Dvorak: Sinfonie Nr.2 B-Dur op.4 – Dvoraks Gelegenheitssinfonie

  • Es muss ja nicht immer ein TOP-Werk sein, für das man einen neuen Beitrag erstellt. Wie wir nachvollziehbar im Dvorak-Sinfonien-Ranking sehen, steht die Sinfonie Nr. 2 an letzter Stelle.


    Dvoraks Sinfonie Nr.2 wurde kurz nach seinem 24.Geburtstag im Jahre 1965 fertig gestellt. Aufgrund seiner scharfen Selbstkritik hatte er seine Sinfonie Nr.1 c-Moll von 1864 vernichtet. Er glaubte glaubte, der Autograph sei verbrannt, sodass diese nun sein sinfonischer Erstling ist.

    Die Zweite steht unter dem Eindruck der einseitigen Zuneignung zu seiner Klavierschülerin Josefina Cermakova, die Schwester seiner späteren Frau. Ausserdem hatte der Besuch Richard Wagners zwei Jahre zuvor in Prag Einflüsse auf Dvorak.


    Erst 23 Jahre später im Jahre 1888 wurde das Werk bei Simrock verlegt und zu Lebzeiten Dvoraks nach intensiver Revision am 11.März 1988 einmal aufgeführt.


    Die Sinfonie hat die klassischen 4 Sätze:

    1. Allegro con moto
    2. Poco adagio
    3. Scherzo: Allegro con brio
    4. Finale: Allegro con fuoco

    Es ist nebenbei die längste Dvorak-Sinfonie. Das macht sich leider auch beim Hören bemerkbar, denn es gibt zu viele Leerlaufpassagen; es geschieht zu wenig. Die Themen sind nicht gerade ohrwurmtauglich … für eine Stunde Dauer irgendwie zu flach. Das Scherzo hätte straffer sein können. Erst das Finale hat einige packende Stellen und einen fetzigen Schluss mit feurigen Pauken.



    Die Aufnahmen:

    Zitat von Swjatoslaw

    Zu meiner Überraschung fand ich beim Durchforsten meiner CD-Sammlung doch tatsächlich eine Einspielung von Dvoráks Sinfonie Nr. 2 Es-Dur mit Gennadij Roshdestwenskij und dem Sinfonieorchester des Kulturministeriums der UdSSR in einer Live-Aufnahme vom 26.2.1985, veröffentlicht in dieser Box:


    Nachdem ich diese Sinfonie nun erstmals gehört habe, sage ich: "Nicht schlecht, Herr Specht!". Dvorák erreicht mit dieser frühen zweiten Sinfonie nicht die kompositorische Klasse seiner Sinfonien Nr. 7 bis 9, aber das kann man von Beethoven oder Schubert ebenso sagen (ohne dass deswegen Schuberts oder Beethovens jeweilige Sinfonien Nr. 2 zu vernachlässigen wären). Man sollte sich also vielleicht doch mal stärker mit den frühen Dvorák-Werken befassen.


    Ohne einen Vergleich zu irgendeiner anderen Aufnahme dieser Sinfonie zu haben, weiß ich natürlich nicht, wie gut Rosh seine Sache im Vergleich zu den "üblichen Verdächtigen" Kubelik, Kertész, Neumann etc. macht. Angesichts der unüberhörbaren Schwächen des Werks drängt es mich jedenfalls nicht nach dem Kauf einer weiteren Aufnahme. Eine Zweite reicht mir.


    Diese Dvorak 2 mit Roshdestwensky habe ich auch in dieser "Hammer-CD-Box". Roshdestwensky treibt der Sinfonie Nr.2 schon durch den russischen Orchsterklang das Überromanische aus, was ihr IMO gut bekommt. Dazu tragen die saftigen Blechbläser, wie auch die präsenten Paukenstellen deutlich bei. Die Zweite erfährt damit für mich durch Rosddestwensky eine gewisse Aufwertung; macht sie zumindest interessanter, als sie ist. Besonders das Finale gelingt Roshdestwensky fabelhaft bombastisch. Im Prinzip ist man mit Roshdestwensky gut bedient.


    Was mir weniger gefällt sind die recht ausgewalzten Spielzeiten bei Roshdestwensky zu meinen Vergleichsaufnamen mit Kertesz (Decca) und Kubelik (DG).
    Vom Tempogefühl habe ich bei der Sinfonie Nr.2 bei diesen beiden Sinfonien_GA einen angemesseneren Eindruck.
    Roshdestwensky braucht alleine für die Kopfsätze mehr als und 2Minuten länger. Kertesz ist gleich im 1.Satz angenehm zügiger und nimmt den 3.Satz Scherzo-Allegro con brio in nur angemessenen 11:05. Die Sinfonie Nr.2 ist ja eigentlich zu lang geraten und wenn das dann noch durch ausgewalztes Tempo verlängert wird ...


    Spielzeiten Rosh...: 18:47 - 15:59 - 13:59 - 13:31
    Spielzeiten Kertesz: 16:27 - 14:06 - 11:05 - 11:34


    Besonders Kertesz trifft die goldene Mitte um der Sinfonie das Langatmige auszutreiben und aus der Partitur noch etwas Schmackes raus zu holen. Ausserdem ist diese Decca-Aufnahmen die Klangbeste aus meiner 3er-Auswahl.


    Decca 1963-1966, ADD






    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Lieber Wolfgang,


    ich muß gestehen, daß Dvoraks Sinfonien, von den populären Nr. 7 bis 9 abgesehen, bisher bei mir ein Schattendasein führen. Ich besitze bis heute keine einzige Gesamtaufnahme, aber eine riesige Auswahl der drei letzten. Wenn's eine von Fricsay oder Szell gäbe, dann wäre das bestimmt anders!


    Von den frühen Sinfonien habe ich nur die Nr. 1 mit Kubelik (DGG, aus der "Galleria"-Reihe), Nr. 4 mit Vaclav Neumann (eine Supraphon-Produktion von 1959) und schließlich die Nr. 5 mit Mariss Jansons (EMI). Keine davon hat mich so recht begeistern können. Vielleicht habe ich mich auch zu wenig damit beschäftigt, doch manchmal kommt ja gleich beim ersten Hören das "Erweckungserlebnis". Das ist bei mir ausgeblieben.

    Ich habe Deinen Einführungsbeitrag mit Interesse gelesen. Was mich bei der Nr. 2 gleich ein bißchen abschreckt, ist die Länge. Ich mußte gleich an Beethovens EROICA denken! Wenn ich sehe, daß Du von "Leerlaufpassagen" sprichst, so reizt mich das auch nicht gerade zur Anschaffung.


    Am ehesten könnte mich noch Kertesz interessieren, aber von dem gibt es sie nicht als Einzel-CD, und eine GA kommt schon aus Platzgründen für mich nicht in Betracht.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Diese Dvorak 2 mit Roshdestwensky habe ich auch in dieser "Hammer-CD-Box".

    Ich frage mich grad, lieber Wolfgang, ob die Aufnahme in der Box, dort angeblich mit dem Symphonieorchester des Kulturministeriums der UdSSR, identisch ist mit meiner Version von Audiophile Classics:



    Hier wird das Orchester als Großes Rundfunk- und Fernseh-Symphonieorchester der UdSSR Moskau deklariert, also faktisch das RSO Moskau und heutige Tschaikowski-SO des Moskauer Rundfunks. Als Aufnahmedatum ist 1986 vermerkt.


    Die

    Spielzeiten Rosh...: 18:47 - 15:59 - 13:59 - 13:31

    deuten sehr stark darauf hin, denn sie sind praktisch identisch: 18:54 - 16:06 - 14:06 - 13:30

    Nun wäre es interessant zu erfahren, welches Orchester es wirklich ist. Eigentlich ist ja dasjenige des Kulturministeriums naheliegender, denn diesem stand Roschdestwenski zwischen 1981 und 1992 als Chefdirigent vor. Das RSO Moskau hingegen ist ja das Orchester von Fedossejew. Welches Aufnahmedatum gibt denn die Brilliant-Box an?


    Wie dem auch sei: Wir sind uns einig, die Aufnahme ist großartig. Ich hörte sie vor ein paar Wochen seit langem mal wieder und muss gestehen, dass Roschdestwenski dieses Werk enorm aufwertet. Er dürfte ein gewisses Interesse daran gehabt haben, da er ansonsten von Dvorák m. W. nur die Neunte dirigierte - und wie. Die Melodija-Einspielung aus den frühen 70ern ist absoluter Hammer.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Spielzeiten Rosh...: 18:47 - 15:59 - 13:59 - 13:31
    Spielzeiten Kertesz: 16:27 - 14:06 - 11:05 - 11:34


    Besonders Kertesz trifft die goldene Mitte um der Sinfonie das Langatmige auszutreiben und aus der Partitur noch etwas Schmackes raus zu holen. Ausserdem ist diese Decca-Aufnahmen die Klangbeste aus meiner 3er-Auswahl.


    Gestern habe ich mir die Kertesz-Aufnahme erstmal über Kopfhörer zu Gemüte geführt.

    Offen gesagt: die Aufnahme von Neeme Järvi mit dem Royal Scottish Symphony Orchestra gefällt mir deutlich besser:


    1.) Klanglich eine sehr gute Aufnahme (von 1986/87);

    2.) Außerdem ist er noch flotter unterwegs:


    Die Spielzeiten: 13:34; 13:03; 11:51; 9:41


    Die erste Symphony mit Kertesz hat mich ehrlich gesagt enttäuscht.


    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)

  • RE: Roshdestwensky

    Nun wäre es interessant zu erfahren, welches Orchester es wirklich ist. Eigentlich ist ja dasjenige des Kulturministeriums naheliegender, denn diesem stand Roschdestwenski zwischen 1981 und 1992 als Chefdirigent vor. Das RSO Moskau hingegen ist ja das Orchester von Fedossejew. Welches Aufnahmedatum gibt denn die Brilliant-Box an?

    Es ist schon seltsam, dass sich Roshdestwensky für diese LIVE-Konzert gerade ausgerechnet für die Sinfonie Nr.2 entschieden hat, lieber Josef.

    Klar wird es die gleiche Konzertaufnahme sein (wie man bereits an den gleichen Spielzeiten sieht, die nur wegen der unterschiedlichen CD-Label Brillant und Audiophile Classics sekundenmässige Unterschiede hat).

    Die haben die Aufnahme irgendwo ausgegraben und die Orchesterbezeichnung nicht genau übersetzt ... und die Angabe 1986 kann C1986 sein.

    Die Aufnahme klingt nicht schlecht; vielleicht etwas hallig. Wie man daraus eine Audiophile CD machen kann, ist schon etwas überzogen, verkauft sich aber gut.


    Brillant gibt das Orchester des Kultusministeriums der UDSSR Moskau mit dem AD 26.Februar 1985 an (wie es auch unser geschätzter Ex-Tamino Swjatoslaw in seinem Zitat angegeben hatte).

    Bei mir sind in der Brilli-Box (CD2) noch 2 Ouvertüren von Robert Volkmann - Richard III und Louis Spohr - Faust Ouvertüre auf der CD, die Roshdestwensky auch mit Pfeffer dirigiert - diese mit dem Moskauer Staatlichen Student SO.



    Die Sinfonie Nr.2 mag wirklich nicht so lohnend sein wie die Anderen, lieber nemorino.

    Aber ich habe heute die Kertesz-Aufnahme (Decca) aus der GA gehört und danach die CD laufen lassen - :) gleich folgte ein Lichtblick, denn die Sinfonie Nr.3 war aus ganz anderem Holz geschnitzt und ich habe sie mit Hörspass ganz bis zu Ende gehört.

    Also wenn eine Dvorak-Sinfonien-GA dann wirklich Kertesz (Decca), bei der alles von Int bis Klang auf der positiven Seite ist !


    :D Ich kann ja Deine Platzprobleme verstehen, aber diese Decca-GA ist gerade mal so dick wie 2CD-Case nebeneinander.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Die erste Symphony mit Kertesz hat mich ehrlich gesagt enttäuscht.

    Hallo Maurice,


    freut mich, dass Dir N.Järvi so gut gefällt bei der Sinfonie Nr.1.

    Ich finde die Sinfonie Nr.1 nun nicht so aufregend, dass ich mir nun noch eine weitere GA kaufen würde/müsste/sollte/werde.


    Aber ich hatte im Thread zur Sinfonie Nr.1 berichtet, wie astrein und überzeugend die Kertesz-Aufnahme (Decca) gegenüber der Kubelik-Aufnahme (DG) ausgefallen ist.

    Aber hier muss ich aufgrund des Repertoires nun sagen: Jetzt ist Schluss mit lustig ... und da halte ich es wie in der TV-Sendung Höhle der Löwen: Ich bin hier raus !!!

    Mir reicht Kertesz voll und ganz.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ich kann ja Deine Platzprobleme verstehen, aber diese Decca-GA ist gerade mal so dick wie 2CD-Case nebeneinander.

    Lieber Wolfgang,


    ich werde mir die Sache überlegen, aber wie ich schon sagte, haben mich die frühen Dvorak-Sinfonien, die ich kenne, alle nicht vom Hocker gehauen. Und von den Nrn. 7 bis 9 habe ich fast schon zu viele!

    Ich weiß noch ganz genau, warum ich mir seinerzeit die Sinfonie Nr. 4 mit Vaclav Neumann gekauft habe, noch beim guten alten SATURN! Im RONDO-Magazin gab's mal eine Rubrik "Meine Platte", und die wollte ich soeben im entsprechenden Thread einfügen, als Erklärung, warum ich sie überhaupt gekauft habe.


    Und da sah ich zu meiner großen Verwunderung, daß Uranus im #2 exakt diesen Text eingefügt hat! Lange ist das her, es war 2006.

    Doch trotz dieser überschwenglichen Rezension habe ich mich nicht so recht für das Werk erwärmen können. Ich muß aber zugeben, daß ich es mindestens 10 Jahre nicht mehr gehört habe, also ist mal wieder "Nachsitzen" angesagt.


    Die von Dir gerühmte Dritte kenne ich überhaupt nicht :untertauch:, so daß ich vielleicht doch noch eine günstige GA kaufen werde.


    Schönen Abend nach Bonn,

    Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • freut mich, dass Dir N.Järvi so gut gefällt bei der Sinfonie Nr.1.


    Auch bei Sinfonie No 2 gefällt mir Järvi eindeutig besser – auch besser als L. Pesek! :hello:


    Die Spiel-Zeiten sind ja im Beitrag #4 nachzulesen …

    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)

  • Die von Dir gerühmte Dritte kenne ich überhaupt nicht :untertauch:, so daß ich vielleicht doch noch eine günstige GA kaufen werde.

    Lieber Nemorino,


    das tu' mal, denn es lohnt sich.


    Mit der 1. Sinfonie kann ich nicht so viel anfangen, aber danach ist es sehr interessant, Dvorak auf seinem "sinfonischen Weg" zu begleiten. Im Dvorak-Sinfonien - - Gesamtaufnahmen -Thread wirst Du einige Anregungen finden können, ich persönlich würde die Gesamtaufnahme mit Otmar Suitner empfehlen:


    bzw.


    Mit Istvan Kertesz' Gesamtaufnahme machst Du allerdings auch nichts verkehrt.


    Gerade ist eine neue Aufnahme mit Pietari Inkinen und der Deutschen Radio Philharmonie, dessen Chefdirigent er seit 2017 ist, erschienen:



    Die Aufnahme kenne ich allerdings (noch?) nicht. Heimlich still und leise scheint eine neue Gesamtaufnahme der Sinfonien zu entstehen...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Ich höre die zweite Symphonie in dieser Einspielung:



    Eine sehr dynamische, vorwärtsdrängende, stürmische Aufnahme, auch klangtechnisch sehr gut realisiert. Vladimír Valék dirigiert das Prager Radio Symphonie Orchester sehr spannungsreich, ich finde auch, dass es keinen Leerlauf oder langatmige Stellen gibt, mir scheint die Symphonie sehr dicht und stimmungsvoll zu sein. Eine farbenreiche Musik, die viele Bilder vor mir entstehen lässt.

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Aufgrund seiner scharfen Selbstkritik hatte er seine Sinfonie Nr.1 c-Moll von 1864 vernichtet. Er glaubte glaubte, der Autograph sei verbrannt, sodass diese nun sein sinfonischer Erstling ist.

    Ich kenne die Geschichte anders, nämlich aus einem Booklet, da wird geschrieben, er habe die erste zu einem Wettbewerb gesandt

    und weder Antwort noch die Partitur zurück erhalten. Daraufhin habe er seine 2, um die es hier geht zur Nr 1 erklärt.

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,


    im Textheft meiner Kertesz-GA (Decca) steht es so, wie in meinem von Dir geposteten Zitat.

    Aber ist ja egal, die Partitur der Ersten war für Dvorak weg geglaubt und er schrieb dann 1865 die Sinfonie B-Dur, die er zur Sinfonie Nr.1 machen wollte.

    Wie wir wissen ist es die Sinfonie Nr.2 B-Dur op.4



    Hallo Norbert,


    die von Dir gezeigte Neuaufnahme mit Inkinnen (SWRmusic) hat angemessene Spielzeiten, die ihr die Längen austreiben sollten.

    Aber wie gesagt, von dem Repertoire frühe Dvorak-Sinfonien muss ich nun nicht noch weitere Sinfonien-GA haben, weil Kertesz (Decca), wie Du auch bestätigst, voll ausreicht und zufriedenstellt. Da bin ich raus !


    Ich finde diese auch erheblich besser, als die Kubelik - GA (DG), die ich nur am Rande erwähnt habe. Das Kertesz unbedingt vorzuziehen ist, zeigte sich inzwischen gerade bei den frühen Sinfonien und ganz krass bei der Sinfonie Nr.4.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Lieber Wolfgang,


    falls ich mir die Inkinen-Aufnahme zulegen sollte, dann in erster Linie wegen der Ouvertüren. Ich hatte mir gestern die 2. und 3. Sinfonie, dirigiert von Istvan Kertesz, angehört und, um ehrlich zu sein, wenn Du von "Längen" bei der 2. Sinfonie schreibst, dann ist Dir wenig zu widersprechen. ;) Der "Qualitätssprung", den er ab der 3. Sinfonie gemacht hat, ist schon deutlich hörbar.


    Zur Kubelik-Gesamtaufnahme greife ich auch sehr selten. Das hat allerdings weniger mit den Interpretationen zu tun, sondern eher mit der Klangtechnik der DGG in einigen Aufnahmen der 60er, 70er. Der bassarme und höhenbetonte Klang der Aufnahmen führt, wie auch bei den Mahler-Aufnahmen Kubeliks, zu einer "Leichtgewichtigkeit" im Ausdruck, mit der ich nicht so viel anfangen kann.


    Zum Glück hat Orfeo Konzertmitschnitte der Sinfonien 6-9 veröffentlicht, so dass man sich ein wesentlich besseres Bild vom Dvorak Interpreten Rafael Kubelik machen kann.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Wenn wir hier schon über Gesamtaufnahmen reden, dann wundert es mich, dass die beiden besten bisher nicht erwähnt wurden, nämlich die absolut idiomatischen Einspielungen von Václav Neumann mit der Tschechischen Philharmonie. Er hat die Symphonien zweimal komplett aufgenommen, einmal in den 70ern in analog und etwas später (ich glaube in den 80ern, müsste ich zuhause nachsehen) in digital.



    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Wenn wir hier schon über Gesamtaufnahmen reden, dann wundert es mich, dass die beiden besten bisher nicht erwähnt wurden, nämlich die absolut idiomatischen Einspielungen von Václav Neumann mit der Tschechischen Philharmonie. Er hat die Symphonien zweimal komplett aufgenommen, einmal in den 70ern in analog und etwas später (ich glaube in den 80ern, müsste ich zuhause nachsehen) in digital.

    Da nimmst Du mir ab, lieber Bertarido, darauf hinzuweisen. Ich habe beide Aufnahmen! Neumann und Dvorak mit der wunderbaren Tschechischen Philharmonie - das kann man bei Dvorak nicht übertreffen! :)


    Schöne Grüße

    Holger

  • Ich habe mit heute die Zweite - Op 4 - um die es hier geht und in der spärlichen Literatur drüber nachgelesen. Das ergibt folgendes Bild:

    Die Sinfonie Nr1 hat Dvorak zu einem Wettbewerb gesandt, aber weder Antwort noch seine Partitur zurück erhalten. Er hielt sie für verloren, obwohl sie in einem Dresdner Antiquariat aufgetaucht war wo sie jemand kaufte (wovon Dvorak indes nichts wusste) sie tauchte erst 1923 im Nachlass des Käufers auf und wurde erst weitere 23 Jahre später, 1936 uraufgeführt.


    Und nun kommen wir zur Sinfonie Nr 2 op 4.

    Sie war EBENFALLS verschollen, Drvorak glaubte er habe sie - neben diversen anderen Werken, die seiner Kririk nicht standhielten, vernichtet.

    Aber Mitte der 80er Jahre fand er sie wieder und unterzog sie einer Revision. Das ist die Fassung in der sie heute (wenn überhaupt) gespielt wird.

    Zu Dvoraks Lebzeiten war das übrigens nur einmal der Fall. Und das ist so ziemlich das einzige was die meisten Nachschlagewerke dazu zu sagen haben.

    Lediglich ein alter Wiener Konzertführer von ca 1975 meint, die Sinfonie werde "wegen ihrer zahlreichen melodischen Einfälle" in letzter Zeit wieder öfter aufgeführt. (??)

    Auch der Konzerführer Csampai/Holland bestätigt die Vielfalt an Melodien und sagt der Sinfonie einen lyrischen Grundcharakter nach, etwas das ich auch bemerkt habe, trotz einger Versuche Dvoraks "aggressive Stellen" einzubauen - aber Grundcharakter bleibt elegisch-lyrisch.

    Und in der Tat gibt es zahlreiche sehr eingängige Stellen, allerdings sind sie IMO nicht gut zur Wirkung gebracht.

    Dvorak selbst soll die Sinfonie übrigens sehr geschätzt haben, das beweise, daß er Themen daraus in "Rusalka wiederverwendet hat...


    Man muß das strenge ablehnende Urteil von "Teleton" relativ sehen, Aus meiner Sicht fehlt diese rSinfonie so ziemlich alles worauf er persönlich Wert legt, vor allem "Effekte"

    Der schönste Satz ist übrigens IMO der dritte (Scherzo)


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich liebe diese Sinfonie heiß und innig - und es ist wohl die einzige meiner zehn Lieblingssinfonien, die ich noch nie live erleben konnte. Ich finde die thematische Fülle einfach hinreißend. Das geht mit dem herrlichen "Sonnaufgang" am Anfang los (zumindest geht da bei mir die Sonne auf wenn ich das hören), dann die durchgängige pulsierende Lebendigkeit, die herrlichen Wendungen in der "Szene am Bach" (so assoziiere ich analog zu Beethoven den 2. Satz), dann das wirklich wunderbare Scherzo mit seinem "Amsterdam"-Rhythmus und dann der vierte Satz mit seinem irritierenden Beginn, und diesem siegesgewissen herausgeschleuderten Aufgang zur Bekräftigung, kurz vor Ende dann in der Tat eines der Hauptmotive der erst Jahre später geschriebenen Hauptoper "Rusalka" - für mich die meistunterschätzte Sinfonie ever. Brahms hätte aus der Füle dieses Materials 10 Sinfonien komponiert.


    Im Übrigen bevorzuge ich bei dieser Sinfonie ganz klar die Kubelik-Aufnahme. es scheint in der Tat unterschiedliche Fassungen von ihr zu geben.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ich liebe diese Sinfonie heiß und innig

    Dann freut es mich umso mehr, daß ich diesen Thread gefunden und neu belebt habe .:hello:

    Zuerst habe ich die Aufnahme unter Gunzenhauser gehört - und war nicht wirklich hingerissen. (Ich habe die Kubelik Aufnahem nicht gleich gefunden)

    Danach hab ich begonnen den Beitrag uzu schreiben und habe gleichzeitig die inzwischen aufgetauchte Kubelik Aufnahme gehört. Und da wurde mir bewusst, daß das Werk weit unterschätz ist. Einer der Autoren hat übrigens angemerkt, daß die zweite Sinfonie die bessere sei, der Fortschritt sei hörbar. Es wird auch immer wieder erwähnt, daß sie - ohne epigonal zu sein - sowohl von Beethoven als auch von Wagner beeinflusst sei....


    Vielleicht ist es gelungen den einen oder anderen Mitleser für diese Sinfonie zu interessieren...

    Die Gesamtausgabe werden ja doch einige haben....


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !