Aufnahmen des 21. Jahrhunderts: Wolfgang Amadeus Mozart - Requiem in d-Moll (KV 626)

  • Wenn ich 10 Musikstücke auswählen müsste, um sie auf die berühmte einsame Insel mitzunehmen, wäre Mozarts Requiem sicherlich dabei. Umso glücklicher bin ich, dass in neuerer Zeit einige maßstäbliche Aufnahmen erschienen sind, die in puncto künstlerische Qualität mindestens ebenso gut sind wie ihre Vorgänger aus dem 20. Jahrhundert und sich aufnahmetechnisch auf dem höchsten Niveau bewegen.

    Harnoncourt, Concentus Musicus Wien, Arnold Schönberg Chor

    Als erstes nenne ich hier Harnoncourts zweite Einspielung des Requiems aus dem Jahre 2003 (erschienen auf SACD). Sie ist mir ebenso lieb und teuer wie die ältere Aufnahme von 1982. Das Solistenquartett steht dem der älteren Aufnahme nicht nach, und der Arnold Schönberg Chor ist ein deutlicher Gewinn gegenüber der Konzertvereinigung Wiener Staatsoperchor. Interpretatorisch ziehe ich Harnoncourts ungestümere frühere Aufnahme vor, aber das mag daran liegen, dass ich mit ihr dieses Werk kennen und lieben gelernt habe.


    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Currentzis, MusicAeterna, The New Siberian Singers

    Die zweite für mich Maßstäbe setzende neuere Aufnahme ist sehr umstritten, sie hat auch hier im Forum glühende Anhänger (wie mich) und Verächter. Die Musikkritik hat darauf, wenn ich es richtig im Blick habe, überwiegend mit Begeisterung reagiert. An anderer Stelle ist einiges dazu gesagt worden, hier will ich sie nur nennen. Sie entstand 2010.


    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Butt, Dunedin Consort

    Im angelsächsischen Sprachraum wurde diese Aufnahme aus dem Jahr 2013 (auf SACD erschienen) sehr positiv aufgenommen und sogar mit einem Grammy ausgezeichnet. In unseren Landen scheint sie mir nicht die ihr gebührende Aufmerksamkeit gefunden zu haben, zumindest gilt das für dieses Forum. John Butt verwendet hier zum ersten Mal die Neuedition der Süssmayr-Fassung des Requiems durch David Black. Ziel der Aufnahme war es, der Uraufführung in Stil und Orchesterbesetzung möglichst nahe zu kommen. Wie auch immer man das beurteilen mag, das Ergebnis kann sich auf jeden Fall hören lassen.


    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • In unseren Landen scheint sie mir nicht die ihr gebührende Aufmerksamkeit gefunden zu haben, zumindest gilt das für dieses Forum.

    Dieses Forum ist freilich ein gewisser Sonderfall. Sieger bleiben hier die alten Böhm-Aufnahmen. :D Und in diesem Falle nicht zu Unrecht. Aber die sind eben nicht 21. Jahrhundert ...

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Sieger bleiben hier die alten Böhm-Aufnahmen.

    Böhm und Mozart? Nein danke! || Aber darüber zu streiten ist hier nicht der passende Ort.


    Was gibt es noch für hörenswerte Aufnahmen seit 2000?

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Was gibt es noch für hörenswerte Aufnahmen seit 2000?

    Die hier von 2008. Vielleicht die beste Einspielung mit Knabenchor:



    Ruth Ziesak, Monica Groop, Thomas Cooley, Thomas Laske

    Windsbacher Knabenchor
    Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
    Karl-Friedrich Beringer

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Die hier von 2008. Vielleicht die beste Einspielung mit Knabenchor:



    Ruth Ziesak, Monica Groop, Thomas Cooley, Thomas Laske

    Windsbacher Knabenchor
    Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
    Karl-Friedrich Beringer

    Interessanter Hinweis, lieber Josef. Ich muss gestehen, dass ich überhaupt keine Einspielung des Requiems mit Knabenchor kenne, und ich bin auch skeptisch, ob das Ergebnis mir gefallen würde. Aber hineinhören werde ich doch mal, wenn sich die Gelegenheit bietet.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • An anderer Stelle schon erwähnt, darf natürlich auch hier der Verweis auf die Einspielung von René Jacobs nicht fehlen, der sicher einer profiliertesten, aber auch ein umstrittener Mozart-Dirigent ist:



    Ich finde diese Aufnahme vor allem interessant, weil man hier eine Fassung gewählt hat, für die der französische Komponist Pierre-Henri Dutron die Süßmayr-Ergänzungen "im Geiste Mozarts" umgeschrieben hat. Vieles klingt hier anders als in der gewohnten Fassung. Interpretatorisch finde ich diese Aufnahme allerdings weniger gelungen, da weniger dramatisch als etwa Currentzis.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Da die meisten Cover-Bilder durch Platzhalter ersetzt wurden :(, hier noch einmal eine Aufstellung der Aufnahmen:





    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • zu Guttenberg, Orchester der KlangVerwaltung, Chorgemeinschaft Neubeuern


    Enoch zu Guttenberg ist ein Dirigent, der hier im Forum wenig Beachtung findet. Meiner Meinung nach zu Unrecht. Diese Aufnahme des Requiems, auf die ich erst vor kurzem aufmerksam wurde, ist eine wirkliche Bereicherung der Diskografie. Mozart glaubte nicht an die Auferstehung, so zu Guttenbergs im Beiheft geäußerte Überzeugung, und so ist das Requiem in seiner Lesart eine harte, oft düstere Auseinandersetzung mit dem Tode, fernab von jedem Versuch, dieses Werk als "schöne Musik" aufzuführen. Ein weiterer Pluspunkt dieser Einspielung ist die exzellente Klangqualität (ich hörte die Multichannel-Tonspur der SACD).

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

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  • zu Guttenberg, Orchester der KlangVerwaltung, Chorgemeinschaft Neubeuern


    Enoch zu Guttenberg ist ein Dirigent, der hier im Forum wenig Beachtung findet. Meiner Meinung nach zu Unrecht. Diese Aufnahme des Requiems, auf die ich erst vor kurzem aufmerksam wurde, ist eine wirkliche Bereicherung der Diskografie. Mozart glaubte nicht an die Auferstehung, so zu Guttenbergs im Beiheft geäußerte Überzeugung, und so ist das Requiem in seiner Lesart eine harte, oft düstere Auseinandersetzung mit dem Tode, fernab von jedem Versuch, dieses Werk als "schöne Musik" aufzuführen. Ein weiterer Pluspunkt dieser Einspielung ist die exzellente Klangqualität (ich hörte die Multichannel-Tonspur der SACD).

    Hallo Bertarido, oh ja wahrlich eine suggestive Einspielung!:thumbup:

    Mich hat damals dies Erläuterung bewogen es haben zu wollen.......


    Zitat

    Crescendo 05 / 06: "Zum Mozart-Jubiläum zeigt der Dirigent Enoch zu Guttenberg gemeinsam mit der 'Chorgemeinschaft Neubeuren' und dem Orchester der 'KlangVerwaltung', dass Mozarts Sarkasmus und seine Subversion auch nicht vor der Kirche halt machen. So sentimental er das 'Lacrimosa' dirigiert, so lautstark hadert er im 'rex tremendae' mit der Allmacht Gottes. 'Das Requiem ist kein Vergnügen', sagt Guttenberg, 'wir leben in einer Zeit, in der die erschütterndsten Aussagen zum immer abrufbaren schönen Konsumgut herabgewürdigt und vermarktet werden. Genau das sind sie aber nicht. Vor lauter Kunstsinn sieht man bei einem Isenheimer Altar bald nur noch darauf, wie toll der gemalt ist. Darum ging es Matthias Grünewald aber nicht. Seine Kunst dient als Vermittlerin einer Botschaft. Genauso wie Mozarts Requiem.' Und das bringt Guttenberg auch in Klang."

    ......und es hat sich zweifellos gelohnt!


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Sicherlich die aktuellste Aufnahme wird diese Einspielung sein:

    Am 25. Januar 2020 vor der Corona-Zeit entstand die Aufnahme des mozartschen Requiems KV 626 während eines Live Konzertes "In Memorian Marris Jansons". Der Aufführung liegt die Vervollständigung von Franz Xaver Süßmayr und Howard Arman zugrunde. Zudem erhält der Hörer Vesperae solennes de confessore KV 339 sowie Libera me, Domine, die Liturgischen Ergänzungen zum Mozart-Requiem für Chor und Orchester von Sigismund Ritter von Neukomm (1778-1858).


    Auf der zweiten CD gibt es eine Werkeinführung sowie ein Interview mit dem Dirigenten Howard Arman.


    Die Interpreten sind Christina Landshamer, Sophie Harmsen, Julian Pregardien, Tareq Nazmi, Chor des Bayerischen Rundfunks, es spielt die Akademie für Alte Musik Berlin.


    Bis 30.11.20 erhält man die Doppel CD zum reduzierten Preis.


    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928