"Rigoletto in Bregenz - Herausforderung zur Diskussion!

  • Ich möchte schon sehr bitten - Herrn Zefirelli als Kitsch abzutun ist schon ein starkes Stück

    DAS ist es was der Reputation des Tamino Klassikforums schadet.

    Herr Zeffirelli war der berühmteste Regisseur aller Zeiten:

    Erst einmal war ich es, der im Zeffirelli-Thread einen sehr um Objektivität und ausgleichende Gerechtigkeit bemühten Nachruf eingestellt hatte, wonach Zeffirelli eben auch dem Kitsch nicht abhold war - wie in dieser Inszenierung in Verona zweifellos festzustellen ist.


    Und natürlich kannst Du ganz genau sagen, warum die Lebensleistung von Zeffirelli als Regisseur die von Wieland Wagner z.B. himmelhoch überragt und wodurch belegt ist, dass diese Meinung allgemein unter Opernkennern anerkannt ist! 8o

    Absolut. Die Zielgruppe des Forums ist - aus meiner Sicht gesehen ein eher konservativ- traditionelles Bildungsbürgertum

    Auch das ist wieder ein krasser Selbstwiderspruch. Die RT-Gegner reklamieren gerne, dass man ihr Unterhaltungsbedürfnis und dass sie einfach nur einen schönen Opernabend "genießen" wollen, nicht diskreditieren dürfe. Wenn genau dieses Unterhaltungsbedürfnis aber so ein Theater-Event erfüllt, dann ist das auf einmal nicht die "Zielgruppe des Forums"? Was denn nun? Sind RT-Gegner nun zu den ganz großen, einen Bert Brecht in den Schatten stellenden "Belehrern" in Sachen Opern, zu moralinsauren das Opern-Aufführungs-Sein verketzernden Sollens-Aposteln geworden?


    Ich hatte lediglich gesagt, dass man solche Aufführungen mit Event-Charakter, die bezeichnend auf einer Show-Bühne stattfinden, die dann auch entsprechend genutzt wird, nicht mit denselben Maßstäben wie eine "normale" Inszenierung im Opernhaus messen sollte. Da herrschen andere und sehr besondere dem Aufführungsort geschuldete Gesetzmäßigkeiten, die es zu berücksichtigen gilt.


    Es ist interessant, da0 immer dort Niveau verlangt wird wo als Gegenleistung keines ist.

    Das gilt n der gesamtern Betrachtung der Welt

    Wir sehen wohin es führt, wenn falsche Toleranz geübt wird

    Sehr demokratisch gedacht! Es gibt die Auserwählten, die feststellen, was Niveau ist und was wahre und falsche Toleranz. Zum Niveau gehört aber auch Urteilskraft, dass man in der Lage ist, den richtigen und angemessenen Maßstab für die Beurteilung zu wählen. Wenn man das Niveau an der falschen Stelle sucht und es deshalb nicht findet (die Besprechungen der Inszenierung, die ich gesehen habe, haben ihr alle ein originelles, geistreiches Niveau bescheinigt, und das fand ich überzeugend und hat mich jedenfalls neugierig gemacht), dann fällt dieser Vorwurf auf einen selbst zurück.


    Aus meiner Sicht gehört so eine Aufführung überhabtn nicht erwähnt -

    in einem Form mit Niveau.

    Sie gehört genau dann erwähnt, wenn es Taminos gibt, die sie erwähnenswert finden und mit Überzeugung darlegen, warum sie Niveau hat. Und darüber kann man keine andere Meinung haben - es sei denn, man will eine Meinungsdiktatur errichten.


    Da müsste man dann auch nicht darüber diskutieren ob das Wort "Mist" angebracht ist

    oder "Touristenschund", Touristenfutter" oder "Unterschicht-Inszenierung"

    Die Unterschicht wird sich wohl kaum nach Bregenz verirren - dazu ist dieses Event schlicht zu teuer. Oder gehört der Bregenz-"Tourist" Operus etwa zur "Unterschicht" von Tamino? Das wäre mir neu! :D



    Wer so pauschal und niveaulos des Zeffirelli-"Trovatore" in Verona abqualifiziert, ja verunglimpft (nicht nur in dieser Rubrik, auch andernorts mit ein paar "Pauschalbrocken"), ist kein geeigneter Kandidat, von den Kritikern des Bregenzer Stölz-"Rigolettos" Fairness einzufordern!

    Niveaulos ist der Versuch, Beiträge versuchen zu diskreditieren, die man gar nicht gelesen hat und gelesen haben kann, weil man den Autor auf die Ignorierliste gesetzt hat. Ich habe lediglich gesagt, dass man in Bezug auf Verona und Bregenz - beides ist Oper als Show - dieselben Maßstäbe anlegen soll und nicht mit zweierlei Maß messen:


    Für ein Forum mit Niveau gehört sich eigentlich, dass man so etwas berücksichtigt. Das ist Event-Theater und man sollte es auch danach bewerten und entsprechend nicht überbewerten und die falschen Maßstäbe anlegen. Das gilt natürlich letztlich auch für Zeffirelli.


    P.S. Keine der kritischen Beiträge hier überzeugt mich. Man schreibt, das sei Zirkus. Aber was für Zirkus das ist - Zirkus kann man auf sehr unterschiedliche Weise machen - das wird mit keinem Wort gesagt.


    Schöne Grüße

    Holger

  • Ich habe mir diesen Bregenzer "Rigoletto" zur Gänze angesehen. Die Zirkus-Atmosphäre fand ich für den Stoff weder zwingend noch ansprechend. Dass es dem Publikum gefallen hat - am Beifall zu erkennen -, spricht m.E. nicht für eine gelungene Regiearbeit, eher lässt sich feststellen, dass die Zuschauer an dem Spektakel interessiert waren, nicht an einer Opernaufführung.

    Ich habe es auch durchgestanden und gebe Musikwanderer vollinhaltlich Recht. Seit Jahren scheint ja bei diesen Festspielen das Wichtigste zu sein, was für ein spektakuläres Bühnenbild auf die Seebühne gewuchtet wird, um so mehr, seit eins dieser Bühnenbilder durch einen "Auftritt" in irgendeinem James-Bond-Film "geadelt" wurde. Dass bei dem diesjährigen Bühnenbild eine sinnvolle Personenregie praktisch gar nicht stattfinden konnte, kann eigentlich nicht überraschen. Ebenso wenig überrascht es, dass die Sänger bestenfalls mittelmäßig waren. Hier scheint es wichtiger zu sein, dass die Darsteller tauchen können oder nicht wasserscheu sein dürfen (Carmen im vorigen Jahr) oder dass sie trittsicher und schwindelfrei sind. Ob die Zuschauer in diesem Ambiente der Handlung folgen konnten, scheint mir sehr fraglich. Gibt es dort übrigens - vielleicht in den Sitzlehnen - Untertitel? Falls nicht, befürchte ich sehr, dass viele Zuschauer fortan der festen Überzeugung sind, dass "Rigoletto" in einem Zirkus spielt, welcher einen Direktor hat, der "Herzog" heißt. Wir haben ja hier oft über Regiekonzepte diskutiert - hier kann man IMO schlicht und einfach feststellen, dass es keins gab, außer möglichst viel "Äkschen" auf die Bühne zu bringen. Aus diesen Gründen kann ich das Ganze nicht als ernstzunehmnde Opernregie werten - dagegen gibt es ja in Verona geradezu hohe Kunst. :hello: Aus diesem Grunde kann ich mich auch über dieses Spetakel nicht ärgern Wie gesagt, man kann es einfach nicht ernst nehmen. Übrigens: Ärgern würde ich mich eher über die diesjährige Inszenierun im Festspielhaus von Massenets "Don Quichotte" - ein Ritter von der traurigen Gestalt, der statt gegen Windmühlen mit Klodeckel und -bürste gegen einen Ventilator kämpft, wäre wirklich nicht "mein Ding".)


    Es grüßt Mme. Cortese

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

    Einmal editiert, zuletzt von Mme. Cortese ()

  • Ich verstehe die Aufregung hier nicht, sie lohnt doch eigentlich gar nicht. Spart Eure Kräfte lieber für den "Tannhäuser" am Wochenende auf, da sollte es hier wieder richtig rund gehen. Also lieber einfach entspannt bleiben. Wer hier im Forum hat nach den Erfahrungen der letzten Jahre gestern den Fernseher eingeschaltet und ist mit der Erwartung herangegangen, eine hochkarätige Vorstellung wie an der Staatsoper zu sehen? Es ist eine Showveranstaltung für Urlauber und Touristen , für die einen unterhaltend und gut gemacht, für die anderen langweilig. Ich hätte mir das an Operus`Stelle gar nicht schon vorher angeschaut, so ist ja der letzte Rest an Spannung und Überraschung auch noch weg.


    Gruss...MDM :hello:

    >>So it is written, and so it shall be done.<<

  • Ich habe es auch durchgestanden und gebe Musikwanderer vollinhaltlich Recht.

    Ich auch!

    Hab auch wacker von Anfang bis Ende durchgehalten und sogar die Festplatte angeworfen, um später noch mal nachschlagen zu können, falls es hier im Forum zu einer ins Detail gehenden kritischen Betrachtung kommen sollte.

    Die Verblüffung war bei mir besonders groß, weil ich zuvor die Besprechung der Aufführung im Samstags-Feuilleton der FAZ gelesen hatte. Und die war durchaus positiv. Werner M. Grimmel kommt da zu den Feststellungen:

    "Stölzls Transfer der Handlung in diese Sphäre (Anm. :der Zirkus-Welt) funktioniert überraschend gut. Wie an einem feudalen Hof gibt es auch in einer Zirkustruppe Hierarchien. Ihr Chef ist hier nicht nur Dompteur, sondern ein fieser Machtmensch, der vor sexuellen Übergriffen nicht zurückschreckt. (…) Allerlei Kunststücke und spektakuläre Stunts begleiten die Handlung, doch das Lachen bleibt dem Publikum im weiteren Verlauf zusehends im Hals stecken. Der Killer Sparafucile arbeitet hier als Messerwerfer mit Gerippe-Uniform. Miklós Sebesyén verleiht diesen Auftritten als Gevatter Tod basskräftigen Nachdruck. Katrin Wundsam assistiert ihm mit satter Mezzo-Derbheit". Die Sänger und Sängerinnen werden in ihrer Leistung durchweg positiv beurteilt. Zur Titelpartie wird angemerkt: "Betörend in allen Registern meistert Vladimir Stoyanov die Titelpartie und hat wie alle Solisten neben dem Singen viel zu tun, um in den enormen Proportionen der Bregenzer Bühne das intime Kammerspiel quasi mit dem ganzen Körper zu erzählen."

    Zur Musik: "Enrique Mazzola gelingt mit den im Festspielhaus sitzenden Wiener Symphonikern eine mustergültige Koordination des Orchesterklangs mit dem vokalen Geschehen auf dem See".

    Zum Regiekonzept findet er noch dies bemerkenswert: "In Stölzls Inszenierung kommt auch das vokal zirzensische Element von Verdis Partitur zu sich selbst."

    Und zur Schlussszene: "Der Schluss gehört jedoch dem herzergreifenden Vater-Tochter-Duett. Gilda liegt sterbend in Rigolettos Armen, indessen ihr Double unterm Ballon in den Nachthimmel entschwindet. Die Doppelung unterläuft den Kitscheffekt."

    Ich selbst habe, auf die Frage meiner Frau (die krankheitsbedingt die Sache am Fernseher nicht verfolgen konnte), wie ich denn die Inszenierung gefunden habe, geantwortet: "Hochgradige Infektion mit dem Show-Virus, die den Tod der Verdi-Tragödie zur Folge hatte."

  • Der Vergleich von Zeffirelli und Wieland Wagner hinkt ein wenig sehr!

    Zeffirelli ist ein Bühnen- und auch Filmregisseur, Wieland Wagner ist der Oper treu geblieben.

    Es haben sicherlich mehr Personen Zeffirelli - Arbeiten gesehen als Wieland Wagner - Inszenierungen.

  • Aus meiner Sicht gehört so eine Aufführung überhabtn nicht erwähnt -

    in einem Form mit Niveau.

    Da müsste man dann auch nicht darüber diskutieren ob das Wort "Mist" angebracht ist

    oder "Touristenschund", Touristenfutter" oder "Unterschicht-Inszenierung"

    Lieber Alfred, liebe Freunde

    wenn wir schon an dem Ziel angelangt wären, wo Tamino in Bedeutung und Rangfolge stehen und gesehen werden sollte: Als das unangefochten führende und meinungsbildende Klassik- Forum, dann könnten wir es uns vielleicht leisten zu sagen: Die Bregenzer Rigoletto-Inszenierung genügt unseren Ansprüchen an eine Opern-Inszenierung nicht, deshalb wird sie in unserem Forum nicht diskutiert. So weit sind wir noch nicht, deshalb sollen, ja müssen wir uns mit diesem Werk auseinandersetzen, zumal sich schon jetzt bestimmte Aspekte herauskristallisieren. Nämlich die Frage: Kann das noch als Oper bezeichnet werden, hat eine Inszenierung in so gigantischem Rahmen ihre eigenen Gesetze, entwickelt sich neben klassischer Oper und Operette, das Opernevent mit quasi filmischen Elementen? Auch der Butterfly Stoff wurde in dem Musical Miss Saigon in eine andere Spielgattung transferiert, trifft dies auch auf die diesjährige Rigoletto-Inszenierung ebenfalls zu? Fragen über Fragen, diese zu diskutieren, den Kern herauszuarbeiten das meinte ich, als ich den Thread-Titel formulierte: Rigoletto in Bregenz- Herausforderung zur Diskussion! Dazu müssten wir unser Lagerdenken überwinden und sachlich diskutieren. In einigen Beiträgen sind dafür bereits gute Ansätze vorhanden - kriegen wir noch die Kurve zur fruchtbaren, ergiebigen Sachdiskussion, um dann in einem Schlussresümee zusammenfassend das Ergebnis einer Tamino Operndiskussion als ernst zu nehmende Fachmeinung formulieren und eventuell sogar publizieren zu können.

    Herzlichst

    Operus (Hans)

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • "Betörend in allen Registern meistert Vladimir Stoyanov die Tietelpartie" - was hat der Rezensent der FAZ da gehört? Ich fand das Singen sterbenslangweilig und schon gar nicht betörend!

    "Hochgradige Infektion mit dem Show-Virus, die den Tod der Verdi-Tragödie zur Folge hatte."

    :jubel::jubel::jubel::jubel::jubel::jubel:

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

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  • In der bürgerlich-konservativen FAZ

    Lieber Holger,


    die FAZ war eine bürgerlich-konservative Zeitung, als dort noch Herausgeber vom Schlage eines Joachim Fest oder Frank Schirrmacher fungierten und das Feuilleton von Leuten wie Dolf Sternberger und Marcel Reich-Ranicki geleitet wurde. Ob das Prädikat auf die heutige FAZ zutrifft, das wage ich doch sehr zu bezweifeln. Ich würde sie eher als linksliberal mit leicht grüner Färbung bezeichnen.

    Auf die Inszenierung in Bregenz möchte ich gar nicht eingehen, aber wenn Werner M. Grimmel der Gilda von Mélissa Petit "weich koloristischen Gesang" bescheinigt, der "geradezu süchtig (macht)", dann sollte er sich einmal den hier verewigten 4. Akt der Oper mit Zinka Milanov als Gilda anhören, der von keinem Geringeren als Arturo Toscanini dirigiert wird:

    Dieser Gesang müßte ihm dann glatt die Pantinen von den Füßen ziehen! (Aufnahme: Mai 1944, Madison Square Garden).


    Das einzige, was mich am Samstag bei der Aufführung süchtig gemacht hat, war der Aus-Knopf meiner Fernbedienung!


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Nachtrag:
    Weiß jemand, wieso die Arie des Herzogs" Parmi verder le lagrime" ausgelassen und nur die Cabaletta gesungen wurde? Umgekehrt wäre es vielleicht besser gewesen....

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Ich würde sie eher als linksliberal mit leicht grüner Färbung bezeichnen.

    Was wohl ihr Herausgeber Jürgen Kaube dazu sagen würde, der von einem seiner Lehrer in konservativem Denken und Urteilen herangebildet wurde und diesem sein neuestes Buch "Ist die Schule zu blöd für unsere Kinder" gewidmet hat (was mich sehr rührte)?

    Aber davon mal abgesehen: Die Kritik von Werner M. Grimmel wird dieser Bregenzer Inszenierung in keiner Weise gerecht. Weder was das zugrunde liegende Regie-Konzept anbelangt, noch die gesangliche Leistung der Interpreten betreffend. Ich würde sie als ausgesprochen oberflächlich, nur auf die Effekte ausgerichtet beurteilen, nicht aber die Grundfrage berücksichtigend, wie weit Stölzl die von Verdi mit seiner Opernmusik intendierte Aussage inszenatorisch umzusetzen vermochte.

  • Dieser Gesang müßte ihm dann glatt die Pantinen von den Füßen ziehen! (Aufnahme: Mai 1944, Madison Square Garden).


    Das einzige, was mich am Samstag bei der Aufführung süchtig gemacht hat, war der Aus-Knopf meiner Fernbedienung!

    Lieber Nemorino,


    das Problem mit dieser Aufführung erinnert mich an ein Konzert, das Cyprien Katsaris Ende der 80iger oder Anfang der 90iger Jahre in der Düsseldorfer Tonhalle gab (wo ich mich noch erinnere, dass es unglaublich heiß war, wie es diese Woche wieder wird). Da spielte er u.a. eine Beethoven-Symphonie in der Transkription von Franz Liszt. Darauf erschien in der Rheinischen Post eine Kritik, die ein Verriss war. Dort war zu lesen, dass sich der Kritiker hoch entrüstete: Diese Liszts Transkripition gehöre nicht in den Konzertsaal! Der betreffende Kritiker meinte also, dass eine Beethoven-Symphonie gefälligst mit Orchester aufgeführt werden müsse und nicht in dieser "Verunstaltung" (um das Lieblingswort der RT-Phoben hier zu gebrauchen) durch Liszt. Darauf gab es einen schönen Leserbrief, wo sich der damals inzwischen pensionierte alte Chefkritiker der Rheinischen Post, Alfons Neulirchen, zu Wort meldete und die Sache richtig stellte. Man müsse diese Art Klavierliteratur ja nicht mögen, aber es sei nicht zu bestreiten, dass sie kompositorisch sehr gut gemacht sei.


    Die Ablehnung dieser Inszenierung bezieht sich doch nur darauf, dass man eine Norm, wie eine reguläre Operninszenierung auszusehen hat, damit sie "richtig" oder "werkgerecht" ist, nicht erfüllt. Nur wenn man die Beteiligten fragt, werden sie einen solchen Anspruch gar nicht erheben, dass ihr Gesamtkunstwerk auf dieser sehr speziellen Seebühne irgendwie normativ-vorbildlichen Charakter haben und einem solchen Werktreue-Anspruch gerecht werden soll. Das ist Oper als ein Theater-"Spiel" mit viel Lust am Theater - Oper mal ganz anders, als sie sonst zu erleben ist. Genau darauf wird doch abgehoben - auf das "mal anders". Und auch wenn man das nicht mag, ist das sehr gut gemacht, wie offenbar auch der Kritiker der FAZ meint. Der Sinn einer solchen Aufführung ist also überhaupt nicht, dieses Theater-Ereignis zu vergleichen mit "normalem" Operntheater in einem Opernhaus. Der Vergleich wird aber hier ständig gemacht und nur von daher dieses Theater-Ereignis dann abgeurteilt bis hin zur Gehässigkeit gegenüber den Zuschauern etc. Ein Beethoven-Symphonie auf dem Klavier klingt aber eben nicht so wie mit einem Symphonieorchester gespielt. Es hat doch nun wirklich keinen Sinn, ständig darüber zu klagen, dass ein Klavier kein Symphonieorchester ist. Sondern man sollte doch ein Sensorium dafür entwickeln können, was die Qualitäten dieser Klaviertranskription sind, die nun mal nicht verleugnen kann und will, dass sie eine Transkription ist. Ebenso verleugnet auch diese Inszenierung nicht, dass sie sehr spielerisch-frei mit Verdi umgeht. Aber so kommen eben doch eindrucksvolle Momente zustande.


    Auch das Argument mit der Qualität der Sänger überzeugt mich nicht. Es gibt einen Trailer vom Bayrischen Rundfunk, wo man erfährt, dass die Sänger hier artistische Leistungen vollbringen müssen und eigens dafür geschult wurden. Wer in die Oper vornehmlich wegen der Sänger geht, um das Beste vom Besten an Gesanglichem geboten zu bekommen, der geht nicht in eine solche Aufführung. Bei einer solchen Aufführung ist das gar nicht zu erwarten (eine Anna Netrebkova würde schlicht schwindlig, wenn sie in diesem Balon rumturnen müsste) und entsprechend ist die Sängerleistung zwar nicht belanglos, aber mit Blick aufs Ganze gesehen eben sekundär. Die Aufführung lebt vom Theater - darauf liegt der Akzent. Die Sänger sind Teil des Spiels und werden als solche wahrgenommen. Wenn man Höchstleistungen nur des Gesangs erwartet, dann ist diese Artistik die falsche Inszenierung. Wenn ich die Zeit hätte, würde ich da hinfahren und hätte sicher ein riesen Vergnügen an diesem Abend. Ich bin nämlich kein Spießer und Beckmesser. Als fröhlicher Rheinländer kann ich eins nicht ausstehen: Bierernst und Miesepeterei, die nur den Spaß verdirbt. Das was da gemacht wird, ist ja nicht plump, sondern intelligent und geistreich mit sehr fantasievollem Bühnenaufbau. Wenn man 100 mal eine Beethoven-Symphonie mit Orchester hört, kann man ja vielleicht einmal eine Klaviertranskription von Liszt über sich ergehen lassen und eventuell auch Vergnügen dabei haben, sie zu hören, ohne zu mäkeln: Das klingt aber ohne Orchester nicht "richtig".


    In Aachen gibt es ja diesen schönen Karnevalsorden "wider den tierischen Ernst". Ich glaube, bei so viel Bierernst tierischster Art, wie er hier geboten wird, wird Tamino ihn verdienter Maßen nie erhalten! :D


    Schöne Grüße

    Holger

  • Es ist ja schon erstaunlich, wie sehr sich der "fröhliche Rheinländer" für diese Inszenierung stark macht, nachdem er doch in Beitrag 19 in diesem Thread sich nicht mehr zu Wort melden wollte. Nun das kennen wir ja schon...

    Jetzt ist es also keine Operninszenierung mehr, sondern ein Theater-"Spiel".

    Nun im Gegensatz zu Dr. Kaletha konnte ich mit dem Karneval, Fasching etc. nie etwas anfangen!

    Drum also verstehe ich diese Inszenierung mit mittelmässigen Sängern nicht! Wieder etwas gelernt!

    Mögen die Rheinländer ihren Spass haben!

  • Das einzige, was mich am Samstag bei der Aufführung süchtig gemacht hat, war der Aus-Knopf meiner Fernbedienung!


    LG, Nemorino

    Völlige Zustimmung! Normalerweise hätte ich nach spätestens 10 Minuten ausgeschaltet.

    Nur weil unser Operus im Vorfeld um einen zu erwartenden Meinungsaustausch gebeten hatte, habe ich mir dieses peinliche Machwerk angetan,

    damit ich nun hier in unserem Forum weiß, worum es ging. Auch unter dem Aspekt, daß wir bei einer Open - Air - Show und nicht auf der

    Opernbühne sind, kann ich nicht von einer Inszenierung sprechen. Da ich keinerlei Sinn und Bezug von der eigentlichen Oper in Verbindung

    zu einem Zirkus erkennen kann, ist das in meiner Meinung und Empfindung billigster Klamauk der untersten Schublade.

    Schlimmer geht´s nimmer, was man dem armen Verdi mit dem Mißbrauch seiner herrlichen Musik hier angetan hat.

    Um es nochmal deutlich zu machen, dies ist meine (!!!) Meinung. Andere dürfen das gern anders beurteilen, nichts dagegen - wer´s halt braucht...


    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Lieber Holger,


    vielen Dank für Deine ausführliche Antwort.


    Auf die Inszenierung der Bregenzer Seebühne wollte ich eigentlich gar nicht näher eingehen, weil ich es für unzweckmäßig halte, über das Regietheater zwischen Befürwortern und Gegnern zu diskutieren. Das wird hier im Forum seit Jahren an diversen Stellen mit Leidenschaft betrieben, aber ich kann nirgends feststellen, daß sich irgendwo die Standpunkte zwischen den Lagern angenähert haben. Im Gegenteil: Man drischt mit Lust und Wonne aufeinander ein, und heraus kommt dabei nichts. Deshalb möchte ich meine Zeit dafür nicht verschwenden.


    Ich gestehe aber gerne ein, daß mir der RIGOLETTO aus Bregenz überhaupt nicht gefallen hat, weder szenisch noch musikalisch. Am besten hat sich IMO noch das Orchester "geschlagen". Im übrigen war das für meine Begriffe überhaupt keine Rigoletto-Aufführung, sondern eine zirzensische Darbietung mit Untermalung von Verdis Musik. Die szenische Ausführung hätte ihren Platz im Circus Krone, oder, noch besser, im Cirque du Soleil gehabt. Allerdings ohne die Musik, die wohl ohnehin für die meisten Besucher eher lästiges Beiwerk der Darbietung war, die den Nichtkenner ohnehin ratlos zurückließ, weil Sinn und Zweck der Handlung kaum zu erkennen waren. Doch das ist nur mein persönlicher Eindruck.


    Wer in die Oper vornehmlich wegen der Sänger geht, um das Beste vom Besten an Gesanglichem geboten zu bekommen, der geht nicht in eine solche Aufführung. Bei einer solchen Aufführung ist das gar nicht zu erwarten

    Da gebe ich Dir vollkommen recht! Umso mehr hat mich die Kritik von Werner M. Grimmel in der FAZ irritiert, der bei der Sängerin der Gilda "weichen, koloristischen Gesang" ausgemacht hat, von dem er "geradezu süchtig" geworden ist. Wenn er den Ausführenden bescheinigt hätte, eine perfekte Show abgeliefert zu haben, mit körperlichen Höchstleistungen, so wäre das nachvollziehbar. Aber mit seinen Ausführungen zu den gesanglichen Leistungen hat er nur unter Beweis gestellt, daß er entweder von klassischem Gesang keine Ahnung hat oder bereit ist, sich mit Hausmannskost zufrieden zu geben. Nur deshalb habe ich ein Beispiel gezeigt, wie man die Gilda singen soll, während Mme Petit in Bregenz vorgeführt hat, wie man sie singen kann!


    Als fröhlicher Rheinländer

    …. bin ich eigentlich für jeden Spaß zu haben, nur sollte er nicht am falschen Ort stattfinden. Wenn ich in eine Aufführung gehe, die sich RIGOLETTO von Giuseppe Verdi nennt, so erwarte ich eine Oper, aber keine Zirkusvorstellung, so wenig wie ich eine Oper erwarte, wenn ich ins Kabarett gehe.

    Andererseits leben solche Festspielstätten wie die Bregenzer Seebühne von publikumswirksamem Spektakel, denn schließlich muß ja die Rechnung aufgehen. Und das tut sie wohl allemal ….


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Was wohl ihr Herausgeber Jürgen Kaube dazu sagen würde,

    …. kann ich natürlich nicht wissen, aber Fakt ist doch, daß die FAZ sich seit etlichen Jahren mehr und mehr von ihren Wurzeln entfernt hat. Das hat nicht nur mit den Herausgebern zu tun. Die ganze Zeitungslandschaft hat sich dramatisch verändert. Auch der SPIEGEL ist längst nicht mehr das, was er zu Zeiten eines Rudolf Augstein oder Stefan Aust war.

    Von den vier Herausgebern der FAZ scheint mir Berthold Kohler noch am ehesten dem Bild eines wertkonservativen Journalisten zu entsprechen. Doch das gehört eigentlich gar nicht hierhin, deshalb möchte ich es dabei bewenden lassen.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Wenn genau dieses Unterhaltungsbedürfnis aber so ein Theater-Event erfüllt

    Lieber Holger. Doe Kunst - bewusst missverstehen zu wollen - sollte man Die nicht absprechen, du hast sie zur vollkommenen Blübe gebrascht.

    Um ein Beispiel zu bringen, es ist schon ein Unterschied sich bei den herrlichen Themen eiense Mozarts Klavierkonzerts zu "unterhalten" und disharmoniches wie seit dem 20 Jahrhunder üblich, zu verabscheuen, zu negieren oder zu bekämpfen - ODER aber sich mit Rock und Heavy Metal den Geschmack zu verderben. Und Du verstehst Diesen Unterschied natürlich sehr gut....


    Sie gehört genau dann erwähnt, wenn es Taminos gibt, die sie erwähnenswert finden und mit Überzeugung darlegen, warum sie Niveau hat. Und darüber kann man keine andere Meinung haben - es sei denn, man will eine Meinungsdiktatur errichten.

    Darf ich den feinen Unterschied klarmachen:

    Sie(die ungeliebte Inszenierung etc) WIRD dann erwähnt, wenn irgendwelche Leute das wollen (und ich behindere das nicht )

    ABER ich halte das für verzichtbar und wir adeln diesen SCH und geben ihm eine Plattform, die unverdient ist.

    Ausserdem wird unter Umständen die von mior angepeilte Zielgruppe neu hinzikommender Taminos vergrault.


    Ich habe nichts gegen Meinungsdiktatur - sie hat Jahrhundertelan unsere Kultur zu dem Gemacht was si heute (noch?) ist.

    Man KANN




    Sehr demokratisch gedacht!

    Ich denke nicht demokratisch - Und das tut eigentlich niemand.

    Man sehe nur welcher Aufruhr entsteht, wenn das "Volk" mal nicht so reagiert wie man es ihm eingetrichtert hat und wie es für die derzeitigen Schmarotzer von bestehenden Systemen opportun erscheint....


    Rein SACHLICH ist es so, daß (Theoretisch) in einer demokratischen Struktur die Mehrheit das Sagen hat.

    Und die Mehrheit ist bekanntlich dumm......


    Zu Kritiken:

    sie waren einstmals eine Hilfestellungen bei Entscheidungen - aber heute schreiben sie daß was von der Anzeigenabteilung als Linie vorgegeben ist.

    Ich stand ihnen stets kririsch gegenüber - vor allem Kriritiken aus Deutschland, die gerne sperrige Interpetationen lobten und klangschönes beläckelten, Daher habe ich die entrsprechenden Kritiker ausgesiebt. Im Falle von Inszenierungskritiken gilt bei mir der "Generalverdacht"


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Auf die Inszenierung der Bregenzer Seebühne wollte ich eigentlich gar nicht näher eingehen, weil ich es für unzweckmäßig halte, über das Regietheater zwischen Befürwortern und Gegnern zu diskutieren.

    Genau das, lieber Nemorino, finde ich schade. Denn hier sollte wirklich nicht die übliche RT-Debatte vom Zaun gebrochen werden.

    Ich gestehe aber gerne ein, daß mir der RIGOLETTO aus Bregenz überhaupt nicht gefallen hat, weder szenisch noch musikalisch. Am besten hat sich IMO noch das Orchester "geschlagen". Im übrigen war das für meine Begriffe überhaupt keine Rigoletto-Aufführung, sondern eine zirzensische Darbietung mit Untermalung von Verdis Musik. Die szenische Ausführung hätte ihren Platz im Circus Krone, oder, noch besser, im Cirque du Soleil gehabt. Allerdings ohne die Musik, die wohl ohnehin für die meisten Besucher eher lästiges Beiwerk der Darbietung war,

    Dem Einen gefällt es und dem Anderen nicht. Aber hier geht es um eine Freilichtbühne - da wird Theater für eine Open air-Veranstaltung gemacht und nicht fürs Fernsehen. Schon bei einer "normalen" Opernhausinszenierung ist die Fernsehaufzeichnung problematisch - hier ist sie es noch mehr. Woher weißt Du, das für die Zuschauer dort die Musik nur "lästiges Beiwerk" ist? Das ist, kann man hier einwenden, nur Ausdruck des eigenen totalen Unverständnisses für eine solche künstlerische Konzeption. Und der Verweis auf den Cirque du Soleil ist doch schön. Auch da wird die Grenze von Zirkus und künstlerischer Performance-Kunst überschritten. Das geschieht hier auch durch die Grenzüberschreitung Artistik-Oper. Man kann das gerade spannend finden und eine sehr "künsterlische" Art, mit dem Thema Oper umzugehen.

    Aber mit seinen Ausführungen zu den gesanglichen Leistungen hat er nur unter Beweis gestellt, daß er entweder von klassischem Gesang keine Ahnung hat oder bereit ist, sich mit Hausmannskost zufrieden zu geben.

    Es ist aber zu lesen, dass es dort mehrere Sängerbesetzungen gibt. Welche nun hat der Kritiker gesehen? Vielleicht ist die Wirkung vor Ort ja auch eine andere als im Fernsehen, wenn man die Sänger zugleich agieren sieht. Ich lese da z.B., dass sein Gesangstil sehr gut zur Charakterisierung der Rolle passt. Ist das nicht wichtiger als die nicht perfekt gehaltene Höhe? Und wie gesagt: Es gibt Opernbesucher, denen die Inszenierung und das Theater relativ gleichgültig ist und die nur wegen der Sänger und der Sängerleistung kommen und es gibt das Publikum, für die das Theater im Musiktheater den Vorrang hat. So eine Veranstaltung ist offenbar für die zweite und nicht die erste Zielgruppe gedacht. Die Seebühne gibt es auch nur einmal - Opernhäuser unendlich viele. Man sollte also nicht die Originalität wegdisputieren wollen. Einem ungewöhnlichen Aufführungsort darf auch eine ungewöhnliche Inszenierung entsprechen. Die ist dann genau deshalb da genau richtig am Platze.

    …. bin ich eigentlich für jeden Spaß zu haben, nur sollte er nicht am falschen Ort stattfinden. Wenn ich in eine Aufführung gehe, die sich RIGOLETTO von Giuseppe Verdi nennt, so erwarte ich eine Oper, aber keine Zirkusvorstellung, so wenig wie ich eine Oper erwarte, wenn ich ins Kabarett gehe.

    Das ist aber allein schon ein logischer Fehler - und er zeigt, dass nicht nur Du, sondern viele hier sich einfach nicht mit der Konzeption dieser Inszenierung auseinandersetzen. Der logische Fehler ist: Wenn eine Oper im Bahnhofsmilieu spielt, ist die Oper deshalb noch keine Bahnhofsveranstaltung. Wenn die Handlung im Zirkus spielt, ist also die Oper ebensowenig eine Zirkusveranstaltung. Es ist natürlich so, dass wenn eine Handlung im Zirkus spielt, auch Zirkuselemente auf der Bühne auftauchen. Aber wie ich den Berichten entnehme, hat der Regisseur die Zirkuselemente genutzt, um die dramatische Konstellation zwischen den Figuren zu verdeutlichen - und das fanden offenbar Zuschauer und Kritiker, die dabei waren, sehr gelungen. Dafür müsste man sich allerdings so eine Inszenierung auch bis zuende anschauen. Und ich muss sagen: Das Bühnenbild, das so in keinem Opernhaus realisierbar ist, ist schon genial. Dieser Kopf, der allmählich zerfällt hat hohe Symbolkraft. Das ist fast Surrealismus. Rein vom Künstlerischen her ist das ungemein stark. Dagegen ist Zeffirelli nur aufwendiges Kulissentheater ohne Inspiration und Witz. (Wo ich ihm jetzt aber keineswegs Unrecht tun möchte. In der Freilichtinszenierung hatte wohl auch diese Inszenierung ihre starken Momente, die in der Fernsehinszenierung nicht rüberkommen. Und eine gewisse Überladenheit hat der Kritiker bei Heute in Bregenz auch bemängelt - das scheint für Freilichttheater also irgendwie konstitutiv zu sein.) Es ist bezeichnend, dass Du und alle anderen, die sie nicht mögen, diese Inszenierung nur sehr selektiv wahrnehmen - nur als ein Spektakel, aber die dramaturgische Konzeption nicht beachten. Kann man ja auch nicht, wenn man den Fernseher nach 15 Minuten ausschaltet. (Die Personenregie ist übrigens auch bei Zeffirelli nicht übermäßig berauschend, wurde bemerkt, auch das scheint ein konstitutives Moment für Freilichttheater zu sein.) Voreingenommenheit führt dazu, dass man bestimmte Dinge nicht sieht, weil man sie nicht sehen will. Dann ist aber der Einwand, dass man sich aus der Aversion gegen Regietheater heraus einer unvoreingenommenen, ernsthaften Auseinandersetzung verweigert.

    Andererseits leben solche Festspielstätten wie die Bregenzer Seebühne von publikumswirksamem Spektakel, denn schließlich muß ja die Rechnung aufgehen. Und das tut sie wohl allemal ….

    Die Kritik ist mir zu pauschal. Ein Karajan-Konzert war auch populäres Spektakel, das Neujahrskonzert der Wiener Philharmonker mit Milliarden Zuschauern ist es noch mehr ebenfalls. Auch da ging und geht immer wieder die Rechnung auf. Das sagt erst einmal gar nichts aus über die Qualität. Man kann es auch anders sehen. Der ungewöhnliche Ort wird hier genutzt, um eine ebenfalls ungewöhnliche künstlerische Konzeption zu realisieren, die in keinem Opernhaus realisierbar ist. Und das ist erst einmal - künstlerisch - ein Gewinn, weil eine durchaus einmalige Chance. Vorausgesetzt, man nimmt so etwas unvoreingenommen wahr. Ein Teil des Opernpublikums kann das offenbar nicht. Das ist aber kein Einwand gegen eine solche Aufführung. :hello:

    Um ein Beispiel zu bringen, es ist schon ein Unterschied sich bei den herrlichen Themen eiense Mozarts Klavierkonzerts zu "unterhalten"

    Wenn Du dieses Beispiel bringst, lieber Alfred, ist alle Unterhaltungskunst unserer Zeit eine Reduktion. Das Moment der geselligen Konversation und die damit verbundene Kultivierung aus dem 18. Jhd. ist weggefallen - es geht nur noch um den sehr solipsistischen Genuss. Bei Mozart sieht man, dass es noch anders ist, an der Form des Konzerts - das ist Kommunikation. Ich bin bei Leibe kein Freund der Massenkultur. Was mich da am allermeisten stört, ist die Standardisierung - gerade im Pop-Bereich. Diese Inszenierung ist aber sehr individuell und so gar nicht standardmäßig. Das ist etwas für die Augen - richtig. Aber warum soll das schlecht sein, wenn es so individuell und unvergleichlich ist? Vergleichbares habe ich noch nicht gesehen!


    Schöne Grüße

    Holger

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  • Man kann dieselben Dinge aus unterschiedlicher Perspektive eben ganz anders sehen und kommt entsprechend zu sehr entgegengesetzten Bewertungen. Deswegen stelle ich das noch einmal heraus, was ich heute Morgen ergänzt habe:


    Wenn ich in eine Aufführung gehe, die sich RIGOLETTO von Giuseppe Verdi nennt, so erwarte ich eine Oper, aber keine Zirkusvorstellung, so wenig wie ich eine Oper erwarte, wenn ich ins Kabarett gehe.


    Man kann es auch anders sehen. Der ungewöhnliche Ort wird hier genutzt, um eine ebenfalls ungewöhnliche künstlerische Konzeption zu realisieren, die in keinem Opernhaus realisierbar ist. Und das ist erst einmal - künstlerisch - ein Gewinn, weil eine durchaus einmalige Chance. Vorausgesetzt, man nimmt so etwas unvoreingenommen wahr. Ein Teil des Opernpublikums kann das offenbar nicht. Das ist aber kein Einwand gegen eine solche Aufführung.


    Und der Verweis auf den Cirque du Soleil ist doch schön. Auch da wird die Grenze von Zirkus und künstlerischer Performance-Kunst überschritten. Das geschieht hier auch durch die Grenzüberschreitung Artistik-Oper. Man kann das gerade spannend finden und eine sehr "künsterlische" Art, mit dem Thema Oper umzugehen.


    Man sollte also nicht die Originalität wegdisputieren wollen. Einem ungewöhnlichen Aufführungsort darf auch eine ungewöhnliche Inszenierung entsprechen. Die ist dann genau deshalb da genau richtig am Platze.

  • Beitrag gelöscht, weil er von Holger Kaletha ganz bewusst dazu verwendet wurde, seine Thesen, die ich nicht teile, zu begründen und mir Auffassungen anzulasten, die seine Urteile stützen.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Es war, wie schon mehrfach herausgestellt, eine Event für ein in großen Scharen herbeigeeiltes Touristenpublikum, das unterhalten werden will. Nicht mehr und auch nicht weniger.

    Ich hatte eben darauf hinzuweisen versucht, lieber Rüdiger, dass dies eine tendentiöse Sicht ist und habe dabei das Beispiel Circe du soleil von Nemorino aufgegriffen. Unterhaltung ist ein weiter Begriff. Ich sehe in dieser Art, mit dem Phänomen Bregenz umzugehen, eine Verweigerung, das Problem ästhetisch zu sehen. Was Ihr als Opernbesucher erwartet, ist, dass sich eine Opernaufführung ganz konventionell an die Gattungstradition und die durch sie gesetzten Grenzen hält: Ich will eine Oper sehen und keinen Zirkus. Es gibt aber nun mal in der modernen Kunst (historisch beginnt das in der Romantik und endet in der Postmoderne) die Tendenz, die Gattungsgrenzen zu sprengen. Das tut der Circe du soleil: Hier kann das traditionelle Zirkuspublikum sagen: Das ist kein richtiger Zirkus mehr. Und die avantgardistischen Performance-Künstler wiederum könnten damit unzufrieden sein, dass hier "ernste" Kunst und Zirkusunterhaltung vermischt werden. Eine solche Kunstform will aber die Gattungsgrenzen ausdrücklich sprengen und etwas Neues schaffen.


    Es ist nicht mehr als Ausdruck Eurer Ratlosigkeit, dass Ihr nicht in der Lage seid, solche neuen künstlerischen Wege als künstlerische zu werten und entsprechend nur eine trivialisierende Betrachtung kennt: Auch Du bestreitest einfach pauschal ohne eingehende Analyse den künstlerischen Wert einer solchen Veranstaltung und setzt sie gleich mit trivialster Popkultur für ein "herbeigeeiltes Touristenpublikum", wo es nur um billigste Unterhaltung angeblich geht. Das ist für mich keine sachliche Betrachtung mehr - sondern einfach nur voreingenommen. Kunst lebt aber von der Vielfalt. Ich halte es - Entschuldigung - für borniert, solche Vielfalt abzulehnen zugunsten konventioneller Eintönigkeit, nur weil das dann brave und "richtige" Kunst ist. Kunst ist aber nunmal Ausdruck des Lebens. Leben überschreitet ständig Grenzen und lässt sich nicht einsperren. Und das vermittelt so eine Aufführung in Bregenz vielleicht mehr als der graue Opernalltag.


    Übrigens sollte man den Zirkus nicht so gering schätzen, wie Ihr das tut. Dort geht es letztlich genau darum, die dem Menschen gesetzten Grenzen zu überschreiten, was eine tiefe menschliche Sehnsucht ist, durch eine Artistik, wo der Mensch sich selbst überwindet, über sich hinauswächst. Genau das passt zu dieser Inszenierung: eine Artistik, welche die Grenzen der konventionellen Gattung Oper überschreitet und etwas Künstlerisch-Neues schafft.


    Schöne Grüße

    Holger

  • Ich hatte eben darauf hinzuweisen versucht, lieber Rüdiger, dass dies eine tendentiöse Sicht ist und habe dabei das Beispiel Circe du soleil von Nemorino aufgegriffen. Unterhaltung ist ein weiter Begriff. Ich sehe in dieser Art, mit dem Phänomen Bregenz umzugehen, eine Verweigerung, das Problem ästhetisch zu sehen. Was Ihr als Opernbesucher erwartet, ist, dass sich eine Opernaufführung ganz konventionell an die Gattungstradition und die durch sie gesetzten Grenzen hält: Ich will eine Oper sehen und keinen Zirkus.


    Lieber Holger, ich bin der Falsche, den Du ansprichst. Ich bin nicht "ihr" (Fettung in Deinem Zitat von mir). Ich bin ich. Und das Letzte, was ich pflege, ist Verweigerung. Du verwechselst mich offenbar mit jener Deiner Leser, auf die das vielleicht zutrifft. Ich wäre Dir sehr dankbar, wenn Du durch die konkrete Ansprache nicht den Andruck erwecken wolltest, ich brauchte eine Lektion von Dir in Ästhetik.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Du verwechselst mich offenbar mit jener Deiner Leser, auf die das vielleicht zutrifft. Ich wäre Dir sehr dankbar, wenn Du durch die konkrete Ansprache nicht den Andruck erwecken wolltest, ich brauchte eine Lektion von Dir in Ästhetik.

    Entschuldigung, lieber Rüdiger, Du vertrittst hier eine Auffassung, welche von vielen Anderen genau so auch vertreten wurde. Ich könnte jetzt die mit Deiner Aussage nahezu gleichlautenden Aussagen alle zitieren. Ich habe sie deshalb als symptomatisch für eine bestimmte Einstellung genommen, die hier vertreten wird, nämlich der Ratlosigkeit solchen Formen der Kunst gegenüber, woraus dann das voreingenommene Fehlurteil resultiert, eine solche Aufführung sei nur billige Unterhaltung und keine Ernst zu nehmende Kunst. Da ist es die Aufgabe des Ästhetikers, das an Ästhetik uninteressierte Publikum darauf hinzuweisen, dass es hier um ästhetische Fragen geht. Man sollte, wenn man im Heute und nicht nur im Gestrigen verwurzelt lebt, doch schon mal etwas von "Postmoderne" gehört haben. "Aktivieren wir die Widerstreite" hat Jean-Francois Lyotard als Maxime der Postmoderne formuliert. Wenn man also solche "Widerstreite" in einer postmodernen Inszenierung entdeckt (wie eben, dass sie die Gattungsgrenzen von Oper und Zirkus sprengt) und das nur privativ wertet als Ausdruck von Minderwertigkeit, dann bekundet man leider ein Defizit in Sachen ästhetischer Bildung. In einem Forum, das beansprucht, das "führende" seiner Art in Deutschland zu sein, sollte das gesagt werden dürfen. Klischeehafte Beurteilungen solcher künstlerischer Erscheinungen der Art, wie sie hier geäußert wurden, findet man überall im Netz - hier erlaube ich mir, auf ihre defizitären Hintergrund, was ästhetische Bildung angeht, hinzusweisen. An den Ansprüchen, die man allgemein erhebt, muss man letztlich bereit ein, sich auch selber messen zu lassen. Zu unterstellen, nach Begenz gingen nur die ungebildete Unterschicht und die Dummen, die nach seichter Unterhaltung suchen, was hier zu lesen war, ist nicht nur eine Beleidigung, sondern fällt auf dieses Forum zurück. Wer nur ein bisschen mehr Bildungshorizont besitzt und sich ein wenig mit Postmoderne beschäftigt hat, der kann mit guten Gründen anders darüber denken.


    Schöne Grüße

    Holger

  • Entschuldigung, lieber Rüdiger, Du vertrittst hier eine Auffassung, welche von vielen Anderen genau so auch vertreten wurde. Ich könnte jetzt die mit Deiner Aussage nahezu gleichlautenden Aussagen alle zitieren. Ich habe sie deshalb als symptomatisch für eine bestimmte Einstellung genommen, die hier vertreten wird, nämlich der Ratlosigkeit solchen Formen der Kunst gegenüber, woraus dann das voreingenommene Fehlurteil resultiert, eine solche Aufführung sei nur billige Unterhaltung und keine Ernst zu nehmende Kunst.

    Das, lieber Holger, habe ich ganz bewusst nicht getan. Du steckst mich jetzt in eine Schublade und argumentierst nach Vermutung und nicht nach Erkenntnis. Was weißt Du über meine angebliche Ratlosigkeit angesichts bestimmten Formen der Kunst? Nichts. Für mich ist die Sache jetzt erledigt. Ich werde meinen Beitrag mit der Begründung löschen, dass er von Dir dazu benutzt - wenn nicht gar missbraucht - wurde, Deine eigenen Thesen zu begründen. Das ist in hohem Maße unfair und unseriös.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


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  • Was weist Du über meine angebliche Ratlosigkeit angesichts bestimmten Formen der Kunst? Nichts.

    Jetzt werde ich langsam sauer! Ich habe Dir generell gar nichts unterstellt, sondern mich sehr konkret auf Deine Bewertung bezogen, die Du über diese Inszenierung gegeben hast und sie im Kontext mit anderen nahezu gleichlautenden Aussagen hier als symptomatisch genommen. Jetzt löschst Du einfach diesen Deinen Beitrag, so dass kein Leser mehr überprüfen kann, worum es ging, so dass dann an mir hängen bleibt, was Du mir unterstellst: Deine Ausage verdreht zu haben. Das ist unfair und unseriös, spottet jeder Beschreibung.


    Tamino hat sich damit endgültig blamiert, was ernsthafte Diskussionen über Oper angeht. Wenn man seriös und ernsthaft wird, reagieren die Untersteller, die gerne mit Trivialerklärungen bei der Hand sind, beleidigt.


    Und deshalb ist für mich hier endgültig Schluss. Das Tamino-Opernforum ist für mich damit erledigt. Mit mir ist so etwas nicht zu machen. Zumindest kann jetzt jeder Außenstehende sehen, was von Tamino in dieser Hinsicht zu halten - ein aufgeblasener Anspruch, hinter dem nichts als Anmaßung steckt und heiße Luft.

  • Die Moderatoren können meinen Beitrag gern wiederherstellen - wenn es denn der Wahrheitsfindung dient.

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  • Ohne hier in irgendeiner Weise Partei ergreifen zu wollen, finde ich das nachträgliche Löschen von Beiträgen, wenn darauf in einer Diskussion Bezug genommen wurde oder diese sogar zitiert wurden, sehr ärgerlich. Es erschwert das Verfolgen einer Diskussion erheblich. Man kann es auch richtigstellen, wenn man glaubt, sinnentstellend zitiert worden zu sein.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Wenn ich mich nicht sehr irre, ist dies wieder einmal ein Thread, der in Bälde im Nirwana verschwinden wird.

    Und ehrlich, es ist auch nicht schade drum!

    Es wäre sehr wünschenswert, wenn Dr. Kaletha seine Ankündigung, sich nicht mehr im Opernforum zu Wort zu melden, endlich einmal einhalten würde. Denn noch nie ging es ihm um Opern, (von denen er offen gestanden auch nicht viel Ahnung hat, das letzte Beispiel war Netrebko als Gilda - Möglichkeit), sondern darum, seine Aesthetik-Vorlesungen abzuhalten.

    Zu Stimmenliebhaber erspare ich mir eine Stellungsnahme .

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