In den letzten Tagen fiel im Karl Richter-Thread der Name des Dirigenten
Fritz Lehmann.
Fritz Lehmann kam am 17. Mai 1904 in Mannheim zur Welt.
Als Sohn eines Organisten kam er früh mit der Musik in Berührung. Im Alter von 14 Jahren begann er an der Hochschule für Musik seiner Heimatstadt mit dem Studium, das er ab 1921 an den Universitäten Heidelberg und Göttingen fortsetzte. Seine erste offizielle Stelle trat er 1923 als Chorleiter in Göttingen an, doch schon bald übertrug man ihm auch das Amt des Kapellmeisters der Stadt Göttingen. Daneben unterrichtet er an der renommierten Folkwang-Hochschule in Essen (1927-1929) sowie am Konservatorium von Hannover (1929-1938).
Noch während seiner Studentenzeit, im Wintersemester 1923/24, gab es erste Kontakte zu Oskar Hagen, dem Gründer und Leiter der 1920 ins Leben gerufenen Göttinger Händel-Festspiele. 1934 wurde Lehmann die Leitung dieser Festspiele übertragen. In dieser Funktion blieb er bis 1944, als er nach einem Konflikt mit dem zuständigen Kreisleiter der NSDAP von dem Amt zurücktrat. Außerdem bekleidet er das Amt des Generalmusikdirektors in Wuppertal (1939-1946).
Bereits 1946 übernahm er erneut die künstlerische Leitung des Göttinger Händel-Festivals, zu dessen hohem Niveau er in der Folgezeit entscheidend beitrug. Während dieser Zeit war er gleichzeitig Intendant des Städtischen Theaters. Sowohl die Festspiele mit ihrer inzwischen fast 100jährigen Tradition als auch das Göttinger Symphonie-Orchester haben Lehmann entscheidende Impulse zu verdanken und sind bis heute untrennbar mit seinem Namen verbunden.
Nachdem das Göttinger Stadttheater 1953 aus Kostengründen geschlossen wurde, wechselte Lehmann nach München und übernahm dort die Leitung einer Dirigentenklasse an der Hochschule für Musik.
Während der Aufführung von J.S. Bachs Matthäus-Passion am Karfreitag 1956 erlitt Fritz Lehmann einen Herzinfarkt, der zum sofortigen Tod führte. Nach kurzer Unterbrechung führte ein Ersatz-Dirigent die Aufführung zu Ende. Erst danach wurde das versammelte Publikum vom Tod Fritz Lehmanns in Kenntnis gesetzt.
Fritz Lehmann starb im Alter von 51 Jahren, am 30. März 1956, und wurde in Pullach bei München zur letzten Ruhe gebettet.
Ab 1950, praktisch zeitgleich mit der Einführung der Langspielplatte, schloß Fritz Lehmann einen Plattenkontrakt mit der Deutschen Grammophon Gesellschaft, zu deren führenden Dirigenten er in den Folgejahren gehörte. Lehmanns Repertoire war weitgespannt, es reichte vom Barock bis in die gemäßigte Moderne. Schwerpunkte seiner Aufnahmetätigkeit waren die Werke von Bach und Händel, aber es gibt auch zahlreiche Tondokumente mit Kompositionen von Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Brahms, Dvorak und Tschaikowsky u.v.a. Sie alle zu nennen würde den Rahmen sprengen. Viele seiner Aufnahmen wurden von "forgottenrecords.com" wieder veröffentlicht.
Die wohl bekannteste Tonaufnahme des Dirigenten dürfte diese sein:
Sie war in den 1950er Jahren weit verbreitet und hat viele Kinder erstmals an die Musik herangeführt.
Einige seiner bemerkenswertesten Aufnahmen möchte ich zum Schluß gerne vorstellen:
Hier jetzt ein Mitschnitt der Matthäus-Passion aus dem Jahr 1949:
und, last but not least, das letzte Schallplattenprojekt Lehmanns, das er - wie auch seine Münchener Aufführung der Matthäus-Passion 1956 - nicht zu Ende führen konnte:
J.S. BACH: Weihnachts-Oratorium BWV 248, aufgenommen 1955. Die CD erschien zum 100jährigen Jubiläum der DGG und enthält nur die Teile 1 & 2. Lehmann konnte auch noch die Teile 3 & 4 fertigstellen.
Teil 5 & 6 wurden nach Lehmanns Tod vom Chordirektor Günther Arndt, der an der Mitwirkung des Projekts von Beginn an beteiligt war, aufgezeichnet. Hier das komplette Werk:
Leider ist Fritz Lehmann nicht mehr in den Genuß der neuen Stereotechnik gekommen. Dieser Nachteil hat viel dazu beigetragen, daß sein Name bald mehr und mehr in Vergessenheit geraten ist. Das ist sehr bedauerlich, denn er war ein großer Künstler, der stets das Werk und nicht seine Persönlichkeit im Blickpunkt hatte. Vielleicht trägt dieser Thread dazu bei, ihn den interessierten Musikfreunden wieder in Erinnerung zu rufen.
LG Nemorino