Vorbemerkung.
Natürlich entspricht das dem thread "Was hört ihr gerade?". Natürlich bin ich dort regelmäßig zu Gast, aber immer wieder erstaunt über das Repertoire und die Hörgewohnheiten der anderen Taminos. Ich frage mich ja, woher das alles kommt und wann man das alles hört. Damit ihr mich recht versteht: das ist überhaupt keine Kritik, sondern Erstaunen darüber, wie verschieden der Geschmack der Klassikhörer hier ist.
Meine Hörgewohnheiten sind die, dass ich nicht vieles höre, aber das zu Hörende viel. Als Beispiel führe ich mal die Haydn-Sinfonien an. Ich habe sie alle gehört (bis 88 in der Hogwood-Aufnahme, danach als HIP-Aufnahmen verschiedener Ensembles; nur 105 scheint verschollen zu sein). Ich habe es nach Nummern gemacht, nicht historisch nach Kompositionsjahr. Zehn Mal hören war Minimum, eher mehr. Dann, wenn ich diese Sinfonie "konnte", kam die nächste dran, auf die ich mich wie ein kleiner Junge gefreut habe. Natürlich hat das 5 Jahre gedauert, aber es hat sich gelohnt. Entwickelt hat sich diese Methode von selbst. Es begann mit einer Aufnahme des WDR der Jenufa. Ich glaube, mein Tonband musste das Stück 50x wiedergeben, bis ich zufrieden war. Danach konnte ich den Text auswendig und das meiste mitsingen. Janacek ohne häufiges Hören ist nicht möglich.
Das Repertoire hier im oben genanntenThema ist weit gefächert, allerdings sind die meisten Sachen aus der Periode nach Bach. Meine Lieblingsperiode ist aber inzwischen die vor Bach, also Schütz, Monteverdi, Cavalli und die ganze Periode der Vokalpolyphonie bis zurück auf Machaut. Einer der Gründe für diese Vorliebe ist das häufige Singen dieser Werke, denn da gehen Häufigkeit der Proben und gutes Singen Hand in Hand.
Polyphonie ist am Anfang schwer, daher muss man hier mehr üben als bei anderen Werken. Das Schöne an dieser Musik ist, dass jede Stimme gleichberechtigt ist und man als Tenor richtig tolle Sachen singen kann und nicht nur die Füllung für den 1. Sopran bildet. Der Nachteil ist, dass man höllisch aufpassen muss, denn wenn man rauskommt, kommt man erst im nächsten Satz wieder rein. Selbst für trainierte Ensembles gibt es die höllisch schweren Komponisten wie Ockeghem, Josquin, Orlando di Lasso und Gesualdo. Palestrina dagegen ist relativ leicht.
Auch wenn wenn ich einen etwas speziellen Geschmack habe, möchte ich betonen, dass ich meinen Beethoven, Bach, Mozart (gerade ist noch der 27.1., Mozarts Geburtstag), Bruckner, Mahler, Prokofiew natürlich auch kenne und liebe. Die höre ich aber lieber inzwischen live, etwa in Essen, wo die Philharmonie mein neues Zuhause ist: tolles Programm, tolle Akustik, zivile Preise (mit Nebenkosten 40 Euro für eine Weltklasseaufführung von Händels "Orlando" (darüber werde ich noch berichten).