wagners "Tannhäuser" verfehlt wird. Dieser Komponente wird damit die Ernsthaftigkeit und das Gewicht genommen, das ihr in Wagners Oper zukommt. Man kann deren Thematik zwar nicht auf einen einzigen polaren Dualismus reduzieren, vielmehr überlagern sich, wie das Mary Angela Cicora auf überzeugende Weise aufgezeigt hat, mehrere solcher polar-antagonistischer Dualismen, nämlich Sinnlichkeit versus Transzendenz, Individuum versus Institution, Ästhetik versus Politik und sexuelle Ekstase versus Entsagung. Wenn man die Komponente Venusberg in dieser Weise veralbert und ihr damit die ihr von Wagner verliehene Bedeutsamkeit nimmt, inszeniert man am opernmusikalischen Aussage-Kern des "Tannhäuser" vorbei: Dem Dualismus Sinnlichkeit versus Transzendenz und dem damit einhergehenden und für diese Aussage so hochrelevanten zentralen Aspekt der Erlösung wird damit der Boden entzogen.

    (Ist aber nicht so wichtig. Wollte es nur mal angemerkt haben.)


  • … und deshalb wäre es besser gewesen, man hätte auf diesen unsinnigen, auf schiere Effekhascherei ausgerichteten Gag - denn darum handelt es sich meines Erachtens - völlig verzichtet.


    Irgendwie komme ich mir angesichts der vielen positiven Kritiken, die der Bayreuth-Tannhäuser gefunden hat, inzwischen wie ein aus der Welt gefallener und nichts mehr kapierender Oldie vor, wenn ich die Auffassung vertrete, dass durch die Verlegung der Venusberg-Komponente in die Zirkuswelt die Grundthematik von Wagners "Tannhäuser" verfehlt wird. Dieser Komponente wird damit die Ernsthaftigkeit und das Gewicht genommen, das ihr in Wagners Oper zukommt. Man kann deren Thematik zwar nicht auf einen einzigen polaren Dualismus reduzieren, vielmehr überlagern sich, wie das Mary Angela Cicora auf überzeugende Weise aufgezeigt hat, mehrere solcher polar-antagonistischer Dualismen, nämlich Sinnlichkeit versus Transzendenz, Individuum versus Institution, Ästhetik versus Politik und sexuelle Ekstase versus Entsagung. Wenn man die Komponente Venusberg in dieser Weise veralbert und ihr damit die ihr von Wagner verliehene Bedeutsamkeit nimmt, inszeniert man am opernmusikalischen Aussage-Kern des "Tannhäuser" vorbei: Dem Dualismus Sinnlichkeit versus Transzendenz und dem damit einhergehenden und für diese Aussage so hochrelevanten zentralen Aspekt der Erlösung wird damit der Boden entzogen.

    (Ist aber nicht so wichtig. Wollte es nur mal angemerkt haben.)


    :jubel::jubel::jubel::jubel::jubel::jubel::jubel::hello::hello::hello::hello::hello::hello:

    Ich glaube, wenn Wagner noch einmal auferstehen könnte, er würde die ganze Meute der Verantwortlichen für diesen Klamauk einschließlich seiner Urenkelin aus dem Tempel fegen. Es geht doch nur noch um billige Effekthascherei, mehr nicht. Fast jeder Regisseur meint heute, er müsse unbedingt Handlung und Sinn völlig umstricken. Warum eigentlich? Will man die Werke auf ein möglichst niedriges Niveau degenerieren und damit einer unbedarften Menge weismachen, dass das die wahre Oper sei?


    Liebe Grüße

    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Ich finde, dass Helmut ganz wichtige Aspekte des Tannhäuser herausgestellt hat, die nachdenklich machen --- sollten. Ich bin nicht wirklich Wagner-Fan, insofern lässt mich auch diese Inszenierung - die ich mir nicht für Geld und gute Worte ansehen würde - kalt, aber Helmuts Analyse gefällt mir (was mich nicht wundert bei einem Autor von feinsinnig-analytischen Betrachtungen über Kunstlieder), leuchtet ein und führt die Oberflächlichkeit der Regiearbeit regelrecht vor.

    :hello:


    P.S. Auch nicht wichtig, sollte auch nur eine Anmerkung sein.

    .


    MUSIKWANDERER

  • Irgendwie komme ich mir angesichts der vielen positiven Kritiken, die der Bayreuth-Tannhäuser gefunden hat, inzwischen wie ein aus der Welt gefallener und nichts mehr kapierender Oldie vor, wenn ich die Auffassung vertrete, dass durch die Verlegung der Venusberg-Komponente in die Zirkuswelt die Grundthematik von Wagners "Tannhäuser" verfehlt wird.

    Lieber Helmut, ist es denn so schlimm, aus der Welt zu fallen - oder ihr gar ahhanden zu kommen? Ich glaube daran, das jeder Verlust auch etwas neues in uns hervorbringt. Nichts geht verloren. Wenn bestimmte Opern immer und immer wieder aufgeführt werden, muss man ich nicht wundern, dass Regisseure, die sich selbst ja auch unter Druck setzen und gesetzt werden, auf Gedanken und Interpretationen kommen, die nicht Deine und nicht meine sind. Was ist daran so schlimm? Es geht doch niemand her und verbrennt die originalen Handschriften. Das wäre von übel. Eine von gefühlt einer Millionen Inszenierungen ist es nicht. Sie kann ein Werk nicht zerstören. Indem sehr kontrovers über diesen "Tannhäuser" diskutiert wird, offenbart sich eine gewisse Wirkung.


    Wir beide sind wohl nicht in der Vorstellung gesessen, die immer einen ganz anderen Eindruck vermittelt als die mediale Wiedergabe. Deslhalb unterliegt unser Urteil gewissen Einschränkungen. Ich habe die Produktion nur als Übertragung verfolgt. Kratzer halte ich für einen sehr klugen und hinterlistigen Regisseur. Er hat dem Publikum seinen schönen "Tannhäuser" madig gemacht und ihm einen Spiegel vorgehalten, in dem es sich als Ansammlung von Spießern wiederfindet, die sich nicht zu schade sind, beim feierlichen Anstieg auf den Grünen Hügel den Gesang der Pilger anzustimmen. Man kennt ja schließich seinen Wagner auswendig. Und bezahlt auch noch viel Geld, um vorgeführt, nicht aber erbaut zu werden. Das ist es, was mich wundert, nicht aber die Inszenierung selbst. Und nun sind wird nach meinem Eindruck doch noch mitten in der ewigen Geschichte von des Kaisers neuen Kleider, die bereits erwähnt wurde. Aus Angst, altmodisch, verbohrt, rückwärtsgewandt, gar dumm zu gelten, wird das Ergebnis über den grünen Klee gelobt. Es bleibt ja keine andere Wahl. :)


    Jetzt müsste in die Detail eingestiegen werden. Das aber erspare ich mir. Nur eines. Ich kann mir schwerlich vorstellen, dass der Engel Elisabeth fortan in jeder Inszenierung die Beine breit macht - eine Fomulierung, die ich gewöhnlich nicht gebrauche. Aber es wurde nun mal so dargestellt! Solche Zuspitzungen haben ein rasches Verfallsdatum.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Rheingold,


    ich habe nichts dagegen, wenn jemand den "Tannhäuser" madig machen will. Dann aber soll er es in einem eigenen Werk machen, zu dem er sich meinetwegen einen Komponisten sucht, der ihm die Musik dazu liefert. Als Opernfreund würde ich mir das dann wohl nicht ansehen.

    Es ist für mich ein Vergehen am Komponisten und am Zuschauer, der mit dem Erwarten, ein Wagnerwerk gezeigt zu bekommen, ins Opernhaus geht, wenn er aber dazu das Originalwerk, dessen nicht zu der Parodie passenden Text und die Musik missbraucht und es sogar fälschlicherweise unter dem Namen des Originalwerks vertreibt. Kann man das, was in Bayreuth in den letzten Jahren verbockt wurde, überhaupt noch als Festspiele unter dem Namen Wagners nennen?


    Liebe Grüße

    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Man kann deren Thematik zwar nicht auf einen einzigen polaren Dualismus reduzieren, vielmehr überlagern sich, wie das Mary Angela Cicora auf überzeugende Weise aufgezeigt hat, mehrere solcher polar-antagonistischer Dualismen, nämlich Sinnlichkeit versus Transzendenz, Individuum versus Institution, Ästhetik versus Politik und sexuelle Ekstase versus Entsagung. Wenn man die Komponente Venusberg in dieser Weise veralbert und ihr damit die ihr von Wagner verliehene Bedeutsamkeit nimmt, inszeniert man am opernmusikalischen Aussage-Kern des "Tannhäuser" vorbei: Dem Dualismus Sinnlichkeit versus Transzendenz und dem damit einhergehenden und für diese Aussage so hochrelevanten zentralen Aspekt der Erlösung wird damit der Boden entzogen.

    (Ist aber nicht so wichtig. Wollte es nur mal angemerkt haben.)


    Es ist für mich ein Vergehen am Komponisten und am Zuschauer, der mit dem Erwarten, ein Wagnerwerk gezeigt zu bekommen, ins Opernhaus geht, wenn er aber dazu das Originalwerk, dessen nicht zu der Parodie passenden Text und die Musik missbraucht und es sogar fälschlicherweise unter dem Namen des Originalwerks vertreibt. Kann man das, was in Bayreuth in den letzten Jahren verbockt wurde, überhaupt noch als Festspiele unter dem Namen Wagners nennen?

    Ich habe viel Verständnis für Bayreuth. Die Frage ist nämlich eigentlich: Kann und darf eine Inszenierung Wagner hier überhaupt buchstäblich Ernst nehmen? Erinnern wir uns mal, was ein Zeitgenosse wie Friedrich Nietzsche dazu schrieb:


    "Zwischen Sinnlichkeit und Keuschheit gibt es keinen nothwenigen Gegensatz, jede gute Ehe, jede eigentliche Herzensliebschaft ist über diesen Gegensatz hinaus. Aber in jenem Falle, wo es wirklich diesen Gegensatz giebt, braucht er zum Glück noch lange kein tragischer Gegensatz zu sein. (...) Andrerseits versteht es sich nur zu gut, dass, wenn einmal die verunglückten Thiere der Circe dazu gebracht werden, die Keuschheit anzubeten, sie nur ihren Gegensatz sehn und anbeten werden - oh mit was für einem tragischen Gegrunz und Eifer! man kann es sich denken - jenen peinlichen und vollkommen überflüssigen Gegensatz, den Richard Wagner unbestreitbar am Ende seines Lebens noch hat in Musik setzen und auf die Bühne bringen wollen. Wozu doch? wie man billig fragen darf."


    Was verlangen also die "Konservativen" und Werktreue-Apologeten? Dass der Regisseur gefällgst "werktreu" diese ganze peinlich-lächerliche Keuschheits-Erlösungs-Ideologie Wagners wörtlich und Ernst nimmt, wo dann das Publikum nichts mehr davon Ernst nimmt. Wer von uns lebt und erlebt denn Sinnlichkeit und Keuschheit als "tragischen Gegensatz"? Im Zeitalter von Kondomen und Sexualtherapie einfach Niemand! Also wird damit eine "werktreue" Inszenierung zu einer Lebenslüge, dem Publikum eine Ernsthaftigkeit vorzugaukeln, die es selber gar nicht mehr Ernst zu nehmen bereit ist. Und genau da ist Regietheater richtig, dass es nicht bereit ist, so "verlogen" Theater zu machen, sondern diese Lächerlichkeit mit inszeniert: dass durch die "Uneigentlichkeit" (um den berühmten Ausdruck von Martin Heidegger zu gebrauchen), wie der Wagnerianer und Bayreuth-Pilger mit diesem Stoff umgeht, er damit aus Wagners Tragödie längst eine Komödie gemacht hat. Wie das Stück (hier höchst uneigentlich und mit einer fundamentalen Lebenslüge) rezipiert wird gehört eben mit zum Stück und ist von diesem nicht zu trennen. Da ändert auch die sture unendliche Wiederholung von Werktreue-Apologeten: "aber das Werk, das Werk, das Werk" rein gar nichts. Da fehlt nur die Bereitschaft, diese Lebenslüge zu erkennen, die hinter so einer Forderung nach "Werktreue" steckt. Schön, dass Bayreuth diese Lächerlichkeit heute nicht mehr mitmacht! :thumbup:


    Schöne Grüße

    Holger

  • Auch ich danke Helmut sehr für seine überaus erhellende, in meinen Augen absolut zutreffende Analyse! Viele Grüße

    Ich sehe nur die Analyse nicht! - Helmut führt an, dass Mary Angela Cicora auf den vielfältigen Dualismus in Wagners Tannhäuser hinweist, hier wäre ein Verweis auf die Quelle schön gewesen, aber gut. Was danach kommt, ist m.E. keine Analyse, sondern einfach "nur" Helmuts Meinung:

    Wenn man die Komponente Venusberg in dieser Weise veralbert und ihr damit die ihr von Wagner verliehene Bedeutsamkeit nimmt, inszeniert man am opernmusikalischen Aussage-Kern des "Tannhäuser" vorbei: Dem Dualismus Sinnlichkeit versus Transzendenz und dem damit einhergehenden und für diese Aussage so hochrelevanten zentralen Aspekt der Erlösung wird damit der Boden entzogen.

    Natürlich, der Schluß ist nicht von der Hand zu weisen, dass wenn man an den Dualismen des Tannhäuser vorbei inszeniert, man ihnen damit den Boden entzieht. Dass dies in Kratzers Inszenierung (die ich leider immer noch nicht gesehen habe) tatsächlich geschieht, dass hier sogar "veralbert" wird, ist lediglich Helmuts Eindruck und in dieser Form eine recht begründungsfreie Behauptung. Andere können und mögen dies nicht so sehen, was anscheinend auch der Fall ist, wenn ich mir weitere Beiträge hier im Thread anschaue.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • ich habe nichts dagegen, wenn jemand den "Tannhäuser" madig machen will. Dann aber soll er es in einem eigenen Werk machen, zu dem er sich meinetwegen einen Komponisten sucht, der ihm die Musik dazu liefert. Als Opernfreund würde ich mir das dann wohl nicht ansehen.

    Ich schon, aber da Unterscheide ich kleines, unwissendes Licht mich natürlich von den Opernfreunden, die mir soooooooooooooooo weit voraus sind ;(

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Wer von uns lebt und erlebt denn Sinnlichkeit und Keuschheit als "tragischen Gegensatz"? Im Zeitalter von Kondomen und Sexualtherapie einfach Niemand!

    Lieber Holger,


    das sehe ich völlig anders! Ich denke, das Grundmuster, das hier eine Rolle spielt, ist auch heutzutage nach wie vor aktuell:

    -dass jemand sich zu einer "femme fatale" hingezogen fühlt (bzw. zum "bad boy") statt zu dem höflichen, netten Mädchen, das die Eltern gerne als Schwiegertochter hätten

    -dass jemand, obwohl er (vermeintlich so glücklich) verheiratet ist, den Kick bei einer Prostituierten sucht, weil sie, aus welchen Gründen auch immer, etwas zu bieten hat, was die Frau nicht geben kann

    -dass jemand die Versuchung fühlt, fremd zu gehen, jedoch niemals Frau und Kinder dafür verlassen würde, und sich deshalb innerlich zerrissen fühlt, Schuldgefühle hat etc.


    Das sind jetzt nur ein paar Konstellationen, die ich hier nur stichwortartig aufreihe, die m. E. diese Dichotomie auch in ihrer modernen Ausprägung zeigen. Dadurch bleibt der tragische Grundcharakter authentisch erhalten, ohne dass man die Geschichte als überholt ansehen muss, die man heutzutage nicht mehr ernstnehmen kann, und deswegen das Ganze als Komödie darstellt. Ich denke, dass diese Zerrissenheit Tannhäusers einen Grundkonflikt darstellt, der zeitlos ist, und über den man sich nicht mokieren muss, um ihn in der Parodie greifbar machen zu können.


    Man kann natürlich das Ganze gegen den Strich bürsten, entkernen, konterkarieren, nur habe ich damit ein Problem: Wagners Musik gibt das in meinen Augen überhaupt nicht her. Sie ist tragisch, ernsthaft, nah am Text (gerade bei Wagner), und drückt für mein Empfinden nichts Lächerliches, Ironisches oder Doppelbödiges aus; bei Offenbach mag das funktionieren, da stehen tiefster Ernst und romantische Empfindung neben wilder Heiterkeit und albernster Ausgelassenheit; bei Wagner wiederum scheint mir das nicht zu funktionieren.

    Und genau da ist Regietheater richtig, dass es nicht bereit ist, so "verlogen" Theater zu machen, sondern diese Lächerlichkeit mit inszeniert: dass durch die "Uneigentlichkeit" (um den berühmten Ausdruck von Martin Heidegger zu gebrauchen), wie der Wagnerianer und Bayreuth-Pilger mit diesem Stoff umgeht, er damit aus Wagners Tragödie längst eine Komödie gemacht hat.

    Sicherlich gibt es zu dem Werk eine wechselvolle und hochinteressante Rezeptionsgeschichte; nur sehe ich nicht ganz, warum man selbige auf der Bühne inszenieren muss.

    Bei einem Film ist es sicherlich interessant, den Kommentar des Regisseurs zu hören, das Making of zu sehen, evtl. Remakes des Filmes zu betrachten, oder bei einem Buch Sekundärliteratur zu lesen, allerdings passiert dies ja in aller Regel erst im Nachgang.

    Wenn man also hier Original und Wirkung quasi simultan auf die Bühne zu bringen versucht, ist dies dann nicht einer Vermischung zweier Dinge, die eigentlich normalerweise nacheinander erfolgen?

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