Die Faszination der Zauberflöte - kritisch hinterfragt

  • Liebe Opernfreunde, liebe Mozartianer,

    Die Zauberflöte ist wohl unbestritten eines der bekanntesten und beliebtesten Werke der Opernliteratur, einige Zeit war sie umstritten, vor allem wegen ihres kruden Librettos, und das teilweise schon zur Zeit ihrer Entstehung. Die Musik indes wurde (völlig zu Recht) niemals in Zweifel gezogen.

    Wohl aber die Logik des Textes. Sie wurde angegriffen, bloßgestellt, widerlegt, es gab zahleiche Thesen, ja ganze Bücher.

    Im Anhang findet ihr eine Linksammlung zum Thema ZAUBERFLÖTE im Tamino Klassikforum der letzten 15 Jahre.

    23 davon waren bislang sogar nicht im Thread-Directory verzeichnet. Ich musste die ergoogeln, wodurch Google "aussergewöhnliche Aktivitäten" festgestellt hat - und ich musste mich als "Nicht-Roboter" identifizieren...

    Diese Threads wurden von mir heute ins Inhaltsverzeivchnis eingefügt.

    Kommen wir zur KERNFRAGE DIESES THREADs.

    Wie kommt es, daß ein derart unlogisches Libretto über 3 Jahrhunderte überdauert hat, ja daß das Werk sogar als "Einstiegsoper für Kinder" propagiert wird - womit ich eigentlich nicht einverstanden bin...

    Was macht die Faszination dieser Oper aus, die eigentlich auf hierarchischen Strukturen aufgebaut ist, "rassistische Züge" aufweist und teilweise "frauenfeindlich" (aus heutiger Sicht aufgebaut) ist. Ja, selbst das Fangen von Singvögeln ist heute verpönt. Ich habe noch keine "Kinderfassung" davon gesehen, frage mich aber was da alles geschönt wird, und wieviel von der eigentlichen Oper (eigentlich ein Singspiel) noch übrig bleibt.

    Den Monostatos hat man ja schon weiss gefärbt, was natürlich Eingriffe am Text bedingt..


    mfg aus Wien

    Alfred



    MOZART Wolfgang Amadeus: Die Zauberflöte (Referenzaufnahmen)

    MOZART Wolfgang Amadeus: Die Zauberföte - ein Machwerk ?

    MOZART Wolfgang Amadeus - Die Zauberflöte - Mozartopern von den Salzburger Festspielen 2006

    Hat die Zauberflöte eine Aussage ?

    Mozarts Zauberflöte: Mozarts beste Oper?

    Die Zauberflöte heute

    "Die Zauberflöte" - welch großartige Musik trotz grauenvollem Libretto

    Die Zauberflöte an der Scala, 4.9. 2016

    "Die Zauberflöte" als Film von Ingmar Bergman (ca. 1975)

    Referenzen und Alternativen seit 1990 - Mozart: Die Zauberflöte

    Bregenz 2013: "Die Zauberflöte"

    Mozart: Die Zauberflöte (New York 2006)

    Die Neuinszenierung der "Zauberflöte" aus Salzburg 2018

    Die Zauberflöte - Wiener Volksoper, 22.04.2017

    Mozart: Die Zauberflöte - Paris 2001

    Mozart: Die Zauberflöte - München 1978

    Die Unlogik in der Zauberflöte

    Legenden auf dem Prüfstand: Zauberflöte - Böhm (DG, 1964)

    https://www.tamino-klassikforum.at/?page=Thread&threadid=523

    WSO - Zauberflöte 25.12.2007

    Verfilmung der Zauberflöte

    Visuelle Kostbarkeiten - Mozart: Die Zauberflöte

    Mozart: Die Zauberflöte - - - St. Margareten Römersteinbruch 2019

    Die Zauberflöte – Oper im Spannungsfeld von Kirche, Illuminaten und Aufklärung?

    Die Zauberflöte "unterirdisch"

    Die Zauberflöte am Pranger – eine Spielwiese für Weltverbesserer???

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Text und Gehalt der "Zauberflöte" faszinieren mich ehrlich gesagt überhaupt nicht, ganz im Gegenteil: Ich ärgere mich jedes Mal über Frauenfeindlichkeit, ein antiquiertes Verständnis von Geschlechterrollen und über eine ziemlich dämliche und besonders im zweiten Teil langweilige Handlung. Das einzige, was mich fasziniert, ist die Musik - wie könnte es bei Mozart anders sein?

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Ich habe noch keine "Kinderfassung" davon gesehen

    Lieber Alfred,


    zumindest auf CD gibt es eine sogenannte "Kinderfassung". Musikalisch liegt ihr die alte Fricsay-Aufnahme zugrunde:



    Die gab es bereits auf LP, und ich habe sie in den späten 1970er Jahren für meine (damals) kleine Tochter angeschafft. In der Hoffnung, sie damit (und einigen ähnlichen Erzeugnissen) an "meine" Musik heranführen zu können. Hat aber nicht geklappt :(.

    Da die Platte nicht mehr in meinem Bestand ist, kann ich aktuell zum Inhalt wenig sagen. Ich habe sie vor geschätzten 35 Jahren letztmals gehört. Auf der Rückseite der CD gibt es eine kurze Inhaltsbeschreibung, die ich hier gerne wiedergebe:


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    Karlheinz Böhm war der Erzähler. Die Erstausgabe dürfte um 1970 herum erschienen sein. Im FonoForum-Klassikführer 1996 war zu lesen: "Jedes Kind kennt Schikaneders Märchenspiel um Gut und Böse - unter den Erwachsenen wird die Frage diskutiert, wer hier eigentlich gut, wer böse ist." Autoren wie Wolfgang Hildesheimer "MOZART" (Bibliotehk Suhrkamp, 1980) oder Alfons Rosenberg "Die Zauberflöte - Geschichte und Deutung von Mozarts Oper" (Prestel-Verlag, 1989) haben sich kritisch, zum Teil recht distanziert zu dem Werk geäußert.


    Die Oper selber ist sicher ursprünglich nicht für Kinder gedacht, wahrscheinlich hat eine Figur wie Papageno, aber auch Monostatos, dafür Pate gestanden. Der eigentliche Inhalt ist aufgrund seiner Widersprüchlichkeiten selbst für Erwachsene nicht leicht ergründbar.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Text und Gehalt der "Zauberflöte" faszinieren mich ehrlich gesagt überhaupt nicht, ganz im Gegenteil: Ich ärgere mich jedes Mal über Frauenfeindlichkeit, ein antiquiertes Verständnis von Geschlechterrollen und über eine ziemlich dämliche und besonders im zweiten Teil langweilige Handlung. Das einzige, was mich fasziniert, ist die Musik - wie könnte es bei Mozart anders sein?

    Ach wenn ich nicht in allem übereinstimme - so wird der Thread wenigstens durch Dich nicht langweilig.

    Wir stimmen zumindest darüber überein, daß der Text dümmlich und unlogisch ist. da können all die Behübschungs - und Rettungsversuche von Herrn Harnoncourt (er hat drüber geschrieben) nicht darüber hinwegtäuschen, ich hab es probiert, aber da gibts so viel was nicht zusammenpasst,.

    Da gibts z.B die Stelle, "Selbstmord strafet Gott an Dir" und dann ist wieder von ISIS und OSIRIS die Rede noch dazu vom Chor der Priester, die sich ja angeblich dem Freimaurertum verschrieben haben und der Aufklärung, zumindest wird das immer wieder behauptet. Ich weiss nicht ob ich mich getrauen darf es hier zu schreiben ohne wieder für blöd und uninformiert dargestellt zu werden, aber die Riten der Freimaurer erscheinen mir ohnedies etwas kindisch - um es sanft auszudrücken, ebenso wie zig Jahre später die "Rollenspiele" von Schumann mit seinem "Florestan" und "Eusebius".....

    Nicht nachvollziehen kann ich indes Deine Kritik an den Geschlechterrollen. Die entsprachen eben dem damaligen Zeitgeist - und ich habe den dunklen Verdacht - daß sich da - ausser bei den Grünen - nicht wesentlich viel geändert hat

    Immerhin hat man der "Königin der Nacht" ziemlich viel Macht zugestanden im Libetto-

    "Ein Weib tut, wenig, plaudert viel" - ich glaube das wird am Stammtisch noch heute - halb Scherz - halb ernst so gesagt.

    Schau Dir nur all die amerikanischen Sekten an, die hier Fuß zu fassen versuche - und scheinbar Erfolg haben - sonst wären sie längst wieder verschwunden.

    Un die Handlung ist in der Tat nicht aufregend.

    Die Musik allein ist aber auch keine Erklärung, den es gibt einige andere Mozartopern, die nicht so in der Publikumsgunst stehen - um es milde auszudrücken....


    mfg aus Wien

    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Die Musik allein ist aber auch keine Erklärung, den es gibt einige andere Mozart opern, die nicht so in der Publikumsgunst stehen - um es milde auszudrücken....

    Wer sagt denn, dass die Musik Mozarts in allen Werken dieselbe Popularität bewirken müsste? Die Zauberflöte (oder die kleine Nachtmusik) ist nun mal ohrwurmiger und unverwechselbarer als vieles andere, das deshalb nicht zwingend schlechter sein muss.

  • Was die Faszination der "Zauberflöte" ausmacht, ist natürlich eine Frage, die nicht mal eben so zu beantworten ist. Meine folgenden Überlegungen beinhalten nur Aufhänger, also Aspekte, die im Einzelnen einer deutlich komplexeren Herleitung bedürften, um Anspruch auf Überzeugungskraft zu haben. Das ist mir sehr bewusst, und so würde ich mich deshalb auch gerne verstanden wissen.


    Das allererste Wort richtet sich auch bei mir auf die Musik. Ich weiß nicht, ob es ein Werk gibt, das Mozarts Credo, Musik müsse für Kenner als auch Liebhaber attraktiv sein, so eindrucksvoll repräsentiert. Die musikalische "Buntscheckigkeit", also die stilistische Bandbreite, ist schlicht außergewöhnlich bis einzigartig. Nicht nur, dass auch das vordergründig einfache Strophenlied Papagenos in Wirklichkeit von beeindruckender Qualität ist (und ich wüsste nicht, wo man in der "Zauberflöte" echte musikalische Qualitätsabstriche begründen wollte): Jede stilistische Entscheidung Mozarts offenbart im musikdramatischen Zusammenhang einen Sinngehalt, bezieht sich also in stimmiger Weise auf das Geschehen und verleiht den Figuren einen großen Teil ihres wahrnehmbaren Profils, selbst wenn dies dem Zuschauer längst nicht immer bewusst ist. Und insgesamt nimmt das Publikum ja offenbar schon über 200 Jahre lang den Stilmix als in sich geschlossen wahr. Der Kenner findet überdies noch ein fruchtbares Betätigungsfeld darin, dass die "Zauberflöte" durchaus so etwas wie ein Sammelwerk bisheriger Operntraditionen ist, und sich daran nicht nur zeigt, wie umfassend Mozarts Blick auf die musikalischen Entwicklungen seiner Vergangenheit war, sondern mit welch unglaublicher Gestaltungskraft und Kreativität er dieses Wissen in eine künstlerisch originelle, überzeugende und zeitgemäße Form brachte - ohne jeglichen Anflug von Akademismus!

    Zu der Musik gehört auch, dass das Libretto natürlich seine Qualitäten hat. Anders ginge es nicht. Ich habe gerade im letzten Jahr einiges gelesen, das mich von der faszinierenden Subtilität des Wort-Ton-Verhältnisses an vielen Stellen völlig überzeugt hat. Dafür müsste man aber in die vertiefende Analyse gehen, und dafür ist hier jetzt nicht der Ort (von meiner Zeit ganz zu schweigen).


    Das Profil der Figuren hatte ich eben bereits kurz erwähnt. Sie sind im Wesentlichen allegorisch angelegt. Wenn man dies berücksichtigt, ergibt sich übrigens ein veränderter Blick auf einige "problematische" Verhaltensweisen oder auch Widersprüche. Das Schöne an ihnen ist aber, dass sie keine schematisch-plakative und damit "leblose" Allegorien, sondern sorgfältig auf menschlich verständliche Grunddispositionen hin entwickelt sind, die ganz offenbar als zeitlos empfunden werden.

    Die Figurenkonstellation ist nach meinem Verständnis ebenfalls meisterhaft, da sie ein konzentriert erstelltes Spannungsfeld ergibt, das einerseits als Ordnung begriffen werden kann, andererseits aber so viele Bezugsmöglichkeiten eröffnet, dass die Auseinandersetzung damit auch heute noch nicht erledigt ist - wie bei jedem Kunstwerk, das überzeitliche Dauer beanspruchen darf.


    Ich sehe es (wie in anderen Beiträgen weiter oben schon angesprochen) ebenfalls so, dass diese ganze Freimaurerei-Thematik inklusive Mysterieneinweihung usw. natürlich NICHT als Attraktivitäts-Plus aus heutiger Sicht (und damals wohl auch nur zu geringem Teil) zu werten ist. Wer von uns verbindet damit schon was Entscheidendes. Allerdings glaube ich, dass die Verschränkung des märchenhaften mit dem freimaurerischen Setting eben auch etwas beinhaltet, das reizvoll ist. Es entsteht dabei eine ebenfalls sehr originelle Mischung, die den Aspekt des Geheimnisvollen und natürlich auch "Exotischen" in sich trägt. Zudem lässt sich das humanistische und aufklärerische Gedankengut, das über die musikdramatische Handlung vermittelt wird, auch heute noch gut an Mann und Frau bringen - das Humanitätsethos kommt dabei ohne moralisierenden Zeigefinger daher, wird in den unterschiedlichen Figuren z.T. sogar "gebrochen" (Papageno) und wirkt damit auch menschlich zugänglich. Hinzu kommt die Liebe, die nicht nur empfindsam besungen, sondern sogar als stiftendes Prinzip einer neuen Ordnung erscheint: Erst das Paar (!) Pamina/Tamino erfüllt am Ende die Idee dieser neuen Ordnung - Sarastro verkörpert sie eben NICHT. Was man als Anknüpfungspunkt für ein Verständnis seiner Rolle nehmen könnte, welches nicht ständig über unlösbare Widersprüche stolpert. Jedenfalls: Nicht zuletzt das Prinzip der Liebe (hier überhaupt nicht erotisierend verstanden) führt am Ende zum Triumph über die alte Ordnung - auch das fühlt sich für ein Opernpublikum wohl nicht so ganz schlecht an. Es erscheint mir sogar eine unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg der Oper zu sein, denn die Mysterienhandlung bliebe sonst wahrscheinlich zu abstrakt, womöglich auch idealistisch-moralisierend - und damit wirkungslos. (Dass diese Ebene der Handlung aber durchaus sinnlich-fassbar gestaltet ist, wäre ein weiterer Pluspunkt.) Dennoch ist das mit der Liebe ja nicht nur ein wirkungstechnischer Kunstgriff. Mozart scheint in seinen letzten Lebensjahren erkannt zu haben, dass die Aufklärung nicht der humanistischen Weisheit letzter Schluss war - die empfindsame Liebe (das weist Borchmeyer sehr schön nach) war bei ihm nicht nur in der "Zauberflöte" menschlich unverzichtbares Programm. Es handelt sich hier also um einen Schlussakt der Überzeugung, und das vermittelt sich dem Betrachter ebenfalls. Welchen Einfluss allerdings genau Mozart auf das Libretto nehmen konnte, ist nicht mehr zu klären. Dass er dies tat und eine enge Zusammenarbeit mit Schikaneder erfolgte, ist u.a. durch Letzteren selbst allerdings verbürgt.

    Dass Schikaneders Bühnenerfahrung und -talent Mozarts letzter Oper sehr zugute kamen, sieht man z.B. an der gleichermaßen ökonomischen wie publikumswirksamen Nutzung der Bühne: Kunze widerlegt die Annahme einer "zufällig-durcheinandergewürfelten" Organisationsstruktur der Handlung durch den Hinweis auf das regelmäßige Alternieren von tiefer und kurzer Bühne als ordnungsschaffendes, motiviertes Prinzip. Dem entspricht übrigens auch das Alternieren der beiden Prinzipien Handlung/Bewegung und Kontemplation/Verharren, welches natürlich in Korrespondenz mit der musikalischen Komposition gestaltet ist.


    Die sog. "Bruchtheorie" scheint ja auf den ersten Blick eine problematische Seite des Werks zu betonen. Ganz davon abgesehen, dass einige bedeutende Autoren sie als widerlegt publizieren, bleibt aber natürlich dennoch das "Problem", dass ein Publikum sich stets aufs Neue mit den vordergründigen Widersprüchen des Geschehens konfrontiert sieht. Allerdings meine ich, dass der Erfolg der "Zauberflöte" unmöglich wäre, wenn diese Widersprüche das Gefühl für den inneren Zusammenhalt sprengen würden. Es ist ja - die Rezeptionsgeschichte zeigt es - definitiv nicht so. Ich selbst folge der Ansicht, dass gerade das Unterlaufen von Vorurteilen und Erwartungen, das Changieren der Perspektive, die Irritation über den Verlauf der Handlung und die Verhaltensweisen der Figuren Teil der Ausnahmestellung des Werks sind. Das mag sich für Skeptiker sehr unglaubwürdig anhören. Aber mittlerweile (und nach vielem Lesen) bin ich davon schlicht überzeugt, dass diese Oper auch in diesem Sinne des Perspektivwechsels "neu" war: Der Prozess des Ablegens von Vorurteilen zugunsten einer neuen Ordnung ist sowohl in der Handlung selbst (in erster Linie bei Tamino) als auch auf der Seite des zunächst "unaufgeklärten" Zuschauers wirksam.

    Lütteken gibt am Ende seiner lesenswerten Schrift "Mozart - Leben und Musik im Zeitalter der Aufklärung" eine Überlegung Goethes wieder, die eigentlich auf den "Don Giovanni" bezogen ist. Als ich sie las, musste ich allerdings sofort auch an die "Zauberflöte" denken. Es geht darin um die "Spannung zwischen dem Wahren, dem Wahrscheinlichen, dem Komischen und dem Tragischen in der Ganzheit (...) eines Kunstwerks". Davon lebt auch Mozarts letzte Oper sowie ihre überragende Wirkungsgeschichte.

  • Hallo und guten Tag,

    Ich glaube es ist in erster Linie die Musik.


    Auch ermöglicht seine Handlung jedem Besucher sie individuell für sich auszulegen.


    Ihr "Stoff" erlaubt und erträgt Inszenierungen und die buntesten Ausstattung ohne seinen Erkennungswert zu verlieren.


    Das ist doch schon mal viel Wert.

    MfG Wilfried

  • Lieber Leiermann, danke für die Ausführungen, die ich sehr schlüssig finde, Ralf Reck

    Oper lebt von den Stimmen, Stimmenbeurteilung bleibt subjektiv

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • In der Recherche zur mozartschen Zauberflöte bin ich auf diesen Thread gestossen. Anfangs macht Alfred Schmidt eine Übersicht der Threads zu Die Zauberflöte, die mir hilfreich ist.


    Ein Beitrag in diesem Thread hat mir besonders angetan, weil er dieser Oper in besonderem Masse gerecht wird. Die Faszination der Zauberflöte - kritisch hinterfragt


    Es sind die Worte von Leiermann, die mir das Werk in besonderer Weise nahe bringt.


    Ich danke für deine Ausführungen.

    Walter Benjamin hatte auf seiner Flucht einen Koffer bei sich. Was würdest du in deinen Koffer packen? Meiner ist gepackt.



  • Ich dachte, "La clemenza di Tito" sei noch später entstanden.

    Die entstanden doch eigentlich parallel. Jedenfalls liegt die UA der Zauberflöte etwa drei Wochen nach dem Tito...

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Die entstanden doch eigentlich parallel. Jedenfalls liegt die UA der Zauberflöte etwa drei Wochen nach dem Tito...

    Von der Uraufführung wusste ich das, aber bei der Entstehung war ich mir nicht sicher. Im Werkverzeichnis von Ulrich Konrad steht bei der Zauberflöte "begonnen vermutlich Frühjahr 1791, datiert Wien, Juli 1791, Ouvertüre und Marsch 28. September 1791", und bei La clemenza di Tito "begonnen Wien, vermutlich Mitte Juli 1791, datiert Prag, 5. September 1791". Ich weiß aber nicht, wie aktuell dieses Verzeichnis noch ist; meine Ausgabe ist immerhin schon 20 Jahre alt.

  • Von der Uraufführung wusste ich das, aber bei der Entstehung war ich mir nicht sicher. Im Werkverzeichnis von Ulrich Konrad steht bei der Zauberflöte "begonnen vermutlich Frühjahr 1791, datiert Wien, Juli 1791, Ouvertüre und Marsch 28. September 1791", und bei La clemenza di Tito "begonnen Wien, vermutlich Mitte Juli 1791, datiert Prag, 5. September 1791". Ich weiß aber nicht, wie aktuell dieses Verzeichnis noch ist; meine Ausgabe ist immerhin schon 20 Jahre alt.

    Ich kenne auch nur den relativ alten Stand von Mahling ("Mozarts Opern"). Die Zauberflöte wurde zwar eher begonnen und fast vollständig fertiggestellt, dann aber eben im Juli 1791 für den Tito unterbrochen und wie dieser erst im September abgeschlossen und erst danach uraufgeführt. Da wird es dann irgendwann schwierig festzulegen, welches Werk früher entstanden ist... Sicherlich sind große Teile der Zauberflöte früher.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Ich weiß nicht mehr, auf welcher Grundlage ich das damals mit der "letzten Oper" geschrieben habe. Eben rupfte ich mal ein bisschen Literatur dazu aus dem Regal. Da sprang mir mit als Erstes der Untertitel von Ekhart Wyciks Buch "Zauberflöte ... die unbekannte Bekannte - Freimaurerische Symbole, Strukturen und Musik in Mozarts letzter Oper" ins Auge.

    Und in der Einführung von Kurt Pahlen steht es, wie von Tristan2511 bereits dargestellt: Mozart "unterbrach" seine Arbeit an der ZF, um den "Tito" innerhalb kurzer Zeit komponieren zu können. Er wohnte dann wohl dessen Ua in Prag bei, und dann formuliert Pahlen: "Nach der sofortigen Heimkehr vollendet Mozart Die Zauberflöte (...)".


    Edit: Stefan Kunzes Wälzer "Mozarts Opern" ist schon sehr betagt (von 1984), aber Kunze legt sich auch auf das von Christian bereits kolportierte Datum fest: Ouvertüre und Priestermarsch seien am 28. September fertig gewesen.

    Und ergänzend zu meinen Quellen: Meine Ausgabe von Pahlens zuerst 1978 erschienener Einführung (Schott) ist von 2011, Ekhart Wyciks o.g. Buch immerhin von 2017.

  • Ich weiß nicht mehr, auf welcher Grundlage ich das damals mit der "letzten Oper" geschrieben habe.

    Es wurde bereits (fast) alles dazu hier geschrieben. KV sortiert (1) Zauberflöte KV 620 und (2) La Clemenza di Tito KV 621; also quasi „falsch herum“, wenn man die Daten der Uraufführungen bzw. Vollendung zugrunde legt. Gefolgt wird hier wohl den Einträgen in Mozarts eigenem „Verzeichnüß“:


    (Nr. 140) Die Zauberflöte - aufgeführt den 30t September [...]

    (Nr. 141) La Clemenza di Tito - aufgeführt in Prag den 6t September [...]


    Den Priestermarsch und die Ouvertüre hat Mozart wohl als Kleinigkeiten verstanden und erst als Nr. 142 den 28ten September nachgetragen, was er durchaus auch hätte lassen können, da die Oper ja bereits verzeichnet war; allerdings wird genau dadurch klar, daß die Zauberflöte erst nach Tito vollendet wurde, mithin die letzte Oper ist.


    Vor Jahren schwirrte mir auch der Satz „Nicht Titus, sondern die Zauberflöte ist Mozarts letzte Oper“ im Kopf herum und ich schwöre, daß der Satz ziemlich exakt so in einem Buch steht; damals habe ich das Suchen in meiner umfangreichen Bibliothek aufgegeben, hatte ich mich doch zuletzt auf H. C. Robbins Landons 1791 - Mozarts letztes Jahr irrtümlich „festgebissen“. Aber da ist der Satz:

    Zitat

    Nicht der Titus, nicht das Requiem: sein letztes Werk ist die Zauberflöte.

    Was ja so auch nicht stimmt, lieber Alfred Einstein (MOZART - Sein Charakter - Sein Werk - Kapitel IIIc „Die teutsche Oper“, S. 440 in meiner Fischer-TB-Ausgabe). Es folgt nämlich noch das Clarinettenkonzert (KV 622); das letzte vollendete Werk ist wohl die kleine Freimaurerkantate KV 623.

    Cnusper, cnusper, cnasam, qui cnusperat meam casam?
    (Hexa dixit)

  • Der Beitrag von "Leiermann" ist hochinteressant. Aber wie es selbst schreibt, sind seine Bemerkungen nur Teilaspekte.

    Die Wirkung und Wertschätzung war zu verschiedenen Zeit eine andere Graf Zinzendorf, ein Opernkenner und Liebhaber zur Zeit Mozarts schreibt über den inhalt "Eine Farce" - lobt aber die Musik.

    Die Oper (eigentlich ein Singspiel) wurde allerdings vorzugsweise von den unteren Schichten besucht, da Schikaneders "Theater an der Wieden" ein Vorstadttheater war. Die Oper wurde zur Zeit der Uraufführung auch "Maschinenoper genannt - in Anspielung auf die (für die damalige Zeit) aufwändige Bühnentechnik. Das Werk ist eine Mischung aus Wiener Volkskomödie (wobei Papageno und Papagena entfernte Vorbilder in der Commedia del arte haben dürften)

    Oft wird vermutet, daß es si Mischung aus Erhabenem, Feierlichem und Volkstümlichen den Erfolg ausmachte. Ich glaube nicht wirklich daran.

    Denn wäre das der Fall, dann müssten die "Schwesternstück" wie "Der Stein der Weisen" oder "Der wohltätige Derwisch, aber auch der 2. Teil der Zauberflöte über Jahrhunderte erfolgreich sein.

    Sind sie aber nicht - obwohl von der Handlung nach dem selben Strickmuster. Schikaneder wollte an den Erfolg der Zauberflöte anknüpfen. Zauberopern standen in jenen Tagen hoch im Kurs. Was ihnen aber fehlt ist die Musik Mozarts. Hier als "Gütesiegel" verstanden, denn die anderen Opern sind musikalisch auch recht ansprechend, einige Arien sollen sogar auch von Mozart sein (was aber nicht wirklich bewiesen ist) aber die "Marke" Mozart fehlt.

    Das sollte man nicht vergessen. Als Parallelbeispiel möchte ich dei sogenannte "Kindersinfonie" erwähnen, die über Ewigkeiten Joseph Haxdn zugeschrieben und bewundert wwurde. Seit man weiß, daß sie nicht von Haydn ist wird sie dem Vergessenwerden preisgegeben...


    mfg aus Wien

    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Die sog. "Bruchtheorie" scheint ja auf den ersten Blick eine problematische Seite des Werks zu betonen. Ganz davon abgesehen, dass einige bedeutende Autoren sie als widerlegt publizieren, bleibt aber natürlich dennoch das "Problem", dass ein Publikum sich stets aufs Neue mit den vordergründigen Widersprüchen des Geschehens konfrontiert sieht.

    Ich sehe da keinen Bruch. Jeder einigermaßen gute Krimi benutzt den Trick der Täuschung. Da regt sich auch niemand drüber auf. Offenbar war Schikaneder dahingehend seiner Zeit voraus (?). Wenn man das natürlich als Bruch darstellt, verblasst Schikaneders Kunst dann auch sehr schnell. Immerhin hat Schikaneders 2. Theil der Zauberflöte eine gewisse, nicht wegdiskutierbare, Zeit lang durchgehalten - im Gegensatz zu Goethes kläglichem Versuch, dem Werk eine Fortsetzung zu geben. Wenn ich den Goethe-Mist lese, frage ich mich echt, ob der noch alle Latten am Zaun hatte und was an Schikaneder so schlecht sein soll? Immerhin hat Goethe den Wert des Werks erkannt, was ihm bei Schubert nicht gelang.


    Im Prinzip sind beide Opern relativ zeitgleich entstanden; es gibt auch jede Menge musikalische Parallelen: man vergleiche bloß die Chöre (Tito: „Servate o dei custodi“ mit Zauberflöte: „Es siegte die Stärke“ usw ...), zumindest die jeweilige Schlußgruppe/Kadenz ist komplett identisch („-tá, di nostra etá ...“ vs. „Kron', mit ewiger Kron' ...“ - sogar gleiche Tonart Es-Dur, aber auch die Instrumentierung ist weitestgehend gleich).

    Cnusper, cnusper, cnasam, qui cnusperat meam casam?
    (Hexa dixit)

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